Hambitzer | Error in Persona | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Regional-Krimi

Hambitzer Error in Persona

Anwaltskrimi Köln
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-945152-03-4
Verlag: Lempertz Edition und Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Anwaltskrimi Köln

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Regional-Krimi

ISBN: 978-3-945152-03-4
Verlag: Lempertz Edition und Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mitten in der Kölner Innenstadt wird einer Frau am hellichten Tag die Kehle durchgeschnitten. Die Täterschaft scheint eindeutig: Zeugen haben den mehrfachen Straftäter Peter Kussowski erkannt. Doch als ein junger Rechtsanwalt dessen Pflichverteidigung übernimmt, entdeckt er bald mehr und mehr Ungereimtheiten. Und dann ist da noch Kussowskis Hündin Emma, um die er sich kümmern muss.
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2.
Am nächsten Morgen fühlte ich mich stark und kräftig. Die belebende Anspannung eines Strafrechtsmandats, in dem es um das gesamte weitere Schicksal meines Mandanten ging, setzte ein. Ich hoffte, diese Phase geistiger und körperlicher Stabilität würde anhalten und wusste zugleich aus den wenigen – genauer gesagt zwei – Kapitalstrafrechtsfällen, die ich bisher bearbeitet hatte und die beide nach hartem Kampf in der Verurteilung endeten, dass bald eine Überdrehtheit folgen würde und dann eine resignative Erschöpfung. Stramm durchhalten würde ich bis zum Schluss, mochte der Ausgang so oder so sein. Während eines solchen Verfahrens entfernt man sich von den anderen Menschen und danach würde man nicht mehr derselbe sein. Erfahrung ist immer Zuwachs, redete ich mir wider bessere Erkenntnis ein und überlegte, wie der Tag zu gestalten sei. Nach der Erledigung einiger Routinearbeiten nahm ich mir Kussowskis Akte vor. Allzuviel Hoffnung sollte ich ihm nicht machen. Er war immerhin von einem Zeugen eindeutig erkannt worden. Die Tat entsprach seiner Persönlichkeit und seinem Vorleben. Ansätze für seine Verteidigung waren die Zeugin, die ihn nicht identifiziert hatte, das fehlende Motiv und sein offenbar heftiger Alkoholkonsum. Für Dr. Legatz war er sicher schon so gut wie verurteilt. Vielleicht arbeitete er schon an der treffsicheren knappen Urteilsbegründung mit den sorgfältig geschliffenen Formulierungen, für die er bekannt war. Zunächst würde ich aus den Zeugen herauszuholen haben, was möglich war. Möglicherweise würde sich der Zeuge in Widersprüche verwickeln, die dann vielleicht durch die Zeugin verstärkt werden könnten. Ein Motiv würde sich die Staatsanwaltschaft schon zurechtstricken, darin ist die Fantasie der Verfolgungsbehörde nämlich grenzenlos. Aber Kussowskis schwere Trunkenheit nach der Tat ließ auch für die Staatsanwaltschaft kaum den Schluss zu, dass er zur Tatzeit nüchtern gewesen war. Meine Aufgabe war es, ihn optimal zu verteidigen: Freispruch oder möglichst milde Strafe. Ohne zu wissen, dass sich jetzt die erste der drei großen Veränderungen einleitete, die dieses Mandat und die Bekanntschaft mit Kussowski für mein weiteres Leben mit sich bringen sollte, machte ich mich ins Tierheim auf. Ich hatte nie eine besondere Beziehung zu Tieren und fand es eher unnatürlich, dass Menschen mit Hunden zusammenleben. Nach meiner Auffassung gehörten Tiere in die Natur und unter sich. Alles, was an ihnen schön ist, hat in der Wildnis seinen Platz und