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E-Book, Deutsch, Band 34, 135 Seiten

Reihe: Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag

Hofmann Empire Europe?

Die EU im Licht neuer Imperiumstheorien
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8288-5641-7
Verlag: Tectum Wissenschaftsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Die EU im Licht neuer Imperiumstheorien

E-Book, Deutsch, Band 34, 135 Seiten

Reihe: Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag

ISBN: 978-3-8288-5641-7
Verlag: Tectum Wissenschaftsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Die Europäische Union steht innerhalb des internationalen Systems seit geraumer Zeit im Fokus der Diskussion um innovative politische Ordnungs- bzw. Herrschaftsmodelle. Dabei nimmt zunehmend die Idee einer neuen imperialen Ordnung im Rahmen der EU Gestalt an. Sie steht im Widerspruch zu etablierten Ordnungskonzepten, die die EU auf dem Weg zum Staatenbund oder europäischen Einheitsstaat sehen.

Philipp Hofmann widmet sich vier zentralen Beiträgen der "neuen Imperiumstheorien" aus der Governance-Perspektive. Dazu macht er die Qualität der EU als Imperium nicht vornehmlich in einer nach außen gerichteten Zwangsordnung fest, sondern an ihrer nach innen gerichteten Herrschaftsordnung. Nach Verortung jener Steuerungs- und Regelungs-Mechanismen, in denen sich imperiale Herrschaft widerspiegelt, identifiziert der Autor Anknüpfungspunkte von der imperialen Governance zur Multi-Level Governance der EU. Als Fallbeispiele zur Sprache kommen dabei die neuen EU-Entscheidungsregeln nach dem Lissabonvertrag sowie die Formung und Umsetzung der letzten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion.

