E-Book, Deutsch, 356 Seiten
Häusler Jagd auf die Tochter eines Schwarzkünstlers
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7481-4255-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 356 Seiten
ISBN: 978-3-7481-4255-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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MIRELLA di CAGLIOSTRO: oder: Das geheime Leben der Mirella Isabella di Cagliostro, angebliche Tochter des bekannten, verstorbenen Magiers, könnte das Buch heißen, das auf diesen Aufzeichnungen beruht. Oder: „Die schlüpfrige Existenz der Mirella di Cagliostro“. Aber vielleicht ist es angemessener, den neutraleren Titel zu wählen: „Jagd auf die Tochter eines Schwarzkünstlers“; denn dieser wird mehr der Opferrolle gerecht, welche die arme Verfolgte ja immerhin auch einnimmt, denn Mirella ist durchaus auch das Opfer der vielfältigen Betrügereien ihres umstrittenen Vaters, den sie beerben will, und dessen Abenteurerkarriere sie unbedingt fortsetzen will. Denn das wilde unstete Leben voller Luxus in Saus und Braus, ohne dafür arbeiten zu müssen, liegt auch der Tochter im Blut. Sie kann gar nicht anders, als in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, des gejagten Betrügers, dreisten Diebes und Gauklers. Denn beide sind vom gleichen Schlag, und der Preis für Mirella Isabella dafür ist, ebenso wie ihr Vater ein Leben lang von der Justiz verfolgt zu werden. Sie lebt jetzt schon das gehetzte Leben ihres Vaters ohne Garantien, von heute auf morgen, ohne eine sichere Zukunft oder gesicherte Existenz. Sie, die Ausgestoßene aus allen Gesellschaften, schlägt sich in einer rauen Männerwelt durch wie eine gemeine Verbrecherin. Noch lebt Mirella aber äußerst angenehm und lebensfroh zur Zeit der Ersten Republik in Frankreich, im Directoire, und befriedigt ihre Luxus- und Vergnügungssucht in den Salons der Pariser Gesellschaft des Jahres 1796. Sie ist äußerst apart und hübsch, spricht ein exzellentes und gepflegtes Französisch und Italienisch. Außerdem ist sie mit ihren 22 Jahren bereits eine kunstvolle und gefürchtete Degenfechterin. Dennoch sollte die junge Dame sich vorsehen: Die größten Schrecken der Französischen Revolution sind zwar vorbei, aber Robespierre ist noch nicht lange tot, vor allem sein zerstörerischer (Un)Geist nicht - und das Schafott ist auch noch nicht abgeschafft … Die Guillotine glänzt noch feucht vom Blut der vielen Revolutionsopfer und könnte am Ende auch vor Mirellas hübschem Kopf nicht haltmachen, wenn sie nicht gewaltig auf der Hut ist, und ihre wildesten Triebe nicht endlich zu zügeln lernt. Doch wie kam es überhaupt zur Existenz der angeblichen Tochter von Alessandro di Cagliostro? Auch Giuseppe Balsamo genannt, Acharat, Graf Phoenix - Hexenmeister; er hatte viele Namen und viele Gesichter. Um das zu klären, müssen wir einige Seiten im Geschichtsbuch zurückblättern. Cagliostro, Erzzauberer, Hochstapler, Magier, Heilkünstler, Prophet, Goldmacher, Wunderheiler, Scharlatan, Spiritist, Schwarzkünstler, Mysterienschwindler? Oder einfacher, schlichter Betrüger, Wahrsager? All dies waren die Berufsbezeichnungen eines außergewöhnlichen Mannes, von dem ich vorab berichten möchte, ehe ich mich auf das Wagnis einlasse, das Leben seiner angeblichen, unehelichen Tochter zu durchleuchten. Ständig waren wir beide auf der Flucht. Ich notgedrungen immer mit ihm zusammen, denn beide standen wir in einem totalen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, einer konnte nicht ohne den anderen sein. Mein Herr wurde in seiner Zeit, in unserer Zeit, dem 18. Jahrhundert, dringend gebraucht, denn die Menschen aller Gesellschaftsschichten waren wundergläubig und wollten betrogen werden. Allerdings nur bis zu einem gewissen Grad, bis es an ihren Geldbeutel ging. „Lorenza, mein Täubchen, pack schnell das Nötigste zusammen, wir müssen ganz rasch fort von hier!“. Endlich war es mal wieder soweit! Ich seufzte. „Denn Paris ist zur Zeit voller Intriganten, Meuchelmörder und Spione.