Hintermair | Den Menschen im Fokus | Buch | 978-3-941146-87-7 | sack.de

Buch, Deutsch, 162 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm, Gewicht: 400 g

Hintermair

Den Menschen im Fokus

Impulse aus Randgebieten der Hörgeschädigtenpädagogik
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-941146-87-7
Verlag: Median-Verlag von Killisch-Horn GmbH

Impulse aus Randgebieten der Hörgeschädigtenpädagogik

Buch, Deutsch, 162 Seiten, Format (B × H): 170 mm x 240 mm, Gewicht: 400 g

ISBN: 978-3-941146-87-7
Verlag: Median-Verlag von Killisch-Horn GmbH


Einführung

Bei einem Buch, das im Titel den Menschen in den Mittelpunkt stellt, muss sich der

Autor die Frage gefallen lassen, ob er sich damit nicht in Selbstverständlichkeiten

und Banalitäten verliert. Denn worum geht es, wenn man sich mit der Entwicklung

hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher oder der Lebenssituation erwachsener

Hörbehinderter beschäftigt, wenn nicht um den – in diesem Fall hörgeschädigten

– Menschen? Muss das besonders betont oder hervorgehoben werden, und muss

man darüber ein ganzes Buch schreiben?

Zur Vorbereitung auf die in diesem Buch behandelten Themen sollen einleitend einige

Überlegungen angestellt werden, zu welch unterschiedlichen Erkenntnissen man gelangen

kann, je nachdem, aus welcher Perspektive man auf den Menschen schaut.

I – Instrumentalisierung: Wofür der Mensch nicht

alles herhalten muss

Eine einfache und theoretisch noch nicht vertiefte Inaugenscheinnahme zeigt zunächst,

wie häufig (und unreflektiert) der Begriff Mensch in den unterschiedlichsten Zusammenhängen

bemüht wird: Wirft man z. B. einen Blick in Leitbilder von Institutionen, in

Stellenausschreibungen, auf die Websites von Unternehmen, in Werbematerialien, so

wird deutlich, wie selbstredend es geworden ist, dass es bei allen Verlautbarungen

immer nur um den Menschen geht. Auch vergisst kein*e Politiker*in im Wahlkampf,

darauf hinzuweisen, dass alles, was er*sie tut oder tun wird, nur für die Menschen in

der Region geschieht, ebenso wie sich jedes Unternehmen stets als große Familie

versteht, in der jeder einzelne Mensch zählt. Das mag in vielen Fällen zutreffen, aber

es fehlt nicht an Beispielen dafür, dass nicht überall, wo „Mensch drauf steht“ auch

„Menschlichkeit drin ist“ und man somit nicht immer sicher sein kann, dass es für den

Menschen gut ausgeht, wenn er in den Mittelpunkt gestellt wird.

Dies zeigen allein schon einige in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit sehr präsente

Ereignisse aus dem Monat März 2023 während des Schreibens dieser Zeilen: Zwei

große Medienkonzerne (Axel-Springer, Gruner + Jahr) geben in kurzem zeitlichen Abstand

bekannt, dass Einsparungen in großem Umfang unumgänglich sind und dies

bedauerlicherweise auch mit Stellenabbau verbunden sein wird. Der Social-Awareness-

Sound in den Ankündigungen der Unternehmensleitungen klingt nahezu identisch:

„Augenmaß und Menschlichkeit werden uns wie in der Vergangenheit dabei [bei

der Umsetzung; M.H.] begleiten“ (zit. nach Ernst, 2023b, S. 19) bzw. „Alle Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter würden wertschätzend behandelt, natürlich besonders die, die

uns verlassen werden“ (zit. nach Ernst, 2019a, S. 19). Ende des Monats wird dann

noch beim Fußballclub FC Bayern München der Cheftrainer Julian Nagelsmann von

seinen Aufgaben freigestellt. In der Pressekonferenz des Vereins dazu (Internetquelle

1) betont der Vorstandsvorsitzende mit bedrückter Miene und gedämpfter Stimme,

6

Manfred Hintermair Den Menschen im Fokus

dass er vor dieser Entscheidung mehrere Nächte schlecht geschlafen habe, u. a. auch

deshalb, weil ja hinter der Entscheidung ein Mensch stehe und man sich in den vergangenen

Jahren auch menschlich gut verstanden habe. Nun muss man sich um die

Zukunft des Ex-Trainers des FC Bayern München keine Sorgen machen, bei vielen

Mitarbeiter*innen der o. g. Verlage sieht das deutlich anders aus.

Diese Beispiele, denen zahlreiche weitere aus den unterschiedlichsten sozialen,

politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Zusammenhängen hinzugefügt werden

könnten, weisen darauf hin, dass der Begriff Mensch offensichtlich gesellschaftlich

vereinnahmt und dabei instrumentalisiert worden ist. Damit ist gemeint, dass durch

die häufige Verwendung des Begriffs die Sachverhalte, um die es eigentlich geht,

klammheimlich weichgespült, d. h. beschönigt und besser dargestellt werden als

sie sind und die handelnden Akteur*innen dadurch in einem angenehmeren Licht

erscheinen. Das vermeintlich Menschliche durchdringt dabei die verwendete Sprache

in all ihren Facetten: So vermeidet man z. B. in den Führungsetagen von Unternehmen

möglichst Wörter wie „entlassen“ oder „kündigen“, viel häufiger liest man

Umschreibungen wie „freistellen“ oder „freisetzen“, was irgendwie nach „Urlaub für

immer“ klingt, aber nichts anderes ist als ein Euphemismus für den eigentlichen

Sachverhalt. Jacke (2019) verwendet für das, was hier passiert, den Begriff „HumanGreenWashing“,

was so zu verstehen ist, dass sich eben z. B. Unternehmen

durch geschicktes Kommunikationsverhalten ein im Lichte der Gesellschaft „smarteres

Image“ verpassen wollen.

