Holtkötter | Schneetreiben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten

Reihe: Münsterland-Krimis

Holtkötter Schneetreiben

Ein Münsterland-Krimi
12001. Auflage 2012
ISBN: 978-3-492-95671-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Münsterland-Krimi

E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten

Reihe: Münsterland-Krimis

ISBN: 978-3-492-95671-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Innerhalb kurzer Zeit versinkt ein ganzer Landstrich im Schnee. Bäume knicken wie Streichhölzer um, die Stromversorgung bricht zusammen, Straßen und Schienennetze sind unpassierbar. Das Nest Birkenkotten ist wie viele andere Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten. Mit dem Unterschied, dass hier kürzlich ein bestialischer Mord passiert ist und die Spur eines entflohenen Vergewaltigers in die ländliche Idylle führt. Hauptkommissar Hambrock, durch einen Zufall mit eingeschneit, bleibt nicht viel Zeit, um den Mordfall aufzuklären. Denn jeden Moment kann der Täter wieder zuschlagen… In seinem packenden Münsterland-Krimi zeichnet Stefan Holtkötter eine nur scheinbar idyllische Welt, hinter der sich Abgründe auftun.
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1 Der Regen prasselte wütend aufs Autodach. Hauptkommissar Bernhard Hambrock blieb im Wagen sitzen. Er zögerte. Das Kopfsteinpflaster vor dem liebevoll sanierten Bauernhaus hatte sich in einen aufgepeitschten See verwandelt. Die Dachrinne an den Stallungen lief über, Sturzbäche ergossen sich über Rosenstöcke und Kräuterbeete. Der Weg vom Auto zum Haus würde ausreichen, ihn bis auf die Haut nass werden zu lassen. Er konnte nichts dagegen unternehmen. Dabei hätte er gar nicht selbst herkommen müssen. Er hätte irgendeinen Mitarbeiter schicken können, wie es für solch einen Einsatz angemessen gewesen wäre. Doch das wollte er nicht. Er hatte seine eigenen, ganz privaten Gründe, hier zu sein, keiner brauchte etwas davon zu wissen. »Ich bin sowieso in der Gegend unterwegs«, hatte er den anderen gesagt. »Wozu einen weiteren Kollegen in den Regen schicken, wenn der Chef ohnehin schon nass ist?« Schicksalsergeben blickte er zur hell erleuchteten Haustür und sprang mit einem Satz aus dem Wagen. Die schweren Tropfen peitschten von allen Seiten auf ihn ein. Kalte Nässe durchdrang seine Kleidung. Er hastete zum Haus, drückte die Klingel und presste sich gegen das Türblatt. Die Nelken aus einem Gewürzkranz stachen ihm ins Gesicht, der Wind trieb feuchte Kälte unter seinen Mantel. Er musste nicht lange warten, bis ihm geöffnet wurde. Eine ältere Frau in Strickjacke riss die Tür auf und ließ ihn ins trockene, warme Innere. »Sie sind Herr Hambrock, nehme ich an? Ich habe Sie schon erwartet.« Die Frau hatte ein freundliches Gesicht und gütige Augen und wirkte ein bisschen wie eine Oma aus einem Kinderbuch. Er hätte nicht sagen können, welches Bild er sich von Dorothea Probst gemacht hatte, doch mit der Erscheinung, die sich ihm nun bot, hatte er keinesfalls gerechnet. Sie wandte sich ihm zu und lächelte. »Kommen Sie herein. Ich habe das Herdfeuer angefacht.« Dann nahm sie seinen durchnässten Mantel und hängte ihn über einen Bügel. »Bestimmt möchten Sie einen Tee, um sich aufzuwärmen?« »Danke, das wäre sehr nett.« Er strich sich über die feuchten Hosenbeine. »Es ist wirklich ein grässliches Wetter.« »Das ist wohl das Schicksal eines Polizisten. Das Wetter nimmt keine Rücksicht auf Ihre Arbeit.« Sie führte ihn in ein gemütliches, mit Bauernmöbeln eingerichtetes Wohnzimmer. Vor dem Kamin standen zwei wuchtige Sessel aus Eichenholz, und auf einem Beistelltisch dampfte in einer Porzellankanne der Gewürztee. »Setzen Sie sich doch«, sagte Dorothea Probst und wartete, bis er Platz genommen hatte. Dann goss sie Tee in Porzellantassen und stellte einen Teller mit Zimtsternen dazu. Hambrock betrachtete schweigend die Kekse. Noch wusste er nicht so recht, wie er beginnen sollte. »Haben Sie in der Zwischenzeit etwas von Ihrem Pflegesohn gehört?