Buch, Deutsch, 268 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 296 mm, Gewicht: 43 g
Die Männerfreundschaften des letzten hessischen Großherzogs Ernst Ludwig
Buch, Deutsch, 268 Seiten, Format (B × H): 210 mm x 296 mm, Gewicht: 43 g
ISBN: 978-3-9817809-2-5
Verlag: BOOY-VERLAG
Er war ein von seinen Untertanen geliebter und verehrter Regent. Zudem ein Schöngeist, unter dessen Ägide u.a. die Künstlerkolonie auf der Darmstädter Mathildenhöhe entstand. Der letzte hessische Großherzog Ernst Ludwig (1868-1937) hatte den Nimbus eines stets elegant gekleideten Herrn, der mit der Nonchalance eines Bonvivants auftrat. Bis ins hohe Alter hinein pflegte er ein exklusives Image. Und das betraf nicht nur sein öffentliches Leben. Auch im Privaten bevorzugte er es gediegen. Sein Liebesleben gab hin und wieder Anlass zu Gerüchten. Denn abseits der tolerierten Bereiche des wilhelminischen Sittenkodexes wandelte er auf heiklen Pfaden. Ernst Ludwigs vornehmliches Interesse galt zumindest in jungen Jahren dem männlichen Geschlecht. Zu einer Zeit, als der § 175 StGB homosexuellen Verkehr verbot und unter Strafe stellte.
Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert. Der diskriminierende Paragraph wurde 1994 abgeschafft und viele schwule und bisexuelle Männer stehen heute ganz selbstbewusst zu ihren Neigungen. Ein Grund mehr, nun auch posthum das geheime Liebesleben Ernst Ludwigs ans Tageslicht zu rücken. Dass dieses rund 80 Jahre nach seinem Tod nicht einfach sein würde, war der Autorin bewusst. Allerdings weniger die Tatsache, dass sich auch heute noch so manche Tür verschließt, wenn es um dieses Thema geht. Anhand einsehbarer Quellen im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt, im Bundesarchiv in Koblenz, im Staatsarchiv in Coburg, im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin sowie in zeitgenössischen Medien und Publikationen kam dennoch lange im Verborgenen Ruhendes zutage. Ein Mosaiksteinchen fügte sich zum anderen und mit der Zeit entstand ein Bild des privaten Ernst Ludwig. Das eines verheirateten Regenten, der auf der Insel Capri Fischerjungen liebte und sich in seinem Palais in Darmstadt mit dem Personal vergnügte. In jungen Jahren verband ihn eine innige Freundschaft zu seinem späteren Flügeladjutanten Alexander von Frankenberg und Ludwigsdorf, mit dem er ein gemeinsames Gedicht-Büchlein führte. Beide versprechen sich darin ewige Treue bis in den Tod und darüber hinaus. Später folgten andere Männerfreundschaften, die bis zur Anfangszeit der zweiten Ehe (1905) mit Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich bearbeitet wurden. Was dann geschah, bleibt weiter im Dunkel der Vergangenheit, da es keine aussagekräftigen Quellen über Ernst Ludwigs Präferenzen in diesem Lebensabschnitt gibt.
Die Affären des Großherzogs sollen keine moralische Bewertung erfahren, sondern dazu dienen, Einblicke in sein ganz privates Leben zu geben: in seine Gefühlswelt, seine Vorlieben, seine Freundschaften, die bei einer Betrachtung der öffentlichen Person nicht zum Tragen kommen. So wird im Nachhinein manches verständlich. Wie z.B. die Scheidung von seiner ersten Ehefrau Victoria Melita, die den Männer-Beziehungen ihres Gatten fassungslos gegenüber stand.