II – Selbstoptimierung: Wenn der Mensch aufgrund

gesellschaftlicher Verunsicherungen sein Heil in

„psychologischer Aufrüstung“ sucht

Die gesellschaftlichen Entwicklungen seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts

haben den Nährboden dafür bereitet, dass eine permanente und immer wieder

neu zu leistende Selbstinszenierung zum zentralen und herausfordernden Lebensprojekt

des Menschen in der sog. Spätmoderne geworden ist. Diese Entwicklungen werden

mit bekannten Schlagworten wie Globalisierung und Individualisierung in Verbindung

gebracht, die zahlreiche Veränderungen und Herausforderungen für die Menschen

mit sich bringen (z. B. Pluralisierung der Lebensformen, zunehmende Flexibilisierung

und Mobilität, Verlust traditioneller Bindungen, zunehmender Wertewandel, verstärkte

Fragmentierung von Erfahrungen, allumfassende Digitalisierung etc.).

Beck (1986) hat für den deutschsprachigen Raum bereits Ende der 80er Jahre des

letzten Jahrhunderts in seinem Buch „Risikogesellschaft“ die veränderten gesellschaftlichen

Bedingungen und deren Auswirkungen auf die Subjekte ausführlich beschrieben.

Es gehe vor allem um den Umgang mit Unsicherheit, den die Subjekte

nach seiner Auffassung in der Spätmoderne lernen müssen. Wie weiter unten ausgeführt

wird, ist dies mit erheblichen Herausforderungen verbunden, die dann oft

sehr schnell zu Überforderungen werden können.

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Bröckling (2007) hat in seinem Buch mit dem bezeichnenden Titel „Das unternehmerische

Selbst“ den Wandel des Selbstverständnisses der Individuen beschrieben,

der mit diesen neoliberal bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungen einhergeht.

Ausgehend von der in Wirtschaftsunternehmen vorherrschenden Logik, die sehr

stark von der Vermarktung der eigenen Person geprägt ist, wird das unternehmerische

Selbst gleichsam zum Leitbild für individuelles Handeln in der Gesellschaft.

So sollen sich Menschen geradezu als Marke inszenieren, um im Beruf wie im Leben

überhaupt möglichst erfolgreich zu sein. Die „Optimierung aller Prozesse und

das Dogma der Effizienz [werden] handlungsleitend für die Subjekte“ (Strübe, 2013,

S. 2). Das bedeutet, dass nicht nur „Wohlstand und Leistung, sondern auch Selbstbewusstsein

und Selbstwertgefühl ständig optimiert werden [sollen]“ (ebd., S. 3).

Reckwitz (2019) hat diese Analysen in seinem Buch „Die Gesellschaft der Singularitäten“

weiterentwickelt und in ihren Konsequenzen für den Menschen präzisiert.

In der Verlagswerbung für das Buch liest sich das so: „Das Besondere ist Trumpf,

das Einzigartige wird prämiert, eher reizlos ist das Allgemeine und Standardisierte.

Der Durchschnittsmensch mit seinem Durchschnittsleben steht unter Konformitätsverdacht.

Das neue Maß der Dinge sind die authentischen Subjekte mit originellen

Interessen und kuratierter Biografie, […]. Spätmoderne Gesellschaften feiern das

Singuläre“ (Internetquelle 2).

Und dieses Singuläre will gehegt und gepflegt werden. In diesem Zusammenhang

ist „Selbstoptimierung“ im Sinne einer „ständigen Verbesserung der persönlichen

Eigenschaften und Fähigkeiten […] hin zur bestmöglichen persönlichen Verfassung“

(Fenner, 2020) zum prägenden Symbol für die Kennzeichnung dieses Prozesses

der permanenten Selbstinszenierung geworden. Das Subjekt als (vermeintlich) letzter

Ort, der noch zur Verfügung steht, um Kontrolle über sein Leben zu behalten und

deswegen „psychologisch aufgerüstet“ werden muss. Herbert Grönemeyer (2023)

spricht im Titelsong „Das ist los“ seines gleichnamigen Albums die vielen Baustellen

des Menschen im 21. Jahrhundert an, die diesen „Rückzug nach Innen“ befeuern,

weil die Realitäten draußen so unübersichtlich und herausfordernd, oft auch frustrierend

(geworden) sind:

„Und immer wieder Neuanfang / Die Welt dreht sich im Schleudergang / Bankenkrise,

Emirat / Schuldenbremse, Windradpark / Lifehacks, Burnout, Horoskop / Cis, binär und

transqueerphob / Gucci, Prada, Taliban / Schufa, Tesla, Taiwanwahn […]

Avocado, Chiasamen / Hamsterräder, Großalarm / Jeder sieht sich, jeder schreit / Hundert

