Hetterling | Erbe der Alten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Hetterling Erbe der Alten


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7519-8838-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

ISBN: 978-3-7519-8838-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Horror-Literatur ist die Suche der Sprache nach der Angst. Wo hat die Furcht ihre Wurzeln? In welchem Kosmos ist sie zuhause? Weit draußen, in den Wirbeln des Chaos, jenseits der stellaren Abgründe von Raum und Zeit, oder in den dunkelsten Tiefen der eigenen Seele? Werden wir zurückschrecken, wenn uns eines Tages die Fratze eines schrecklichen Ungeheuers aus dem Spiegel entgegenstarrt, oder erkennen wir in ihm unser eigentliches Wesen, dessen wir uns bis dato nicht bewusst waren? Leben wir dann als bloße Lüge weiter oder nehmen wir das Erbe der Alten an? Eine Reise tief in das dunkelste Herz des Schreckenskosmos von H.P. Lovecraft, klassisch und modern zugleich.

H. J. Hettley wurde 1968 in Rheinland Pfalz geboren. Die Phantastik war seine erste große Leidenschaft und ist es noch immer. So entdeckte er schon früh die Welt der Bücher, Filme und Bilder, die sich mit diesem Thema beschäftigten. Vor allem das geschriebene Wort übt eine nahezu magische Faszination auf ihn aus und so entdeckte er auch schon ganz früh, zu Schulzeiten, die Liebe zum Schreiben. Die Möglichkeiten, Figuren, Szenen, ganze Welten zu erschaffen, sind so grenzenlos wie die menschliche Phantasie, der Quelle aller Magie. Der Magie des Wortes. Neben seiner Tätigkeit als Autor arbeitet Hans Jürgen im Bereich Lektorat und Korrektorat. In einem tollen und engagierten Team dabei mitzuhelfen, kreative Texte wachsen und reifen zu sehen bereitet ihm große Freude"

