E-Book, Deutsch, Band 11, 216 Seiten
Reihe: Deutsche Ausgabe
Guénon / Steinke Einblicke in traditionelle Formen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7583-7993-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Deutsche Ausgabe Band 11
E-Book, Deutsch, Band 11, 216 Seiten
Reihe: Deutsche Ausgabe
ISBN: 978-3-7583-7993-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Grundlage der traditionellen Lehre ist die Überzeugung, dass sich alles Wissen von einer einzigen Quelle ableitet, die als das anfängliche oder das göttliche Prinzip angesehen wird. Im Laufe der Zeit tritt eine Verdunklung dieses Wissens auf, da sich alles, was Teil der Manifestation ist, immer weiter weg von diesem Prinzip bewegt. Daher ist es notwendig, dass die traditionelle Lehre immer wieder neu an die jeweils herrschenden Bedingungen angepasst wird, um den Menschen den Zugang zum höchsten Prinzip zu erhalten. Diese Anpassungen führen dazu, dass im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten traditionellen Formen entstanden und auch wieder in Vergessenheit geraten sind. Trotz der äußerlichen Unterschiede oder Gegensätze, die sich beim Vergleich von Traditionen wie dem Hinduismus, Taoismus, Islam oder der jüdischen und christlichen Lehre auftun, gibt es im Inneren dieser Lehren viele Gemeinsamkeiten, die ungeachtet aller Anpassungen an die zeitlichen und räumlichen Umstände erhalten geblieben sind. Die vorliegende Studie "Einblicke in traditionelle Formen" fasst Veröffentlichungen von Réne Guénon zusammen, in denen er diesen traditionellen Grundsätzen nachgeht. Sie erstrecken sich über ein großes Themenspektrum und umfassen Betrachtungen zur esoterischen Lehre des Islam, zur Kabbala, zu den Zyklen von Atlantis und Hyperboräa sowie grundsätzliche metaphysische Themen und die spezielle Anwendung dieser Grundsätze im traditionellen Handwerk und den Künsten. Guénon weitet mit diesen Veröffentlichungen unseren Blick, so dass es uns möglich wird, in all dieser Vielfalt die Spuren der unvergänglichen traditionellen Lehre entdecken zu können. Nach über 20 Jahren der Vorbereitung macht die 14-bändige deutsche Ausgabe die meisten Veröffentlichungen René Guénons erstmals in deutscher Sprache zugänglich und ermöglicht es, dem interessierten deutschsprachigen Leser tiefer in die traditionelle Denkweise und die Lehre der metaphysischen Prinzipien vorzudringen.
René Guénon (1886 -1951) sah sich als Übermittler und Botschafter einer traditionellen Lehre, die seit Anfang der Menschheitsgeschichte unverändert wirkt. Die in ihr enthaltenen Wahrheiten zeigen sich als metaphysische oder göttliche Prinzipien, die je nach Zeit und Ort in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Sie bilden die Grundlage dessen, was man in den einzelnen Traditionsformen wie dem Hinduismus, Taoismus, Islam oder Christentum heute noch finden kann. Seit 1909 veröffentlichte er eine Vielzahl an Artikeln und Bücher und unterhielt bis zu seinem Tod einen regen Briefverkehr mit seinen Lesern. Seine Werke hatten nie einen großen Leserkreis, führten aber dennoch dazu, dass die traditionelle Sichtweise im modernen Westen wiederentdeckt wurde und sich verbreiten konnte.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Atlantis & Hyperboräa
In der Zeitschrift Atlantis (Ausgabe Juni 1929) schreibt Paul Le Cour einen Kommentar zu einer Bemerkung von uns, in der wir die Unterscheidung zwischen Hyperboräa und Atlantis gegen jene rechtfertigen, die beide zu einem „hyperboräischen Atlantis“ zusammenfassen.1 Auch wenn diese Bezeichnung auf Le Cour zurückzuführen ist, waren unsere Bemerkungen nicht ausschließlich an ihn gerichtet, da er nicht der Einzige ist, der sich in diesem Punkt irrt. Die gleiche Verwechslung lässt sich auch bei anderen Autoren wie Hermann Wirth finden, der beispielsweise den Begriff „nordatlantische Tradition“ verwendet, um die Region zu bezeichnen, in der sich die anfängliche Tradition entwickelt hat.2 