E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Reclams Universal-Bibliothek
Hölderlin / Kurz Gedichte. Eine Auswahl
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-15-960814-3
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hölderlin, Friedrich - Deutsch-Lektüre, Deutsche Klassiker der Literatur - 19343 - Durchges., aktual. und bibliograph. erg. Ausg. 2015
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Reihe: Reclams Universal-Bibliothek
ISBN: 978-3-15-960814-3
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie kaum ein zweiter deutscher Dichter hat Hölderlin mit seinen Gedichten die Grenzen der Lyrik ausgelotet und immer wieder auch überschritten. So ist er zum Klassiker geworden und wirkt durch die Zeiten bis heute fort. Die vorliegende Auswahl zeichnet seine Entwicklung nach: von den Gedichten im klassischen Versmaß über das rätselhafte Spätwerk bis zu den schlichten Strophen aus seinen letzten Lebensjahren.
Friedrich Hölderlin (20.3.1770 Lauffen a. N. - 7.6.1843 Tübingen), dem zu Lebzeiten keine großen literarischen Erfolge beschert waren, zählt heute zu den bedeutendsten deutschen Dichtern. Sind seine frühen Werke als Student in Tübingen noch stark von Schiller geprägt, bildet sich ab 1797 ein eigener Stil heraus. Dieser besteht wie in den Gedichten Heidelberg oder An die Parzen in der individuellen Erneuerung antiker Gedichtformen, z. B. der Elegie oder der Ode. Sein literarisches Experimentieren brachte den Roman Hyperion hervor, der das Pathos der Französischen Revolution in ein Freiheitskonzept überführt. Seine unvollendete Tragödie Der Tod des Empedokles ist der Versuch einer Dramatisierung philosophischer Themen.
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[9] Hymne an die Freiheit
Wie den Aar im grauen Felsenhange Wildes Sehnen zu der Sterne Bahn, Flammt zu majestätischem Gesange Meiner Freuden Ungestüm mich an; Ha! das neue niegenossne Leben5 Schaffet neuen glühenden Entschluss! Über Wahn und Stolz emporzuschweben, Süßer unaussprechlicher Genuss! Sint dem Staube mich ihr Arm entrissen, Schlägt das Herz so kühn und selig ihr;10 Angeflammt von ihren Götterküssen Glühet noch die heiße Wange mir; Jeder Laut von ihrem Zaubermunde Adelt noch den neugeschaffnen Sinn – Hört, o Geister! meiner Göttin Kunde,15 Hört, und huldiget der Herrscherin! »Als die Liebe noch im Schäferkleide Mit der Unschuld unter Blumen ging, Und der Erdensohn in Ruh und Freude Der Natur am Mutterbusen hing,20 Nicht der Übermut auf Richterstühlen Blind und fürchterlich das Band zerriss; Tauscht ich gerne mit der Götter Spielen Meiner Kinder stilles Paradies. Liebe rief die jugendlichen Triebe25 Schöpferisch zu hoher stiller Tat, Jeden Keim entfaltete der Liebe Wärm und Licht zu schwelgerischer Saat; Deine Flügel, hohe Liebe! trugen Lächelnd nieder die Olympier;30 Jubeltöne klangen – Herzen schlugen An der Götter Busen göttlicher. [10] Freundlich bot der Freuden süße Fülle Meinen Lieblingen die Unschuld dar; Unverkennbar in der schönen Hülle35 Wusste Tugend nicht, wie schön sie war; Friedlich hausten in der Blumenhügel Kühlem Schatten die Genügsamen – Ach! des Haders und der Sorge Flügel Rauschte ferne von den Glücklichen.40 Wehe nun! – mein Paradies erbebte! Fluch verhieß der Elemente Wut! Und der Nächte schwarzem Schoß entschwebte Mit des Geiers Blick der Übermut; Wehe! weinend floh ich mit der Liebe45 Mit der Unschuld in die Himmel hin – Welke, Blume! rief ich ernst und trübe, Welke, nimmer, nimmer aufzublühn! Keck erhub sich des Gesetzes Rute, Nachzubilden, was die Liebe schuf;50 Ach! gegeißelt von dem Übermute Fühlte keiner göttlichen Beruf; Vor dem Geist in schwarzen Ungewittern, Vor dem Racheschwerte des Gerichts Lernte so der blinde Sklave zittern,55 Frönt’ und starb im Schrecken seines Nichts. Kehret nun zu Lieb und Treue wieder – Ach! es zieht zu langentbehrter Lust Unbezwinglich mich die Liebe nieder – Kinder! kehret an die Mutterbrust!60 Ewig sei vergessen und vernichtet, Was ich zürnend vor den Göttern schwur; Liebe hat den langen Zwist geschlichtet, Herrschet wieder! Herrscher der Natur!