Hofbauer | Zensur | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Hofbauer Zensur

Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-85371-896-4
Verlag: Promedia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-85371-896-4
Verlag: Promedia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwischen staatlichen Wahrheitswächtern und privaten Medienmonopolen entwickelt sich in unseren Tagen eine neue Zensur-Praxis, für die beide nicht zuständig sein wollen und sich gegenseitig die Verantwortung zuspielen; eine Zensur des post-industriellen, kybernetischen Zeitalters.

"Gefährliche Falschinformation" lautet die Punze, die Konzerne wie Alphabet/Google oder Facebook/Meta all jenen Publikationen auf ihren Plattformen aufdrücken, die dem transatlantisch-liberalen Weltbild ihrer Betreiber nicht passen. Gelöscht und blockiert wird von politisch und kulturell gesteuerten Algorithmen. In den vergangenen Jahren ist dies millionenfach geschehen, wenn Beiträge über Corona, Russland, den Islam oder den Klimawandel nicht der herrschenden Meinung entsprechen.

Der Wiener Historiker Hannes Hofbauer geht in die Geschichte zurück, um die aktuellen Verbotspraktiken besser verstehen zu können. Moderne Zensur beginnt mit der Erfindung des Buchdrucks zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Sie orientierte sich an den bereits davor gängigen Werten, mit der die katholische Inquisition gotteslästerliche und kirchenkritische Stimmen zum Schweigen gebracht hatte. Bis ins 18. Jahrhundert gehen die Träger der verordneten Wahrheit Schritt für Schritt von der Kirche auf den Staat über, wobei erstere als "Schutzwächter des Pöbels" wichtig blieb. Der Band enthält viele Biographien von zensierten Autoren, kämpferischen Verlegern wie Friedrich Brockhaus und standhaften Buchhändlern wie dem 1806 hingerichteten Johann Philipp Palm.

Die Wiederkehr der Zensur in unseren Tagen wurzelt in der ökonomischen Schwäche des transatlantischen Raums. Im Niedergang kämpft eine immer autoritärer agierende Elite um ihre Diskurshegemonie. Je erfolgreicher eine der herrschenden Meinung entgegenstehende Position unter die Menschen gebracht wird, desto aggressiver wird ihr von Brüssel oder Berlin begegnet, wobei immer häufiger die Zensurkeule zum Einsatz kommt.

Das Bewusstsein, dass unsere Gesellschaften langsam aber stetig in Richtung Orwell'scher Wahrheitsministerien schlittern, ist (noch) schwach entwickelt. Es zu schärfen, dazu soll dieses Buch beitragen; und um historische Parallelen erkennen zu können, wie z.B. jene der Zensurstriche in Heinrich Heines "Reisebildern" und den geschwärzten Videos auf YouTube.