Allerdings ist Le Cour unseres Wissens der einzige Autor, der behauptet, wir hätten die Existenz eines derartigen „hyperboräischen Atlantis“ anerkannt. Dies ist jedoch nicht der Grund für den hier vorliegenden Artikel, da aus unserer Sicht Dinge, die sich lediglich auf Personen beziehen, von untergeordnetem Interesse sind. Wir möchten vielmehr unsere Leser vor falschen Auslegungen warnen, was auch immer sie für eine Quelle haben. Abgesehen davon sind wir sehr verwundert darüber, wie Le Cour zu seinen Schlussfolgerungen kommen konnte. Er schreibt uns sogar die Aussage zu, dass sich der Nordpol ursprünglich nicht dort befunden habe, wo er heute zu finden ist, sondern in einer der umgebenden Regionen wie Island oder Grönland. Wir können unsererseits eine derartige Aussage nicht nachvollziehen und sind uns sicher, dass wir zu einem derartigen Thema niemals auch nur einen Satz geschrieben haben. Es handelt sich dabei auch um einen völlig nachrangigen Punkt, der sich mit der Frage beschäftigt, ob es eine Verschiebung des Poles seit dem Beginn unseres manvantara gegeben hat oder nicht.3 Wir haben daher aus gutem Grund nie versucht, seine ursprüngliche Lage näher zu bestimmen, was aus heutiger Sicht auch nur sehr schwer möglich wäre. Le Cour schreibt in seinem Artikel in der Folge, dass entgegen des von uns so hervorgehobenen Hinduismus „der Ursprung aller Traditionen im Westen liegt“. Dies ist jedoch nicht richtig, da wir immer betonen, dass dieser Ursprung polar ist und der Pol weder dem Westen noch dem Osten zugeordnet werden kann. Und es ist wohl offensichtlich, dass Norden und Westen zwei unterschiedliche Himmelsrichtungen sind. Erst in einem späteren Zeitalter wurde der Sitz der ursprünglichen Tradition in eine andere Region verlegt, so dass als Folge davon gesagt werden kann, dass ihr Sitz zu gewissen Zeiten westlich und zu anderen Zeiten östlich war. Die letzte Verlagerung, die lange vor den Zeiten stattgefunden haben muss, die heutzutage als „historisch“ gelten und die überdies die einzigen sind, die der Forschung der weltlichen Geschichtsschreibung zugänglich sind, führte dazu, dass dieser Sitz in den Osten verlagert wurde. Wir möchten auch betonen, dass der Hinduismus selbst in der Veda und anderen heiligen Schriften lehrt, dass der Ursprung der Tradition im Norden liegt.4 Das Land, bei dem die Sonne „um den Horizont kreist, ohne unterzugehen“, muss sich sehr nahe am Pol befunden haben oder direkt der Pol selbst gewesen sein. Es wird auch gesagt, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Vertreter dieser Tradition in eine Region übergesiedelt seien, in der der längste Tag doppelt so lang wie der kürzeste war. Dies bezieht sich jedoch bereits auf eine nachfolgende Phase, die geographisch sicher nicht mehr mit Hyperboräa gleichzusetzen ist. Le Cour liegt jedoch möglicherweise richtig, wenn er zwischen einem südlichen und einem nördlichen Atlantis unterscheidet, auch wenn nicht zu klären ist, ob sie ursprünglich vereint waren oder nicht. Aber auch in diesem Fall hat das „nördliche Atlantis“ nichts mit Hyperboräa zu tun. All diese Betrachtungen werden noch dadurch erschwert, dass im Laufe der Zeit die gleichen Bezeichnungen für völlig verschiedene Regionen verwendet wurden. Und diese Namen bezeichneten nicht nur aufeinander folgende Örtlichkeiten des anfänglichen Zentrums, sondern wurden auch für nachrangige Zentren verwendet, die aus ihnen mehr oder weniger direkt hervorgegangen sind. Wir haben diese Schwierigkeit in unserer Studie Der König der Welt näher betrachtet und auf der Seite, auf die sich Le Cour bezieht, dazu folgendes geschrieben: Es ist jedoch wichtig, zwischen dem Tula, das mit Atlantis verbunden wird, und dem Tula der Hyperboräer zu unterscheiden. Letzteres stellt das ursprüngliche und höchste Zentrum für die Gesamtheit des heutigen manvantara dar. Es handelte sich dabei um das „heilige Land“, was wörtlich zu verstehen ist, da es den Pol darstellte. All