« [11] Froh und göttlichgroß ist deine Kunde,65 Königin! dich preise Kraft und Tat! Schon beginnt die neue Schöpfungsstunde, Schon entkeimt die segenschwangre Saat: Majestätisch, wie die Wandelsterne, Neuerwacht am offnen Ozean,70 Strahlst du uns in königlicher Ferne, Freies kommendes Jahrhundert! an. Staunend kennt der große Stamm sich wieder, Millionen knüpft der Liebe Band; Glühend stehn, und stolz, die neuen Brüder,75 Stehn und dulden für das Vaterland; Wie der Efeu, treu und sanft umwunden, Zu der Eiche stolzen Höhn hinauf, Schwingen, ewig brüderlich verbunden, Nun am Helden Tausende sich auf.80 Nimmer beugt, vom Übermut belogen, Sich die freie Seele grauem Wahn; Von der Muse zarter Hand erzogen Schmiegt sie kühn an Göttlichkeit sich an; Götter führt in brüderlicher Hülle85 Ihr die zauberische Muse zu, Und gestärkt in reiner Freuden Fülle, Kostet sie der Götter stolze Ruh! Froh verhöhnt das königliche Leben Deine Taumel, niedre feige Lust!90 Der Vollendung Ahndungen erheben Über Glück und Zeit die stolze Brust. – Ha! getilget ist die alte Schande! Neuerkauft das angestammte Gut! In dem Staube modern alle Bande,95 Und zur Hölle flieht der Übermut! [12] Dann am süßen heißerrungnen Ziele, Wenn der Ernte großer Tag beginnt, Wenn verödet die Tyrannenstühle, Die Tyrannenknechte Moder sind,100 Wenn im Heldenbunde meiner Brüder Deutsches Blut und deutsche Liebe glüht; Dann, o Himmelstochter! sing ich wieder, Singe sterbend dir das letzte Lied. Griechenland
An St. Hätt ich dich im Schatten der Platanen, Wo durch Blumen der Cephissus rann, Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen, Wo die Herzen Sokrates gewann, Wo Aspasia durch Myrten wallte,5 Wo der brüderlichen Freude Ruf Aus der lärmenden Agora schallte, Wo mein Plato Paradiese schuf, Wo den Frühling Festgesänge würzten, Wo die Ströme der Begeisterung10 Von Minervens heil’gem Berge stürzten – Der Beschützerin zur Huldigung – Wo in tausend süßen Dichterstunden, Wie ein Göttertraum, das Alter schwand, Hätt ich da, Geliebter! dich gefunden,15 Wie vor Jahren dieses Herz dich fand; Ach! wie anders hätt ich dich umschlungen! – Marathons Heroen sängst du mir, [13] Und die schönste der Begeisterungen Lächelte vom trunknen Auge dir,20 Deine Brust verjüngten Siegsgefühle, Deinen Geist, vom Lorbeerzweig umspielt, Drückte nicht des Lebens stumpfe Schwüle, Die so karg der Hauch der Freude kühlt. Ist der Stern der Liebe dir verschwunden?25 Und der Jugend holdes Rosenlicht? Ach! umtanzt von Hellas’ goldnen Stunden, Fühltest du die Flucht der Jahre nicht, Ewig, wie der Vesta Flamme, glühte Mut und Liebe dort in jeder Brust,30 Wie die Frucht der Hesperiden, blühte Ewig dort der Jugend stolze Lust. Ach! es hätt in jenen bessern Tagen Nicht umsonst so brüderlich und groß Für das Volk dein liebend Herz geschlagen,35 Dem so gern der Freude Zähre floss! – Harre nun! sie kömmt gewiss die Stunde, Die das Göttliche vom Kerker trennt – Stirb! du suchst auf diesem Erdenrunde, Edler Geist! umsonst dein Element.40 Attika, die Heldin, ist gefallen; Wo die alten Göttersöhne ruhn, Im Ruin der schönen Marmorhallen Steht der Kranich einsam trauernd nun; Lächelnd kehrt der holde Frühling nieder,45 Doch er findet seine Brüder nie In Ilissus’ heil’gem Tale wieder – Unter Schutt und Dornen schlummern sie. Mich verlangt ins ferne Land hinüber Nach Alcäus und Anakreon,50 [14] Und ich schlief’ im engen Hause lieber, Bei den Heiligen in Marathon; Ach! es sei die letzte meiner Tränen, Die dem lieben Griechenlande rann, Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen,55 Denn mein Herz gehört den Toten an! Die Eichbäume
Aus den Gärten komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges! Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich, Pflegend und wieder gepflegt mit dem fleißigen Menschen zusammen. Aber ihr, ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,5 Der euch nährt’ und erzog und der Erde, die euch geboren. Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen, Und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel, Untereinander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute, Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken10 Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet. Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen. Könnt ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.15 [15] Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich, Das von Liebe nicht lässt, wie gern würd ich unter euch wohnen Guter Rat
Hast du Verstand und ein Herz, so zeige nur eines von beiden, Beides verdammen sie dir, zeigest du beides zugleich. Advocatus diaboli
Tief im Herzen hass ich den Tross der Despoten und Pfaffen Aber noch mehr das Genie, macht es...