«, fragte er schließlich. »Hat er sich bei Ihnen gemeldet?« Sie setzte sich. »Er ist nicht mein Pflegesohn. Wir haben ihn adoptiert.« »Entschuldigen Sie. Ich meine natürlich: Haben Sie etwas von Ihrem Sohn gehört?« »Nein, seitdem mich die Polizistin aus Brandenburg telefonisch über den Ausbruch meines Sohnes informiert hat, habe ich nichts Neues mehr erfahren. Martin hat sich nicht bei mir gemeldet. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nichts anderes sagen kann.« Sie zog ihre Strickjacke um den Körper, als friere sie. »Er hat mich nicht um Hilfe gebeten, wenn das Ihre Frage war.« Martin Probst war am Vormittag aus der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel ausgebrochen. Umgehend hatte man eine Großfahndung eingeleitet und auch die Münsteraner Dienststelle mit einbezogen. Probsts Adoptivmutter wohnte in ihrem Zuständigkeitsgebiet, und die ermittelnden Beamten wussten natürlich von dem guten Verhältnis zwischen Mutter und Sohn. Zwar hielt Hambrock seinen Besuch für reine Routine, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass Martin Probst so leichtsinnig war, ausgerechnet hier in Birkenkotten aufzutauchen. Dennoch wollte er die Gelegenheit nutzen, die Frau kennenzulernen, die Martin aufgenommen und adoptiert hatte. »Es ist gut möglich, dass Ihr Sohn gar nicht hierher kommt«, sagte er. »Schließlich kann er sich denken, dass die Polizei zuallererst bei Ihnen sucht. Es wäre viel zu riskant für ihn.« »Vielleicht haben Sie recht.« Sie wurde nachdenklich. »Ich wusste überhaupt nicht, dass er einen Ausbruch geplant hat. Er hat mir nichts davon erzählt. Als mich die Polizei vor ein paar Stunden anrief, dachte ich zunächst, es wäre ein Missverständnis.« »Leider nein. Ihr Sohn hat bei einem Freigang auf dem Gelände die Flucht ergriffen. Sein Betreuer war ihm nicht auf die Toilette gefolgt, wie es eigentlich Vorschrift ist. Ihr Sohn nutzte diese Unachtsamkeit, stieg durch das Klofenster und dann über den Anstaltszaun. Als sein Betreuer die Flucht bemerkt hatte, wurde sofort die Polizei informiert. Doch bislang haben sie ihn noch nicht wieder einfangen können.« Er seufzte. »Ich muss Sie bitten, mich sofort zu informieren, sollte Ihr Sohn bei Ihnen auftauchen oder mit Ihnen Verbindung aufnehmen.« Er zog eine Karte aus seiner Tasche und reichte sie über den Tisch. »Ich gebe Ihnen am besten meine Handynummer und auch die Nummer der zuständigen …« »Ich muss keine Verbindung mit Ihnen aufnehmen.« Er blickte überrascht auf. »Wie bitte?« »Wenn Martin hier auftauchen sollte, muss ich Sie nicht anrufen. Er selbst wird es tun. Seien Sie versichert, dass ich dafür sorgen werde. Sobald ich Gelegenheit habe, mit ihm zu sprechen, werde ich ihn davon überzeugen können, dass er sich stellen muss.« Hambrock blickte sie an. War es denkbar, dass Dorothea Probst ihrem Sohn bei der Flucht behilflich sein würde? Würde sie ihn verstecken und die Polizei in die Irre führen? Er lehnte sich in dem harten Sessel zurück. »Als mich die Kollegen baten, bei Ihnen vorbeizusehen, war ich überrascht, Ihren Namen zu hören. Ich wusste nicht, dass Sie wieder im Münsterland wohnen. Sie sind damals von hier fortgezogen, nachdem …« Er zögerte und fragte sich, wie er es ausdrücken sollte. »… diese schreckliche Sache passiert ist. Nach Ostdeutschland, wenn ich mich recht erinnere.« »Nach Neustrelitz.« Sie sah ihn fragend an. »Woher wissen Sie das? Gehörten Sie damals zu den ermittelnden Beamten? Ich kann mich nicht an Sie erinnern.« »Nein, ich gehörte nicht dazu. Der Fall Ihres Sohnes hat einfach viel Aufsehen erregt.