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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Hausbichler / Maan Geradegerückt

Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-218-01373-4
Verlag: Kremayr & Scheriau
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-218-01373-4
Verlag: Kremayr & Scheriau
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was glaubt sie, wer sie ist? Berühmte Männer kommen mit allem durch, Frauen im Rampenlicht verzeihen wir: nichts. Beate Hausbichler und Noura Maan fragen, was das soll – und rehabilitieren Whitney, Britney &Co.

Huren, Hexen, Hochstaplerinnen: Prominente Frauen müssen sich im Windkanal der Öffentlichkeit oft warm anziehen. Unerbittlich jagt der Boulevard in Ungnade gefallene Royals wie Meghan Markle, verleumdet lebenslustige Starlets wie Paris Hilton und wird zum Richter, wenn Natascha Kampusch sich weigert, das Opfer zu sein. Schmutzkübelkampagnen sorgen dafür, dass widerständige Frauen als schwierig, undankbar oder labil gelten. Warum das so ist, durchleuchten Beate Hausbichler, Noura Maan und viele weitere Autorinnen anhand von Schicksalen berühmter Frauen – und rücken die Perspektive auf sie gerade.

Mit geradegerückten Porträts von: Pamela Anderson, Marie Antoinette, Mariah Carey, Mia Farrow, Paris Hilton, Whitney Houston, Janet Jackson, Natascha Kampusch, Amanda Knox, Monica Lewinsky, Gina Lisa Lohfink, Courtney Love, Meghan Markle, Sinead O'Connor, Yoko Ono, Camilla Parker Bowles, Pocahontas, Romy Schneider, Jean Seberg, Caster Semenya, Britney Spears, Sharon Stone, Taylor Swift, Tic Tac Toe, Serena Williams, Chien-Shiung Wu, Bettina Wulff

