E-Book, Deutsch, Band 1, 250 Seiten
Reihe: Sauerlandkrimi und mehr
Heinrichs Ausflug ins Grüne
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-934327-16-0
Verlag: BLATT-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vincent Jakobs' 1. Fall
E-Book, Deutsch, Band 1, 250 Seiten
Reihe: Sauerlandkrimi und mehr
ISBN: 978-3-934327-16-0
Verlag: BLATT-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Es ist schon verrückt. Zunächst bekommt Kölschtrinker Vincent Jakobs diese Stelle als Lehrer. An einer katholischen Privatschule. In einer sauerländischen Kleinstadt. Und gerade beginnt er, das gemütliche Städtchen und seine illustren Gestalten zu schätzen, da muß er feststellen, daß sein Vorgänger auf nicht ganz undramatische Art und Weise zu Tode gekommen ist.
Kathrin Heinrichs wurde 1970 in einem sauerländischen Dörfchen geboren und studieret in Köln Germanistik und Anglistik. Die Autorin lebt heute mit ihrer Familie in Menden.
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5 QUATSCH! stand in großen Lettern über der Tür. „Na, wenigstens ein origineller Name“, dachte ich vorsichtig und versuchte mein Glück in dieser Kneipe. Ich hatte bereits einen Besuch im Märkischen Marktkeller hinter mir, wo ich allerdings so unverhohlen angestarrt worden war, daß ich den Eindruck hatte, nur waschechte Sauerländer in der dritten Generation seien willkommen. Im Life dagegen, einem verchromten Yuppischuppen, nahm man so demonstrativ keine Notiz von mir, daß ich ebenfalls das Weite suchte. Mit dem Quatsch wollte ich nun den letzten Versuch starten. Die Kneipe war gut besucht, und ich nahm wie immer an der Theke Platz. Dahinter stand ein Typ mit wuscheligen braunen Haaren, die ihm weit ins Gesicht hingen. Er nickte mir kurz zu, als ich mich niederließ. Die Hoffnung, in diesen Breitengraden ein Kölsch zu bekommen, hatte ich schon in den letzten beiden Kneipen aufgegeben. Ich bestellte also ein Pils und schaute mich weiter um. Die Tische waren gut besetzt, und an der Theke standen außer mir noch drei weitere Gäste. Der junge Typ am Zapfhahn stellte mir mein Bier hin. Als ich das Glas hochhob, um die Aufschrift darauf zu lesen, sprach er mich an. „Du kommst von außerhalb, woll?“ Ich nickte. „Dann mußt du unbedingt eines lernen.“ Ich schaute so gespannt wie ich nur konnte. „Hier im Sauerland werden eine ganze Menge Biere gebraut, das weißt du, woll?“ Ich nickte brav. „Aber im Grunde genommen kann man nur ein einziges trinken!“ Jetzt würde wohl ein Vortrag über sauerländische Braukunst im allgemeinen und besonderen folgen. Ich wartete andächtig. „Und das ist dies hier!“ Der Wirt stellte mir ein Glas hin und hielt das Gespräch für beendet. Noch nicht ganz. Während er zwei Gläser nachzapfte brummelte er noch etwas: „Übrigens, ich bin der Lutz.“ „Vincent. Und prost!“ Lutz wandte sich einer Frau an einem der Tische zu, die etwas bestellen wollte. Als ich hinschaute, konnte ich meinen Blick nicht mehr von ihr wenden. Die Frau fesselte mich sofort. Ihr langes, lockiges Haar trug sie in einer Art Vogelnestfrisur. Es war braun, schimmerte aber etwas rötlich. Faszinierend waren aber vor allem ihre Augen. Augen, die strahlten, auch wenn sie nicht lächelte. Wunderschöne Augen! Sie bestellte eine Cola und drehte sich dann wieder weg. Ich guckte mir den Mann an ihrem Tisch genauer