E-Book, Deutsch, Band 2, 704 Seiten
Reihe: Moderne Zeit
Heinemann Rasse, Siedlung, deutsches Blut
2. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8353-2049-9
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und die rassenpolitische Neuordnung Europas
E-Book, Deutsch, Band 2, 704 Seiten
Reihe: Moderne Zeit
ISBN: 978-3-8353-2049-9
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection
Isabel Heinemann analysiert eine der Schlüsselinstitutionen des SS-Imperiums und deren Rolle bei der NS-Bevölkerungspolitik während des Zweiten Weltkriegs.
Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS (RuSHA) war im NS-Staat zuständig für die rassische Überprüfung von SS-Angehörigen sowie ab 1939 von sogenannten Volksdeutschen, von Polen, Russen, Slowenen, Elsässern und Lothringern. Weit mehr als eine Million Menschen aus ganz Europa wurden diesen Musterungen unterzogen, für die meisten war das Votum der SS-Rassenprüfer von existentieller Bedeutung. Der »rassische Wert« der Menschen bestimmte, ob sie enteignet, vertrieben, umgesiedelt oder zur Zwangsarbeit herangezogen, als Jude identifiziert, zur Ermordung in ein Vernichtungslager geschickt wurden - oder nicht. Damit lieferte die rassische Hierarchisierung nicht nur die vermeintlich wissenschaftliche Begründung der NS-Bevölkerungspolitik, sondern prägte entscheidend die besatzungspolitische Praxis. Die rassischen Überprüfungen und damit verbundenen Umsiedlungen erweisen sich als Grundpfeiler der NS-Diktatur, als zentrales Element des Rassenstaates.
Isabel Heinemann analysiert das RuSHA als eine Schlüsselinstitution des SS-Imperiums und stellt die Rasseexperten der SS aus dem RuSHA als eine spezifische Gruppe von NS-Funktionären vor. Daneben zeigt sie, wie die Rasseexperten die rassische Auslese konzipierten, umsetzten und welche Konsequenzen dies hatte. Sechs Fallstudien demonstrieren, wie das Votum der SS-Rasseexperten die gewaltsame Vertreibungs- und Neuordnungspolitik in den europäischen Regionen prägte - in der Tschechoslowakei, in Westpolen, in Elsaß-Lothringen, im »Generalgouvernement«, in der besetzten Sowjetunion und im »Altreich«.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Einleitung;10
2.1;Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und die SS-Rasseexperten;12
2.2;»Rasse« und »Siedlung«: Das Prinzip der »rassischen Auslese« und die Versuche ethnischer Neuordnung durch Umsiedlung als Kernelemente nationalsozialistischer Politik;20
2.3;Die SS und die nationalsozialistische Vernichtungspolitik: Forschungsstand;34
2.4;Fragestellung, Quellen und Aufbau;43
3;I. Vom Rassenamt der SS zum Rasse- und Siedlungshauptamt;50
3.1;Rassenauslese, SS-Sippengemeinschaft, Siedlungspolitik;50
3.2;Rassenauslese und Heiratsgenehmigungen in der SS;51
3.3;Weltanschauliche Schulung, SS-Siedlung und der Aufbau der Fachämter;63
3.4;Das Rasse- und Siedlungshauptamt-SS im Jahr;70
3.5;Mitarbeiterrekrutierung und die Rolle des RuSHA innerhalb des »neuen Ordens«: »Mund und Hirn der SS«;74
3.6;Das RuSHA und die Entstehung der Nürnberger Gesetze 1934/35;77
3.7;Germanenforschung und Ausbau der ideologischen Grundlagen: Der Verein »Ahnenerbe«;89
