Buch, Deutsch, Band 3, 274 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 216 mm, Gewicht: 396 g
Reihe: Staatlichkeit im Wandel
Umweltschutz in multinationalen Unternehmen
Buch, Deutsch, Band 3, 274 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 216 mm, Gewicht: 396 g
Reihe: Staatlichkeit im Wandel
ISBN: 978-3-593-38358-3
Verlag: Campus
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Vorbemerkung 7
1. Jenseits des staatlichen Rechtssetzungsmonopols: Globalisierung und die Emergenz privater Steuerungsarrangements 9
1.1 "Losing Control"? Globalisierung als Entgrenzung und Entbettung sozialer Praktiken 9
1.2 Global Legal Pluralism - Zur Emergenz transnationaler Rechtssysteme in den Lücken der Staatenwelt 18
1.3 "Re-embedding the Disembedded": Interlegalität und die Rückgewinnung staatlicher Handlungsfähigkeit 29
1.4 Eingrenzung des Untersuchungsbereichs: Merkmale des Problemfelds Umweltschutz bei Auslandsdirektinvestitionen in Niedrigstandardländern 42
1.5. Qualitativ-soziologische Methoden zur Rekonstruktion der emergenten Steuerungssysteme 55
2. Soft Law und die Legitimation wirtschaftlichen Handelns in einer entgrenzten Welt 68
2.1 Unternehmensleitlinien als Mittel der Vertrauenswerbung - theoretische Vorüberlegungen und Stand der Forschung 68
2.2 "Unser ›Grundgesetz‹" - Durchführung einer sequentiellen Dokumentenanalyse anhand der BASF-Leitlinien 77
2.3 Globalisierung und "Lebenswelt": Selbstverpflichtungen als universelles Mittel gesellschaftlicher Handlungskoordination 92
2.4 Die Firmenkodizes als Quelle konkreter Erwartungen und Ansprüche 101
2.5 Zur rechtlichen Brückenfunktion der Leitlinien: Vertrauensschutz und universaler Code der Legalität 110
3. Governance without the State: Private Regulative und der Aufbau grenzübergreifender Kontrollsysteme 119
3.1 Ein Konzernbeauftragter für Umweltschutz? Private Selbstregulierung zwischen Zentralismus und Dezentralität 119
3.2 Empirischer Gegenhorizont: Umweltmanagementsysteme als bürokratische Routine und formeller Ritualismus 127
3.3 Empirische Einblicke zur Praxis der Konzernsteuerung -
quasi-kriminalistische und quasi-polizeiliche Elemente 133
3.3.1 "Wir fremdeln, jeder fremdelt, wir ja auch": Rahmung und Interaktionsstruktur der Audits 135
3.3.2 "Und Sie fragen, wie geht denn das, wie ist das geregelt, und was passiert, wenn das ausfällt": Systemaudits, Befragung und Inspektion 140
3.3.3 "Bitte stoppt das sofort": Beratung, Berichterstattung, Weisung 146
3.4 Fazit: Umweltschutz im multinationalen Konzern zwischen Organisationsversagen und organisationalem Lernen 152
3.5 Respondeat superior: Zur rechtlichen Relevanz der emergenten Aufsichts- und Konzernleitungspflichten 163
4. A World of Standards: Multinationale Konzerne als globale Normgebungsagenturen 174
4.1 Der operative Kern der Regulative: organisatorische und technische Normen und Standards 174
4.2 "Gleiche Maßstäbe heißt nicht, es ist alles überall gleich": Standards für die sachtechnische Konzeption der Anlagen 184
4.3 Weltweite Standards zu den einzelnen Problemfeldern des Anlagenbetriebs 194
4.3.1 Anlagensicherheit und Gefahrenabwehr 194
4.3.2 Arbeits- und Gesundheitsschutz 197
4.3.3 Abwasserbehandlung 200
4.3.4 Luftreinhaltung 204
4.3.5 Abfallentsorgung und Bodenschutz 206
4.4 Interne Normen und externe Erwartungen: Die westlichen (Chemie-) Konzerne als abgrenzbarer Verkehrskreis 209
4.5 Gleiches gleich und Ungleiches ungleich: Emergente Teilrechtsordnungen und juristisches Unterscheidungsvermögen 218
5. Entgrenzung des Rechts - Öffnung des Staats: Der kooperative Staat im Zeitalter der Globalisierung 227
5.1 Ordnung und Emergenz: Das lebende Recht der Weltgesellschaft aus der Sicht rekonstruktiver Sozialforschung 227
5.2 Interlegalität als spannungsreiche Dynamik der Entbettung und Rückbettung des Rechts 236
5.3 Der Staat als Interdependenz- und Schnittstellenmanager in einer Situation pluraler Teilrechtsordnungen 244
Literatur 255
Index 271
Leseprobe:
