Buch, Deutsch, Band 21, 645 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 815 g
Reihe: Globalgeschichte
Der imperiale Monotheismus im Früh- und Hochmittelalter
Buch, Deutsch, Band 21, 645 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 815 g
Reihe: Globalgeschichte
ISBN: 978-3-593-50283-0
Verlag: Campus
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Kultur- und Ideengeschichte
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Religion & Politik, Religionsfreiheit
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Kultur Politik & Religion, Religionsfreiheit
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Religionsgeschichte
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politische Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Mentalitäts- und Sozialgeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Geschichte einzelner Länder Naher & Mittlerer Osten
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Europäische Geschichte
Weitere Infos & Material
Inhalt
I. Das Königtum und die transkulturelle Perspektive
1. Einleitung 15
1.1 Das Thema der Untersuchung 15
1.2 Der Vergleich im Kreuzfeuer 19
2. Forschungen zum Königtum 24
2.1 Die ethnologische Universalkategorie des Sakralkönigtums 24
2.2 Die Partikularkategorien Europäisches Königtum und Islamisches Kalifat 28
3. Das Prinzip der transkulturellen Perspektive 42
3.1 Die Einheiten des historischen Vergleichs und der Verflechtungsanalyse 42
3.2 Das Zivilisationsparadigma 44
3.3 Imperienforschung 53
II. Analytische Hauptkategorien und Vorgehensweise der Untersuchung
1. Die Praxis transkultureller Analyse:
Die Provinzialisierung Europas und die Historisierung des Nahen Ostens 59
1.1 Jenseits der historischen Zeiten: Urknall und Erstarrung 62
1.2 Asymmetrische Bezeichnungen 67
2. Der moderne Begriffsapparat europäisch-westlicher Provenienz: Universal- versus Partikularkategorien? 69
2.1 Das Verfahren der polythetischen Klassifikation 71
Die Kategorie der Religion 74
Die Kategorie der Sakralität 76
"Staat und Kirche": Theokratie, Hierokratie
und Caesaropapismus 78
Die Kategorie der Monarchie 81
2.2 Die gewählte Alternative: Religion, polythetisch gedacht 83
3. Vorgehensweise 85
3.1 Erstes Untersuchungsfeld: Die Konzeption der Universalmonarchie 86
3.2 Zweites Untersuchungsfeld: Das Verhältnis zwischen Universalmonarchen und religiöser Elite 88
III. Die Ausgangslage im römischen Kaiserreich bis zu Konstantin I.
1. Kaiser und Religion im römischen Reich 93
1.1 Der Kaiserkult und die "Weltherrschaft" Roms 94
1.2 Die Religion des Imperium Romanum 97
1.3 Kaiser- und Christuskult 101
1.4 Die Solarisierung des römischen Kaisertums bis Konstantin I. 104
1.5 Die Kontinuitätsfrage: eine "konstantinische Wende"? 106
2. Die Bischöfe 110
2.1 Das Priestertum der Bischöfe 110
2.2 Die Stadtherrschaft der Bischöfe 115
3. Die Konkurrenz um die Weltherrschaft: Rom und das Sasanidenreich 119
4. Zusammenfassung 124
IV. Die christliche Universalmonarchie im römisch-byzantinischen Reich
1. Die Transformierung vom Kaiser-Divus zum christlichen Kaiser 129
1.1 Liminale Zeiten: Die Christianisierung des Politischen 129
1.2 Der Kaiser als divinisierter isochristos 132
1.3 Die irdische basileia als Abbild der himmlischen basileia 134
1.4 Basileus kai hiereus - der Kaiser als Priester? 139