Jahre Eitelkeit / Orban, Le Pen, Rasputin / Wer ist die nächste Killerqueen […]

Was ist, Kid / kriegst Du alles mit? …“ (Grönemeyer, 2023, Booklet)

Die Projekte der Selbstoptimierung umfassen dabei Körper und Seele. Was die physische

Dimension betrifft, wurde beispielsweise vor einiger Zeit auf dem Videoportal

Tik Tok ein Videofilter („Bold Glamour“) veröffentlicht, mit dem verschiedene Körpermerkmale

sehr realistisch und in Echtzeit nach eigenen Vorstellungen verändert

werden können (Moorstedt, 2023, S. 11). Dazu gehört auch ein „Teenage-Look-Filter“,

der Tränensäcke glättet und Narben oder Falten verschwinden lässt, und so

zu einem jugendlicheren Aussehen verhelfen soll (ebd.). Ob sich die Hoffnung von

Einführung

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Manfred Hintermair Den Menschen im Fokus

Moorstedt, es möge irgendwann vielleicht doch noch zu einem ernsthaften Diskurs

kommen, „wie waffenfähige Schönheitsideale reguliert werden können“ (ebd.), als

realistisch erweisen wird, bleibt abzuwarten (bzw. kann bezweifelt werden).

In einem anderen Text stellen Buhl und Gassmann (2023) fest, dass – nicht zuletzt

durch die Zunahme von Videokonferenzen während der Coronapandemie – „[d]as

Gesicht eines Menschen […] zur ultimativen Werbefläche“ (S. 14) geworden sei. Da

das Bild, das man auf solchen Konferenzen abgibt, offensichtlich Einfluss auf den beruflichen

Erfolg und das persönliche Wohlbefinden hat, hat das Softwareunternehmen

Zoom eine Funktion eingebaut, die sich „Touch up my appearance“ nennt. Damit „legt

[man] einen minimalen Filter über das Gesicht, der die Haut glättet und weichzeichnet

(ebd., S. 16). […] eine kleine Retusche des Gesichts, verbunden mit der Hoffnung auf

eine Steigerung des Selbstwertgefühls (ebd., S. 17). Die beiden Autor*innen verorten

die häufige Nutzung des Filters wie folgt: „Während die Welt aus den Fugen [gerät],

[richtet] sich der Blick der Menschen nach innen. Das fragile Ich als letzte Zone, über

die man noch Kontrolle [hat] (ebd.), verbunden mit der Hoffnung, „dass eine Verbesserung

des Äußeren auch auf das Innere abfärben möge“ (ebd., S. 19).

Was die psychische Dimension der Selbstoptimierung betrifft, so ist nach Marinic

(2022) die Arbeit am persönlichen „Mindset“ zu einer der zentralen Aufgaben des

modernen Subjekts geworden. Auch sie stellt fest, dass die vielfältigen Überforderungen

des modernen Menschen (s. o. den Liedtext von Grönemeyer) der Grund

dafür sind, „dass viele Menschen die Rettung ins Ich suchen. […] Das Ich scheint

im Vergleich zur Weltunordnung eine Einheit zu sein, die sich dem eigenen Einflussbereich

nicht entzieht“ (S. 5). Sie fragt nach der Sinnhaftigkeit, warum man Spannungen

nicht mehr in der Auseinandersetzung mit anderen löst, sondern – ganz

auf sich selbst fokussiert – versucht, die Anspannung weg zu atmen (ebd.). Marinic

sieht die Problematik einer überhöhten Selbstoptimierung auch in der sozialen Kontrolle

und der damit einhergehenden Abgrenzung: „Was früher der Familienwagen

vor dem Haus leistete … das beschreibt man jetzt mit dem Grad des ‚Bewusstseins‘

…“ (ebd.), den man durch das Aufpolieren seines Mindsets bereits erreicht hat (und

andere eben noch nicht).

Dieser bereits erreichte Grad an Bewusstsein spiegelt sich auch in der verwendeten

Sprache wider, die oft die Dinge nicht beim Namen nennt, sondern die eigentliche Botschaft

verschleiert (s. o.). So wichtig und hilfreich ‚Social Awareness‘ als die Fähigkeit

einer Person, die Perspektiven anderer Personen, Gruppen oder Gemeinschaften zu

verstehen und dies in den Interaktionen mit ihnen anzuwenden, zweifellos in vielerlei

Hinsicht ist, können dadurch auch Probleme kaschiert werden. Klute (2021) verweist

auf die Philosophin Bettina Stangneth, die in ihrem Buch „Böses Denken“ (2016)

ein Kapitel mit „Empathie als Waffe“ überschreibt: „Auch Einfühlungsvermögen und

Achtsamkeit sind Werkzeuge zu vielen denkbaren Zwecken“ (zit. nach Klute, 2021,

S. 11). Das sieht dann so aus: „‚Das kann ich verstehen‘ ist das neue ‚Fuck you‘. ‚Das

nehmen wir mal mit‘ das neue ‚Scheißidee‘“ (ebd.) oder „Wer lügt, betreibt ‚gaslighting‘,

wer fremdgeht, wird nicht mehr als untreues Arschloch beschimpft, sondern als

Narzisst“ (Marinic, 2022, S. 5).