Der Begriff der Globalisierung verweist auf die zunehmende Verkettung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Handlungszusammenhänge über die Grenzen der nationalstaatlichen Gliederung der Welt hinweg, sowie auf die Schwierigkeiten der Politik, ihre Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit unter den neuen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Die wachsende Mobilität der Produkte, der Produktionsfaktoren und des Kapitals führen zu einer Auflösung des geographischen Passungsverhältnisses zwischen Gesellschafts- und Staatenwelt; eine Inkongruenz, die häufig mit den Ausdrücken der "Entterritorialisierung", der "Entgrenzung" und "Entbettung" sozialer Praktiken umschrieben wird, und die mit zahlreichen Problemen und Herausforderungen für die staatlichen Institutionen verbunden ist (vgl. Altvater/Mahnkopf 1997, S. 109ff; Brock/Albert 1995; Giddens 1990, S. 28ff). Das klassische Territorialitätsprinzip, bislang als entscheidende Grundlage staatlicher Souveränität und Gestaltungsmacht angesehen, lässt den Nationalstaat unter den Bedingungen einer entgrenzten Ökonomie zunehmend als weltfremden "Machtbehälter" (Beck 2002, S. 7) erscheinen, der immer weniger dazu imstande ist, die entterritorialisierten Prozesse mit ihren zahlreichen Folgeproblemen wirksam unter Kontrolle zu bringen.
Die besondere Brisanz dieser Entwicklung liegt darin, dass der moderne Staat, trotz des Brüchigwerdens nationaler Souveränität und Handlungsfähigkeit, nach wie vor den entscheidenden Kristallisationspunkt politischer Vergemeinschaftung darstellt. Auch unter den heutigen Bedingungen steht der Staat für eine Form der Sozialintegration, die nicht primär an instrumentellen und funktionalen Gesichtspunkten orientiert ist, sondern an gemeinsamen Werten und übergreifenden Gerechtigkeitsentwürfen, an Fragen der Solidarität und der wechselseitigen Anerkennung des Anderen als (Rechts-)Subjekt. Grundlage dieser gegenseitigen Verbundenheit ist die Entstehung einer kollektiven Identität, die sich historisch vor allem in der Form des modernen Nationalbewusstseins vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Kultur und Sprache herausgebildet hat, die grundsätzlich aber auch eine abstraktere und republikanische Form annehmen kann (vgl. Habermas 1998, S. 100). Politische Vergemeinschaftung in diesem Sinne bedeutet die Entstehung eines symbolisch vermittelten, gleichzeitig aber auch real praktizierten Solidaritätszusammenhangs, verbunden mit dem Anspruch auf Volkssouveränität als Fähigkeit, auf der Basis eines übergreifenden Konsenses selbst über die Belange des Gemeinwesens entscheiden zu können. Durch den modernen Nationalstaat wurde diese, ihrem Anspruch nach alle sozialen Gruppierungen umfassende Form des Miteinanders erstmals auf eine rechtlich formalisierte und dauerhafte Grundlage gestellt (vgl. Münch 1992, S. 295); ein politisches Arrangement, für das sich tragfähige Alternativen bislang nicht oder allenfalls nur sehr schemenhaft abzeichnen.
Institutionell finden die genannten Elemente ihren Ausdruck im staatlichen Rechtssetzungs- und Gewaltmonopol; Vorkehrungen, die dem Staat den Charakter einer "Institution der Allgemeinheit" verleihen (Böckenförde 1991, S. 215) und ihn befähigen, die gesellschaftlichen Prozesse in eine übergreifende normative Ordnung einzubetten, diese Ordnung notfalls auch gegen Widerstand durchzusetzen und hierdurch den Vorrang der Gemeinschaftsinteressen vor einzelnen Partikularinteressen zu gewährleisten: "Als organisierte Wirkeinheit entsteht und besteht der Staat dadurch, dass einzelmenschliches Wirken durch leitende Organe zusammengefasst, einheitlich gelenkt beziehungsweise ausgerichtet und aktualisiert wird" (a.a.O., S. 219). Das notwendige Gegengewicht zu dieser Machtkonzentration besteht in der rechtsstaatlichen Domestizierung der Staatsgewalt und ihrer Anbindung an den demokratischen Prozess; in der Gewährleistung autonomer Öffentlichkeiten, dem Prinzip der Gewaltenteilung, der Etablierung subjektiver Rechte sowie zahlreichen weiteren Strukturprinzipien, die eine Vereinnahmung der Gesellschaft durch den Staat verhindern und den Individuen das nötige Maß an privater und politischer Betätigungsfreiheit einräumen, um eine autonome Selbstorganisation der Gemeinschaft als Assoziation freier und gleicher Rechtssubjekte zu ermöglichen (vgl. Habermas 1998, S. 217).
