Herpertz-Dahlmann / Hilbert | Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 220 Seiten

Herpertz-Dahlmann / Hilbert Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Ein klinisches Handbuch
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-17-039204-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein klinisches Handbuch

E-Book, Deutsch, 220 Seiten

ISBN: 978-3-17-039204-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eating disorders in childhood and adolescence are becoming increasingly important. Anorexia nervosa and bulimia nervosa typically start in childhood and adolescence, and in some areas their prevalence is increasing. Binge-eating disorder, pica and rumination disorder, and disorder with avoidance and/or restriction of food intake have now been included in the ICD-11 and DSM-5 classification systems for the first time. This volume presents major new findings on the aetiology, diagnosis, treatment, and prevention of these conditions in accordance with the evidence-based guidelines in Germany and against the background of the current state of international research. It provides assistance in the treatment of these disorders & which often tend to become chronic & not only for all those working in hospitals and private practice, but also for the patients= parents and guardians. Both of the book=s editors have many years of experience in treating eating disorders and conducting research on them.
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Vorwort
    Essstörungen waren in Deutschland ein bis in jüngster Zeit in Psychiatrie und Psychologie vernachlässigtes Gebiet. So findet sich das Krankheitsbild der Anorexia Nervosa (AN) erst 100 Jahre nach seiner Erstbeschreibung durch Sir William Gull in England und Charles Laségue in Frankreich im Jahr 1974 in einem deutschen Lehrbuch der Psychiatrie (Huber 1974). Auch die Aufnahme der Essstörungen in die aufeinanderfolgenden Auflagen des amerikanischen Klassifikationsschemas gestaltete sich zögerlich. Gerard Russell beschrieb die Symptome der Bulimia Nervosa (BN) bereits im Jahr 1979 (Russell 1979). Die Definitionskriterien dieser Essstörung wurden zum ersten Mal 1980 im DSM-III unter den Störungen des Kindes- und Jugendalters zusammen mit denen der Anorexia Nervosa aufgeführt, wahrscheinlich, weil man ihre Symptome bei Erwachsenen noch nicht identifiziert hatte. Im DSM-IV (1994) wurde die Mehrzahl aller übrigen Essstörungen unter der Restkategorie »nicht-spezifische Essstörungen« gelistet; die Beschreibung der Binge-Eating-Störung (BES) fand sich unter den Forschungskriterien, die weiterer Evaluation bedurften. Erst das jüngste amerikanische Klassifikationsschema DSM-5 (APA 2013) und sein europäisches Pendant ICD-11 (WHO 2022) zeigen die Spannbreite der Essstörungen für alle Altersgruppen auf – dabei wurden die vermeidend-restriktive Essstörung (ARFID, avoidant/restrictive food intake disorder), Pica und die Ruminationsstörung als diagnostische Kategorien neu aufgenommen und der BES als eigener diagnostischer Kategorie ein gleichberechtigter Platz neben den etablierten Essstörungen AN und BN eingeräumt. Trotzdem ist der Stellenwert der Essstörungen unter den psychischen Störungen immer noch gering. Obwohl die Behandlungs- und Folgekosten der Essstörungen für das Gesundheitssystem nicht geringer sind als für Angst- und depressive Störungen, werden international und in Deutschland deutlich weniger Mittel in die Erforschung von Ursachen und Therapiemöglichkeiten dieser Störungsgruppe investiert als bei anderen psychischen Erkrankungen (Schmidt et al. 2016; Kaye and Bulik 2021). In Deutschland kann man das Medizinstudium ohne Basiskenntnisse auf dem Gebiet der Essstörungen erfolgreich abschließen; ähnliches gilt für die Facharztanerkennungen der Kinder- und Jugendmedizin sowie der Psychiatrie und Psychotherapie. Auch im Studium der Psychologie und in der Weiterbildung zum/r psychologischen Psychotherapeut/-in nehmen die Essstörungen zumeist eine Randstellung ein, obwohl die Wahrscheinlichkeit, einem dieser Störungsbilder in der täglichen Praxis zu begegnen, hoch ist. So beträgt die Punktprävalenz eines breiter definierten Essstörungsspektrums ca. 20 % in der weiblichen Bevölkerung und 14 % in der männlichen; bezogen auf genau definierte Essstörungsdiagnosen liegt die Prävalenz für Frauen bei 8,4 % und 2,2 % für Männer (Galmiche et al. 2019). Die Belastung des Einzelnen und der Gesellschaft durch diese Störungsgruppe ist hoch. Viele der Betroffenen erkranken in einem Alter zwischen 13 und 25 Jahren an AN, BN oder BES, noch früher an ARFID, der Ruminationsstörung und Pica. Hinzu kommt, dass die Betroffenen jünger werden und immer mehr Kinder unter Essstörungen leiden (s.  