3.8;Praktische Schulung: SS-Mannschaftshäuser, SS-Leithefte und Schulung der Polizei;92
3.9;Im Dienste der »SS-Sippengemeinschaft«: »Lebensborn« e.V. und SS-Pflegestellen;102
3.10;als Einschnitt: Der Abgang Darrés und der Beginn einer stärker praxisorientierten SS-Rassenpolitik;113
3.11;Neue Räume für die SS-Siedlungspolitik: Österreich und Sudetenland;120
3.12;Zwischenbilanz: Die ideologische Konditionierung und Homogenisierung der SS und das Modell der SS-Rassenauslese;125
4;II. Germanisierungspolitik in Böhmen und Mähren und im »Sudetengau«:;128
4.1;SS-Bodenpolitik und »rassische Bestandsaufnahme« des tschechischen Volkes;128
4.2;»Bodenpolitik auf dem Rücken der Tschechen«: Das Bodenamt in Prag im Jahr;132
4.3;Deutsche Siedlung – Aussiedlung der Tschechen;141
4.4;Die Umsiedlung der Südtiroler und die Verbindungen zur Germanisierungspolitik im Protektorat;145
4.5;Richtungsstreit in der Germanisierungspolitik: Die SS-Siedlungspolitik im Konflikt mit der Linie des Reichsernährungsministeriums;147
4.6;Die »rassische Bestandsaufnahme« des tschechischen Volkes und die RuSHA-Außenstelle in Prag;152
4.7;Trendwende in der Germanisierungspolitik im Protektorat 1941/42 unter Reinhard Heydrich als stellvertretendem Reichsprotektor;158
4.8;Durchsetzung rassischer Kategorien in der Volkstumspolitik: Volksdeutsche, »Fremdvölkische«, »völkische Mischehen« und »Judenmischlinge«;170
4.9;Die Versuche zur »Endlösung der Tschechenfrage« im Sudetenland: Die SS-Rasseexperten und die »RuS-Landesstelle Sudeten«;177
4.10;Zwischenbilanz: Bodenbeschlagnahme und Rassenselektionen: Ein Modell für die Volkstumspolitik der SS in den besetzten Gebieten;186
5;III. Die »Germanisierung« der annektierten westpolnischen Gebiete;188
5.1;Juden, Polen und Volksdeutsche;188
5.2;Heinrich Himmler als »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums«;191
5.3;Beruf »Eignungsprüfer«: Die Rasseexperten bei Einwandererzentralstelle (EWZ) und Umwandererzentralstelle (UWZ);196
5.4;Die RuS-Einsatzgruppen und der Aufbau des volksdeutschen Selbstschutzes;202
5.5;Erfassung des Landes und Vertreibung von Polen und Juden: Bodenämter, SS-Ansiedlungs- und SS-Arbeitsstäbe 1939/;213
5.6;Die Ansiedlung der Volksdeutschen: Erfassung, Rassenprüfung und Ansatzentscheide;233
5.7;Die rassische Überprüfung der Polen und die RuSHA-Außenstelle Litzmannstadt;252
5.8;Die »Deutsche Volksliste« (DVL) und die Utopie der »rassereinen Siedlergesellschaft«;261
5.9;»Erwünschter Bevölkerungszuwachs«: Das »Wiedereindeutschungsverfahren«;283
5.10;Zwischenbilanz: Germanisierung auf rassischer Grundlage;302
6;IV. Die Rassenpolitik der SS im Westen;306
6.1;Elsaß-Lothringen, Nordfrankreich, Niederlande, Norwegen;306
6.2;Nationalsozialistische Volkstumspolitik in Lothringen;307
6.3;Die Umsiedlungspolitik im Elsaß;319
6.4;Die Erfassung von Volksdeutschen und »Deutschstämmigen« in der »besetzten Zone« und in den nördlichen Départements;332
6.5;Rekrutierung der »Germanischen SS«: Die RuS-Führer im Westen und die Germanische Leitstelle (GL);342
6.6;Der RuS-Führer in Paris;350