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An Angeboten, die Perfektionierung der Selbstoptimierung voranzutreiben, mangelt

es nicht: Neben dem reichhaltigen Kursangebot, das von Praxen, Rehakliniken und

Krankenkassen vorgehalten wird, gibt es nach Bartens (2023) „geführte Achtsamkeits-

Wanderungen, ‚Für-dich-Retreats‘ in Wellness-Hotels und Klöstern, Online-Seminare

und Youtube-Tutorials“ (S. 31), auch Institute, wo man „ohne Voranmeldung

‚innere Stille lernen‘ kann“ (Ott, 2023, S. 31). Bartens stellt weiter fest, dass „[d]ie

Erbauungstexte, die vorgetragen werden, […] jeweils ähnlich [klingen] und […] dazu

dienen [sollen], die Menschen mit sich in Einklang zu bringen“ (2023, S. 31).

Dies kann allerdings, wie Bröckling festhält, dazu führen, dass die ergriffenen Maßnahmen

zur Selbstoptimierung, Bewusstseinserweiterung etc. zu einer Art durchgetaktetem

Arbeitsprogramm werden und sich dadurch der dringliche Wunsch nach „Entspannung,

Entlastung und Ruhe vor den Zumutungen dieser Welt“ (zit. nach Bartens, 2023, S. 31)

nicht immer erfüllt, sondern auf einer anderen Ebene neuen Druck erzeugt („Habe ich

schon genug getan?“, „Bin ich schon weit genug?“ etc.) und damit ins Gegenteil verkehrt.

„Da wird mit viel Geld und großen Erwartungen in Kurse und Wellness-Wochenenden

investiert. Solche Auszeiten tun sicherlich gut, machen es aber noch schwerer,

den Stressabbau in den Alltag zu integrieren“ (ebd.).

Was all die aufgeführten Beispiele zeigen ist, dass das durch die vielfältigen Selbstoptimierungsaktivitäten

geschnürte Hoffnungspaket (erfolgreiche Stressreduktion,

ersehnte Entschleunigung etc.) primär in die Verantwortung des Subjekts gelegt und

damit als dessen Aufgabe gesehen wird, ohne verursachende gesellschaftliche Bedingungen

(z. B. für erhöhtes Stresserleben) in die Analysen einzubeziehen (s. u.).

Kann also die vorrangige Befassung mit sich selbst ausreichend sein, um dem Menschen

gerecht zu werden? Oder trägt die zentrale Maxime der Selbstoptimierung

„Be the best version of yourself!“ (Internetquelle 3), wie sie exemplarisch in einer

Werbebroschüre zur Vitalitätssteigerung formuliert wird, nicht gerade zu einer permanenten

Überforderung des Menschen bei (vgl. dazu auch King, Gerisch & Rosa,

2021)?

III – Verbundenheit: Wie sehr der Mensch auf

soziale Einbettung, Zugehörigkeit und

Zusammenhalt angewiesen ist

Der Gegenentwurf zu einer stark subjektfixierten Sichtweise auf den Menschen speist

sich aus einer – wie Keupp (2021) es bezeichnet – „Verknüpfung subjekt- und sozialwissenschaftlicher

Analysen, also […] [aus] einem Subjekt-Struktur-Link“ (S. 7). Bereits

1972 hat Holzkamp als Vertreter der Kritischen Psychologie in Deutschland die

Gefahr einer individualistischen Verengung durch die damalige Mainstream-Psychologie

beschrieben, die mit der Negierung bzw. Eliminierung sozialer, gesellschaftlicher

und historischer Lebensbedingungen einhergeht. Er sieht eine Verkürzung des

menschlichen Lebens auf die individuellen Eigenschaften des Menschen, die einer

vorwiegend psychologischen Selbstbespiegelung Vorschub leistet.

Einführung

10

Manfred Hintermair Den Menschen im Fokus

Der von Keupp angesprochene „Subjekt-Struktur-Link“ richtet demgegenüber den

Blick auf die unauflösliche Wechselbeziehung zwischen den gesellschaftlichen

Strukturen und sozialen Lebensbedingungen der Menschen einerseits und dem Erleben

und Handeln der Menschen, die unter diesen sozialen/gesellschaftlichen Bedingungen

ihr Leben gestalten, andererseits (vgl. aktuell Behzadi et al., 2023).

Ohne die Qualitäten persönlichkeitsstärkender, stressreduzierender und bewusstseinserweiternder

Praktiken, wie sie in Yoga-, Achtsamkeits- oder Meditationskursen

vermittelt werden, in ihrer Bedeutung grundsätzlich in Frage zu stellen oder

zu diskreditieren, kommen sozialwissenschaftlich ausgerichtete Analysen zu anderen

Erkenntnissen. Näher eingegangen sei an dieser Stelle exemplarisch auf Rosa

(2019) mit seinem Resonanzkonzept, der in diesem Zusammenhang das Konzept

der Achtsamkeit (als ein aktuell besonders prominentes Werkzeug der Selbstoptimierung)

einer kritischen Betrachtung unterzogen hat.

Zur Einordnung seiner Kritik soll zunächst eine Definition dessen, was Achtsamkeit

ist und beinhaltet, vorgestellt werden:

„Achtsam sein, heißt den gegenwärtigen Moment bewertungsfrei und bewusst wahrzunehmen.