an. Wie immer! Eine tolle Frau hat natürlich auch einen tollen Mann dabei! Der Typ, der ihr gegenüber saß, und sie so schelmisch anlächelte, hätte aus einem Rosamunde-Pilcher-Film gesprungen sein können. Blondes, welliges Haar, ein fein geschnittenes Gesicht, schlank, edle Klamotten. Ich kannte solche Typen zur Genüge. Angie hatte genug davon in ihrer Bekanntschaft gehabt. Ich kam mir in ihrer Gegenwart immer vor wie der Bursche vom Lande mit meinem struppigen Haar und meinem Hintern, der auch nach der härtesten Diät jedem Huhn alle Ehre gemacht hätte. Angie hatte meinen Po immer „störend“ gefunden. Aber was sollte ich machen? Egal, ob ich zehn Kilo mehr oder weniger wog – er blieb einfach immer da. In einem Anflug von Wahnsinn hatte ich sogar mal einen Kurs an der Volkshochschule mit dem Titel „Problemzonengymnastik“ belegt. Außer mir hatten sich in der tristen Turnhalle noch zwölf andere Problemzonen versammelte, die durchweg meine Mutter hätten sein können. Sie alle hatten sich mit Mühe in einen Aerobicanzug gequetscht, um nun in den Besitz einer Wespentaille zu gelangen. Ich hatte sie in der Turnhalle aufgeregt schnattern hören, bis ich als einziger Mann im schlabberigen Jogginganzug die Turnhalle betrat. Entsetzte Gesichter unter lockenwicklergestähltem Haar und vor allem: Totenstille. Kurz und gut: ich brach den Kurs nach der ersten Stunde ab. Seitdem versuche ich mit meinem Po zu leben. Nur wenn ich solche Männer wie diesen Schönling da sah, dann wurde mir seine Anwesenheit wieder schmerzlich bewußt. Lutz bediente noch ein paar andere Leute, bevor er wieder etwas Zeit hatte. „Ich suche übrigens eine Wohnung“, wandte ich mich an ihn, „wenn du mal etwas hörst.“ „Wo wohnst du denn im Moment?“ „In der Pension Dreisam.“ Lutz nickte. „Ich hör mich mal um.“ Die „Pängsion“ hatte sich übrigens tatsächlich als Treffer erwiesen. Die Kellnerin Laura und der Lockenkopf aus dem Café hatten recht gehabt – die Dreisams waren nett, so nett, daß sie pausenlos auf mich eingeredet hatten. Ausgiebigst hatten sie mir von ihrer Tochter und den Enkelkindern erzählt, die man leider so selten sehe. Ich hatte unweigerlich an meine eigenen Eltern denken müssen, die dasselbe Problem mit mir hatten. Die Dreisams hatten mir leidgetan, und deshalb konnte ich es auch leichter ertragen, daß sie ihre elterliche Fürsorge nun für einige Zeit auf mich richten würden. Als sie hörten, daß ich mir alleine eine Wohnung suchte, waren sie regelrecht bestürzt. Wie ich das denn mit meiner Wäsche machen wolle? Ich müsse doch in der Schule bestimmt immer ordentlich aussehen (ein kurzer Blick auf mein verwaschenes Sweat-Shirt). Außerdem – wo ich denn essen wolle? Ich konnte sie beruhigen, daß ich auch während der letzten Jahre ohne Haushälterin überlebt hatte, und erklärte, das Wichtigste sei nun, erst einmal eine Wohnung zu finden. Das fanden die Dreisams dann glücklicherweise auch. Sie ließen mich wissen, daß es am nächsten Tag in beiden Tageszeitungen einen extra Anzeigenteil gebe. Darin seien immer einige Wohnungen zu finden. Ich hatte daher beschlossen, die Wohnungssuche erst am nächsten Tag in Angriff zu nehmen und nach einem Schläfchen zunächst die ansässigen Kneipen auszutesten. Ich warf wieder einen Blick nach hinten. Die Frau aller Frauen war immer noch in ein Gespräch mit dem Schönling vertieft. Ich nahm alle Lockerheit zusammen und wandte mich an Lutz: „Noch eine Frage! Die Frau da drüben, der du eben eine Cola gebracht hast, ich glaube, die kenne ich aus dem Studium. Wie heißt sie noch?