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2. Die neuen Imperiumstheorien In viele wissenschaftliche Arbeiten hat der Begriff „Imperium“, „Empire“ oder „liberaler Imperialismus“ in Verbindung mit der EU bereits Eingang gefunden. Es wird hier nicht angestrebt, sie in ihrer Breite und Vielfalt vollständig darzustellen. Vielmehr sollen vier häufig zitierte Ansätze vorgestellt werden, die jeweils einen eigenen kohärenten Imperiumsbegriff entwerfen. Das politische System der EU bzw. die politische Herrschaft in Europa wird jeweils als eigenes theoretisches Konstrukt in der Form eines neuartigen Imperiums modelliert oder zumindest eine stärkere Orientierung hin zu einer imperialen Herrschaftsordnung für die Zukunft empfohlen. Der Fokus der Betrachtung liegt zunächst bei der jeweiligen Ableitung des Imperiums aus einer spezifischen Fragestellung und der Deskription modellrelevanter Begriffe. Die konstituierte Herrschaftsordnung und abgeleitete Handlungslogiken oder Governance-Modi werden danach komparativ in Gliederungspunkt 3 diskutiert. Es soll aufgezeigt werden, dass alle vier Konzeptionen teils zu sehr ähnlichen und teils zu gegenteiligen Ergebnissen über die europäische Ordnung und zugehörigen politischen Herausforderungen kommen. Vereint sind alle Ansätze über die gemeinsame Begriffsverwendung „Imperium“. 2.1 Das „postmoderne“ Imperium von Robert Cooper Der Diplomat Robert Cooper galt als einer der wichtigsten Berater des britischen Premiers Tony Blair in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Im Jahr 2002 wechselte er vom Foreign Office als Generaldirektor für auswärtige und politisch-militärische Angelegenheiten in das Generalsekretariat des Rats der Europäischen Union. In seiner Monografie „The Breaking of Nations“ und weiteren Artikeln diskutiert er Perspektiven der Sicherheitspolitik sowie der Weltordnung im 21. Jahrhundert aus europäischer Perspektive. Er ist einer der ersten Vertreter der EU, der ein neues Konzept imperialer Politik für die EU in den Diskurs eingebracht und vertreten hat. Am Anfang dieser Überlegungen steht auch bei Cooper die Zäsur des internationalen Systems 1989/90. Mit dem Ende der Dominanz der zwei Supermächte zerfällt die internationale Ordnung nach seiner Theorie in drei verschiedene Ordnungsprinzipien, die er als vor-modern, modern und post-modern bezeichnet (vgl. Cooper 2003: 15ff.). Seine zentrale Fragestellung zielt auf die politische Herstellung von (physischer) Sicherheit, welche das zentrale Unterscheidungsmerkmal der drei Ordnungen ist. 2.1.1 Zerfall der Weltordnung Die vor-moderne Welt umfasst Territorien ohne oder mit nur schwacher staatlicher Souveränität, in denen kein hegemonialer Akteur die staatlichen Funktionen wahrnimmt. Es existiert kein legitimes Gewaltmonopol. Private Akteure üben mittels Gewalt oder Gewaltandrohung die politische Herrschaft aus, sie konkurrieren mit staatlichen Reststrukturen und übernehmen die sonst originären Staatsaufgaben. Aufgrund dieses Mangels an Staatlichkeit geht von der Vormoderne eine permanente Bedrohung in ihre Umgebung aus. Drogenhandel, organisierte Kriminalität und Terrorismus finden hier ihre Ausgangsbasis. Coopers Konzept der Vormoderne orientiert sich somit implizit stark am politikwissenschaftlichen Konzept der gescheiterten Staatlichkeit. Einen anhand empirischer Kriterien erstellten Überblick, welche Länder der Vormoderne angehören, kann z.B. der Failed-States-Index geben (vgl. The Fund for Peace 2009). Das zweite Ordnungsprinzip der Moderne ist definiert über souveräne Nationalstaaten mit legitimem Gewaltmonopol. Es entspricht der Sicht der realistischen Schule in den internationalen Beziehungen. Die staatliche Politik ist in innere und äußere Angelegenheiten getrennt, zwischen den Staaten herrscht ein striktes Nichteinmischungsprinzip in innere Angelegenheiten. Militärische und ökonomische Stärke sind staatliche Kernziele, um Sicherheit herzustellen. Macht, Staatsräson und Interessenverfolgung bestimmen die internationale Ordnung. Im internationalen System herrscht Anarchie, weil es keinen höheren Souverän als den Staat gibt. Aus diesem Grund ordnen sich die Staaten nach ihrer Stärke und bilden ein System der Machtbalance. Hierin sieht Cooper das zentrale Problem der Moderne. Das staatliche Streben nach Stärke destabilisiert die Machtbalance auf internationaler Ebene. Selbst friedfertige Staaten müssen auf die Gefahr der wachsenden Überlegenheit eines mächtigen Staates reagieren. Im Ergebnis ist das internationale System in der Moderne sehr fragil. Zahlreiche zwischenstaatliche Auseinandersetzungen zur Verschiebung oder Wiederherstellung der Machtbalance verursachen den Konfliktreichtum der Moderne. Als Beleg führt Cooper die zahlreichen Auseinandersetzungen im europäischen Staatensystem zwischen dem Westfälischen Frieden 1648 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 an (vgl. Cooper 2003: 21-26.). In der