Wobei ‚bewusst‘ bedeutet, dass wir uns entscheiden, unsere Aufmerksamkeit

absichtlich auf den gegenwärtigen Moment zu lenken, uns nicht ablenken lassen und

nicht mental abschweifen. Der ‚gegenwärtige Moment‘ wiederum, beinhaltet auch die

eigenen Gefühle, Gedanken und die Umgebung, in die wir eingebettet sind, also das

ganze Spektrum des ‚Hier und Jetzt‘. Nehmen wir diesen gegenwärtigen Moment ohne

Bewertung, also bewertungsfrei, wahr, so registrieren wir zwar die Bewertungen, welche

geschehen, […] gehen jedoch nicht weiter darauf ein, sondern bleiben offen, für das,

was der Moment sonst noch bereithält“ (Schmid, 2020, S. 1).

Rosa erläutert seine Kritik in einem Interview mit dem Online-Magazin für Ethik und

Achtsamkeit (Netzwerk ethik heute, 2016). Er kritisiert am Konzept der Achtsamkeit

vor allem die Kommerzialisierung, die zu starke Fixierung auf das Subjekt und die

unpolitische Haltung, die sich aus seiner Sicht dahinter verbirgt. Die Aura, die den

Begriff der Achtsamkeit umwehe, sieht Rosa als individualistischen Wohlfühltrend,

den sich meist Mittel- und Oberschichten leisten (können), und mit dem aus seiner

Sicht bürgerliche Eliten, die schon privilegiert sind, der Hektik des Alltags entfliehen

wollen (ebd.). Er störe sich an der unpolitischen Haltung dahinter, die als individuelle

Strategie eben einer Elite zu sehen sei, mit Hilfe von Wellness-Angeboten noch erfolgreicher

durchs Leben zu kommen. Wellness sei jedoch nicht die richtige Antwort

auf die realen gesellschaftlichen Probleme und deren Auswirkungen auf die Menschen.

So sei gerade im Kontext von Unternehmen zu vermuten, dass Achtsamkeit

(und die Kurse, die zu ihrer Förderung angeboten werden) ein destruktives System

stütze, indem die Leistungs- und Effizienzsteigerung forciert werden soll. Diese Kritik

findet man z. B. in der kurzen Einführung in das Achtsamkeitskonzept von Schmid

bestätigt: „Firmen haben registriert, dass die gestressten Mitarbeitenden davon profitieren,

wenn Achtsamkeits-Sessions angeleitet werden. Die Mitarbeitenden sind

danach zufriedener, fokussierter und effizienter (Tan, 2012)“ (Schmid, 2020, S. 1).

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Es werden Heilsversprechen gemacht, die (oft in Form von Rezepten) vermitteln,

wie man durch optimierte Achtsamkeit schnell(er) glücklich werden kann. Dies ist

im Übrigen eine Tendenz, die sich in vergleichbarer Weise auch bei anderen sehr

populären Konzepten wie Empowerment oder Resilienz zeigt (vgl. Bröckling, 2003;

Gebauer, 2016), die von Politik und Gesellschaft vereinnahmt wurden, was den eigentlichen

Leitideen dieser Konzepte nicht immer gut tut.

Für Rosa sind die Begleiterscheinungen des modernen Lebens (permanente Beschleunigung,

hohes Stresserleben bis hin zum Burnout etc.) nicht ausschließlich

ein Problem des Individuums, auch wenn es von außen so erscheinen mag (weil es

ja konkrete Menschen sind, die darunter leiden). Er wehrt sich dagegen, dass dem

allein durch „psychologische Ruhigstellung“ und/oder „Agiles (Psycho-)Management“

(Prudix, 2020) beizukommen sei, vielmehr stellen sie ein Strukturproblem dar,

das in der Logik von Wachstumsgesellschaften liege und wofür es strukturelle, institutionelle

Bedingungen gebe (Netzwerk ethik heute, 2016). Damit ist gemeint, dass

belastende Zustände im Bereich der Arbeit, aber auch in der Politik oder weltweit

durch Bewusstseinserweiterung etc. nicht verändert, sondern stabilisiert werden

(Bartens, 2023, S. 31).

Demgegenüber betont Rosa in der Argumentation seines Resonanzkonzeptes die

Bedeutung dessen, was er „Weltbeziehung“ nennt. Er versteht darunter, danach zu

fragen, wie sich Menschen auf die sie umgebende Welt beziehen können. Die Bezugnahme

zur Welt könne das Subjekt nicht allein durch sich schaffen, vielmehr gilt:

„Ich muss in der Lage sein, da draußen eine andere Stimme zu hören und mich berühren

zu lassen. Die Resonanzbeziehung ist das Hören und Antworten, dass ich in der Lage

bin, eine andere Stimme zu vernehmen und meine eigene Stimme zum Ausdruck zu

bringen“ (Netzwerk ethik heute, 2016).

Diese Bedeutung von „Weltbeziehung“ bzw. „aufeinander bezogen sein“ wird konkreter

fassbar, wenn man sie von der soziologischen Abstraktionsebene der Theorie

Rosas herunterbricht auf die Ebene der Bedeutung sozialer Beziehungen für

den Menschen. Soziale Beziehungen zu anderen Menschen sind elementar für eine

befriedigende Lebensführung, da ohne Kontakte und Austausch mit anderen Menschen

„ein entscheidendes Bindeglied [fehlt], das das Leben von Menschen zusammenhält

und ihm Sinn gibt (Hintermair, 2021, S. 48).