« Mehr wollte er darüber nicht sagen. Sie nickte bedauernd. »Ich habe mich in Neustrelitz nie sehr wohl gefühlt. Nachdem meine Ehe auseinandergebrochen war und Martin kurz darauf zu vielen Jahren Gefängnis verurteilt wurde, habe ich beschlossen, hierher zurückzukehren. Wir haben das Haus damals nicht verkauft, es war nur vermietet, und so bin ich vor einem Jahr wieder hergezogen. Ich fahre zwar weiterhin regelmäßig nach Brandenburg, um ihn zu besuchen. Doch leben möchte ich hier.« Hambrock konnte sich kaum vorstellen, dass sie mit offenen Armen empfangen worden war. »Wie ist es denn, wieder hier zu sein?«, fragte er. »Sie meinen, wegen der Nachbarn?« Sie lächelte. »Es geht schon. Die meisten wissen zu unterscheiden zwischen dem, was ich getan habe, und dem, was meinem Sohn anzulasten ist. Es ist zwar ein bisschen Zurückhaltung zu spüren, doch sie nehmen mich nicht in Sippenhaft.« »Das freut mich zu hören.« Er wechselte das Thema. »Frau Probst, wäre es möglich, dass Martin sich zu seinem Adoptivvater flüchtet?« Die Frau lachte auf, doch Hambrock erkannte, dass hinter dem Lachen tiefe Traurigkeit lag. »Das ist völlig ausgeschlossen«, sagte sie. »Hubert und Martin hatten damals nach diesen …« Sie zögerte. »… Vorfällen kein gutes Verhältnis mehr zueinander. Mein Mann wollte, dass Martin zurück ins Heim geht. Wir haben uns deswegen oft gestritten. Am Ende hat mein Mann mich vor die Wahl gestellt: Martin oder er.« Hambrock blickte sie überrascht an. Sie lächelte betrübt und sagte: »Also habe ich mich entschieden. Ich liebe Hubert, wir waren beinahe dreißig Jahre verheiratet. Und doch gab es für mich keinen Moment des Zögerns.« Es schien sie Mühe zu kosten, weiterzusprechen. »Ich habe …« »Sie müssen mir das nicht erzählen, Frau Probst.« »Schon gut. Vielleicht brauchen Sie dieses Wissen, um Martin zu finden.« Sie richtete den Blick in die Flammen. »Als wir den Jungen bekommen haben, war er vier Jahre alt. Sie können sich nicht vorstellen, wie er ausgesehen hat. Ganz klein und ausgehungert. Er war völlig verängstigt und hatte schon so viel Schreckliches gesehen. Es hat einem fast das Herz gebrochen. Mit vier Jahren hatte er bereits mehr erlebt, als ein Mensch überhaupt je erleben sollte.« Sie richtete sich in ihrem Sessel auf und blickte ihm fest in die Augen. »Martin gehört zu mir. Ich kann das nicht ändern. Ich habe mich für ihn entschieden, als ich ihn aufgenommen habe. So etwas legt man nicht ab wie einen alten Mantel. Hubert hat das nicht verstanden, dabei war es ganz einfach. Es gab keine Wahl, die ich hätte treffen können. Natürlich bin ich bei meinem Jungen geblieben.« Hambrock dachte an die Fallakten, die er überflogen hatte. Martin Probsts Taten waren dort aufgeführt gewesen. Jede einzelne Vergewaltigung, die er begangen hatte, war so detailreich beschrieben, dass es unerträglich war, die Berichte zu lesen. Dieser Mann hatte drei Frauen das Leben ruiniert, bevor er gefasst und verurteilt worden war. Diese Frauen, ging es Hambrock nun durch den Kopf, hatten ebenfalls Erfahrungen gemacht, die kein Mensch je machen sollte. »Wenn Martin auf meine...


Holtkötter, Stefan
Stefan Holtkötter, geboren 1973 in Münster, wuchs auf einem Bauernhof in Westfalen auf. Er studierte Sozialpädagogik, war einige Jahre als Sozialarbeiter beim Jugendamt und in der Erwachsenenbildung tätig und lebt heute, neben seiner Tätigkeit als Motivationstrainer und Berater für Arbeitslose, als freier Autor in Berlin. Holtkötter hat schon zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht, unter anderem die erfolgreiche Krimiserie um den Münsteraner Ermittler Bernhard Hambrock und die atmosphärische und temporeiche Reihe um den Berliner Kommissar Michael Schöne.



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