1.5 Der imperiale Monotheismus 145
2. Die Konzeptionen der Universalmonarchie 151
2.1 Die Titulaturen der Kaiser 151
Dekrete 151
Münzen 155
Siegel 162
Zusammenfassung 165
2.2 Begrifflichkeiten des römisch-byzantinischen imperialen Monotheismus: basileia, politeia, arch?, imperium,
res publica und ekkl?sia 169
2.3 Die Ausarbeitung der Universalmonarchie 177
Die Bedeutung der Gesetzgebung für das kaiserliche Selbstverständnis 177
Vom imperium des Senats und des Heeres zur basileia ek theou 182
Die kaiserliche Kultaufsicht 187
Kämpfe und Verhandlungen mit der Konkurrenz: Die Verflechtungen mit der sasanidischen Universalmonarchie 193
3. Das Verhältnis zwischen Kaiser und religiöser Elite 197
3.1 Affirmativ und negierend: Der klerikale rex-et-sacerdos-Diskurs 199
Die Bischöfe im Osten des Reiches 202
Die Bischöfe im Westen des Reiches 207
3.2 Der monotheletische Streit und der Ikonoklasmus 211
Der monotheletische Streit und die Prozesse gegen Maximos Homologetes 211
Der Ikonoklasmus in der Forschung 217
Der Verlauf des Ikonoklasmus 730-843 219
Kaiser und Kirche im Ikonoklasmus 223
3.3 Ausblick 227
4. Zusammenfassung 230
V. Die muslimische Universalmonarchie im umaiyadischen und abbasidischen Reich
1. Die Kontinuitätsfrage und der Islam im Zivilisationsparadigma: Die hi?ra als Stunde null? 241
1.1 Wann begann der Islam? 241
1.2 Der Koran als Quelle zur Geschichte des Islams 245
1.3 Das Kalifat 248
2. Die Konzeptionen der Universalmonarchie 256
2.1 Die Titulaturen der Kalifen 259
Briefe und Dekrete 260
?uruz 263
Münzen 265
Monumente 271
Zusammenfassung 272
2.2 Begrifflichkeiten des arabischen imperialen Monotheismus: ?il?fa, im?ma, mulk - "Kalifat, Imamat, Königtum" 279
2.3 Die Ausarbeitung der Universalmonarchie 289
Die Profilierung des Islams unter ?Abd al-Malik in Abgrenzung zum Christentum 289
Die Arabizität als zweite Schiene imperialer Kohärenz 292
Die Kultaufsicht 295
Die Entwicklung unter den späteren Umaiyaden 298
Die Ausarbeitung der im?ma unter den Abbasiden 303
Das Zeremoniell der Kalifen 308
3. Das Verhältnis zwischen Kalifen und religiöser Elite 328
3.1 Die ?ulam?? und der Kalif 328
3.2 Die mi?na in der Forschung 330
3.3 Die Beziehungen der ?ulam?? zu den Umaiyaden- und frühen Abbasidenkalifen 332
3.4 Die mi?na 338
3.5 Kalifat und ?ulam?? ab dem 10. Jahrhundert und die Gegenüberstellung von d?n und siy?sa 345
4. Zusammenfassung 350
VI. Das lateinische Kaisertum
1. Die Zeit vom 5. bis zum 8. Jahrhundert 363
1.1 Das Auseinanderfallen von imperium und ecclesia im lateinischen Westen im 5. Jahrhundert 363
1.2 Die Kontinuitätsfrage zwischen "Spätantike" und "Frühmittelalter": Die römische Welt, das Germanentum und die Pirenne-These 365
1.3 Der päpstliche Primatsanspruch:
Der Bischof von Rom als vicarius Petri 369
1.4 Könige und Kirche im lateinischen Westen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert 378
1.5 Die Merowinger 381
1.6 Der Aufstieg der Karolinger zum Königtum und die Kaiserkrönung Karls des Großen 387
2. Die Konzeptionen der Universalmonarchie 399
2.1 Die Titulaturen der lateinischen Könige und Kaiser 399
Urkunden, Dekrete und Briefe 399
Titulaturen auf Münzen 405
Siegel 409
Zusammenfassung 413
2.2 Begrifflichkeiten des lateinischen imperialen Monotheismus: regnum, imperium und ecclesia 416
2.3 Die Ausarbeitung der Universalmonarchie 423