Diese sinnstiftende, identitätsbildende und emotional stärkende Funktion sozialer

Zugehörigkeit und Verbundenheit und die daraus erwachsende Möglichkeit der Anerkennung

wird seit vielen Jahren von Vertreter*innen verschiedener wissenschaftlicher

Disziplinen in unterschiedlichen historischen Epochen immer wieder in ähnlicher

Weise herausgearbeitet (vgl. Bruner, 1997; Buber, 1967; Elias, 1987; Fromm, 1956;

Gergen, 1990, 2021). Zusammengefasst heißt das: „Unser Leben spielt sich in Relationen

ab. Alles, was wir sind, hat mit Beziehungen zu tun. Wir sind nichts ohne andere“

(Feßmann, 2023, S. 11). Wie Menschen sich selbst sehen, was sie über sich

denken, wie sie sich fühlen, wie sie sich selbst verstehen, entwickelt sich aus dem

Netz von Beziehungen, die sie im Laufe ihres Lebens mit anderen haben (Gergen,

1990, S. 197). Die Botschaft daraus lautet: „Statt uns immer verzweifelter, immer

Einführung

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Manfred Hintermair Den Menschen im Fokus

engstirniger selbst zu bespiegeln, müssten wir wieder lernen, von uns abzusehen;

uns hinzugeben; uns zu verschenken“ (Dorn, zit. nach Kühlem, 2023, S. 9).

Der koreanisch-deutsche Philosoph Byung-Chul Han (2010) hat in seinem Buch

„Müdigkeitsgesellschaft“ diesen Aspekt der sozialen Beziehungen noch einmal mit

der Ideologie der kapitalistischen Leistungsgesellschaft in Verbindung gebracht, die

den modernen, westlichen Menschen beherrscht:

„Selbstwertgefühl kann ich nicht selbst produzieren. Dafür bin ich auf die Instanz der

Gratifikation durch andere angewiesen, die mich lieben, loben, anerkennen und schätzen.

Die narzisstische Vereinzelung des Menschen, die Instrumentalisierung des anderen

und der totale Wettbewerb gegeneinander zerstören das Gratifikationsklima. Das

Leistungssubjekt steht unter dem Zwang, immer mehr zu leisten. So kommt es nie zu

einem ruhenden, abschließenden Punkt der Gratifikation. Es lebt permanent in einem

Gefühl des Mangels und der Schuld“ (zit. nach Kühlem, 2023, S. 9).

Rosa versucht in dem oben erwähnten Interview, eine Brücke zu bauen. Er könne

sich vorstellen, dass Achtsamkeit Resonanzfähigkeit auf der Subjektseite herstelle.

Damit werde die Voraussetzung geschaffen, „den Dingen in der Welt mit einer offenen,

resonanzsensiblen, vielleicht achtsamen Haltung zu begegnen“ (Netzwerk

ethik heute, 2016). Es brauche aber immer auch die Beziehung mit der Welt und

zu den Menschen um einen herum, und um diese Beziehung zu verstehen und Erkenntnisse

daraus abzuleiten, würden auch gesellschaftliche Analysen benötigt.

Unter dieser Perspektive muss (bzw. müsste) Achtsamkeit in einen weiter gefassten

Zusammenhang gestellt werden: Achtsamkeit erweist sich dann als hilfreich, wenn

man nicht nur auf sich selbst schaut und für sich sorgt (und sich dabei optimiert),

sondern Fürsorge auch anderen gegenüber praktiziert und sich daraus dann so etwas

wie ein achtsamer Umgang miteinander entwickelt, aus dem heraus sich dann

auch Konsequenzen ergeben, wie man in einer Gesellschaft zusammen leben will.

Den Beiträgen dieses Buches liegt die Auffassung zugrunde, dass das subjektive Erleben

des Menschen und seine soziale Bedingtheit untrennbar miteinander verbunden

sind und dementsprechend diese beiden Aspekte immer gemeinsam in den Blick genommen

werden müssen. Warum dies notwendig ist, zeigen die behandelten Themen,

die sich u. a. mit Diskriminierungs- und Missbrauchserfahrungen hörbehinderter

Menschen, mit hörbehinderten Kindern, die in Armut leben, mit hörbehinderten Kindern

und ihren Familien, die eine Migrationsgeschichte haben oder Kindern, die zusätzlich

zu einer Hörbehinderung noch andere Beeinträchtigungen haben, befassen.

Ihnen helfen Angebote zur Selbstoptimierung eher weniger! Was sie brauchen, sind

Menschen (und eine Gesellschaft), die ihnen achtsam und respektvoll begegnen, die

ihnen Möglichkeiten und Unterstützung bieten, damit sie ihr Leben unter Berücksichtigung

ihrer spezifischen Bedürfnisse zufriedenstellend gestalten können.

Hierfür müssen immer auch die gesellschaftlichen Realitäten in den Blick genommen

und in Frage gestellt werden (dürfen). Die Texte in diesem Buch enthalten zahlreiche

Hinweise darauf, dass hier noch gehörig Luft nach oben ist.

