E-Book, Deutsch, 232 Seiten
Reihe: Preselect
Heyse Was Lehrerinnen und Lehrer stark macht (E-Book)
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-0355-0649-5
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Lesebuch für ein erfüllendes Berufsleben
E-Book, Deutsch, 232 Seiten
Reihe: Preselect
ISBN: 978-3-0355-0649-5
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen.
Kinder und Jugendliche zu unterrichten, ist eine sehr fordernde Tätigkeit, die aber auch viel Freude bringt. Dieses Lesebuch beschreibt Ressourcen und Kompetenzen, die nötig sind, um sich mit den psychischen Herausforderungen des Lehrberufs gesundheitsförderlich auseinanderzusetzen und individuelle Lösungswege zu finden. Es soll dazu beitragen, dass Lehrpersonen ihren verantwortungsvollen Beruf – auch mit Unterstützung des Führungspersonals – möglichst lange psychisch gesund ausüben und geniessen können. Dieses Buch gehört in die Hände aller Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger.
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Vorbemerkung und Widmung
Anerkennung Sie haben als Lehrerin oder Lehrer (Anmerkung: Dieses Buch ist gendergerecht formuliert. In Ausnahmefällen wird die männliche oder weibliche Formulierung verwendet, die Frauen und Männer gleichermaßen meint.) einen der verantwortungsvollsten Berufe gewählt, welchen die Gesellschaft zu vergeben hat. Sie beeinflussen die Zukunft von Generationen von Kindern und Jugendlichen, formen und prägen Menschen – ob Sie das immer beabsichtigen oder nicht. Sie entscheiden über Lebensschicksale, Sie helfen jungen Menschen, sich selbst zu finden, sind jedoch auch nicht unbeteiligt (aber nicht automatisch schuldig), wenn Jugendliche ihren Weg verlieren. Der Lehrerberuf erfordert ein hohes individuelles Engagement für Schülerinnen und Schüler und für die Schule. Es ist kein »Nine-to-five«-Job, kein Beruf und keine Tätigkeit, die man mit emotionaler Distanz in klar definierter Arbeitszeit erledigen kann. Lehrerin oder Lehrer sein ist ein psychisch anspruchsvoller und anstrengender Beruf. Er verführt eine große Zahl von Lehrerinnen und Lehrern dazu, sich in einer Weise für die Schülerinnen und Schüler, das eigene Fach und die Schule einzusetzen, die zu gesundheitlich bedenklicher Selbstüberforderung und Selbstausbeutung führen kann. Gelingen und Misslingen des Lehrerberufes zeigen sich nicht nur an den Schülerinnen und Schülern, sondern auch an der Lehrkraft selbst. Bei allem Verständnis und aller Anerkennung für ein selbstloses Engagement darf man in einem derart fordernden Beruf die Sorge für die eigene Unversehrtheit nicht vernachlässigen. Feuerwehrleute oder Bergretter z. B. müssen bei allen Bemühungen um die Verunglückten auf die eigene Absicherung achten; andernfalls könnten sie ihren Beruf nicht lange ausüben. Analog müssen Angehörige sozialer Berufe begleitend zu ihrer anstrengenden Tätigkeit auch in den Erhalt und die Förderung, ggf. auch die Wiederherstellung ihrer Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit investieren. Eine gute und gesunde Schule braucht gesunde, insbesondere psychisch gesunde Lehrkräfte. Übergang vom Studium zum Beruf Gerade der Berufsanfang birgt enorme Belastungen. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Lehrerausbildung, dass Lehramtsanwärterinnen und -anwärter von Beginn an tun müssen, wofür sie eigentlich erst ausgebildet und vorbereitet werden sollen: eigenverantwortlich, selbstständig Unterricht erteilen. Das bringt neben der Unerfahrenheit und der Fehlerwahrscheinlichkeit in mehrfacher Hinsicht Risiken mit sich. Die »Anfangsphase der eigenverantwortlichen Berufstätigkeit in der Schule ist eine Schlüsselphase für die weitere berufliche Entwicklung« (Messner & Reusser 2000, S. 167). So kommt es z. B. zu stressbeladenen Rollenkonflikten: Für die Schülerinnen und Schüler ist man Lehrerin und Lehrer. Gleichzeitig ist man für die berufserfahrenen Kolleginnen und Kollegen eine zwar gern akzeptierte Entlastung, wird aber als Anfänger oder Anfängerin auch mit Vorbehalt und Skepsis bis Missbilligung beargwöhnt. Zumindest wird der »Anfängerbonus« nicht selbstverständlich gewährt. Und dann gibt es noch den anderen Schauplatz, das Seminar. Hier sind Sie als berufseinsteigende Lehrkraft nun selbst in der Schülerrolle, nicht selten mit unliebsamen Erinnerungen an die eigene Schulzeit. Der Stolz auf das bestandene Hochschulexamen wird einer ausgiebigen Bewährungsprobe unterzogen. Der ein oder andere wird zu hören bekommen: »Vergessen Sie alles, was man Ihnen im Studium erzählt hat; hier läuft das alles ganz anders.