Buch, Deutsch, Band 54, 312 Seiten, Format (B × H): 144 mm x 212 mm, Gewicht: 385 g
Reihe: Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Militärische und politische Dimensionen der aktuellen "Revolution in Military Affairs"
Buch, Deutsch, Band 54, 312 Seiten, Format (B × H): 144 mm x 212 mm, Gewicht: 385 g
Reihe: Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
ISBN: 978-3-593-38433-7
Verlag: Campus Verlag GmbH
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Vorwort
Teil I: Einleitung
Die Transformation der Streitkräfte im 21. Jahrhundert - Eine kritische Bestandsaufnahme
Jan Helmig/Niklas Schörnig
Zum Verhältnis militärischer Revolution und Evolution - Viel Lärm um nichts?
Jan Helmig
Macht und Opfervermeidung - Eine theoretisch informierte Betrachtung der aktuellen militärischen Hightech-Transformation
Niklas Schörnig
Teil II: Technologien und Strategien
Die technologische Komponente der militärischen Transformation
Olivier Minkwitz
Network Centric Warfare oder die Automatisierung des Krieges
Marc von Boemcken
In Bytegewittern? Fragwürdige Konzepte von Krieg und Terror im Cyberspace
Frank Sauer
Nanotechnik - Die nächste RMA?
Jürgen Altmann
Teil III: Ökonomische und politische Dimensionen
Ökonomische Modernisierung von Streitkräften - Anmerkungen aus Sicht des "Neuen Institutionalismus"
Gregor Richter/Gerd Portugall
Ohne private Sicherheitsanbieter können die USA nicht mehr Krieg führen - Die Privatisierungsdimension der RMA
Nicole Deitelhoff
Die Transformation der Streitkräfte und die Rolle der Medien
Andreas Elter
Unkontrollierbare Rüstungsdynamik? Die RMA als "harter Brocken" für die Rüstungskontrolle
Marco Fey/Harald Müller
Together We Fight? RMA und die transatlantischen Beziehungen
Andrew Grotto/Max Bergmann
Den Krieg gewonnen, den Frieden verloren - Revolution und Konterrevolution in Military Affairs
Christopher Daase
Geopolitik und die Transformation der Streitkräfte
Simon Dalby
Teil IV: Schluss
Übermorgen war gestern - The Revolution (not only) in Military Affairs
Mathias Albert/Jan Helmig
Abkürzungen
Autorinnen und Autoren
Register
Der Begriff der Transformation ist in aller Munde. Fast alle westlichen Armeen befinden sich - zumindest den Strategiepapieren und Selbstzuschreibungen nach - in einem Prozess der Transformation. Allerdings bleibt die dem Begriff zugeschriebene Bedeutung meist vage und es steht der abstrakte Aspekt des Wandels in einem veränderten sicherheitspolitischen Umfeld nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes im Vordergrund.
Dieser relativ unspezifische Gebrauch steht nach Ian Roxborough für eine von zwei möglichen Interpretationen (Roxborough 2002: 68) und entspricht dem in Deutschland gängigen Verständnis von Transformation. So heißt es bei der Bundeswehr: "Transformation ist die Gestaltung eines fortlaufenden, vorausschauenden Anpassungsprozesses an sich ändernde Rahmenbedingungen, um die Wirksamkeit der Bundeswehr im Einsatz zu erhöhen und auf Dauer zu halten" (Bundesministerium der Verteidigung 2004: 14).
Generalleutnant Hans-Otto Budde, Inspekteur des Heeres, bringt die Zielsetzung aktueller Transformationsbemühungen folgendermaßen auf den Punkt: "Die Streitkräfte sind stärker auf den Einsatz hin zu optimieren" (Budde 2004: 28). Es geht also darum, die Bundeswehr von einer Armee des Kalten Krieges zu einer Armee im Einsatz umzuwandeln. Damit ist zunächst aber keine direkte Aussage darüber getroffen, in welche Richtung sich der aktuelle Transformationsprozess vollzieht. In Deutschland wird diesbezüglich an die im August 2004 beschlossene Restrukturierung der Teilstreitkräfte in Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte gedacht - einschneidende Veränderungen für die Truppe, die noch vor wenigen Jahren die Struktur besaß, mit der die Bundesrepublik gegen angreifende Sowjettruppen geschützt werden sollte. Angesichts der Größe der Bundeswehr im Kalten Krieg und der Herausforderung der Integration der Nationalen Volksarmee (NVA) in die Strukturen der Bundeswehr in den 1990er Jahren erscheint es nachvollziehbar, wenn Transformation in Deutschland die Konnotation der Strukturänderung besitzt.
