E-Book, Deutsch, Band 14, 456 Seiten
Reihe: Deutsche Ausgabe
Guénon / Steinke Traditionelle Symbolik
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7583-9122-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Deutsche Ausgabe Band 14
E-Book, Deutsch, Band 14, 456 Seiten
Reihe: Deutsche Ausgabe
ISBN: 978-3-7583-9122-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Band "Traditionelle Symbolik" vereint Untersuchungen, die René Guénon zwischen 1926 und 1950 in verschiedenen französischen Zeitschriften zum Thema der traditionellen Symbolik veröffentlicht hat. Ihnen gemeinsam ist der Versuch, dem Leser verschiedene Aspekte jener Symbolik näher zu bringen, die über den weltlichen oder religiösen Bereich hinausgeht. So ist das Kennzeichen dessen, was man als traditionelle Symbolik bezeichnet, die ihren Symbolen innewohnende metaphysische Bedeutung. Durch sie wird ihre direkte Verbundenheit mit den höchsten geistigen Wahrheiten deutlich, von denen sich diese Symbole ableiten. Sie vermitteln dem, der über die notwendigen Vorkenntnisse und die geeigneten geistigen Fähigkeiten verfügt, einen Eindruck des "Unausdrückbaren" oder des höchsten metaphysischen Prinzips. Diese höchste Bedeutung der Symbolik ist heutzutage jedoch im Westen weitgehend verloren gegangen. Guénons Untersuchungen sind daher ein wertvoller Beitrag, dieses Wissen, das früher in der traditionellen Wissenschaft und Symbolik noch präsent war, in unserer Zeit wiederzubeleben. Mit der Veröffentlichung der vorliegenden Sammlung über "Traditionelle Symbolik" steht ein profundes Werk über verschiedenste Arten und Aspekte der Symbolik zur Verfügung, dessen breites Themenspektrum in heutiger Zeit seinesgleichen sucht. Auch jene Leser, die sich bereits eingehender mit den Studien Guénons beschäftigt haben, werden hier eine Fülle neuer und vertiefender Informationen zur vielfältigen und komplexen Bedeutung der Symbolik und ihrer Verbindung zur Metaphysik finden. Nach über 20 Jahren der Vorbereitung macht die 14-bändige deutsche Ausgabe die meisten Veröffentlichungen René Guénons erstmals in deutscher Sprache zugänglich und ermöglicht es, dem interessierten deutschsprachigen Leser tiefer in die traditionelle Denkweise und die Lehre der metaphysischen Prinzipien vorzudringen.
René Guénon (1886 -1951) sah sich als Übermittler und Botschafter einer traditionellen Lehre, die seit Anfang der Menschheitsgeschichte unverändert wirkt. Die in ihr enthaltenen Wahrheiten zeigen sich als metaphysische oder göttliche Prinzipien, die je nach Zeit und Ort in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Sie bilden die Grundlage dessen, was man in den einzelnen Traditionsformen wie dem Hinduismus, Taoismus, Islam oder Christentum heute noch finden kann. Seit 1909 veröffentlichte er eine Vielzahl an Artikeln und Bücher und unterhielt bis zu seinem Tod einen regen Briefverkehr mit seinen Lesern. Seine Werke hatten nie einen großen Leserkreis, führten aber dennoch dazu, dass die traditionelle Sichtweise im modernen Westen wiederentdeckt wurde und sich verbreiten konnte.