“ „Da haben Sie leider nur zu recht, verehrter Maestro“, sagte ich bestätigend. Lorenza schrak hoch: Lorenza Feliciani, des Magiers Ehefrau, deren schöner, geschmeidiger Körper nicht selten als Lockspeise für seine Schurkereien diente, für seine ausgekochten Betrügereien herhalten musste. Fasziniert betrachtete ich die herumhetzende Amazone, welche die vollendete Schönheit einer patrizischen Römerin besaß, und die das gelegentliche Medium von meinem Herren war. Wie oft in seinem Leben hatte der unwürdige Graf nicht schon seine Frau ohne Skrupel verkuppelt, um anschließend Geld von seinen vielfältigen Opfern zu erpressen? Aber zu mir war er gut bis gütigst, in dieser Hinsicht konnte ich mich wirklich nicht beklagen. Klein von Statur war er, fett, schielend, ohne wirkliche Eleganz; er hatte aber auch so gar nichts von einem gebildeten Edelmann an sich. Dafür trug er das Kainsmal des internationalen Vagantentums, das sich unter anderem in seinem gehetzten Leben kundtat; es bedeutete, dass wieder einmal die Aufdeckung seiner Betrügereien kurz bevorstand. Dem falschen Grafen war daher oft der Boden unter den Füßen zu heiß geworden! Immer, wenn solch ein prekärer Zustand in seinem Leben eintritt, strebt der falsche Graf schleunigst einen Ortswechsel an, der dreiste Glücksritter, um seine Opfer anderweitig zu suchen, der Taschenspieler, Quacksalber und Kuppler, der Spekulant, Lebemann und Lebenskünstler. Ich, Michel Bertrand, sein viel zu treuer Domestik, hatte diesen Tag schon lange kommen sehen und mich entsprechend vorbereitet. So hatte ich unter Anderem die Flucht-Kutsche für meine eitle Herrschaft schon tagelang unten im Hof reisefertig bereit gehalten. Jederzeit abfahrbereit. Ich lachte still in mich hinein. Ohne jegliche Eleganz war mein Arbeitgeber, welche in der galanten Scheinwelt gemein ist. Er war ohne eigentliche Kenntnis der Wissenschaften, verkaufte nur gefärbte Wässerchen als Wundertinkturen an Leichtgläubige und pries sie als Wundermedizin an. In der Tat war Cagliostro wirklich aller Vorzüge beraubt, welche es vermocht hätten, Liebe gegenüber seiner Person zu erwecken. Wie hat nun ein solcher Mann, wird sich hier an dieser Stelle der konsternierte Leser fragen, sich bei dem weiblichen Geschlecht derart in Gunst setzen können, und zwar noch auf eine solche Weise, dass er von ihnen noch, nachdem er die Frauen vom Pfade der Tugend abgeführt hatte, reichliche Geschenke und Belohnungen erhielt? Seltsam – ein Mysterium der besonderen Art, auch für meine Person, wie ich gestehen muss. Zwar war mein Herr durchaus auch ein geistreicher Hochstapler, neben Casanova vermutlich der geschickteste im achtzehnten Jahrhundert, der seine Bedeutung neben zweifellos vorhandenen, okkulten Fähigkeiten der Leichtgläubigkeit und dem mystischen Bedürfnis des Adels seiner Zeit verdankt. Denn den müßigen, gelangweilten Adeligen gedürstete es beständig nach „Wundertaten“. In diese Bresche sprang Cagliostro nur zu bereitwillig. (Und später auch seine Tochter Mirella Isabella). Cagliostro galt daher als Gegenpol zu der Sachlichkeit der „Aufklärung“, als „Schwarzkünstler“; und er hatte angeblich eine schöne und kluge Tochter: Mirella di Cagliostro. Wenn sie wirklich seine Tochter war … Fest steht, dass wir 1774 überstürzt aufbrachen und mit den Koffern hastig in die wartende Kutsche stiegen. Die 20jährige Lorenza schnappte sich ihr wenige Wochen altes Kind, das Mädchen Mirella Isabella im Körbchen, und los fuhren wir. Dieses Baby also hatte angeblich meinen Herren Cagliostro als Vater, doch ich meinte eher, es handele sich um ein uneheliches Kind aus einem von Lorenzas Seitensprüngen. Auch die Kinderschwester fuhr in der Kutsche mit, mein Herr, Lorenza di Feliciani und ich. Das Baby weinte und es ging holprig über klapperndes Kopfsteinpflaster. Wir schlängelten uns durch enge Gassen des Pariser Untergrundes. Angeblich waren diesmal die Freimauer hinter meinem Herren her. Und tatsächlich nahm sogleich hinter uns eine andere Kutsche rasant an Fahrt auf und folgte unserem Fluchtweg. Cagliostro trieb den Kutscher an, schneller zu fahren. Unser Ziel war das Versteck des Grafen in den Katakomben von Paris, denn Alessandro di Cagliostro hatte überall Notunterkünfte, für alle Fälle. Denn er war öfter auf der Flucht als andere Menschen nur eben mal in den Nachbarort fuhren. Von der anderen Kutsche heraus wurde tatsächlich von jemandem auf uns geschossen, doch unser Kutscher war sehr geschickt, lenkte so, dass wir den Musketen-Schüssen geschickt auswichen, und auch dieses Mal hatten wir die Gegner bald abgehängt und landeten sicher in unserem Geheimversteck. Denn wir kannten jede Fluchtroute, jeden noch so fadenscheinigen Schlupfwinkel in dem verwinkelten Paris. Damals, nach dieser letzten Eskapade Cagliostros, fragte seine zarte, gebeutelte Lorenza, als wir irgendwo in den Katakomben von Paris in momentaner Sicherheit waren: „Und in dieser Kutsche, die uns so unnachgiebig und akribisch verfolgte, saßen wirklich Freimaurer?“ Cagliostro seufzte tief. „Wer denn sonst, mein Täubchen? Von Anbeginn meiner Beschwörungsseancen habe ich immer nur die meisten Scherereien mit diesem verdammten, verschworenen Verein gehabt!“, giftete der Graf...