Die grundsätzliche Trennung zwischen Staat und Gesellschaft schließt staatliche Interventions- und Steuerungsaktivitäten keineswegs aus, im Gegenteil: Zum festen Selbstverständnis des modernen Staates gehört es, die durch das freie Spiel der gesellschaftlichen Kräfte erzeugten Problemlagen - von der Entstehung und Verschärfung sozialer Ungleichheiten über konjunkturell bedingte Wohlfahrtseinbußen bis hin zu Schäden an den natürlichen Lebensgrundlagen -, durch steuernde und planende Maßnahmen abzufedern; dies auch und gerade unter dem Gesichtspunkt, den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft langfristig zu sichern. Der Staat greift hierbei auf ein umfassendes Arsenal von Steuerungsinstrumenten zurück, von der Redistribution materieller Ressourcen über hoheitliche und befehlsförmige Maßnahmen bis hin zu verschiedenen Formen der "regulierten Selbstregulierung" (Schneider 2001). Alle diese Maßnahmen bedürfen der ständigen Optimierung und Abstimmung auf die Struktur der zugrunde liegenden Probleme; auch dies eine wichtige Dimension des Prinzips, dass "die vereinigten Bürger eines demokratischen Gemeinwesens ihre gesellschaftliche Umgebung gestalten und die zur Intervention erforderliche Handlungsfähigkeit entwickeln können" (Habermas 1998, S. 93).
Prekär wird dieses Arrangement in dem Moment, in welchem die Intaktheit der territorialen Bezüge - als elementare Voraussetzung der Funktionsfähigkeit des gesamten Institutionsgefüges - durch die Heraufkunft mächtiger, transnational operierender Akteure und durch die Intensivierung der länderübergreifenden Interaktionen und Verflechtungen grundlegend in Frage gestellt wird. Quer zur nationalstaatlichen Gliederung der Welt bilden sich transnationale Organisationen unterschiedlicher Couleur heraus - allen voran die multinationalen Unternehmen der verschiedenen Branchen, aber auch Banken, Versicherungen und internationale Anwaltskanzleien -, die sich relativ autonom dafür entscheiden können, ihre Aktivitäten in bestimmte Räume auszudehnen oder sich aus diesen zurückzuziehen, die sich teilweise ganz von der Anbindung an ihr Herkunftsland befreien, teils den Sitzstaat als strategische Ausgangsbasis für die Expansion benutzen, die miteinander interagieren, konkurrieren und kooperieren und hierbei an der Entstehung translokaler Verflechtungsformen, Schnittstellen und nicht-staatlicher Ordnungsstrukturen mitwirken. Die zunehmende Durchlässigkeit territorialer Grenzen führt dazu, dass das nationalstaatliche Bemühen um die Definition und Durchsetzung allgemeinverbindlicher Regeln immer weiter an seine Grenzen gelangt; und auch die Handlungsformen regulativer und redistributiver Politik sowie die enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Industrie, wie sie bislang im nationalstaatlichen Kontext praktiziert wurden, sind unter den Bedingungen der Entterritorialisierung immer schwieriger zu organisieren.