Hofbauer Zensur jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Wenn die Macht vom Volk ausgeht: Zensur im 20. Jahrhundert
Um die Erbmonarchien in Deutschland, Österreich und Russland zu überwinden, bedurfte es des bis dahin größten Völkerschlachtens, das die Menschheit gesehen hatte. Nach vier Kriegsjahren, in die Kaiser Wilhelm II., Kaiser Franz Joseph I. und Zar Nikolaus II. ihre Völker gehetzt hatten, blieben über neun Millionen Soldaten auf den Schlachtfeldern zurück. Schätzungen zufolge kostete der Erste Weltkrieg zudem 13 Millionen Zivilisten das Leben. Mit Kriegsbeginn kehrte überall die vollkommene Zensur ein. Im Deutschen Reich übernahm das Militär die Kontrolle über das Publikationswesen bis hin zur Überwachung der Feldpost. Über das Land verteilt wurden 62 Zensurstellen eingerichtet. Verboten war alles Kriegsrelevantes wie Berichte über Truppenbewegungen und Frontverluste, aber auch Informationen zur Versorgungslage oder über etwaige Friedensbestrebungen durften nicht erscheinen. In der Leipziger Deutschen Bücherei entstand eine »Buchprüfungsstelle Ober Ost«, in der unter anderem Listen von »unbedenklichen Büchern« erstellt wurden.99 Einer, der sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte, der damals 33-jährige Publizist Victor Klemperer, arbeitete nach seinem Einsatz an der Westfront in dieser Leipziger Militärzensurbehörde. Klemperer war kein Einzelfall. Rundum herrschte Kriegsbegeisterung. Die dazu notwendigen Feindbilder, allen voran Serben und Russen, waren in den Jahren zuvor politisch und medial aufgebaut worden.100 »Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Britt, jeder Klapps ein Japs« stand auf Propagandapostkarten zu lesen. Kaum jemanden kümmerte das Ende der Meinungsfreiheit, von einer kritischen Öffentlichkeit war wenig zu hören. Hugo Eberlein, ein Gefährte und enger Vertrauter von Rosa Luxemburg, beschreibt die Stimmung der Kriegsgegner bei den Sozialdemokraten am 3. August 1914, dem Tag der deutschen Kriegserklärung an Frankreich – zwei Tage zuvor hatte Wilhelm II. bereits Russland den Krieg erklärt – überaus ernüchtert: »Am 3. August 1914 ging ich nachts mit Rosa Luxemburg vom ›Vorwärts‹-Gebäude in der Lindenstraße nach Südende. Unsere Stimmung war sehr gedrückt. Der Krieg war da, das Proletariat rührte sich nicht.«101 Zwölf Stunden später bewilligte die gesamte S. P. D.-Fraktion ohne Ausnahme die Kriegskredite. Auch Karl Liebknecht stimmte für sie.102 Und das, obwohl nur eine Woche zuvor, am 25. Juli, über eine halbe Million Menschen dem Aufruf des S. P. D.-Parteivorstandes zur Demonstration »gegen das verbrecherische Treiben der Kriegshetzer« gefolgt waren. Zwischen 25. Juli und 3. August lagen die Kriegserklärungen des Kaisers, dem die Partei gehorsam folgte. Im bürgerlichen Lager herrschte Kriegsfuror. Besonders Intellektuelle und Künstler zeigten sich vom Waffengang begeistert und sahen in ihm eine große Katharsis. »Krieg! Es war eine Reinigung, Befreiung, was wir empfanden, und eine ungeheure Hoffnung«, meinte der damals nicht mehr jugendliche 36-jährige Schriftsteller Thomas Mann gleich nach Kriegsbeginn, und untermauerte seine Kriegslust 1915 mit geopolitischen Argumenten: »Angenommen und versuchsweise eingeräumt, daß die unmittelbare Initiative zu diesem Kriege bei Deutschland gewesen wäre – war denn der Zustand Europas vor dem Kriege so köstlich, war er liebevoller Enthaltung so wert, daß es abscheulich genannt werden dürfte, seinen Umsturz in die Wege geleitet zu haben? (…) Das Gleichgewicht Europas … war die Ohnmacht Europas, war seine Blamage gewesen …«103 Derlei Propaganda, in der die Kriegserklärungen des Deutschen Reiches geradezu als notwendige Fürstentat zur Neuordnung Europas gepriesen wurden, passierte 1915 jede Zensur und machte den Autor populär. Aber auch Robert Musil, Rainer Maria Rilke, Anton Wildgans, Hermann Bahr, Georg Simmel, Georg Trakl, Georg Heym, Oskar Kokoschka, Hugo von Hofmannsthal104 und viele andere folgten euphorisch dem Kriegsappell und unterstützten mit ihm die Verfolgung jener wenigen, die sich dagegen stellten und von Veröffentlichungsverboten und Gefängnisstrafen bedroht waren. Manche trieben es gar weit, wie z. B. Robert Musil in einem Aufsatz kurz nach Kriegsbeginn mit dem programmatischen Titel »Europäertum, Krieg, Deutschtum«. Dort steht zu lesen: »Treue, Mut, Unterordnung, Pflichterfüllung, Schlichtheit – Tugenden dieses Umkreises sind es, die uns heute stark, weil auf den ersten Anruf bereit machen zu kämpfen.