Die Bedeutung der Gesetzgebung für das königliche und kaiserliche Selbstverständnis 423
Die kaiserliche Aufsicht über den Kult 430
Die weitere Entwicklung unter den Karolingern 438
Die Liturgisierung unter den Ottonen und frühen Saliern und das priestervermittelte Vikariat Christi 442
Zeremonielle Verdichtungen im Vergleich 450
3. Das Verhältnis zwischen Kaiser und religiöser Elite 452
3.1 Affirmativ, nicht negierend: Der klerikale rex-et-sacerdos-Diskurs 453
3.2 Die Bischöfe unter den Karolingern bis zu den frühen Saliern: Die gemeinsame Lenkung des
populus christianus durch regnum und ecclesia 456
3.3 Die kirchliche Reformbewegung und die Konflikte zwischen regnum und sacerdotium im 11. und
12. Jahrhundert 463
Die Kirchenreformen im 11. und 12. Jahrhundert 463
Die Auseinandersetzungen zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. und der Investiturstreit 467
4. Zusammenfassung 478
VII. Schlussfolgerung
Kaisertum und Kalifat 489
1. Der chronologische Verlauf des imperialen Monotheismus 492
2. Der imperiale Monotheismus von Kaisertum und Kalifat 509
Danksagung 515
Anhang
Verzeichnis der griechischen Zitate (ZGriech) 521
Verzeichnis der arabischen Zitate (ZArab und MArab) 531
Verzeichnis der lateinischen Zitate (ZLat) 543
Glossare 559
Griechisches Glossar 559
Arabisches Glossar 559
Lateinisches Glossar 561
Verzeichnis der bibliographischen Kürzel 562
Quellenverzeichnis 565
Literaturverzeichnis 573
Abbildungen der Münzen 619
Römisch-byzantinische Münzen (MByz 1-8) 619
Islamische Münzen (MArab 1-8) 622
Münzen der lateinischen Könige und Kaiser (MLat 1-8) 625
Inschriften, Datierung und Abbildungsnachweise der Münzen 628
Abbildungen I-V 633
Personen- und Ortsregister 636
1. Einleitung
1.1 Das Thema der Untersuchung
337 n. Chr., so berichten es die Quellen, nahm der Kaiser des römischen Reiches Konstantin I. auf seinem Sterbebett den christlichen Glauben an. Seit dieser Zeit war die römische Monarchie, die sich als Weltreich verstand und einen universalen Herrschaftsanspruch vertrat, mit dem christlichen Monotheismus verbunden, der - anders als der jüdische Monotheismus, aus dem das Christentum hervorgegangen war - ebenfalls nach einer universalen Verbreitung strebte. Der Kaiser des nunmehr christlichen Reiches galt als das Oberhaupt der christlichen Ökumene und hatte eine zentrale heilsrelevante Funktion inne. Die Verbindung von Monarchie und Monotheismus wurde heilsgeschichtlich gedeutet: Mit der Herrschaft eines Kaisers unter einem Gott seien Polyarchie und Polytheismus zu ihrem Ende gekommen, die christliche Ökumene unter einem Gott mit dem römischen Weltreich unter einem Kaiser in Einklang gebracht worden. Das römische Reich war zum Abbild des himmlischen Reiches geworden, in dem der Universalmonarch als Stellvertreter Gottes seine Untertanen für das göttliche Königtum bereit machte. Die christliche Spätantike hatte damit ein Herrschaftsmuster hervorgebracht, in dem vormalige Verbindungen von Religion und Weltreich in einer qualitativ neuen Form verdichtet wurden. Religion und imperiale Strukturen wurden nun untrennbar miteinander verschmolzen. Es galt das Prinzip: ein Gott, ein Kaiser, ein Weltreich, ein Glaube. Ebenso wie es nur einen Gott gab, konnte es nur ein Kaisertum (griech. basileia, lat. imperium) geben.