Dass es sich bei dem als Globalisierung apostrophierten Prozess tatsächlich um etwas historisch Neues handelt, zeigt sich deutlich an der Entwicklung des Welthandels und der internationalen Produktion während der letzten Jahrzehnte. Was die Intensivierung der internationalen Handelsbeziehungen betrifft, so war zwar auch schon die Zeit vor dem ersten Weltkrieg von einem enormen Verflechtungsgrad gekennzeichnet, und die Entwicklung von den fünfziger Jahren bis Mitte der siebziger Jahre lässt sich in mancher Hinsicht als Aufholprozess in Richtung der damaligen Situation interpretieren (vgl. Hübner 1998, S. 61), spätestens die achtziger und neunziger Jahre mit Wachstumsraten von mehr als 7 Prozent brachten jedoch einen Internationalisierungsgrad, der weit darüber hinaus geht. Die Dynamik des Welthandels dokumentiert sich unter anderem in der Verdreifachung der Welthandelsumsätze zwischen 1979 bis 1994 und der Tatsache, dass heute ein knappes Viertel des gesamten Weltinlandsprodukts weltweit ausgetauscht wird (vgl. Koch 2000, S. 23). Noch dynamischer verlaufen die Prozesse im Bereich der internationalen Produktion. Mit Wachstumsraten von 15-27 Prozent pro Jahr (1980-1990) expandierten die Auslandsdirektinvestitionen dreimal schneller als die Weltexporte und viermal schneller als das Weltsozialprodukt (vgl. Albert u.a. 1999, S. 71). Auslandsdirektinvestitionen sind definiert als Formen des Kapitaltransfers, die "die Anlage von Vermögen in fremden Wirtschaftsgebieten zur Schaffung dauerhafter Wirtschaftsverbindungen bezwecken" (Deutsche Bundesbank 1990); sie sind verbunden mit Formen der Firmenexpansion und der privatwirtschaftlichen Verflechtung, die ›quer‹ zur nationalstaatlichen Gliederung der Welt liegen und sich dem regulativen Zugriff des Territorialstaats vielfach entziehen.
Was die multinationalen Unternehmen als die eigentlichen Antriebskräfte und Träger der wirtschaftlichen Globalisierung betrifft, so wird deren Zahl heute auf mehr als 60.000 geschätzt, mit weltweit mehr als 500.000 Tochtergesellschaften, die ca. 15 Prozent des Weltsozialprodukts erwirtschaften, 2/3 des gesamten Welthandels bestreiten und auf die etwa 20 Prozent der abhängig Beschäftigten in den Industrieländern und 10 Prozent in den Entwicklungsländern entfallen (vgl. Koch 2000, S. 55). Bis auf wenige Ausnahmen stammen die Konzerne stets aus den Ländern der OECD, und die Geschichte ihres Erfolgs ist zugleich eine Geschichte der Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen einer relativ überschaubaren Zahl von Akteuren; so entfallen ca. 80 Prozent der Auslandsdirektinvestitionen weltweit auf die relativ kleine Zahl von 500 Unternehmen (vgl. Anderes 2001, S. 9). Anders als in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, als mehr als die Hälfte der Auslandsdirektinvestitionen in den Primären Sektor floss (Bergbau/Öl; Landwirtschaft), stagniert dieser Anteil seit einigen Jahrzehnten auf einem Niveau von weniger als 10 Prozent; der weitaus größere Teil der Aktivitäten fällt in die Sparte des verarbeitenden Gewerbes, von der Textilbranche über die Chemische Industrie bis hin zum Automobilbau und dem Maschinenbau- und Elektroniksektor. Auch und gerade in den verschiedenen Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländern in Osteuropa, Lateinamerika, Asien und Afrika (deren Regierungen die Aktivitäten ausländischer Investoren in der Vergangenheit häufig sehr kritisch bewertet und zahlreichen Sonderregelungen unterworfen haben), gelten multinationale Konzerne heute als Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung und als wichtige Technologie- und Wissensgeber.
Die Formen des Auslandsengagements multinationaler Konzerne sind ebenso vielfältig wie die dahinter stehenden Motive, wobei sich als Grundtypen ein eher absatzorientiertes und ein eher beschaffungsorientiertes Muster unterscheiden lassen. Der absatzorientierte Pfad ist vor allem für wissens- und kapitalintensive Branchen charakteristisch; die Errichtung eigener Produktionsstätten tritt hierbei häufig an die Stelle der Belieferung ausländischer Märkte durch Exporte und versetzt das Unternehmen in die Lage, in der jeweiligen Region privilegierte Marktpositionen aufzubauen (vgl. die klassische Analyse von Hymer 1976). Kennzeichen des beschaffungsorientierten Expansionsmusters ist die Zerlegung des Wertschöpfungsprozesses in einzelne Teilschritte und deren Aufteilung auf einzelne Standorte, meist unter Ausnutzung der jeweils günstigsten Faktorpreise. Besonders einfache und standardisierbare Verarbeitungsschritte werden typischerweise in die Entwicklungs- und Schwellenländer verlagert, die hierdurch gleichsam zur "verlängerten Werkbank" der westlichen Konzerne werden (Hübner 1998, S. 63). Beim ersten Typus besteht die Firmenexpansion meist in der Gründung von Tochtergesellschaften nach ausländischem Recht, deren Geschäftsanteile sich mehrheitlich in den Händen der Muttergesellschaft befinden, beim zweiten dominieren meist flexible und zeitlich begrenzte Vertragsbeziehungen. Bei beiden Typen kann der Fall eintreten, dass die Konzernspitze faktisch einen erheblichen Grad an Einfluss auf die Aktivitäten vor Ort ausübt, während sie gleichzeitig, aufgrund der juristischen Selbständigkeit der Auslandsbetriebe, vor den rechtlichen Folgen auftretender Schäden abgeschirmt bleibt; eine Schieflage, deren Problematisierung sich als roter Faden durch die Literatur zum multinationalen Konzern hindurch zieht (statt vieler: Muchlinski 1999, S. 339).