die anderen „heiligen Inseln“, die an anderen Orten und in anderen Traditionen zu finden sind, stellen davon nur nachrangige Abbilder dar. Dies gilt auch für das geistige Zentrum der Tradition von Atlantis, da dieses nur in einem nachrangigen Zyklus unseres manvantara zum höchsten Zentrum wurde. Dazu hatten wir noch folgende Fußnote ergänzt: Eine der Hauptschwierigkeiten, den Übergangspunkt von der Tradition von Hyperboräa zu der von Atlantis bestimmen zu können, liegt in den vielen Vermischungen von Namen aus beiden Traditionen. Sie führen zu großer Verwirrung, aber vielleicht lässt sich dies eines Tages doch noch auflösen.5 In Bezug auf diesen Übergangspunkt hatten wir in erster Linie das Druidentum vor Augen. Aber genau zu diesem Thema lässt sich erneut in der Zeitschrift Atlantis (Ausgabe Juli-August 1929) ein weiterer Beweis dafür finden, der zeigt, wie schwierig es manchmal ist, sich verständlich auszudrücken. Zum „dreifachen Einschluss“, über den wir in der Juni Ausgabe einen Artikel geschrieben hatten, schreibt Le Cour folgendes:6 Die Bedeutung dieses Zeichens wird auf ein rein druidisches Symbol beschränkt. Es ist aber wahrscheinlich älter und geht über die Welt der Druiden hinaus. Wir sind allerdings weit davon entfernt, daraus ein rein druidisches Symbol zu machen und haben dies in dem genannten Artikel auch weiter ausgeführt: Und die Tatsache, dass dieses Bild nicht nur unter den Kelten verbreitet war, deutet darauf hin, dass auch andere Traditionen Hierarchien hatten, die auf derselben Unterteilung aufgebaut waren. Dies ist auch nicht weiter überraschend, da die Einteilung der Initiation in drei Grade die häufigste ist, auf die man treffen kann, so dass sie auch als die grundlegendste angesehen werden kann.7 Um jedoch eine Aufeinanderfolge bestimmen zu können, müsste man zuerst in der Lage sein, die Epoche genauer festzulegen, in der das Druidentum vorherrschend war. Wir vermuten, dass diese weiter zurückliegt als allgemein angenommen wird, da sich ein bedeutender Teil der Tradition der Druiden auf eine hyperboräische Abstammung zurückführen lässt. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, um noch eine weitere wichtige Anmerkung zu machen. Wenn wir hier von „hyperboräisch“ sprechen, so entspricht dies dem Sprachgebrauch, der seit den antiken Griechen in Verwendung ist. Aber die Verwendung dieses Wortes zeigt, dass bereits in der klassischen Epoche der Antike der Sinn für die ursprüngliche Bezeichnung verloren gegangen ist. Es wäre im Grund ausreichend, „boräisch“ zu sagen, was ein genaues Gegenstück zur Sanskrit Bezeichnung Varaha oder zu dessen weiblicher Form Varahi ist, wenn es um das Gebiet eines Landes geht. Es bezeichnet das „Land des weißen Ebers“ während einer Periode des Aufstiegs der Kshatriyas, die Parashurama beendete.8 Im Folgenden möchten wir noch einige Worte zu den Fragen ergänzen, die Le Cour in seinen beiden Anmerkungen stellt. Die erste bezieht sich auf die Swastika und er behauptet, wir würden daraus „ein Zeichen für den Pol“ machen.9 Wir möchten Le Cour hier nicht zu nahetreten, aber es ist wichtig, die Dinge so zu sehen, wie sie sind: Für uns ist Le Cour ein „Suchender“ (und damit sollen seine Verdienste keinesfalls abgewertet werden), der seine Entdeckungen mit Erklärungen ergänzt, die seinen persönlichen Ansichten folgen (und die in manchen Fällen als weit hergeholt bezeichnet werden müssen). Er kann dies natürlich tun, da er keiner Tradition angehört und daher auch nicht auf die Kenntnisse zurückgreifen kann, die aus einer direkten traditionellen Übertragung stammen. In anderen Worten gesagt, beschäftigt er sich mit Archäologie, wogegen wir uns mit der Wissenschaft der Initiation befassen, was zwei Sichtweisen sind, die selbst dann nicht miteinander in Übereinstimmung kommen können, wenn sie exakt das gleiche Thema behandeln. Wir möchten daher klarstellen, dass wir aus der Swastika kein „Zeichen des Poles machen“,...