heutigen Welt nehmen die USA, als mit Abstand größte Militärmacht, eine fragile hegemoniale Stellung für die nicht atomar gerüstete Staatenwelt ein. Sie teilt die Werte der Post-Moderne und nimmt deshalb eine sicherheitspolitische Wächterfunktion für die post-moderne Staatenwelt ein (vgl. Cooper 2003: 45). Die post-moderne Welt konstituiert sich aus der Negation zentraler Prinzipien der Herstellung von Sicherheit in der Moderne. Post-moderne Staaten rücken vom Prinzip der Machtbalance, der strikten Trennung von Innen- bzw. Außenpolitik, dem Nichteinmischungsprinzip sowie der vollständigen staatlichen Souveränität ab. An die Stelle tritt ein neues Sicherheitsparadigma: die freiwillige, wechselseitige Selbstbeschneidung der staatlichen Souveränität unter den „postmodernen“ Staaten (vgl. Cooper 2002: 2). Sicherheit beruht nun auf Offenheit, Transparenz und gegenseitiger Verwundbarkeit. Vertrauensbildende Maßnahmen, die Limitation sowie transparente Kontrolle von Waffen können ein möglicher Anfangspunkt für post-moderne Sicherheit sein. Eine starke Vernetzung der Politik sowie die Errichtung supranationaler Institutionen und einer supranationalen Gerichtsbarkeit sind notwendige Voraussetzungen für ihre weitere Entwicklung. Entscheidend für die Etablierung des neuen Sicherheitsparadigmas ist die Einführung des Prinzips der gegenseitigen Einmischung. Dieses Prinzip ermöglicht die legitime Basis für zwischenstaatliche und transnationale Kooperation unter Ausschließung von Gewalt und der Beachtung gemeinsamer Verhaltensregeln. Die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Staaten ist somit für die post-modernen Staaten ausgeschlossen. Staatsgrenzen verlieren damit drastisch an Relevanz. Konflikte sind reduziert auf die Formulierung politischer Ziele, die Wahl geeigneter Instrumente und die Verteilung der sich ergebenden Lasten. Sie werden kooperativ, oft in einem institutionellen Rahmen gelöst (vgl. Cooper 2003: 29-39). Unterstützend wirkt in diesem Zusammenhang besonders die Entfaltung transnationaler Netzwerke der Zivilgesellschaft, die viele Elemente staatlicher, „moderner“ Interessenpolitik überflüssig machen. Die zunehmend mobile und transnational vernetzte Bevölkerung dokumentiert zudem eine normative Verschiebung zur Moderne. Kollektive Identitäten wie die Nation oder Klasse verlieren an Bedeutung, der Individualismus wird zum prägenden Identifikationsmerkmal der „Postmoderne“ (vgl. ebenda 2003: 53). Mit dem Wandel der Sicherheitspolitik verändert sich auch das Konzept der Souveränität für post-moderne Staaten. Zwar behält der Staat die Kernaufgabe der Ausübung des Gewaltmonopols und die legislative Kompetenz, verloren geht aber die vollständige territoriale Kontrolle. Auf den ersten Blick erscheint dies als starker Souveränitätsverlust. Allerdings fällt es den post-modernen Staaten wegen wegfallender Sicherheitsbedrohungen erheblich leichter, internationalen Institutionen und Vereinbarungen beizutreten. Diese Fähigkeit kann auch als Stärkung der Souveränität gewertet werden, weil sie direkte und legitime Einflussmöglichkeiten außerhalb der eigenen Grenzen bietet. „For the postmodern state, sovereignty is a seat at the table“ (Cooper 2003: 44). Der wohl fundamentalste Eingriff in die Souveränität ist die Einrichtung supranationaler Gerichtsbarkeiten wie des Internationalen Gerichtshofs oder des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Hinter der Errichtung eines gemeinsamen supranationalen Rechts steht die Anerkennung eines Sets gemeinsamer normativer Grundregeln, welche für alle „postmodernen“ Staaten bedingungslos gelten (ebenda 2003: 31). Ohne Zweifel ist post-moderne Sicherheit ein sehr voraussetzungsreiches Sicherheitsparadigma. Es erfordert, die Einmischung durch andere Staaten als Normalität zu akzeptieren, ein gemeinsames Wertegerüst und die Abgabe von Steuerungs- bzw. Kontrollfähigkeit. Für Cooper ist die EU das bisher am weitesten fortgeschrittene System post-moderner Prägung (vgl. Cooper 2002: 3). 2.1.2 Sicherheitspolitische Konsequenzen – Das „postmoderne“ EU-Imperium In der Realität ist die zu analytischen Zwecken erzeugte Isolierung der drei sicherheitspolitischen Ordnungen natürlich nicht existent. Sicherheitsbedrohungen sind somit nur innerhalb des post-modernen Systems abgeschafft, aber nicht von außerhalb. Aus dieser Perspektive sind die Vor-Moderne und die Moderne vor allem als Bedrohungsszenario zu begreifen. „Failed States“ bedrohen durch Export von Kriminalität, Drogen- und Menschenhandel sowie Terrorismus. Moderne Staaten gefährden durch Aufrüstung die militärische Selbstbeschränkung und Limitation im post-modernen System. Besonders die Proliferation von Massenvernichtungswaffen erzeugt einen „Imperativ der Sicherheit“ (Cooper 2003: 65). Wie kann sich die post-moderne EU vor diesen Bedrohungen schützen? Ob die USA ihre Wächterrolle für...



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