Allerdings sollte die Einheit von imperium und ecclesia keinen dauerhaften Bestand haben. Auch wenn sich der Kaiser als victor omnium gentium (Sieger über alle Völker) feiern ließ, das Christentum unter der Stadtherrschaft der Bischöfe weiter Fuß fasste und Justinian I. im 6. Jahrhundert Teile des westlichen Reiches zeitweise wieder in den Reichsverbund zurückführte, ließ sich der Westen langfristig nicht halten. Im Zuge dieser Entwicklungen entstand ein zweites christliches Kaisertum. Als sich der fränkische König Karl der Große am Weihnachtstag 800 von Papst Leo III. in Rom zum Kaiser krönen ließ, wurde die vormalige Exklusivität des christlichen Kaisertums dauerhaft in Frage gestellt. Die Spannungen und Konflikte, die sich aus dieser Konstellation ergaben, bezeichnete die Forschung als "Zweikaiserproblem". Auch wenn sich Byzanz realpolitisch mit der Existenz eines zweiten Kaisers im Westen abfand, stand das Prinzip, dass es nur einen römischen Kaiser geben durfte, weiterhin im Raum. In der Kirchenpolitik kam es gleichfalls zu einer Zweiteilung. Die Bischöfe von Rom, die die lateinischen Kaiser krönten, beanspruchten als Päpste eine universale Führungsrolle und pochten auf den Primat des Patriarchates von Rom. 1054 kam es schließlich zum Schisma der Ost- und Westkirche. Die Existenz zweier Kaiser war also mit der Trennung des Christentums in zwei Hauptkonfessionen verbunden.
Es ist auffällig, dass in der islamischen Welt ein paralleler Vorgang zu beobachten ist. Als die arabische Expansion über die arabische Halbinsel hinausgriff und die Umaiyadenkalifen 661 ihre Hauptresidenz in Damaskus mit christlichem Personal und griechischer Verwaltungssprache aufschlugen, übernahmen sie das spätantike Muster der Verbindung von Monotheismus und imperialen Strukturen. Die Kalifen sahen sich als Statthalter Gottes in der Nachfolge der monotheistischen Propheten unter der endgültigen Offenbarung des Korans als alleinige Garanten für den Bund Gottes mit den Gläubigen. Im jungen islamischen Reich galt daher gleichfalls grundsätzlich das spätantike reichsökumenische Prinzip, nach dem das Weltreich und die Heilsökumene als deckungsgleich verstanden wurden: ein Gott, ein Kalif, ein Weltreich, ein Glaube. Zwar akzeptierte die siegreiche, zahlenmäßig jedoch noch sehr kleine Erobererschicht, dass ein Großteil ihrer Untertanen einer anderen Buchreligion anhing, aber die islamische Expansion stand klar unter dem heilsgeschichtlichen Auftrag, dass die gesamte Ökumene unter der rechtgläubigen Herrschaft des muslimischen Kalifen zu stehen hatte. Das Kalifat war daher wie das Kaisertum prinzipiell exklusiv entworfen. Ebenso wie es nur einen Kaiser im christlichen Weltreich geben konnte, lag auch die Führung der muslimischen Reichsökumene in den Händen eines Kalifen. Die Frage, welcher Kreis von Anwärtern zum Universalmonarchen der muslimischen Reichsökumene berufen war, wurde in der zeittypischen Verbindung von theologischen Dogmen und politischen Interessen kontrovers ausgetragen. Im Verlauf dieser Auseinandersetzungen kristallisierten sich ab dem 9. Jahrhundert die beiden großen Hauptkonfessionen der Sunniten und Schiiten heraus. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurde auch das islamische Abbasidenkalifat in Bagdad mit einem universalmonarchischen Gegenentwurf konfrontiert. 909 rief sich das Oberhaupt einer schiitischen Gemeinschaft im Maghreb unter dem Thronnamen al-Mahd? zum Kalifen aus und legte den Grundstein für das Fatimidenreich, das sich ab 969 in Kairo als mediterrane Großmacht etablierte. Mit ihrer Herrschaft im "schiitischen Jahrhundert" (ca. 950-1050), in dem vor den Eroberungen der sunnitischen Seldschuken eher die Schia als die Sunna auf dem Vormarsch zu sein schien, trugen die Fatimiden dazu bei, die beiden großen Hauptkonfessionen des Islams zu festigen.