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Zu den Texten des Buches

Das Buch greift Themen auf, die im klassischen Kanon der Fragestellungen, mit

denen sich die Hörgeschädigtenpädagogik schwerpunktmäßig beschäftigt (Hören,

Hörtechnik, Sprachentwicklung, schulisches Lernen, psychosoziale Entwicklung,

Beratung, schulische Lernorte etc.), eher selten im Fokus stehen. Die hier versammelten

Beiträge geben Impulse für die fachlichen Diskurse aus Randgebieten der

Disziplin. Durch diese Perspektive werden die spezifischen Bedürfnisse von Menschen

mit einer Hörbehinderung, aber auch ihre Verletzlichkeit (und damit die Sorge

um ihren Schutz und die Achtung ihrer Würde) besonders deutlich sichtbar. Dies

trägt zu einem vertieften Verständnis dessen bei, was hörbehinderte Menschen für

ein zufriedenes und erfülltes Leben wirklich brauchen, und zeigt die damit verbundenen

gesellschaftlichen und pädagogischen Herausforderungen auf.

Der erste Block befasst sich mit Diskriminierungs- und Missbrauchserfahrungen hörgeschädigter

Kinder, Jugendlicher und Erwachsener. In Kapitel 1 werden Merkmale,

Risiko- und Schutzfaktoren sowie Folgen von Diskriminierung beschrieben. Ergebnisse

einer Befragung mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einer Hörbehinderung

bestätigen Befunde aus vorliegenden Studien mit hörenden Menschen.

Weiter wird die Bedeutung sozialer Unterstützung beim Umgang mit Diskriminierung

sichtbar. Kapitel 2 befasst sich mit dem Thema Gewalt und Missbrauch an hörgeschädigten

Kindern und Jugendlichen, die zwischen 1945 und 1970 Internatsschulen

besuchten. Es werden dabei insbesondere die historischen, strukturellen und institutionellen

Bedingungen aufgezeigt, die diese Erfahrungen ermöglicht bzw. begünstigt

haben und es werden präventive Maßnahmen für die Gegenwart diskutiert.

Der zweite Block befasst sich mit der Situation von drei Gruppen hörgeschädigter Kinder

mit spezifischen Bedürfnissen. Bei diesen Kindern tritt die Hörbehinderung immer

in Kombination mit einem anderen Merkmal auf, das im Sinne der Intersektionalität

(Winker & Degele, 2010) das Risiko sozialer und gesellschaftlicher Diskriminierung

und Benachteiligung erhöht. In Kapitel 3 wird die Situation von hörgeschädigten Kindern

mit Armutshintergrund analysiert, in Kapitel 4 die Situation von Familien hörgeschädigter

Kinder mit einer Migrationsgeschichte und in Kapitel 5 die Situation von

Familien hörgeschädigter Kinder, die zusätzlich zur Hörschädigung noch eine weitere

Beeinträchtigung haben. In allen drei Beiträgen werden die jeweils spezifischen Risikokonstellationen

herausgearbeitet, und es werden Empfehlungen gegeben, auf was

in der Zusammenarbeit mit hörgeschädigten Kindern und ihren Familien unter diesen

spezifischen Bedingungen zu achten ist.

Der dritte Block enthält einen Text über die Situation von Fachkräften, die mit hörgeschädigten

Kindern an Bildungseinrichtungen arbeiten. Kapitel 6 stellt qualitative

Daten zur psychischen Gesundheit vor, die im Rahmen einer Befragung erhoben

wurden. Sie machen spezifische strukturelle und institutionelle Belastungsmomente

sichtbar und geben Einblick in die Bewältigungsstrategien der Betroffenen.

Die beiden Texte des vierten Blocks befassen sich mit identitätspolitischen und ethischen

Fragestellungen im Kontext von Hörschädigung. Kapitel 7 greift aktuelle Debatten

Einführung

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Manfred Hintermair Den Menschen im Fokus

aus dem Spektrum der sog. linken Identitätspolitik auf. Dabei geht es um die Anerkennung

spezifischer Bedürfnisse von Minderheitengruppen und deren angemessene Berücksichtigung

im gesellschaftlichen Zusammenleben. Es wird an verschiedenen Beispielen

aufgezeigt, wie überzogene Interpretationen eigentlich wichtiger Anliegen dazu

beitragen können, Prozesse der Ausgrenzung zu fördern, anstatt inklusive Visionen zu

stärken. In Kapitel 8 werden zunächst biomedizinische Entwicklungen der letzten Jahrzehnte

vorgestellt und deren Resonanz im Kontext von „Hören“ beschrieben. Anschließend

wird unter Rückgriff auf Überlegungen eines eigenen bereits etwas älteren Textes

aus dem Jahr 2006 aufgezeigt, dass die Möglichkeiten der Biomedizin im Laufe der Zeit

zwar immer weitreichender und die damit verbundenen Hoffnungen immer größer geworden

sind, die grundlegenden ethischen Fragen, die zu beantworten sind, jedoch die

gleichen geblieben sind und endgültige Lösungen dafür nicht in Sicht sind.