Weitere Ausblicke auf die royale Verwandtschaft des hessischen Großherzogs zeigen, dass dort ebenso gleichgeschlechtliche Männer-Beziehungen unterhalten wurden. „C’est la vie“, würde der Franzose sagen, der Engländer „That’s life“ oder, um es mit den Worten des griechischen Philosophen Sokrates zu umschreiben:
„Wie zahlreich sind doch die Dinge, denen ich begegnen darf.“
Paradiso di amore: Wenn gegen Ende des 19. Jahrhunderts bei Capri die rote Sonne im Meer versank und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes die Insel in ein zauberhaftes Licht hüllte, dann verwandelte sich das unschuldige kleine Eiland im Golf von Neapel in ein nächtliches Eldorado für Verliebte. Ein irdisches „paradiso di amore“, in dem die reichen und schönen Herren ihre Leidenschaften auslebten. Doch die Wahl der Kavaliere fiel nicht etwa auf die weiblichen Inselschönheiten. Ihr Begehren galt vielmehr jenen Jünglingen und Knaben, die täglich aufs Meer hinauszogen, um ihre Netze auszulegen.
Zielgruppe
Das Buch ist für Leser gedacht, die den privaten Ernst Ludwig kennenlernen wollen - fernab der gängigen Biographien. Jenen Großherzog von Hessen und bei Rhein, der Männerfreundschaften pflegte, sich in einem Kreis Gleichgesinnter bewegte und dennoch aus dynastischen Gründen die Institution der Ehe eingehen musste. Einen Mann, der zwischen Pflicht und eigenen Befindlichkeiten hin und her gerissen wurde. Ebenso kommen Leser auf ihre Kosten, die an historischen Hintergründen zu Ernst Ludwigs Leben und dem einiger verwandter Royals interessiert sind. Details, die in dieser Ausführlichkeit selten oder noch nie zu Papier gebracht wurden.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Einleitung
Paradiso di amore
Rittmeister K.
Ernie
Alex forever
Mr. Wemyss
Sittliche Überlegenheit
Lysis
Jaques und Nino
Ducky
Trousseau
Forster „Ungeheuer“
Pikantes
Fesseln der Liebe
Turbulenzen
Kaiser Wilhelms Standpauke
Der „schlappe Max“
Elisabethchen
No boy was safe
Homosexuell oder bisexuell?
Scheidung
Simplicissimus
„Der Eigene“
Wormser Volkszeitung
Königliche Hoheit?
Flügeladjutant Massenbach
Delhi Durbar
Bruder Glücklich
Päderast unter südlicher Sonne
Und was war mit Tarasp?
Ludhard
Kaiserin ohne Reich
„Rosa Royals“
Letzte Vermutungen
Anmerkungen und Endnoten
Erster Teil des ersten Kapitels - Paradiso di amore
Wenn gegen Ende des 19. Jahrhunderts bei Capri die rote Sonne im Meer versank und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes die Insel in ein zauberhaftes Licht hüllte, dann verwandelte sich das unschuldige kleine Eiland im Golf von Neapel in ein nächtliches Eldorado für Verliebte. Ein irdisches „paradiso di amore“, in dem die reichen und schönen Herren ihre Leidenschaften auslebten. Doch die Wahl der Kavaliere fiel nicht etwa auf die weiblichen Inselschönheiten. Ihr Begehren galt vielmehr jenen Jünglingen und Knaben, die täglich aufs Meer hinauszogen, um ihre Netze auszulegen.
Auch ein Herr von höchstem Stande wurde geradezu magisch von den Liebreizen der capresischen Fischerjungen angezogen. Der sonst so Distinguierte ließ „alle Augenblicke“ (2) die Reisekoffer packen, klemmte eine Gitarre unter den Arm und verschwand mit seinem Flügeladjutanten für einige Tage oder Wochen im „paradis des hommes“. Und hätte er sich dort nicht „… in einer höchst verrufenen Gesellschaft“ (3) bewegt, wäre vermutlich nichts für die Nachwelt erhalten geblieben. So aber kann rekonstruiert werden, was hinter dem schönen Schein der Wohlanständigkeit verborgen war: ein schillerndes Doppelleben, das sorgfältig gehütet wurde und bis heute in seinem vollen Ausmaß nicht bekannt ist.