Mit dem lateinischen Kaisertum und dem fatimidischen Kalifat lagen im 10. Jahrhundert also zwei machtpolitisch erfolgreiche Gegenentwürfe zu den Universalmonarchien in Konstantinopel und Bagdad vor. Die spätantike monotheistische Universalmonarchie hatte sich damit in zwei Kaisertümern und zwei Kalifaten quasi symmetrisch entfaltet:
Christliches oströmisch-byzantinisches Kaisertum (337-1453)
Islamisches umaiyadisches (661-750) und (proto-) sunnitisches abbasidisches Kalifat (750-1258/1517/1924)
Lateinisches Gegenkaisertum (800-1806)
Schiitisches Gegenkalifat der Fatimiden (909-1171/bis heute als schiitisch-ismailitisches Imamat)
Es ist bemerkenswert, dass sowohl in der christlichen als auch der muslimischen Ökumene die größte konfessionelle Trennlinie in zwei Hauptlager (griechisch-orthodox/lateinisch-katholisch und sunnitisch/schiitisch) durch eine jeweils zweifache Universalmonarchie begleitet wurde - ein Umstand, dem in der Forschung bisher keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Es ist darüber hinaus auffällig, dass alle vier Universalmonarchien - in welcher Form auch immer - eine Lebensdauer von mindestens einem Jahrtausend und damit eine bemerkenswerte Langlebigkeit aufweisen. Das ihnen inhärente symbolische Kapital war offenbar so substanziell, dass es nicht entsorgt, sondern über ein Jahrtausend hinweg den jeweiligen Zeitumständen angepasst wurde.
Alle vier Universalmonarchien hatten sehr spezifische Ausprägungen, waren in unterschiedlichen ökonomischen und gesellschaftlichen Umfeldern verortet, mit verschiedenen Gruppen von Akteuren konfrontiert und historischem Wandel unterworfen. Vom Standpunkt einer longue durée aus betrachtet, ist es jedoch frappierend, dass sowohl im Christentum als auch im Islam parallel zur Ausbildung der zwei großen Hauptkonfessionen der Exklusivitätsanspruch der Universalmonarchie spätantiker Provenienz ab dem 9. Jahrhundert jeweils mit einem Gegenmodell konfrontiert wurde. Dieses Phänomen ist der rote Faden dieser Arbeit, anhand dessen ich eine gemeinsame Perspektive auf monarchische christliche und islamische Herrschaftsformen und ihr Verhältnis zur Religion im Früh- und Hochmittelalter in einer Shared History entwickle, die durch den hier vorgenommenen Vergleich zu Tage tritt. Mit diesem Fokus beansprucht diese Studie nicht, die Herrschaftsformen der behandelten Monarchien umfassend zu analysieren. Im Zentrum stehen hier vielmehr jene Aspekte, die mutatis mutandis in der Forschung bisher als "sakral" bezeichnet wurden. Dabei vertrete ich die These, dass die erwähnten vier Universalmonarchien in einer gemeinsamen historischen Linie stehen, einander beeinflussten und ein für diese Zeit (von der Spätantike bis zum 13. Jahrhundert) und diesen Raum typisches Grundmuster über das Verhältnis von Religion und Herrschaft gemeinsam entfalteten, das sie innerhalb ihrer jeweiligen Ökumenen unterschiedlich variierten.