Die acht Beiträge des Buches sind bis auf einen in den letzten Jahren entstanden

und in verschiedenen Fachzeitschriften und Büchern publiziert worden bzw. zur Publikation

vorgesehen. Sie wurden zum Teil in alleiniger Autorenschaft verfasst (Kapitel

2, 5, 7, 8), zum Teil sind sie aus gemeinsamen Forschungs- oder Buchprojekten mit

Kolleg*innen hervorgegangen, so mit Laura Avemarie (Kapitel 3), Stephanie Götter

(Kapitel 1), Markus Lang (Kapitel 4), Klaus Sarimski (Kapitel 4), Karolin Schäfer

(Kapitel 1, 6) und Kathrin Vogt (Kapitel 6). Detaillierte Informationen zu den Beteiligungen

finden sich in den Nachweisen am Ende des Buches. Für die Wiederverwertung

der Texte wurden die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis für das sog.

Text-Recycling beachtet (Hagenström, 2023).

Abschließend noch eine Anmerkung zur terminologischen Bezeichnung der Zielgruppe

in diesem Buch. Es werden wahlweise verschiedene Begriffe verwendet, wie

sie in der Literatur anzutreffen sind (hörgeschädigt, hörbehindert, gehörlos, schwerhörig,

taub, Hörverlust etc.). Das liegt zum Teil daran, dass die einzelnen Texte in

ihrer Originalfassung in verschiedenen Publikationsorganen mit unterschiedlichen

terminologischen Vorgaben erschienen sind und diese so belassen wurden. Es liegt

aber auch in der Auffassung des Autors begründet, dass Diskussionen über die „richtige“

Terminologie angesichts der großen Heterogenität der Gruppe, um die es geht,

nicht zielführend sind (es ei denn, man befasst sich ausschließlich und fokussiert mit

den besonderen Bedürfnissen und Interessen einer ganz spezifischen Teilgruppe).

Die fachlichen Diskurse profitieren mehr von inhaltlichen Auseinandersetzungen, die

sich mit Fragen der Erziehung, Bildung und Politik befassen.

Dank geht an Björn Kerzmann, der es unter den schwierigen Bedingungen, mit denen

derzeit viele Verlage zu kämpfen haben, möglich gemacht hat, dass auch dieses

Buch wieder beim Median-Verlag erscheinen kann. Dank auch an Anja Biffar vom

Median-Verlag für die angenehme und souveräne redaktionelle Begleitung sowie an

Sonja Hansen, die auch dieses Mal wieder die grafische Gestaltung des Buchumschlags

in die Hand genommen hat.

Ich möchte dieses Buch Heiner Keupp widmen, der mich mit seinen Texten und Gesprächen

über viele Jahrzehnte begleitet und immer wieder inspiriert hat. Die Welt

könnte mehr Menschen wie ihn gut gebrauchen!

Hintermair Den Menschen im Fokus jetzt bestellen!

Zielgruppe


Pädagogische Fachkräfte an Schulen für Kindern mit einer Hörminderung und benachbarte Berufsgruppen, Eltern und Angehörige von Kindern mit einer Hörminderung, Menschen mit einer Hörminderung


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Inhaltsverzeichnis
Einführung 5
Erfahrungen mit Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch
Kapitel 1
Diskriminierungserfahrungen von Menschen mit einer Hörschädigung
Merkmale, Risiken, Auswirkungen und Schutzfaktoren 19
Kapitel 2
Gewalt- und Missbrauchserfahrungen hörgeschädigter Kinder
an Internatsschulen
Lernen aus der Vergangenheit für die Gegenwart 33
Spezifische Risikokonstellationen und
spezifische Entwicklungsgefährdungen
Kapitel 3
Warum Kinderarmut in einem reichen Land eine Zumutung ist
Und wie sich Entwicklungsrisiken durch das Zusammentreffen
von Hörschädigung und Armutsgefährdung erhöhen 57
Kapitel 4
Familien hörgeschädigter Kinder mit Migrationshintergrund
Was für eine kultursensible Zusammenarbeit wichtig und hilfreich ist 75
Kapitel 5
„Wenn zur Hörschädigung noch etwas dazu kommt …“
Herausforderungen für hörgeschädigte Kinder mit zusätzlichen
Beeinträchtigungen und ihre Familien 87
Psychische Gesundheit von pädagogischen Fachkräften
Kapitel 6
Aus dem beruflichen Alltag pädagogischer Fachkräfte
mit hörgeschädigten Kindern
Erfahrungen von Belastung und Erschöpfung, aber auch von
persönlichen Stärken, sozialer Unterstützung und gelingendem Coping 101
Identitätspolitische und ethische Perspektiven
Kapitel 7
Wie viel Identität vertragen Politik und Bildung für Menschen
mit Hörbehinderung?
Wie linke Identitätspolitik dazu beitragen kann, Prozesse der
Ausgrenzung zu fördern, anstatt inklusive Visionen zu stärken 123
Kapitel 8
Wenn biomedizinische Entwicklungen auf die
Lebenswelten von Menschen treffen
Ethische und sozialwissenschaftliche Implikationen 143
Nachweise 161


Hintermair, Manfred
Manfred Hintermair, Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych., war von 1994 bis 2016 Hochschullehrer für Psychologie und Diagnostik bei schwerhörigen und gehörlosen Menschen an der Pädagogischen Hochschule Heidel-berg. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind die sozial-emotionale Entwicklung und Identitätsentwicklung gehörloser und schwerhöriger Menschen sowie familienpsychologische Fragestellungen im Kontext von Hörschädigung. Zu diesen (und weiteren) Themen liegen zahlreiche Publikationen vor.
Website: http://www.ph-heidelberg.de/hintermair-manfred Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Hintermair



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