Hönl / Granzow / Wallasch | Das Gedächtnis der Sanduhr | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 140 Seiten

Hönl / Granzow / Wallasch Das Gedächtnis der Sanduhr

Kurzgeschichten
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-347-49625-5
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kurzgeschichten

E-Book, Deutsch, 140 Seiten

ISBN: 978-3-347-49625-5
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Kurzgeschichten und Gedichte aus verschiedenen Epochen. Unterhaltsam, spannend.

Autor von Science Fiction und Fantasy Kurzgeschichten. Mitglied im Segeberger Kreis und den "SatzZeichen" Düsseldorf

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Alan von Karlheinz Wende Endlich hatten sie es geschafft! In einen Hinterhalt hatten sie sie gelockt und alle totgeschlagen. Keiner war entkommen und keiner hatte überlebt. Auch die Halbwüchsigen und Welpen wurden nicht verschont, denn aus Jungtieren würden innerhalb kurzer Zeit auch große, starke Wölfe, die auf die Jagd gehen würden und ihnen Konkurrenz auf die immer kleiner und seltener werdenden Herden machten. Eine Reihe guter Felle würde es geben. Nur Bärenfelle verschafften einem Jäger noch mehr Ansehen als die von Wölfen. Der Leitwolf, ein großer, starker, kampferprobter Rüde, hatte ihnen eine wahrhaft harte Schlacht geliefert. Einige schwere Bisswunden hatten Jäger davongetragen. Aber durch ihre Speere mit ihren alles zerschneidenden Feuersteinklingen an der Spitze hatten sie doch die Oberhand behalten und ihn getötet. Die Jäger hatten Achtung vor solch einem Gegner, der ihnen alles abverlangt hatte. Wie oft waren sie selbst in der Situation gewesen, ihre Horde verteidigen zu müssen. Sie wussten, welche Kräfte es freisetzt, vor den Frauen und Kindern zu stehen und um das eigene und auch um deren Leben kämpfen zu müssen. Ein Fest würden sie feiern, dass sie diese Konkurrenz auf das Wild ausgeschaltet hatten. Heute Nacht würde es stattfinden. Die Trommeln schlugen einen dumpfen, monotonen, hypnotisierenden Rhythmus, unterbrochen von den schrillen Tönen der Flöten, die sie aus den Röhrenknochen kleiner Tiere herstellten. Sie würden dazu singen, die Männer mit ihren tiefen Stimmen, die Weiber in hohen Tönen, und selbst die Kinder würden mitschreien. Die zuckenden, züngelnden Flammen warfen gespenstische Schatten an die Höhlenwand. Der Schamane stand vor dem Feuer, sein Körper glänzt im Schein der Glut. Er hat ihn mit nasser Erde und Fett in verschiedenen Farben bemalt, eine furchteinflößende Maske trug er, gekrönt mit dem Geweih eines Hirsches. Mit seiner Klapper in der einen und der Rassel in der anderen Hand nahm er den Rhythmus der Trommeln auf, antwortete ihnen, hält Zwiesprache mit ihnen und tanzt, tanzte bis er in Trance verfällt, nachdem er von dem geheimnisvollen Saft getrunken hat. Dann sprechen die Götter zu ihm und wenn er erschöpft und berauscht niedersinkt, flüstert er, lallt er, schreit er ihnen mit veränderter Stimme die Botschaften zu. Immer hatten sie die Ratschläge der Götter befolgt und es hatte ihnen Glück gebracht, Jagdglück und Siege in den Auseinandersetzungen mit anderen Horden. Bei diesem Fest würden sie den mächtigen, erlegten Wolf ehren, sein Fell, die Zähne und die Klauen ihrem Jagdgott weihen und ihm für den glücklichen Ausgang danken. Auch für die Zukunft wollten sie ihn gnädig stimmen. Denn das Leben war hart geworden. Immer weniger Herden, die Konkurrenz durch Raubtiere und durch andere Horden. Glück und Unterstützung der Götter brauchten sie schon bei der Jagd und ihrem täglichen Überlebenskampf. Kral wusste nicht, warum er zurückgeblieben und nicht sofort mit den anderen Jägern, die die Kadaver der Wölfe schleppten, zu ihrer Höhle zurückgegangen war. Er schlenderte am Fluss entlang, seinen Speer hatte er über die Schulter gelegt, die Steinklinge war immer noch vom Blut gefärbt. Er wendete sich nach rechts und stieg die Anhöhe hinauf. Hier in der Nähe musste der Wolfsbau sein. Nun war er verwaist und ehe er vielleicht durch ein neues Rudel belegt würde, waren sie mit Sicherheit schon weitergezogen, in der Hoffnung auf neue, größere Herden zu stoßen. Ein leises Winseln ließ ihn erstarren. Nicht weil er Angst hatte. Als Jäger wusste er, wie er sich möglichst unbemerkbar machte. Da vor ihm im Gebüsch raschelte etwas, ein kleineres Tier musste es sein. Ein zusätzlicher Braten wäre sicher nicht verkehrt, um all die hungrigen Mäuler der Sippe zu stopfen. Mit unendlicher Langsamkeit drehte er den Speer in seiner Hand, um ihn einsatzbereit zu haben, ob als Lanze oder um ihn zu schleudern. Das Rascheln wurde intensiver, ein grauer Kopf lugte vorsichtig durch die Zweige. War ihnen also doch ein Wolf entwischt! Der hier musste noch sehr jung sein, das