Diese Studie führt den Blickwinkel der Arbeiten von Garth Fowden und Aziz al-Azmeh fort, die in den 1990er-Jahren die Reiche der Nachfolger Konstantins und Mu?ammads in den gemeinsamen historischen Kontext der Spätantike stellten und damit Varianten des byzantinischen, arabischen und lateinischen Königtums analysierten. Das von Fowden und al-Azmeh eröffnete Forschungsfeld soll mit der hier getroffenen Auswahl von vier Universalmonarchien im Profil weiter geschärft werden. Im deutschsprachigen Raum steht diese Arbeit an der Seite der komparativen Studien von Wolfram Drews und Jenny Oesterle, die bestimmte Aspekte zwischen dem lateinischen Kaisertum und den Abbasiden beziehungsweise Fatimiden miteinander vergleichen. Dieser vergleichende Blick wird in der vorliegenden Untersuchung um die Einbeziehung historischer Kontinuitäten und (im geringeren Umfang) Verflechtungen im diachronen Entwicklungsverlauf der monotheistischen Universalmonarchie ergänzt. Mit den konstatierten Kreuzungen im historischen Untersuchungsgegenstand, der Durchkreuzung unterschiedlicher Forschungsfelder und dem fortwährenden Dialog zwischen dem historischen Material und den analytischen Kategorien ist diese Arbeit auch ein Beitrag zum Programm einer histoire croisée.
1.2 Der Vergleich im Kreuzfeuer
Komparative Studien sind in der Geschichtswissenschaft seit langem grundsätzlich anerkannt, aber in ihrer konkreten Durchführung in einem besonderen Ausmaß kritischen Nachfragen ausgesetzt. Das macht sie für die jeweilige Bearbeiterin risikoreich, zuweilen zermürbend, aber auch zu einer faszinierenden methodischen Herausforderung. Historiker, die einen historischen Vergleich durchführen, werden häufig mit den beiden klassischen Einwänden konfrontiert: (1) dem Vorwurf, dass die gewählten Vergleichseinheiten unvergleichbar seien und der Vergleich keinen Sinn mache (der Äpfel-und-Birnen-Einwand), (2) dem Vorwurf, dass man anstelle von A und B eine andere Vergleichskonstellation wie A, B und C oder A, C und D hätte wählen sollen (der ABCD-Einwand). Überdies mag Expertin für Fachgebiet A ebenso wie Experte für Fachgebiet B mit triftigen Gründen auf spezielle Punkte hinweisen, die in der komparativen Perspektive zu kurz gekommen, übersehen oder falsch eingeordnet wurden.
In letzter Zeit ist zu diesen beiden klassischen Einwänden ein weiterer hinzugekommen. In der methodischen Debatte wurde zu Recht auf die Gefahr hingewiesen, dass Vergleiche durch die Setzung ihrer Vergleichseinheiten die Grenzen von Nationen oder Kulturen - in diesem Fall zwischen "Christentum" und "Islam" (oder, anders gefasst, zwischen Byzanz, Islam und dem lateinischen Europa) - eher verstärken als relativieren, wenn die komparative Perspektive nicht durch Elemente verflochtener Geschichte ergänzt wird (der Grenzmauer-Einwand). Allerdings gerät der Vergleich hier zu Unrecht allein ins Kreuzfeuer der Kritik - auf jede Europageschichte, jede Überblicksdarstellung über die Geschichte des Islams, auf transkulturelle Migrationsgeschichten und Kulturtransferanalysen trifft zu, dass sie mit historiographischen Kulturgrenzen arbeiten und diese damit direkt oder indirekt untermauern können. Historischen Analysen ist bekanntlich auch dann ein vergleichendes Moment inhärent, wenn diese nicht als komparative Studien angelegt sind - ansonsten könnten sie ihren Untersuchungsgegenstand nicht kontextualisieren. Die Angreifbarkeit eines explizit komparativen Ansatzes kann also auch als Vorteil genutzt werden. Denn durch den Vergleich kommen grundsätzliche Probleme zum Vorschein, die ansonsten nicht zwangsläufig ans Licht treten. Dieser Umstand ist im Rahmen der Forschungsdialektik sehr zu begrüßen, bringt für das konkrete Arbeiten an einem komparativen Projekt jedoch viele Wendepunkte, an denen die analytischen Achsen neu ausgerichtet könnten.