Ein Schreiben aus der kaiserlich-deutschen Botschaft in Rom dokumentiert die Tatsachen. Dort saß am 1. Dezember 1901 der altgediente Botschafter Karl von Wedel an seinem Schreibtisch im Palazzo Caffarelli auf dem Kapitol und rapportierte an den Diplomaten Friedrich August von Holstein in Berlin. An jene „graue Eminenz“, die Bismarck seinerzeit respektvoll als „den Mann mit den Hyänenaugen“ bezeichnete. Hatte er doch stets ein sicheres Gespür bei brisanten politischen Angelegenheiten bewiesen und direkten Einfluss auf die Entscheidungen Kaiser Wilhelms II. Beabsichtigt war offenbar, dass Adressat von Holstein den Reichskanzler Bernhard von Bülow über den zweifelhaften Umgang des hessischen Großherzogs auf Capri unterrichten sollte.
Ernst Ludwig (1868-1937) stand kurz vor der Scheidung von Gattin Victoria Melita (1876-1936) und lebte seine Leidenschaft für Jünglinge auf der kleinen Insel aus. Sogar der italienische König Viktor Emanuel III. hatte Kunde davon erhalten und sich Wedel gegenüber besorgt gezeigt. Im handgeschriebenen Brief des Botschafters lesen sich die Aussagen des Königs wie folgt: „S.K.H. (Anm.: Ernst Ludwig) bewege sich in Capri in einer höchst verrufenen Gesellschaft und speziell drei dortige Einwohner schienen sein Interesse zu fesseln, für deren Einen er aber eine ganz besondere Vorliebe dokumentiere und diesem gälten denn auch wohl in erster Linie die häufigen Besuche.“ (4) Das war nach Ansicht des knapp 60-jährigen ehemaligen preußischen Generals schon bedenklich. Doch die Angelegenheit sollte noch erstaunlicher werden, denn: „Damit man ihn auf der Insel sonst möglichst in Ruhe lasse, thue der Großherzog allerlei für dieselbe und habe noch jüngst die Stadtmusik auf seine Kosten neu uniformieren lassen. Täglich aber, fuhr der König fort, fürchte er einen öffentlichen Skandal. Wenn der Großherzog sich einmal mit einem seiner Freunde veruneinige, so könne ihm das nach hiesiger Landessitte bei erster Gelegenheit einen Messerstich eintragen, und da es sich um einen Souverän handle, so würde das dadurch erregte Aufsehen ein sehr großes und für Ihn, den König, ein im höchsten Grade peinliches sein.“ (5)
Eine Klinge in der Brust des Großherzogs, das wäre Wasser auf die Mühlen der sensationslüsternen Gazetten und Gift für das Ansehen der Monarchie! Viktor Emanuel hatte absolut kein Verständnis für das „Dolce Vita“ des verliebten Hessen auf italienischem Boden und hoffte durch sein Gespräch mit Botschafter von Wedel auf restriktive Maßnahmen - vor allem von Kaiser Wilhelm, der als einziger seinem nahen hessischen Verwandten die Leviten lesen konnte. Doch es passierte nichts. Denn Reichskanzler von Bülow las den Rapport und legte ihn ohne Kommentar zu den Akten. (6)
Fragt sich nur, warum es Ernst Ludwig und andere Herren mit ähnlichen Neigungen ausgerechnet nach Capri zog. Schließlich hätten sie auch an den Gestaden der Ostsee oder in wild-romantischer Rheinlandschaft lauschige Stunden verbringen können. Der Grund, weshalb es unbedingt Italien sein musste, lag an den dort herrschenden Gesetzen. Es gab keine dem deutschen § 175 ähnliche Strafbestimmung.
- Ende des ersten Teils des ersten Kapitels - Paradiso di amore -