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Kapitel 1
Als ich an jenem Sonntagnachmittag den Friedhof betrat, deutete zunächst nichts auf die bestürzenden, ja, zutiefst verstörenden Ereignisse hin, die alsbald sowohl meine Heimatstadt, als auch mich selbst heimsuchen würden wie ein namenloser, entsetzlicher Fluch aus uralter Zeit. Der alte Gottesacker duckte sich, der Natur und dem allgegenwärtigen Verfall schon seit Generationen preisgegeben, an den westlichen Rand der Stadt, wie um sich selbst und die Geheimnisse, die er in seinen Tiefen verbarg, für immer in Vergessenheit sinken zu lassen. Die Sonne verblasste in einem matten und ungesunden Fahlgelb über den kiefernbewachsenen, dunklen Hügeln, die ihre eigenen, schauerlichen Geheimnisse bargen. Ihr Schein wirkte, als ob eine böse Krankheit wieder aufflamme, und tauchte meine vom Winter ohnehin gebleichte Haut in den Widerschein nahen Todes. Ich stand vor dem Grab meiner Eltern. Zweierlei Gründe hatten mich lange, zu lange von dem Besuch des Grabes abgehalten. Zum einen die Tatsache, dass man auf einem Friedhof nichts mehr von den Menschen finden wird, die einem das Schicksal so grausam entriss. Von jenen, die dem Mahlstrom der Zeit, jenem gottlosen, gefräßigen Ungeheuer, anheimgefallen sind, bleibt nichts zurück, außer einem bloßen Namen aus kalten Lettern, in toten Stein graviert. Wer die lebendige Gesellschaft der Toten sucht, der blättere im Buch seiner Erinnerungen, so hatte ich mir stets gesagt. Zum andern war es eine heimtückische Krankheit gewesen. Eine vermutlich angeborene Übererregbarkeit des Nervenkostüms, die längst zu einer grotesken, Mitleid erregenden Eigenschaft meines Charakters geworden war und trotz ihrer ungesunden Widernatürlichkeit zu mir gehörte wie mein rechter Arm. Nun stand ich vor dem Grab, das unter braunen, toten Blättern fast versank und ebenso von einem dicken, dunklen Teppich aus Efeu erstickt wurde wie der gesamte Friedhof, seine zerfallenden Mauern, Grabsteine und Mausoleen. Ich wischte mit meiner Hand die Blätter zur Seite und entriss dem Boden ein paar Ranken des grünbraunen Efeus, sodass ich die Namen entziffern konnte, als mein Blick auf den Stein neben dem Grab meiner Eltern fiel. Er schien erst kürzlich gesäubert worden zu sein. Der Name, der in frischen Lettern darauf prangte, als eine Art sichtbares Zeichen der Unentrinnbarkeit vor Zeit und Schicksal, erregte meine Aufmerksamkeit. Das war doch – ja, ich war ganz sicher, mit dem, der dort nun modernd im feuchten Erdengrund lag, die hoffnungsvolle Blüte meiner Jugend und fast meine gesamte Schulzeit verbracht zu haben! Ein seltsames Gefühl der Wehmut, aber auch des Grauens beschlich mich. Hält man doch einige Menschen, zumal, wenn man sie in jungen Jahren gekannt hat, für geradezu unsterblich aufgrund ihrer Robustheit, ihrer Gesundheit und Heiterkeit ihres Wesens. Vor allem dann, wenn man selbst durch Abgründe des Leidens hindurchmusste, von denen diese Personen, die unsere Bewunderung, ja, unseren Neid genießen, niemals etwas wissen können. Da ich mit dem armen Tropf dort in der Erde freundschaftlich verbunden gewesen war – sofern ich aufgrund der Schwermut meines Wesens zu solchen Regungen überhaupt fähig war – erregten die Umstände und Art seines Todes mein Interesse. Doch wen sollte ich nach ihm fragen? Mir war nicht einmal bewusst gewesen, dass er noch in der Stadt gelebt hatte. Später erst rief ich mir die folgenden, beängstigenden Ereignisse noch einmal vor Augen in dem Versuch, sie mit dem Licht der Vernunft zu durchdringen. Und ich kam nicht umhin, zu glauben, dass gewisse diabolische Mächte, die uns umlauern wie Leviathans Rachen, in genau jenem Augenblick ihr dämonisches Spiel begannen, als mich ein Geräusch ganz in meiner Nähe aufblicken ließ. Ich erschrak, als ich einen dunklen Schatten auf mich zukommen sah. Er entpuppte sich als sehr alter Mann. Er war in einen zerlumpten, schwarzen Mantel gehüllt, der fast bis auf den Boden reichte, trug ebenso dunkle Handschuhe, aus denen die Fingerspitzen lugten, und einem großen Schlapphut auf dem Haupt. Doch ich war gar nicht das Ziel des Alten, sondern das Grab meines Schulfreundes. Der alte Mann beachtete mich nicht, sondern stellte sich vor das Grab, senkte den Kopf und schien alsbald in einem Gebet versunken. Ich kam nicht umhin, ihn heimlich zu beobachten und mich zu fragen, ob er wohl tatsächlich, das hieß, mit dem Herzen betete. Oder hatten der Kummer, die Trauer über manchen Verlust seinen Glauben abgetötet und zu einer bloßen Geste verkommen lassen? Sodann