6.7;Zwischenbilanz: Ansätze ethnischer Neuordnung im Westen;356
7;V. »Völkischer Vorposten«;358
7.1;Die »Germanisierung« des Generalgouvernements;358
7.2;Neue Planungen für den Osten: Der »Generalplan Ost« und der Einfluß der Rasse- und Siedlungsexperten;360
7.3;Der Ostkrieg und die Ansätze zur »Germanisierung« des Generalgouvernements: Trendwende im Distrikt Lublin;377
7.4;Odilo Globocnik und die »Fahndung nach deutschem Blut«: Die Vertreibungen im November;382
7.5;Die Dienststelle des RuS-Führers in Lublin und der Aufbau der SS- und Polizeistützpunkte;387
7.6;Die »Durchschleusung« der Volksdeutschen im Distrikt Lublin 1942/43;399
7.7;Das »Zamo´sç-Projekt« 1942/43;404
7.8;Zwischenbilanz: Ein Modell für die Zukunft – Arbeitskräfteselektion und Partisanenkampf;415
8;VI. Der Griff nach Osten;418
8.1;Wirtschaft, Siedlung und »Sicherung« in der Ukraine;418
8.2;RuS-Führer, SS- und Polizeistützpunkte, SS-Wirtschaftsbetriebe;422
8.3;Organisationsplan für den zentralen Einsatz landwirtschaftlicher Fachkräfte aus der SS und Polizei für das SS- und Polizei-Stützpunktwesen;426
8.4;Großangelegte Siedlungsprojekte und landwirtschaftliche Nutzung: Der RuS-Führer »Rußland-Süd«;432
8.5;Die Dienststelle des RuS-Führers Rußland Süd;434
8.6;Die Volksdeutschen in der Ukraine: Siedlungsprojekte im Generalkommissariat Shitomir und auf der Krim;449
8.7;Himmlers »Hegewald« – der »Sonderstab Henschel«;454
8.8;Das »Krimkommando«;465
8.9;Das Ende aller Siedlungsutopien: Rückzug und »Partisanenbekämpfung«;469
8.10;Zwischenbilanz: Die SS und der »deutsche Osten« – das Scheitern der Siedlungsprojekte;473
9;VII. »Gutrassige Arbeitskräfte« und die »Jagd auf gutes Blut«;476
9.1;Die Rassenpolitik der SS in der letzten Kriegsphase;476
9.2;Der Arbeitskräftebedarf und die Intensivierung des »Wiedereindeutschungsverfahrens«;478
9.3;»Unterbindung der Blutsvermischung«: Verbotener Geschlechtsverkehr und »Sonderbehandlung«. Die Rolle der lokalen RuS-Führer;489
9.4;»Bis zum letzten Tropfen guten Blutes«: »Schwangerschaftsfälle« und »gutrassige Kinder fremden Volkstums«;500
9.5;Die Jagd auf »gutrassige Kinder« in den besetzten Gebieten: »Waisenkinder«, »Partisanenkinder« und »Soldatenkinder«;509
9.6;Rassenmusterungen an Kriegsgefangenen und Konzentrationslagerhäftlingen;531
9.7;Ausländische Rekruten in der Waffen-SS;540
9.8;Die Wannsee-Konferenz und die Folgekonferenzen: »Endlösung der Judenmischlingsfrage«;545
9.9;Zwischenbilanz: Selektionen für die »rassereine Gesellschaft«;560
10;Exkurs Die Rasseexperten der SS;562
10.1;Generationelle Zusammensetzung und Nachkriegskarrieren Generationelle Prägung;562
10.2;Der Nürnberger Folgeprozeß Fall VIII (1947-1948);566
10.3;Ermittlungs- und Strafverfahren in der BRD;581
10.4;Nachkriegskarrieren;586
11;Schlußbemerkung;590
11.1;Die SS-Rasseexperten als spezifischer Tätertyp;591
11.2;Die Bedeutung der Rassenauslese für die nationalsozialistische Umsiedlungs-und Germanisierungspolitik;592
12;Personenglossar: 100 Rasseexperten;610
13;Abkürzungen;644
14;Verzeichnis der Abbildungen;647
15;Quellen und Literatur;648
15.1;I. Gedruckte Quellen;648
15.2;II. Ungedruckte Quellen;656