Kap. 1 zur Anorexia Nervosa). Die Störung trifft demnach Individuen in einem entwicklungssensitiven Alter mit möglichen schwerwiegenden körperlichen und psychischen Konsequenzen für das ganze weitere Leben. Hinzu kommt die Stigmatisierung dieser Störungen, die sowohl die Betroffenen selbst als auch ihre Bezugspersonen trifft. Über lange Zeit wurde – auch vor dem Hintergrund bestimmter psychotherapeutischer Ideologien – vertreten, dass die Eltern und das familiäre System Mitverursacher der Erkrankungen, insbesondere von AN und BN, sind. Eine solche Stigmatisierung verzögert die Inanspruchnahme einer notwendigen therapeutischen Maßnahme (Brelet et al. 2021), und das schuldhafte Erleben der Bezugspersonen erschwert die Compliance mit der Behandlung. Durch zahlreiche neue Erkenntnisse, die genetischen und weiteren biologischen Ursachen eine größere Bedeutung zumessen, sowie mehr praxisorientierte psychotherapeutische Strategien scheinen die öffentliche Stigmatisierung und die Selbststigmatisierung zurückzugehen. Trotzdem stellen wir immer wieder fest, dass sich fast alle Eltern, die unsere Psychoedukationsgruppe für AN besuchen, schuldig an der Erkrankung ihres Kindes fühlen. Jedoch nicht nur die Erziehungspersonen fühlen sich schuldig, sondern auch Kinder und Jugendliche mit Essstörungen wie der BES schreiben sich selbst die Schuld für ihre Essstörungssymptome zu. Vor dem Hintergrund einer pervasiven gesellschaftliche Abwertung eines übermäßigen Nahrungskonsums sowie von Übergewicht und Adipositas wird psychotherapeutische Hilfe zumeist nicht aufgesucht (Forrest et al. 2017). Ein weiteres Problem ist die unzureichende Anwendung von evidenzbasierten und leitliniengerechten Therapiestandards. Im Gegensatz zu vielen somatischen Behandlungen beruhen leider immer noch viel zu viele therapeutische Maßnahmen bei den Essstörungen – ungeachtet einer nachgewiesenen Wirksamkeit – auf einem veralteten Wissensstand und tradierten Vorstellungen. Hinzu kommt, dass viele Essstörungen immer noch zu spät erkannt werden und sich viele Therapeut/-innen die Behandlung, insbesondere die der Anorexia Nervosa, nicht zutrauen. Dabei wissen wir, dass die Zeitdauer der unbehandelten Essstörung einen negativen Einfluss auf die Prognose hat (Austin et al. 2021). Alle oben aufgeführten Gründe und Argumente haben uns dazu veranlasst, ein Buch herauszugeben, das speziell für die Erkennung und Behandlung der Essstörungen von Kindern und Jugendlichen konzipiert wurde. Soweit wir wissen, bezieht es erstmalig im deutschen Sprachraum die neu klassifizierten Essstörungen ARFID, Pica und Ruminationsstörung ein und vermittelt darüber hinaus neu gewonnene Einsichten in die Ätiologie und Therapie der bereits länger etablierten Störungen AN, BN und BES. Dabei ist besonders die neue Perspektive auf die Anorexia Nervosa als »metabolisch-psychische Erkrankung« (Bulik et al. 2021) hervorzuheben. Wir haben uns bemüht, sowohl Ergebnisse der Grundlagenforschung als auch zahlreiche Erfahrungen und etablierte Strategien aus der klinischen Praxis an unsere Leser weiterzugeben. Klinisch und therapeutisch Tätige, insbesondere aus dem Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie, Pädiatrie, Psychosomatik, Psychologie, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie sowie Lehrkräfte usw., erhalten einen profunden Einblick in somatische und psychologische Diagnostikverfahren. Hinzu kommen neuartige, auf der Basis der digitalen Medien entwickelte Methoden zur Prävention und Behandlung. Aufgrund der deutlichen Zunahme der Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen (van Eeden et al. 2021) wird auch der schulbasierten Prävention ein Kapitel gewidmet, genauso wie der häufigen Komorbidität von Essstörungen und Diabetes mellitus, dessen Prävalenz im Kindes- und Jugendalter ansteigt. Nicht zuletzt haben wir versucht, auch den Aussagen unserer Patient/-innen Raum zu geben, um ihre Probleme und die von ihnen erlebten Schwierigkeiten in der Therapie besser zu verstehen. Wir haben mit vielen von ihnen gesprochen und ihre Sichtweise erfragt. Ihr Dissens oder Konsens mit unseren Maßnahmen stellt eine wichtige Hilfe für die Entwicklung neuer Therapieverfahren dar. An dieser Stelle möchten wir uns sehr für ihre Offenheit bedanken. Wir hoffen, mit diesem Buch einen Beitrag zur Linderung der »crisis of care« (»Behandlungskrise«) (Kaye and Bulik 2021; Giel et al. 2021), wie sie im Moment von vielen Therapeut/-innen und Forscher/-innen in Deutschland und international für die Essstörungen postuliert wird, zu leisten. Dies soll insbesondere den betroffenen Kindern und Jugendlichen zugutekommen. Aachen und Leipzig, im Frühjahr 2022 Beate Herpertz-Dahlmann und Anja Hilbert Literatur
Austin A, Flynn M, Richards K et al. (2021) Duration of untreated eating disorder and relationship to outcomes: A systematic review of the literature. Eur Eat Disord Rev 29: 329–345. Brelet L, Flaudias, V, Désert M et al. (2021) Stigmatization toward people with Anorexia Nervosa, Bulimia Nervosa, and Binge Eating Disorder: A Scoping Review. Nutrients 13: 2834. Bulik CM, Carroll IM, Mehler P (2021) Reframing anorexia nervosa as a metabo-psychiatric disorder. Trends Endocrinol Metab 32: 752–761. Forrest LN, Smith AR, Swanson SA (2017) Characteristics of seeking treatment among U.S. adolescents with eating disorders. Int J Eat Disord 50: 826–833. Galmiche M, Déchelotte P, Lambert G et al. (2019) Prevalence of eating disorders over the 2000–2018 period: a systematic literature review. Am J Clin Nutr 109:...


Prof. Beate Herpertz-Dahlmann is Director of the Department of Psychiatry, Psychosomatics and Psychotherapy in Childhood and Adolescence at RWTH Aachen University. Prof. Anja Hilbert is Director of the Paediatric and Adult Obesity Outpatient Departments at the Integrated Research and Treatment Centre for Obesity Diseases in the Department of Psychosomatic Medicine and Psychotherapy at Leipzig University Medical Centre.



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