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2. Wort und Symbol
Wir haben immer wieder auf die Bedeutung der Symbolik bei der Übertragung traditioneller Lehren hingewiesen und möchten nun zu diesem Thema zurückkehren, um ihm noch einige weitere Details hinzuzufügen und deutlich zu machen, aus welchen verschiedenen Blickwinkeln es betrachtet werden kann. Die Symbolik lässt sich durch die Vermögen der menschlichen Natur besonders gut erfassen, da diese nicht rein geistig sind, sondern eine sinnlich wahrnehmbare Grundlage benötigen, von der sie sich zu höheren Bereichen erheben können. Der Aufbau des Menschen muss daher so genommen werden wie er ist: als Einheit einerseits und als Vielfalt in seiner gesamten Komplexität andererseits. Man neigt dazu, dies zu übersehen, vor allem seit Descartes seine Lehre über die absolute und strikte Trennung zwischen Seele und Körper verbreitet hat. Betrachtet man die rein geistige Intelligenz, so ist keine äußere Ausdrucksform notwendig, damit ihr die Wahrheit verständlich wird. Auch für die Weitergabe des Verstandenen sind derartige Ausdrucksformen auf der Ebene der geistigen Intelligenz überflüssig. Dabei muss man allerdings einschränken, dass dies nicht auf den Menschen zutrifft. Jeder Ausdruck und jede Ausformulierung – was auch immer es sein mag –, ist eine Ausdrucksform und grundsätzlich gesehen ein Symbol des Gedankens, den es nach außen hin darstellen soll. So verstanden ist auch die Sprache selbst nichts anderes als Symbolik. Daher sollte man keinen Unterschied zwischen der Verwendung von Wörtern und Bildern als Symbole machen, da sich diese Ausdrucksweisen vielmehr ergänzen (tatsächlich müssen sie miteinander kombiniert werden, da die Schrift in ihrer ursprünglichen Form auf einer bildhaften Darstellung beruhte, die teilweise bis heute erhalten geblieben ist, wie man am Beispiel von China sehen kann). Die Sprache als solche ist wie der menschliche Gedanke „analytisch“ oder „diskursiv“, so dass sie das geeignete Instrument ist, diesem zu folgen und ihn so genau wie möglich auszudrücken. Die Symbolik ist im Gegensatz dazu auf Synthese bedacht und somit „intuitiv“, was sie besser dafür eignet, Dinge auszudrücken, die für die geistige Eingebung gedacht sind. Diese Art der Eingebung ist höher als die Vernunft, so dass man darauf achten muss, sie nicht mit der Art der niederen Eingebung zu verwechseln, auf die sich die Philosophen beziehen. Wenn man sich mit diesem Unterschied zwischen Sprache und Symbolik nicht zufriedengeben kann und unbedingt wissen möchte, welche die überlegene Ausdrucksform ist, so kann es nur eine Antwort darauf geben: die Symbolik. Sie eröffnet Vorstellungsmöglichkeiten, die nahezu unbegrenzt sind, wogegen der Sprache aufgrund ihrer definierten Bedeutungsinhalte immer mehr oder weniger enge Verständnisgrenzen gesetzt sind. Daher ist es nicht richtig, wenn man sagt, dass die Symbolik nur für den gewöhnlichen Menschen geeignet sei. Es ist vielmehr das Gegenteil korrekt: Sie ist für alle Menschen gleichermaßen gut geeignet, da sie jedem entsprechend dem Maße seiner geistigen Möglichkeiten hilft, die Bedeutungen zu verstehen, die sie mehr oder weniger vollständig und tiefgehend enthält. Die höchsten Wahrheiten, die als solche nicht mitteilbar sind, können dennoch bis zu einem gewissen Grad übertragen werden, wenn sie durch Symbole verkörpert sind, die sie zwar zweifellos für viele verbergen, sie aber umgekehrt für jene in all ihrer Brillanz zeigen, die zum Sehen fähig sind. Bedeutet dies, dass die Verwendung von Symbolen eine Notwendigkeit ist? Hier muss man folgende Unterscheidung machen: Auf absolute Weise gesehen ist keine äußere Form notwendig, da alles bedingt und nebensächlich zu dem ist, was es in seinem Wesen darstellt. Daher kann man nach der Lehre des Hinduismus jegliches Bild wie beispielsweise eine Statue, die einen der göttlichen Aspekte symbolisiert, nur als eine „Unterstützung“ und einen Anfangspunkt für weiteres Nachsinnen ansehen. Nach diesem Verständnis ist jedes Symbol nichts anderes als eine Hilfe. In dieser Hinsicht macht ein vedischer Text einen Vergleich, der die Rolle von Symbolen und äußeren Formen verdeutlicht: Es wird gesagt, dass Äußerlichkeiten wie das Pferd seien, das es dem Menschen ermögliche, eine Reise schneller und mit weniger Mühe hinter sich zu bringen, anstatt zu Fuß zu gehen. Auch ohne Pferd kann also das Ziel der Reise erreicht werden, aber wie mühevoll wäre dies! Wer denkt, dass es ein