nicht in der Stadt. Der Begriff „Haustier“ galt mir als Karikatur von Lebewesen, die durch Zähmung alles verloren haben, was ihre Eigenart und ihre kreatürliche Würde ausmacht. Trotzdem sah ich gerne Hunde und Katzen und genoss ihre animalische Anmut oder ihr freundliches Wesen, wenn sie mir in Entfernung begegneten. In meiner Nähe fand ich sie lästig. Das Tierheim lag in entgegengesetzter Richtung zur Strafanstalt ebenfalls außerhalb der Stadt, versteckt zwischen verkommenen Industriezonen. Sein Eingang lag zwischen zwei Schrottplätzen. Einige Ähnlichkeiten beider Anstalten drängten sich auf. Hinter der mit einem Vorhängeschloss versehenen Gittertür des Eingangs, an deren Seite wie im Gefängnis eine Klingel angebracht war, erstreckte sich ein Gang zwischen Mauern, der sich nach etwa 10 Metern in ein größeres Gelände öffnete, auf dem sich die Gehege befanden. Dort stand ein flaches Betonplattengebäude, das in Reihen nebeneinanderliegender Zwinger aufgeteilt war. Deren Vorderfronten waren mit Gitterstäben versehen, während Seiten- und Rückenteile die einzelnen Verliese mit Gussbetonmauern abtrennten. Rückseitig schloss sich dieselbe Raumkonstruktion an, sodass sich, wenn man um das rechteckige Gebäude herumging, von vorne und hinten dasselbe Bild ergab: Tiere in abgetrennten Räumen hinter Gittern. Im Grundsatz unterschied sich die Anlage nicht wesentlich von Kussowskis derzeitiger Unterkunft. Nur dass er in einem größeren Bauwerk in vollständig ummauerten Räumen einsaß und lediglich ein erhöht liegendes vergittertes Fenster den Blick nach draußen gewährte. Bei Kussowskis Festnahme hatte es also zwei Verhaftungen gegeben, wobei einer der Unterschiede darin bestand, dass sein Hund sicher nichts verbrochen hatte, während Kussowskis Unschuld fraglich war. Für Kussowski war ein Haftbefehl nötig gewesen, wogegen es für seinen Hund lediglich einer verwaltungsbehördlichen Anordnung bedurfte. Sie wurde städtischerseits verfügt, aber Kussowski in seiner Zelle nie zugestellt, weil sie angeblich auf dem Postweg verlorengegangen war. Auf mein Klingeln schloss eine junge städtische Angestellte umständlich die Tür auf und fragte, was ich wolle. Ich erklärte ihr, ich sei von dem inhaftierten Kussowski beauftragt, nach seinem Hund zu sehen. Nachdem sie meinen Anwaltsausweis, der mir schon manche Tür und manches Herz geöffnet hat, sorgfältig inspiziert hatte, führte sie mich zu den Gehegen. Mir wehte ein übler Gestank entgegen. Ich unterdrückte den aufsteigenden Ekel – meine Nase ist sehr empfindlich – und wechselte einige freundliche Worte mit der jungen Frau. Als wir uns den Zwingern näherten, begann ein unerträgliches Gebelle, Gebrumme und Gefauche in allen Tonlagen, das immer stärker wurde. Nicht nur meine Nase ist empfindlich, meine Ohren stehen ihr darin nicht nach. Meine Begleiterin zeigte auf einen etwa in der Mitte liegenden Zwinger und ich erkannte darin Kussowskis Hund, der traurig und allein in seiner Zelle saß. Während ich mich näherte, sprang im links angrenzenden Raum ein großer, äußerst aggressiver, unablässig bellend und knurrend die Zähne fletschender Dobermannmischling an seinem Gitter auf und ab. In der Zelle rechts daneben drückten sich zwei Spitzdackelmischlinge mit eingezogenen Schwänzen ängstlich in die äußerste hintere Ecke ihrer Behausung. Kussowskis Hündin hockte in der Mitte ihrer Box und fixierte mich aufmerksam. Als ich mich dem Gitter näherte