“ „Wo hast du denn studiert?“ fragte Lutz. „In Köln.“ „Da muß ich dich enttäuschen. Sie war in Gießen zum Studieren.“ Plötzlich grinste Lutz mich breit an und lehnte sich über die Theke, um leise zu mir sprechen zu können. „Aber ich bin so nett, dir ihren Namen trotzdem zu sagen. Alexandra Schnittler. Sie ist Tierärztin und arbeitet in der Praxis Hasenkötter gegenüber der Polizei.“ Lutz bekam eine größere Bestellung rein und machte sich wieder an die Arbeit. Inzwischen war es ganz schön voll geworden. Das Mädchen, das beim Bedienen half, flitzte zwischen Theke und Tischen hin und her, und auch Lutz machte sich manchmal auf, um die Leute an den Tischen zu versorgen. Ich geriet gerade ins Träumen, als eine hohe Stimme mich plötzlich von der Seite ansprach. „Ich hab da eben etwas von Köln gehört“, sagte die Stimme, die zu einer hübschen, blonden Person, Mitte Zwanzig, gehörte. Sie war ziemlich vollbusig und in einer Weise gekleidet, die ihre rundliche Figur betonte und nur ein ganz klein wenig ordinär wirkte. Richtig auffallend aber war an der Frau eindeutig ihr Mund. Sie hatte Brigitte-Bardot-ähnliche Lippen, die zudem knallrot angemalt waren. „Ja, ich komme aus Köln“, sagte ich, „Sie auch?“ „Nein, ich hab da nur mal vorgesprochen“, antwortete sie, „ich wohne jetzt in Bochum. In Köln war nichts.“ „Wie meinen Sie das, ’in Köln war nichts‘?“ „Ich bin Schauspielerin und hatte da mal einen Termin zum Vorsprechen, aber das Angebot sagte mir nicht zu.“ Ich versuchte beeindruckt auszusehen, obwohl ich hundert zu eins gewettet hätte, daß Brigitte Bardots Ziehtochter kaum in die Situation gekommen war, sich zu fragen, ob sie das Angebot annehmen wollte. Vermutlich hatte sie das Engagement einfach nicht bekommen. „Ich heiße Friederike Glöckner. Und Sie?“ Ich stellte mich vor und erzählte, daß ich vorhatte, von nun an hier in der Gegend zu wohnen. „Sie wollen tatsächlich hierherziehen?“ Ich nickte und versuchte dabei glücklich auszusehen. Friederike Glöckner gab sich entsetzt. „Haben Sie sich das auch gut überlegt?“ „Ähm, ja schon, ich meine, ich hab’s einfach so geplant.“ „Hier ist absolut nichts los!“ Friederike Glöckner entfaltete eine beachtliche theatralische Gestik. War ja auch ihr Beruf. „Man kann hier zuviel kriegen. Ich kann Ihnen nur einen Rat geben. Packen Sie Ihre Koffer und verlassen Sie diese Provinz!“ Ich lächelte. „Warum sind Sie hier, wenn es so schrecklich ist?“ „Ich?“ Die Frage schien dem Nachwuchssternchen peinlich zu sein. „Nun, ich besuche hier von Zeit zu Zeit Freunde und meine Eltern. Ich bin sowieso ständig auf Achse. Mal einen Auftritt in München, eine Tournee in England. Da schneie ich dann auch hin und wieder hier bei meinen Eltern im Sauerland herein.“ „Sie stammen also gebürtig von hier?“ Meine Gesprächspartnerin schien zu überlegen, ob dieses Zugeständnis mit ihrer sonst so weltenbummlerischen Natur in Einklang zu bringen war. „Ja, ich habe bis zum Abitur hier gewohnt. Danach bin ich direkt nach Essen gegangen, dann nach Bonn, und jetzt Bochum. Ich war an einer privaten Schauspielschule – mein Schwerpunkt ist das antike Theater. Ach übrigens, nenn...