würde ein leichtes Spiel für Kral werden. Bewegungslos verharrte er in wenigen Metern Abstand. Er hatte den Wind im Rücken. Der Jungwolf musste also seine Witterung aufgenommen haben. Warum floh er nicht? Es war Wölfen angeboren, vor Menschen zu fliehen. Nie griffen sie von sich aus an, und auf einen Kampf ließen sie sich nur ein, wenn es keine Fluchtmöglichkeit mehr gab. Aber dieser hier sah ihn, verließ seine Deckung und kam nun auch noch langsam auf ihn zu. Kral war verunsichert. Er packte den Speer fester. Das Tier begann zu fiepen, stand schon fast vor ihm, ging langsam um ihn herum. Es hob den Kopf, nahm seinen Geruch auf. Immer noch stand der Mann reglos da, beobachtete den Wolf aus den Augenwinkeln, um sofort bereit zu sein, falls der doch zum Angriff übergehen sollte. Es war eine recht junge Wölfin, noch nicht geschlechtsreif, wie Kral als erfahrener Jäger sah. Sie griff nicht an, sie floh nicht, zögerlich rückte sie näher an die Beine des Menschen. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihr mit einem schnellen, kräftigen Wurf den Speer in die Flanke zu rammen. Eben noch hatte er auf diese Weise zwei aus ihrem Rudel getötet, einer von den beiden stammte mit Sicherheit aus demselben Wurf. Und jetzt stand er hier und war nicht in der Lage zuzustoßen. Was war mit ihm los? Er war wie versteinert, gebannt, aber nicht um als Jäger unbemerkt zu bleiben, er war einfach nicht in der Lage, dieses Tier zu töten. Ein erfahrener und kaltblütiger Jäger wie er! Mitleid in solchen Situationen war ihm völlig fremd. Bis jetzt! Er ließ den Speer sinken. Nein, er konnte dieses Tier jetzt nicht töten. Und bis aus ihr eine gefährliche Wölfin würde, wären sie mit Sicherheit längst weitergezogen, sagte er sich. Was war in ihn gefahren? Wollte der Jagdgott ihm zu verstehen geben, dass heute genug Blut geflossen war? Er drehte sich um, nahm Richtung auf die große Höhle, in der die Sippe seit einiger Zeit hauste. Vorsichtshalber behielt er die Wölfin im Blick, auch wenn es nur ein Jungtier war. Ein kräftiger Biss von ihr konnte schmerzhaft sein. Viel gefährlicher aber würde es, wenn die bösen Mächte dadurch in seinen Körper kamen. Keine schlimme Verletzung, aber sie krochen durch die Wunde in den Körper des Gebissenen, ließen die Stelle um den Biss herum anschwellen, erhitzten ihn, brachten ihn zum Kochen und der Tod kam nach etlichen Tagen unter großen Schmerzen im Fieberwahn. Die Wölfin schaute ihm hinterher, verharrte einen Augenblick und folgte ihm in kurzem Abstand. Verschärfte er sein Tempo, tat sie es auch, blieb er stehen, tat sie es ebenfalls, immer in drei bis vier Schritten Entfernung. Das war nicht normal! Wer wollte das? Die Götter oder andere Mächte? Als er sich der Höhle näherte, liefen die Kinder schreiend fort, als sie das graue Raubtier hinter ihm erblickten. Ein Jäger riss seinen Speer hoch, wollte ihn auf das Tier schleudern, aber Kral schrie und er ließ die Waffe wieder sinken. Die ganze Horde erschien am Höhleneingang, einige hoben schon Steine auf. In diesem Augenblick kam der Schamane dazu. Der Aufruhr ebbte ab, er hob den Arm und gebot Ruhe. Hoch aufgerichtet, die Arme vor der Brust gekreuzt stand er breitbeinig da. Kral war in einigem Abstand von der Höhle stehen geblieben, die Wölfin hinter ihm ebenfalls. Er berichtete in kurzen Worten, was geschehen war. »Vielleicht wollte der Jagdgott uns ein Zeichen geben? Heute Nacht werden die Götter zu mir sprechen. Sie werden mir sagen, was wir tun sollen. Geh weg von unserer Höhle, Kral, und nimm den Wolf mit, falls doch der Dämon in ihm ist.« Der Angesprochene gehorchte dem Befehl widerspruchslos, und die junge Wölfin trottete hinter ihm her. Unter einem umgestürzten Baum in einiger Entfernung verbrachte er die Nacht. Er hatte kein Feuer gemacht, um das Tier nicht zu verscheuchen. Das lag in wenigen Armlängen Abstand von ihm und er hatte den Eindruck, dass es immer näher an ihn heranrückte. Aus der Entfernung hörte er die Trommeln und die Gesänge. Dort würde sich in dieser Nacht das Schicksal der Wölfin entscheiden und vielleicht auch seines. Wenn es den Göttern einfiel, dass sie vom Dämon befallen war und er engen Umgang mit ihr hatte, wäre auch sein Schicksal besiegelt. Aus lauter Furcht würden sie ihn vielleicht direkt umbringen, zumindest würden sie ihn fortjagen. Der Ausschluss aus der Horde käme einem Todesurteil gleich. Auch ein erfahrener Jäger wie er würde alleine nicht lange überleben können. Die Sonne war noch nicht über den Horizont gestiegen, da machte er sich schon auf den Weg. Das Tier folgte ihm wieder unauffällig wie ein Schatten. In einigem Abstand zur Höhle ließ er sich im Gras zwischen einigen Büschen nieder....



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