«105 Wo sich doch Friedensstimmen erhoben, traf sie die geballte Staatsmacht. Die berühmteste dieser Stimmen gehörte der linken Aktivistin und Publizistin Rosa Luxemburg. Bereits am 5. August 1914 gründete sie gemeinsam mit Hermann Duncker, Hugo Eberlein und Wilhelm Pieck die antimilitaristische »Gruppe Internationale«. Ihre konsequente Kriegsgegnerschaft, die sie in immer wieder verbotenen Schriftstücken zum Ausdruck brachte, führte dazu, dass sie die meiste Zeit während des Ersten Weltkrieges im Gefängnis verbrachte. Außerhalb der linksradikalen Kleingruppe um Rosa Luxemburg wandte sich im Deutschen Reich niemand hörbar gegen Krieg und Zensur. Es herrschte, im Gegenteil, durchwegs vorauseilender Gehorsam im Blätterwald. So setzte die Münchner Wochenzeitung Zeit im Bild ihre Artikelserie von Heinrich Manns »Der Untertan« Anfang August mit dem Hinweis an den Autor aus, dass im »gegenwärtigen Augenblick ein großes öffentliches Organ nicht in satirischer Form an deutschen Verhältnissen Kritik üben (kann)«.106 Es war so, wie es der deutsche Kaiser sagte: er kenne nur doch Deutsche; und deutsch zu sein, hieß für den Krieg zu sein. Die Lage im habsburgischen Wien, wo der österreichische Kaiser bereits am 28. Juli 1914 die erste Kriegserklärung – gegen Serbien – ausgesprochen hatte, war der in Berlin nicht unähnlich. In der politischen Arena waren KriegsgegnerInnen überhaupt keine zu finden. Dafür gärte es in den Rüstungsbetrieben; dort waren Sabotageakte an der Tagesordnung. Die übergroße Mehrheit der Intellektuellen und Künstler stand auch an der Donau wie ein Mann hinter dem Monarchen. Neben der Schriftstellerin Rosa Mayreder bildete der Kulturkritiker Karl Kraus eine ruhmreiche Ausnahme. Als bekennender Monarchist und Verehrer des am 28. Juni 1914 in Sarajewo ermordeten präsumtiven Thronfolgers Franz Ferdinand hätte man von ihm eine Unterstützung des Herrscherhauses erwarten können. Und tatsächlich machte er anfänglich mehr die liberale Presse als den Kaiser für den Kriegszug verantwortlich. Seinem Antikriegskurs der Vorjahre blieb er allerdings auch mitten im Schlachten treu, wenn er in der Dezemberausgabe des Jahres 1914 in seiner Fackel schreibt: »In dieser großen Zeit, die ich noch gekannt habe, wie sie so klein war; die wieder klein werden wird, wenn ihr dazu noch Zeit bleibt; und die wir (…) lieber als eine dicke Zeit und wahrlich auch schwere Zeit ansprechen wollen; (…) in dieser lauten Zeit, die da dröhnt von der schauerlichen Symphonie der Taten, die Berichte hervorbringen, und der Berichte, welche Taten verschulden: in dieser da mögen Sie von mir kein eigenes Wort erwarten.«107 Vorsichtig die Worte abwägend, um der Zensur so lange wie möglich auszuweichen, bewegt sich Karl Kraus immer am Rande des Publikationsverbotes. Abschrecken lässt er sich davon nicht, sondern attackiert im Gegenteil seinen Lieblingsfeind, die liberale Bürgerpresse, in ihrer Funktion als kriegsverherrlichende Berichterstatterin: »Ist die Presse ein Bote? Nein: das Ereignis! Eine Rede? Nein, das Leben! Sie erhebt nicht nur den Anspruch, daß die wahren Ereignisse ihre Nachrichten über die Ereignisse seien, sie bewirkt auch diese unheimliche Identität, durch welche immer der Schein entsteht, daß Taten zuerst berichtet werden, ehe sie verrichtet werden, oft auch die Möglichkeit davon, und jedenfalls der Zustand, daß zwar Kriegsberichterstatter nicht zuschauen dürfen, aber Krieger zu Berichterstattern werden. In diesem Sinne lasse ich mir gern nachsagen, daß ich mein Lebtag die Presse überschätzt habe. Sie ist kein Dienstmann – wie könnte ein Dienstmann auch so viel verlangen und bekommen –, sie ist das Ereignis.«108 Viele von Karl Kraus’ Beiträgen gegen den Krieg wurden zensiert, mehrere Ausgaben seiner Fackel beschlagnahmt. Endlich Frieden … und ein wenig Freiheit
Nach der Niederschlagung der Räterepubliken in Bremen, Mannheim, Braunschweig, München, Rosenheim und anderen deutschen Städten sowie der gescheiterten Ausrufung einer Räteregierung in Wien traten sowohl in Deutschland (1919) wie in Österreich (1920) republikanische Verfassungen in Kraft. In ihnen war Zensur abgeschafft. Die »Schranken des allgemeinen Gesetzes« waren es, wie im Paragraph 118 der Weimarer Reichsverfassung festgelegt, die nun jene rote Linie markierten, hinter der die Publikation oder – jetzt neu – der Film verboten wurden. Die Vorzensur für Druckwerke gehörte endgültig der Vergangenheit an. Kriterien der Zensur waren im Strafgesetz festgeschrieben, verrechtlicht. Neben Landesverrat (§ 80f.) galt in der Weimarer Republik hauptsächlich die Unsittlichkeit bzw. die Unzucht laut Paragraph 184 als Straftatbestand, dem viele Schriftstücke,...


Hannes Hofbauer, geboren 1955 in Wien. Studium der Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien. Publizist und Verleger. Zuletzt sind von ihm im Promedia Verlag erschienen: "Kritik der Migration. Wer profitiert und wer verliert" sowie "Europa – ein Nachruf".



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.