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Vorwort
Wie Frauen das Böse über die Welt brachten
Von Beate Hausbichler und Noura Maan Was war das für ein Leben – damals im Paradies! Ohne beengende Kleidung flanieren Adam und Eva durch wunderbare Landschaften, haben nicht einmal eine vage Vorstellung vom „Bösen“. Sie verbringen ihre Tage damit, die Tierwelt zu erkunden und von den Früchten aller Bäume zu essen, mit der kleinen Ausnahme dieses einen Baumes. Die Zeit, bevor Eva alles ruiniert hat, klingt im Alten Testament ziemlich gut. Bevor sie sich von der Schlange dazu verführen ließ, von der verbotenen Frucht am Baum der Erkenntnis zu naschen und damit das Böse in die Welt kam. Es ist die erste in einer langen Reihe von Erzählungen über Frauen, die schuld sind. Schuld an dem Unheil, das sie über die Welt bringen. So wie Marie-Antoinette über das französische Volk, Meghan Markle über die britische Monarchie oder Janet Jackson über das familienfreundliche Hauptabendprogramm. Der Argwohn gegenüber Frauen ist uralt – und uns bis heute erhalten geblieben. Viele können sich noch gut erinnern: An die Kommentare, Witzchen, an die schmierigen Anzüglichkeiten über Frauen, die wir schon als Kinder mitbekommen haben. Richtig einordnen konnten wir sie da freilich noch nicht. Doch egal, wie verklausuliert die Abwertung von prominenten Frauen, etwa bei Familienfeiern oder in Klatschspalten, eingestreut wurde: Sie war da und deutlich spürbar – diese Art und Weise, wie die Welt über Frauen spricht, oder besser: lästert. Führen wir uns etwa diese Szene wieder vor Augen, die gefühlt in Dauerschleife zu sehen war, als 1998 der „Lewinsky-Skandal“ publik wurde. Monica Lewinsky, die Bill Clinton bei einer Wahlveranstaltung Jahre zuvor fasziniert und bewundernd ansieht. Dieser ikonische Auftritt liefert eine dominante Interpretation der Geschehnisse, die alles andere überstrahlt. Eine, in der sie, Lewinsky, der Skandal an sich ist. Eine, in der sie sich ihm an den Hals wirft, ihn anhimmelt und dann den Schmutz ins Weiße Haus bringt. Oder nehmen wir ein anderes diffuses Bild aus der Popkultur, das gleich mehreren Generationen aufgedrängt wurde: John Lennon und Yoko Ono in den weißen Laken eines Amsterdamer Hotelbettes. Etwas, das sich bei vielen nicht als die Kunstaktion, die es war, ins Hirn eingebrannt hat, sondern als Symbol für das Ende der Beatles; für das Loseisen von den Band-Kollegen – von wegen „Bruder vor Luder“. Das Image der Zerstörerin einer der wichtigsten Bands der Welt, ach was, des Universums, war für Generationen eng mit dem Namen Yoko Ono verbunden. Wer heute, im Jahr 2023, Yoko Ono googelt, findet zwar die Information, dass sie eine einflussreiche Künstlerin ist, aber auch – mindestens ebenso prominent – das Phänomen, für das sie Patin stehen muss: den Yoko-Ono-Effekt. Nicht schwer zu erraten, worum es dabei geht: das Stereotyp der sich hineindrängenden Frau, die das harmonische Gefüge zerstört. Eine Frau, die die Party crasht. Und was, wenn die Frau selbst quasi die Mensch gewordene Party ist? Auch wieder nicht okay. Stellen wir uns vor, was gewesen wäre, handelte es sich bei Paris Hilton um einen männlichen jungen Hotelerben: Würde seine Feierei als „herumludern“ betitelt werden? Würde ihm ständig zwischen die Beine fotografiert werden? Wohl kaum. Die junge Popkulturkonsumentin lernte, damals in den 2000er-Jahren: Eine junge Frau, die feiert, verdient jede noch so erdenkliche Respektlosigkeit. Wir sollten auch lernen, keines dieser Mädchen zu sein, damit uns so eine Behandlung erspart bleibt. Wobei: Die, die nicht feiert, ist prüde. Die, die nicht weint, eiskalt. Und die, die doch weint, hysterisch. Wie sie es auch macht, es ist verdammt falsch. Die Vorbilder
Diese Ungerechtigkeit inspirierte die US-Autor:innen Michael Hobbes und Sarah Marshall 2018 zum Podcast You’re Wrong About, und Kollegin Anya Antonius 2021 zum Vorschlag für eine Standard-Reihe über Frauen, die rehabilitiert werden müssen: Geradegerückt. Nicht nur zahlreiche Kolleginnen meldeten sich sofort mit Ideen für mögliche Porträts, auch das Leser:innen-Feedback war überwältigend – was für ein feministisches Thema alles andere als selbstverständlich ist. In diesem Buch finden sich nun 28 Texte über Frauen, die darin ins richtige Licht gerückt werden. Diese Frauen wurden für Dinge verantwortlich gemacht, für die sie nichts konnten, für Kleinigkeiten, die man Männern nie anlasten würde; sie wurden in der Öffentlichkeit gedemütigt, diffamiert, entmündigt. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um privilegierte Frauen, die sich selbst und ihrem Umfeld mit ihrer Berühmtheit, etwa durch Film, Musik oder Sport, ein gutes Leben ermöglichen können. Dennoch ist es wichtig, ihre Geschichten und das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, zu erzählen – eben weil unsere noch immer vorherrschenden patriarchalen Strukturen und der Sexismus nicht isoliert verbreitet werden; sie machen vor niemandem halt. Mag sein, dass die steinreiche Monarchin Camilla Parker Bowles beim Fünf-Uhr-Tee in einem riesigen Landhaus irgendwo in Schottland herzlich darüber lacht, wie sich der Boulevard jahrelang an ihrem Aussehen abgearbeitet hat. Das sehen und lesen aber nun mal auch weniger privilegierte Menschen. Und so lernen wir immer wieder aufs Neue: So sollte eine Frau nicht aussehen, so sollte sie sich nicht verhalten, so sollte sie nicht sein, wenn sie nicht beleidigt werden will. Auf diese Weise werden üble Bewertungskriterien für Frauen festgetackert und können somit letztlich jede treffen – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Schwerer haben es Mehrfachdiskriminierte und auch jene, deren Geschlechtsidentität nicht den vorherrschenden Vorstellungen des starren binären Systems entspricht. In jedem Fall reicht es als Frau nicht, es zu Erfolg und Berühmtheit gebracht zu haben. Gleichberechtigung ist nicht erreicht, wenn manche Frauen sich durchbeißen und es an die Spitzen von Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft schaffen – wie der von Spitzenmanagerin und Bestsellerautorin Sheryl Sandberg geprägte neoliberale „Lean in“-Feminismus predigt. Ganz oben angekommen, haben Frauen zwar symbolisch etwas bewirkt, vor allem als Vorbild für eine jüngere Generation. Doch die als „erfolgreich“ und „stark“ abgefeierten Frauen sind nicht dort, wo sie sind, weil es nun weniger Hindernisse für sie gibt. Vielmehr feiert der „Lean in“-Feminismus sie dafür ab, dass sie es trotz frauenfeindlicher Strukturen geschafft haben – und damit bleibt das System dahinter weitgehend unangetastet. Der Fokus richtet sich weiterhin auf die Einzelne und ihre Leistung, und die muss in unserer misogynen Welt eben nach wie vor umfangreicher sein als jene von Männern. Der Nährboden
Die Abwertung und die an Frauen angelegten Doppelstandards werden noch immer oft isoliert betrachtet. Und damit landet man letztlich wieder bei den einzelnen Frauen und der Frage: Ist das jetzt tatsächlich Sexismus, wenn ein paar Klatschspalten das Verhalten von Frauen sezieren, Frauen, die schließlich selbst im Rampenlicht stehen wollen? Die offenbar alles dafür tun? Dabei ist es doch ziemlich offensichtlich: Das grelle Scheinwerferlicht, der hämische Fokus, ist fast immer auf Frauen gerichtet. Warum wurde Justin Timberlakes Ungeschicklichkeit bei einem gemeinsamen Super-Bowl-Auftritt mit Janet Jackson zum „Nipplegate“-Skandal? Warum ging die außereheliche Beziehung eines US-Präsidenten, ohne ihn namentlich zu erwähnen, als „Lewinsky-Affäre“ und „Monica-Gate“ in die Geschichte ein? Warum wurde nicht über Tommy Lee jahrelang sabbernd und abwertend gewitzelt, der schließlich gemeinsam mit Pamela Anderson auf dem inzwischen berühmten Sex-Tape zu sehen war? Es ist ein uralter misogyner Nährboden, der unser frauenfeindliches Denken, Sprechen und Handeln am Leben erhält. Misogynie beschreibt die Verachtung, die Abwertung von Frauen und den Hass auf sie – aber nicht von Einzelnen, sondern als System: über tausende Jahre eingeübte und verinnerlichte Hierarchien zwischen den Geschlechtern, die in der Gesellschaft fest verankert sind. Die Philosophin Kate Manne sieht in ihrem Buch Down Girl. Die Logik der Misogynie als zentralen Aspekt von Misogynie, dass Frauen „nicht einfach Menschen sein“ können. „Sie dürfen nicht einfach sein, wie es für ihn gilt.“ Die Zeit
Eines wird beim Lesen und Betrachten der hier geradegerückten Frauenschicksale auffallen: Es ist schon einiges an Zeit vergangen. Es scheint also, dass es viel Distanz braucht, bis wir misogyne Muster klarer erkennen. Äußerungen, Bewertungen oder Urteile, die man Jahre oder Jahrzehnte später eindeutig als sexistisch bezeichnet,...


Beate Hausbichler, geboren 1978 in Reith im Alpbachtal (Tirol), lebt in Wien. Sie hat Philosophie an der Universität Wien studiert und ist seit 2008 Redakteurin bei der österreichischen Tageszeitung DER STANDARD, seit 2014 leitet sie deren frauenpolitisches Ressort dieStandard. 2021 erschien ihr Buch "Der verkaufte Feminismus. Wie aus einer politischen Bewegung ein Label wurde".

Noura Maan wurde 1989 in Wien geboren und hat dort Geschichte studiert. Seit 2014 arbeitet sie als Redakteurin bei der österreichischen Tageszeitung DER STANDARD, derzeit ist sie im Ressort Außenpolitik und als Chefin vom Dienst tätig. 2019 wurde sie für ihre journalistische Arbeit mit dem Jungjournalistinnenpreis des Frauennetzwerks Medien ausgezeichnet.



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