und sie mit ihrem Namen rief, kam sie vorsichtig näher, wedelte mit dem Schwanz und versuchte, meine an die Stäbe geführte Hand zu lecken. Ihr Nachbar zur Rechten hatte sich inzwischen einigermaßen beruhigt und fletschte nur noch mit üblen tiefen Knurrgeräuschen seine Zähne in meine Richtung. Ich sagte mehrfach, was sie für ein guter, braver Hund sei und nannte sie weiter bei ihrem Namen, woraufhin sie sich auf ihre Hinterläufe vor mich setzte und mich lange und durchdringend ansah. Ich bemerkte, wie schön ihre mandelförmig geschnittenen, schwarz eingefassten Augen waren und verstand, dass sich Kussowski um seinen Hund sorgte. Ihr Pelz war an mehreren Stellen durchlöchert und schmutzig. In der Zelle lag ein Haufen Hundekot, neben der halb leeren Wasserschüssel ein alter, abgenagter Knochen, auf dem sich die Fliegen tummelten. Für dich scheint es wichtiger zu sein als für Kussowski, dass du schnell wieder rauskommst, dachte ich, er sieht um einiges gesünder aus, und schämte mich meiner Gedanken. „Die Kastration hat sie gut überstanden. Ihr Besitzer kann sie jederzeit abholen, wenn er unsere Fütterungskosten und die Tierarztkosten ersetzt. Der Hund ist hier nur in Verwahrung. Nach einem halben Jahr werden wir ihn vermitteln oder er verbringt den Rest seines Lebens hier in der Zelle, falls ihn keiner nimmt“, erklärte die Tierheimangestellte, während sie mich zum Tor begleitete. Hunde werden nämlich bei der Aufnahme ins Tierheim einer Operation unterzogen, die ein für alle Mal ihre Fortpflanzung verhindert. Im kynologischen Sprachgebrauch nennt man diesen Eingriff treffend Kastration, unabhängig vom Geschlecht des Hundes, an dem er vollzogen wird. Ich verließ diesen Ort der tierischen Kümmernisse, um mich den menschlichen zu widmen, und begab mich zu Kussowski. Zwar war mein nächster Besuch erst später geplant, aber ich verspürte das dringende Bedürfnis, ihm von Emma zu berichten und hatte eine merkwürdige Unruhe in mir, vielleicht aus schlechtem Gewissen, weil ich die Befreiung seines Hundes vordringlicher fand als seine eigene, vielleicht auch aus gutem Instinkt, denn mein Besuch sollte sich als dringend notwendig herausstellen. Während mich ein schnauzbärtiger schweigsamer Justizvollzugsbeamter von der dritten Schleusentür zur Besucherzelle führte, rutschten die Frikadellen, die ich über Nacht kühl gestellt und frisch in eine Plastiktüte in meiner unter den Arm geklemmten Handakte versteckt hatte, heraus und klatschten links neben mir auf den Boden. „Was ham’ wir denn da?“, sagte der Schnauzbärtige, der wahrscheinlich vermutete, ein großes Stück Haschisch oder noch Schlimmeres bei dem Herrn Verteidiger entdeckt zu haben, und hoffte, auf meine Kosten endlich zur lang ersehnten Beförderung zu kommen. Von jeher finde ich Schließer komisch. Sie zeichnen sich oft durch einen seltsamen Humor und eine noch seltsamere Lebenskonzeption aus. Denn wer begibt sich schon freiwillig in den Knast und unterscheidet sich, was Anwesenheitszeiten anbelangt, bei Nachtdienst dann noch nicht einmal von...


Ulrich M. Hambitzer, geboren am 10.10.1954 in Bonn-Beuel, Sternbild und Aszendent Waage, hat sich nach abgebrochenem Kunst- und Literaturstudium den Rechtswisschenschaften zugewandt. Er arbeitet seit 30 Jahren in eigener Anwaltskanzlei. Auch privat schätzt er Krimis, kulinarische Genüsse und - natürlich - Hunde.



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