fragte ich mich, an welchen Gott er wohl seine Gebete richtete. Wie sah sein Gott aus? War er gnädig und gütig oder ein eifersüchtiger, rächender Gott? War es der Gott der Philosophen oder trug der Fremde ein abergläubisches, volkstümliches Gottesbild mit sich herum? Ich beschäftigte mich seit frühester Jugend mit den Mythen aller Völker und mir waren viele Götter vertraut. Doch konnte ich ein solches Grübeln, Suchen und Nachsinnen gewiss nicht bei jedem, auch nicht bei einem so alten und sicherlich erfahrenen Menschen voraussetzen. Gleichwohl hatte dieser Mann etwas Besonderes an sich. Er verströmte eine Aura des Geheimnisvollen, ja, Unheimlichen, die sofort mein Interesse weckte. Und nicht zuletzt konnte mir dieser Mann, der scheinbar in einer Art Verwandtschaftsverhältnis zu dem Toten stand, Auskunft über dessen Schicksal erteilen! »Dinge, die so lange so tief verborgen und vergraben waren, wieder ans Tageslicht zu holen, das ist eine Schande, finden Sie nicht?« Ich hatte schweigend abwarten wollen, bis der alte Mann sein Gebet beendet hatte, um ihn dann anzusprechen und fuhr zusammen, als er völlig unvermittelt mit tiefer, volltönender Stimme das Schweigen brach. Ich wusste nicht recht, was auf diese Aussage zu erwidern sei und schwieg. »Es ist ein großes Unrecht, was die dort getan haben und noch immer tun! Es gibt Dinge, die besser für immer verborgen bleiben. Und es kommt einer Blasphemie gleich, sie ans Tageslicht zu zerren, um sie zu untersuchen und zu analysieren, mit all ihren Schrecken und den Abgründen, die sie verbergen. Als ob der Verstand des Menschen imstande sei, derartige Dinge zu begreifen! Er hat sie nicht begriffen, als er noch am offenen Feuer sein Fleisch briet, und er wird sie auch heute nicht begreifen – niemals!« Der alte Mann hatte bislang wie zu sich selbst gesprochen. Nun hob er den Kopf, um mich direkt anzublicken; ich sah die Trauer in seinen trüben, verlöschenden Augen und noch etwas anderes, etwas, das mich erschauern ließ. Ich war sicher, mich nicht genug im Griff zu haben, meine Regung ganz zu verbergen. Es flackerte eine an Irrsinn grenzende Angst in diesen Augen, der Ausdruck eines verletzten, gehetzten Tieres, das um sein Ende weiß, oder eines Menschen in der Agonie ... »Jetzt wird es nicht mehr aufzuhalten sein ... Diese Narren!« Der Alte hob die wie eine Klaue gekrümmte Hand in Richtung meines Gesichtes. »Hüten Sie sich, junger Mann! Sehen Sie sich vor, denn Grauenhaftes wird geschehen oder geschieht bereits! Diese unfähigen Idioten haben eine Lawine ins Rollen gebracht, die uns alle verschlingen wird! Gehen Sie ... gehen Sie heim und verlassen Sie das Haus nicht mehr, vor allem nicht des Nachts ... Und lassen Sie Licht brennen, wenn Sie auf mich hören ... Lassen Sie Licht brennen, die ganze Nacht von nun an, lassen Sie es nicht mehr verlöschen ...« Ein Mitleid erregendes Seufzen beendete den Ausbruch des Alten, der aus tiefster Verzweiflung geboren war. Mir schien, als habe er das, was er zu sagen hatte, schon viel zu lange unter falschem Schweigen verborgen. »Sie haben den Toten gekannt? Ihm nahegestanden?«, fragte ich leise. »Ihm nahe ...? Ich bin sein Vater.« Der Alte wirkte mit einem Male völlig klar und gefasst, dann verzog sich sein Gesicht zu einer weinerlichen Grimasse. »Mein armer Junge ... Was haben sie ihm nur angetan, was haben sie ...« »Auch ich habe Ihren Sohn gut gekannt. Wir sind zusammen zur Schule gegangen.« Der Alte sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich stellte mich vor und wir reichten einander die Hand. »Ich bedauere Ihren Verlust«, sagte ich leise. Als er schwieg, fügte ich hinzu. »Darf ich fragen ... Es würde mich interessieren, wie er gestorben ist ... falls Ihnen diese Frage nicht zu aufdringlich erscheint ...« »Wie ist mein Sohn gestorben ... Ja, wie?« Der Alte schüttelte den Kopf. Er schlurfte zu einer Bank aus moosbewachsenem Stein, über der sich ein mächtiger Baum wölbte und sein enormes Blätterdach über sie breitete, als wolle er sie mit seinem Schatten verhüllen. Ich setzte mich neben den alten Mann und blickte ihn gespannt an. Neugier und Furcht schienen sich in meinem Herzen abzuwechseln. »Mein Junge war als Ingenieur tätig, wussten Sie das?« Ich verneinte. »Er hat als Bauleiter für die verschiedensten Projekte auf der ganzen Welt gearbeitet. Er war in den Dschungeln Südamerikas ebenso zuhause wie in den endlosen Steppen Sibiriens und der Mongolei; in den sengenden Felsenwüsten Nordafrikas ebenso wie im ewigen...



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