Unter Wohlfahrts- und Gerechtigkeitsaspekten erweisen sich die Aktivitäten multinationaler Unternehmen als höchst zweischneidig; in einigen Fällen kontrastieren die durch die wirtschaftliche Globalisierung eröffneten Entwicklungs- und Modernisierungschancen drastisch mit Erscheinungen des Marktversagens, mit der Entstehung von Schäden an kollektiven Gütern und einer Abwälzung negativer Effekte auf sozial Schwächere. Im aktuellen Globalisierungsdiskurs wird diese Zweischneidigkeit freilich nicht immer ausreichend reflektiert, was zu einer Aufspaltung in zwei Positionen, ein eher globalisierungsoptimistisches und ein eher pessimistisch orientiertes Lager geführt hat. Während die Mechanismen des Weltmarkts nach globalisierungsoptimistischer Lesart gleichsam von selbst zu einer weltweiten Angleichung der Lebenschancen führen (vgl. Pies 2000), münden sie aus der entgegen gesetzten Sicht in den "Terror der Ökonomie" (Forrester 1997) und die Entstehung einer "globalen Trümmerwüste" (Altvater/Mahnkopf 1996, S. 50). Aus einer realistischeren Perspektive wird man der erstgenannten Position insofern beipflichten, als Prozesse der marktförmigen Selbstorganisation tatsächlich vielfältige Ergebnisse hervorbringen, die nicht nur den Profitinteressen einzelner zugute kommen, sondern auch für die Allgemeinheit von Nutzen sind; gleichwohl ist wichtig zu sehen, wie von globalisierungspessimistischer Seite zu Recht hervorgehoben wird, dass das freie Spiel privatwirtschaftlicher Kräfte keineswegs per se zu einer Stärkung kollektiver Belange führt. Die voranschreitende Vergesellschaftung im Bereich des wirtschaftlichen Handelns ist nicht gleichbedeutend mit dem Zustandekommen einer Weltgemeinschaft im Sinne eines globalen Gemeinwesens, vielmehr lässt sie den Bedarf an staatlichen und überstaatlichen Vergemeinschaftungs- und Problemlösungsmechanismen rasant anwachsen.
So haben die Konzerne im Lauf der letzten Jahrzehnte zwar erheblich am Industrialisierungs- und Aufholprozess vieler Länder Lateinamerikas, Asiens und seit einiger Zeit auch Osteuropas mitgewirkt - ein Beitrag zum Abbau des Nord-Süd-Gefälles, der die Handlungsmöglichkeiten staatlicher Entwicklungshilfe weit in den Schatten stellt -, gleichzeitig werden aber andere Länder, insbesondere die Länder Afrikas oder viele ehemalige Ostblockstaaten, immer weiter marginalisiert (vgl. Gruppe von Lissabon 1998, S. 11). Mit der Überwindung des alten, vorrangig an der Abschöpfung von Rohstoffen orientierten Internationalisierungsmusters sind die Konzerne zu wichtigen Agenten des Wissenstransfers und der Diffusion technologischer Innovationen geworden; gleichzeitig ist aber zu beobachten, dass die Konzerne ihre firmenspezifischen Wettbewerbsvorteile streng bewachen und die Entstehung von Wissensvorsprüngen in den einheimischen Firmen der jeweiligen Region mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Die immense Finanzkraft der Konzerne, der Einsatz moderner Technologien und die fortschrittlichen umwelt- und sozialpolitischen Standards des Herkunftslandes können zum Ausgangspunkt eines besonders schonenden Umgangs mit den natürlichen Ressourcen und einer besonders fairen Behandlung der Arbeiter und Angestellten werden, gleichzeitig kann die Verlagerung der Produktion in weniger entwickelte Länder aber mit Abstrichen am Lohnniveau, an der Qualität der Arbeitsbedingungen und einer Absenkung des Umweltschutzniveaus einhergehen, die beim westlichen Beobachter teilweise Erinnerungen an die Ära des Manchesterkapitalismus wecken.