Allerdings gibt es auch eine zweite Denkschule, die den Begriff der Transformation deutlich fokussierter benutzt. Nach diesem Verständnis zeichnet sich Transformation dadurch aus, dass sie - in verschiedenen Ländern graduell unterschiedlich aber immer aufzeigbar - dem Vorbild der amerikanischen transformation folgt, die sich der Ausrüstung mit modernster Hochtechnologie und Kommunikationselektronik und darauf angepassten Konzepten der Kriegsführung verschrieben hat. Transformation wird in diesem Kontext mit der in den 1990er Jahren ausgerufenen Revolution in Military Affairs - also einer Revolution militärischer Angelegenheiten (RMA) - identifiziert (Roxborough 2002: 68), deren bisherige Umsetzung die Kriegsverläufe ab 1991, besonders aber 1999 im Kosovo, 2001/02 in Afghanistan und 2003 im Irak maßgeblich bestimmt hat. Es waren vor allem Gründe der Public Relations, die die neu angetretene Regierung von Präsident George W. Bush und seinen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bewogen, das in der Regierungszeit Bill Clintons populär gewordene Konzept der RMA in neuen Strategiepapieren als Transformation zu bezeichnen (vgl. z.B. Kagan 2006: 272-284). Mit dem Begriff Transformation konnte sich die neue Regierung von den Handlungen ihrer Vorgängerin absetzen - wenn auch nur rhetorisch, da die zentralen Ideen beibehalten werden sollten. Die zugrundeliegende Substanz der angestrebten Veränderung der amerikanischen Streitkräfte blieb die gleiche. Der rhetorische Bezug zur RMA sagt daher nicht zwangsläufig etwas über tatsächliche militärtechnologische Veränderungen aus, sondern ist oftmals vor allem als politische Legitimationsstrategie zu verstehen (vgl. den Beitrag von Jan Helmig in diesem Band).
Dieses Konzept, das die Revolution in Military Affairs und Transformation praktisch gleichsetzt, fand und findet international erheblichen Anklang. So kann zwischen dem hauptsächlichen Innovator USA, frühen Übernehmern (zum Beispiel Australien, Singapur, Großbritannien, Schweden) und Nachzüglern (zum Beispiel Deutschland) unterschieden werden. Und Australien richtete zum Beispiel bereits 1999 ein Office for Revolution in Military Affairs ein, das sich mit der Anwendung des RMA-Konzeptes in den australischen Streitkräften auseinandersetzen sollte, während die Bundeswehr erst im Sommer 2005 offiziell ein "Zentrum für Transformation" einweihte, das sich explizit mit der Einführung von Hochtechnologie in die Bundeswehr befasst.
Zwar wird von keinem Staat - schon allein aus Kostengründen (siehe unten) - eine vollständige Übernahme des amerikanischen Konzeptes angestrebt und es werden national unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Dies spricht aber nicht gegen die in diesem Buch vertretene These, dass es in den westlichen Armeen den Trend hin zu einer Hightech-Transformation der Streitkräfte im Sinne der Revolution in Military Affairs gibt, die sich in ganz zentralen Elementen ähnelt. Auch in Deutschland vollzieht sich eine zunehmende Implementierung von Hochtechnologie, wie die Übernahme zentraler Konzepte wie beispielsweise vernetzte Kriegsführung, Cruise Missiles und ähnlichem (siehe unten). Wenngleich die Einführung von Hochtechnologie die zentrale Dimension der gegenwärtigen RMA ist, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie gleichwohl multidimensional zu fassen ist. Aus diesem Grund verfolgt dieses Buch den zweiten beschriebenen Denkansatz und nutzt die beiden Begriffe RMA und Transformation synonym bzw. eng verwandt und reduziert ersteren nicht ausschließlich auf technische Aspekte des militärischen Strukturwandels.