größerer Verdienst sei, ohne Hilfsmittel voranzukommen – also das Pferd nicht zu benutzen –, liegt daher falsch. Ist dies nicht auch das Argument der Gegner jeglicher Symbolik? Und auch wenn die Reise zu Fuß zurückgelegt werden kann, so muss man doch berücksichtigen, wie lange und entbehrungsreich sie dann wird – und es ist nicht ausgeschlossen, dass das Ziel dann überhaupt nicht erreicht wird. Auf ähnliche Weise verhält es sich mit Riten und Symbolen: Sie sind nicht unbedingt notwendig, aber für die menschliche Natur von einer nicht zu unterschätzenden Zweckmäßigkeit. Es ist aber nicht ausreichend, die Symbolik nur von der Seite des Menschen aus zu sehen, wie wir es bislang getan haben. Um das vollständige Ausmaß ihrer Bedeutung verstehen zu können, muss man sie sozusagen auch von „göttlicher Seite“ her betrachten. Wir haben gesehen, dass die Symbolik ihre Grundlage in der Natur der Wesen und Dinge hat und dass sie in vollkommener Übereinstimmung mit den Gesetzen dieser Natur steht. Diese Gesetze sind – und das darf man nie vergessen – ein Ausdruck und somit eine Veräußerlichung des göttlichen Willens. Daher kann man, wie die Hindus es tun, durchaus sagen, dass die Symbolik einen „nicht-menschlichen“ Ursprung hat, also dass ihr Prinzip weiter zurück und höher als die Menschheit reicht. Wir möchten hier in Bezug auf die Symbolik nicht ohne Grund die ersten Worte aus dem Johannes Evangelium in Erinnerung rufen: „Am Anfang war das Wort.“ Das „Wort“, Logos, ist zugleich Gedanke und Wort: In sich selbst ist es der göttliche Geist, der der „Ort der Möglichkeiten“ ist. In Bezug auf uns manifestiert und drückte es sich durch die Schöpfung aus, in der einige dieser Möglichkeiten Existenz erlangen, während sie in ihren Wesenheiten in ihm bis in alle Ewigkeit enthalten bleiben. Die Schöpfung ist das Werk des „Wortes“. Sie ist damit auch dessen Manifestation und dessen nach außen hin wahrnehmbare Bestätigung. Dies ist der Grund, warum die Welt wie eine göttliche Sprache auf jene wirkt, die dazu in der Lage sind, sie zu verstehen: Coeli enarrant gloriam Dei.2 Der Philosoph Berkeley lag daher nicht falsch, als er sagte, dass die Welt „die Sprache ist, in der der unbegrenzte Geist zu begrenzten Geistern spricht“. Aber seine Behauptung, dass die Sprache nur eine Sammlung willkürlicher Zeichen sei, war falsch. Tatsächlich gibt es nichts Willkürliches in der menschlichen Sprache, da jede Bedeutung in ihrem Ursprung auf eine natürliche Entsprechung oder Harmonie zwischen dem Zeichen und der damit bezeichneten Sache zurückzuführen ist. Da Adam von Gott das Wissen über die Natur aller Lebewesen erhalten hatte, konnte er ihnen ihre richtigen Namen geben. Auch die anderen antiken Traditionen betonen, dass der wahre Name eines Seins immer mit seiner Natur oder seinem Wesen verbunden sein muss. Alles in der Welt kann als ein Symbol einer übernatürlichen Wirklichkeit verstanden werden, wenn die Welt als Gedanke im Inneren, als „Wort“ im Äußeren und als Ergebnis des göttlichen „Wortes“ am Anbeginn der Zeit angesehen wird. Und alles, was auf irgendeine Art existiert, hat sein Prinzip im göttlichen Geist. Es überträgt ihn und stellt ihn auf eine gewisse Art und Weise durch seine Existenz dar. So sind über die Ordnungen hinweg alle Dinge miteinander verbunden und entsprechen einander, was aus ihnen eine universale und gesamthafte Harmonie macht, die wie ein Abbild der göttlichen Einheit selbst ist. Diese Entsprechung ist die wahre Grundlage der Symbolik, nach der die Gesetze eines niederen Bereiches als Symbole für die Wirklichkeiten einer höheren Ordnung verstanden werden können. Nur in dieser höheren Ordnung liegt ihr Grund und nur dort ist ihr Prinzip und ihr Ziel zu finden. Wir möchten in diesem Zusammenhang auf einen Fehler aufmerksam machen, der in gewissen modernen „naturalistischen“ Auslegungen antiker traditioneller Lehren zu finden ist. Diese Auslegungen drehen einfach die Hierarchie der Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Ordnungen der Wirklichkeit um. So war es beispielsweise nie die Aufgabe der Symbole und Mythen, die Bewegung der Sterne darzustellen. Man findet in den Mythen oft Figuren, die von diesen Bewegungen inspiriert wurden und dazu gedacht waren, etwas völlig anderes darzustellen, da die Gesetze dieser Bewegungen auf körperlicher Ebene die metaphysischen Prinzipien darstellen, von denen sie abhängen. Das Niedere kann das Höhere symbolisieren, aber das Gegenteil ist nicht möglich. Wenn...