« Als Berufseinsteiger möchten Sie Ihre frisch erworbenen fachlichen und pädagogischen Kenntnisse anwenden, neue Konzepte erproben – und sind doch auf gute Noten angewiesen, die sich in der Regel nur mit Anpassung an die Seminarvorstellungen erreichen lassen. Nicht selten stehen Sie in einem Spannungsverhältnis zweier unterschiedlicher Auffassungen von gutem Unterricht, die der Schule und die des Seminars. Im kalten Wasser Aber auch nach dem zweiten Staatsexamen ist man ja noch kein fertiger Lehrer, keine fertige Lehrerin. »Die gedankliche Formel von ›Studium + Praktika + Referendariat = fertiger Lehrer‹ muss aufgegeben werden. Es gibt keine ›fertigen Lehrer‹. Man ist zwar jetzt voll verantwortlich, aber in vielen Situationen auf Hilfe angewiesen. Mit dem Fachwissen kann man einen aktuellen Stand erreicht haben oder eine Routine beherrschen, die alltägliche Probleme meistert und durchschnittlichen Anforderungen an Unterricht genügt – jedenfalls aus Lehrersicht. Doch der Lehrerberuf besteht nicht, und das ist entscheidend, vorrangig in der Vermittlung von Wissen und Erfüllung von Lehrplänen. Er besteht in der täglichen Auseinandersetzung mit den Schülern« (Herrmann & Hertramph 2000, S. 187). Allerdings fehlt es nun an Unterstützung durch Fachleitung oder Mentoren. Wer niemanden findet, an den er sich vertrauensvoll wenden kann und der ihn uneigennützig unterstützt, gerät leicht in Stress oder gar Panik, kämpft mit Selbstzweifeln oder Mutlosigkeit. Dabei besteht das Risiko, sich in dieser anstrengenden Zeit Verhaltensweisen anzueignen, die zwar kurzfristig entlasten, langfristig aber leistungs- und gesundheitsbeeinträchtigend wirken können, z. B. jede Unterrichtsstörung aufgreifen und emotional reagieren, Konsequenzen ankündigen, aber nicht realisieren. In einer Studie bei Gymnasiallehrkräften zur Wirkung der beruflichen Eingangsphase kommen Herrmann und Hertramph zu dem Ergebnis: »In der ausgesprochen arbeitsintensiven Anfangsphase, die zumeist als Überbelastung empfunden wurde, entwickelten ›sich‹ unter zeitlichem und psychischem Druck (Berufs-)Einstellungen und (Berufs-) Routinen, die in den nachfolgenden Jahren in der Regel beibehalten wurden und auf diese Weise sedimentartig die Berufsausübung des Betreffenden kennzeichnen. Dass dies ›sich‹ entwickelte, soll darauf hinweisen, dass es sich in der Regel um wenig gesteuerte und wenig kontrollierte Lernprozesse gehandelt hat, die durch Lernen am Modell (Vorbild), durch Erinnerungen an die eigene Schulzeit und eigene Lehrer, durch zufällige Erfolge usw. instrumentiert wurden« (Herrmann & Hertramph 2000, S. 178). Deswegen sollte man von Beginn des Berufslebens an bei allem notwendigen und befriedigenden Engagement sehr darauf achten, auch Verhaltensweisen, Haltungen und Einstellungen zu erwerben, die helfen, den Beruf lange mit Freude und Erfolg auszuüben. Dies ist – es sei noch einmal betont – gerade für Lehrkräfte zu beherzigen. Denn ihr Beruf gehört zweifelsfrei zu den Tätigkeiten mit einer extrem hohen psychischen Belastung. Nach den Ergebnissen der Untersuchungen von Schaarschmidt (z. B. 2005) kann man davon ausgehen, dass ca. 60 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer gesundheitlich riskante Verhaltens- und Erlebensmuster im Beruf aufweisen – das sind wesentlich mehr als in vielen anderen Berufen. Schulleitung und Berufsanfänger Der Schulleitung kommt gerade beim Berufseinstieg von Lehrerinnen und Lehrern besondere Bedeutung zu. Zwar ist das Aufgabenpensum von Schulleiterinnen und Schulleitern ohnehin überfrachtet. Man kann ihnen aber die Verantwortung dafür nicht abnehmen, dass Berufsanfängerinnen einen Start in ihr Berufsleben erhalten, der dazu beiträgt, ihre Leistungsfähigkeit, Arbeitszufriedenheit und Gesundheit möglichst bis zu ihrem Pensionsalter aufrechtzuerhalten (siehe dazu Dammann 2008). So bestimmt z. B. der Orientierungsrahmen Schulqualität in Niedersachsen: »Die Schulleitung trägt durch zielgerichtetes Handeln nach den Prinzipien von Partizipation und Transparenz zu einer wertschätzenden, kooperativen, gesundheitsfördernden und verlässlichen Zusammenarbeit bei, […] initiiert, steuert und unterstützt als gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten eine zielbezogene Qualitätsentwicklung […] und stellt durch übersichtliche und nachvollziehbare Organisationstrukturen den geregelten Schulbetrieb sicher« (Orientierungsrahmen Schulqualität Niedersachsen (? Links). Darin eingebettet sehe ich auch die besondere Sorge um Berufsanfänger. Schließlich hat die Schulleitung auf den beruflichen Werdegang der neuen Lehrkraft weichenstellenden Einfluss. Schulleiterinnen und Schulleiter bestimmen maßgeblich mit, ob die Neulinge von Anfang an überfordert und entmutigt werden oder einen motivierenden Einstieg erleben. So sollten z. B. Auswahl und Anzahl der Klassen, in denen Berufseinsteigerinnen eingesetzt werden, oder die Gewichtung und Stundenverteilung der Fächer nicht nur nach organisatorischen Gesichtspunkten vorgenommen werden. Solche Entscheidungen können bei überforderten Berufsanfängern im ungünstigen Fall zu einer lebenslangen Resignation, mangelndem Selbstvertrauen, Verdruss am Beruf und zu psychosomatischen Beeinträchtigungen führen. Dann ist eine Lehrkraft für die Schule »verloren«.[1] Lehrerinnen und...