15.3;III) Literatur;660
16;Anhang;684
16.1;Das Rasse- und Siedlungshauptamt-SS im Jahr;684
16.2;Die Chefs, Amtschef und Außenstellenleiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes-SS;685
16.3;Die Leiter der RuSHA-Außenstellen;686
16.4;Die Bodenämter, SS-Ansiedlungsstäbe und SS-Arbeitsstäbe in den besetzten Gebieten;687
16.5;Die RuS-Führer in den SS-Oberabschnitten;690
17;Personenregister;693
18;Dank;698
V. »Völkischer Vorposten« Die »Germanisierung« des Generalgouvernements (S. 357-358)
Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion am 22.6.1941 veränderte die Rassen- und Siedlungspolitik der SS auf entscheidende Weise. Die Planer rechneten damit, daß ihnen nach dem erwarteten schnellen Sieg »unermeßliche neue Räume« sowohl als deutsche Siedlungsgebiete als auch als Deportations- und Abschubterrain für die »Unerwünschten« zur Verfügung stehen würden. Gleichzeitig lieferte der Krieg, der als Vernichtungsfeldzug und Rassenkrieg gegen den »jüdischen Bolschewismus« konzipiert war und auch als solcher geführt wurde, die Voraussetzung für die Radikalisierung aller Versuche »ethnischer Neuordnung«.
Nun begannen die SS-Experten, die Deportation und Vernichtung von bis zu 31 Millionen rassisch unerwünschter Menschen als eine durchaus vorstellbare und realisierbare Größe zu betrachten. Vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Sowjetunion vollzog sich auch der entscheidende Schritt zur Ermordung der europäischen Juden. Die Massenerschießungen jüdischer Frauen und Kinder durch Einsatzgruppen und Wehrmachtseinheiten machten den Massenmord erst denkbar und erwiesen seine prinzipielle Durchführbarkeit. Für die SS-Siedlungsplanungen bedeutete dies, daß nun an die Stelle der Aussiedlung der Juden, wie man sie zunächst in den annektierten Ostgebieten praktiziert hatte, ihre Ermordung trat.
Diese erfolgte entweder direkt vor Ort oder ganz in der Nähe. Im Warthegau operierte bereits seit 1941 das Vernichtungslager Che?mno/Kulmhof, in Ostoberschlesien gab es im Vernichtungslager Auschwitz die ersten Tötungsversuche mit Gas, und im Generalgouvernement nahmen im Frühjahr 1942 die Gaswagen-Stationen Be?zec und Sobibór ihre Tätigkeit auf. Das Lager Treblinka wurde nur kurze Zeit später in Betrieb genommen. Auch an den Siedlungsprojekten der SS in Ostpolen und der Ukraine erwies sich erneut der bereits für Polen und das Protektorat Böhmen und Mähren aufgezeigte Zusammenhang von »Eindeutschung« und Judenmord.
Das SS-Siedlungsprojekt in ZamoÊç im Generalgouvernement begann erst, als alle Juden der Gegend bereits im Zuge der »Aktion Reinhard« umgebracht worden waren. In Shitomir in der Ukraine wurden die Volksdeutschen zusammengesiedelt, nachdem die Massaker der Einsatzgruppen die Gegend »judenfrei« gemacht hatten.2 In den gleichen Zusammenhang gehört der Befund, daß ab 1941/42 alle Pläne zur bevölkerungspolitischen Neuordnung besetzter Gebiete auf einer möglichst breiten »rassenpolitischen Überprüfung« der Bevölkerung beruhten – die zugleich immer die Möglichkeit der Vernichtung der so festgestellten »Minderwertigen« implizierte.