Huber | Diese Zitrone hat noch viel Saft! | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Huber Diese Zitrone hat noch viel Saft!

Ein Leben
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-86034-502-3
Verlag: Edition diá Bln
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Leben

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

ISBN: 978-3-86034-502-3
Verlag: Edition diá Bln
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



"Und wo bleibt die Würde des Alters?", fragt die Dame am Telefon. "Sie haben die falsche Nummer gewählt. Die wohnt hier nicht", sagt die Autorin. Man kennt Lotti Huber als Hauptdarstellerin in Rosa von Praunheims Filmen, als temperamentvolle Teilnehmerin an Talkshows, als Diseuse, als Kultfigur. Eine alte Frau, von so viel Leben erfüllt, so unbekümmert, so unkonventionell und selbstbewusst, dass sich Leute, die Jahrzehnte jünger sind, ganz blass und matt vorkommen. Hier kann man aus erster Hand nachlesen, was für ein ungewöhnliches Leben diese ungewöhnliche Person geführt hat. Die Autobiografie der "ältesten Showmasterin der Welt" (Guinness-Buch der Rekorde) stand ein halbes Jahr auf der "Spiegel"-Bestsellerliste.

"Lotti Hubers Lebensgeschichte hat mit einer von Ghostwritern polierten Künstlerbiografie so viel gemein wie Dosengeflügel mit einem Pfau." (zitty)

Die Reihe "Es geht auch anders" in der Edition diá:

Gad Beck

Und Gad ging zu David. Die Erinnerungen des Gad Beck

ISBN 9783860345016

Georgette Dee

Gib mir Liebeslied. Chansons Geschichten Aphorismen

ISBN 9783860345061

Cora Frost

Mein Körper ist ein Hotel

ISBN 9783860345078

Ulrich Michael Heissig

Irmgard, Knef und ich. Mein Leben, meine Lieder

ISBN 9783860345085

Lotti Huber

Diese Zitrone hat noch viel Saft. Ein Leben

ISBN 9783860345023

Lotti Huber

Jede Zeit ist meine Zeit. Gespräche

ISBN 9783860345030

Charlotte von Mahlsdorf

Ich bin meine eigene Frau. Ein Leben

ISBN 9783860345047

Napoleon Seyfarth

Schweine müssen nackt sein. Ein Leben mit dem Tod

ISBN 9783860345054

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Gedanken auf der Flucht
Kiel
Konzentrationslager
Haifa
Kairo
London
Nikosia
Kyrenia
London
Berlin


So war's. Herausgeschleudert aus wohlbehütetem deutsch-jüdischen Elternhause, herausgeschleudert aus einem wohlhabenden, großzügigen Milieu, musste ich um mein Leben kämpfen. Und natürlich hat das die Werte verändert, die ich von Hause aus mitbekommen habe. Sie haben sich gewaltig verändert.
Als ich 1982 eine Einladung in meine Heimatstadt Kiel bekam, um der Premiere von Rosa von Praunheims Film "Unsere Leichen leben noch" beizuwohnen, war meine erste Reaktion ein heftiges: Nein. Aber dann dachte ich an den Titel von Rosas Film: Unsere Leichen leben noch. Wie provokativ! Kurz entschlossen entschied ich mich: Ich komme.
Ich bummelte durch die Straßen Kiels. Fast sechzig Jahre - sechzig Jahre! - ist es her, dass ich in dieser Stadt gewesen bin. Nie wieder wollte ich sie betreten. Wie oft musste ich lernen: Sag niemals nie. Ich ging durch die Holstenstraße, die damals die Hauptstraße Kiels war. Ja, an dieser Ecke musste es gewesen sein. Da war es, das Holstenhaus, heute der Sitz einer großen Kosmetikfirma. Ich erinnere mich sehr deutlich an unser Geschäft.
Mein Vater war Textilkaufmann, hatte seine Lehre, wie er uns immer begeistert erzählte, in Görlitz gemacht und war dann seinem Bruder, meinem Onkel Emil, nach Kiel gefolgt, der in der Holstenstraße ein Damenkonfektionsgeschäft besaß - das Modehaus Berju. Mit der Mitgift meiner Mutter kaufte mein Vater auch ein Haus in der Holstenstraße, Ecke Faulsstraße, und etablierte sich dort zunächst einmal mit einem Herrenausstattungsgeschäft. Später eröffnete er dann ein Textilhaus, das sehr bekannt wurde: das Holstenhaus. [...]
Beide, meine Mutter und mein Vater, stammen aus Posen. Meine Mutter aus Lissa, das nach dem Ersten Weltkrieg polnisch wurde. Mit achtzehn Jahren wurde sie von meinem Großvater mit meinem Vater verheiratet. Mein Vater war damals doppelt so alt wie meine Mutter. Er war ein eingefleischter Junggeselle gewesen, erzählte mir meine Mutter. Aber so jung sie damals war, nahm sie ihn bald an die Kandare. Und sie war es auch, die der Boss der Familie wurde. Ihre Heirat war, was man damals eine "mariage de convenance" nannte.
Auch mein Großvater hatte ein Herrenausstattungsgeschäft gehabt. Mein Vater war ein Geschäftsfreund von ihm gewesen. Daher beschloss mein Großvater, dass er der geeignete Ehemann für seine Tochter sei. Meine Mutter bekam eine Mitgift von fünfundzwanzigtausend Goldmark, und damit war die Sache geritzt. Entsetzlich! Es war bestimmt keine Liebesheirat, als die achtzehnjährige Johanna Leipziger dem sechsunddreißigjährigen Robert Goldmann ihr Jawort gab. Aber meine Mutter ist ihrem Mann bis zu seinem Tode eine treue Lebensgefährtin gewesen.
Von Sexualität hatte sie, trotz der drei Kinder, die sie pflichtgemäß bekommen hatte, keine Ahnung. Ich erinnere mich, wie erschüttert und gerührt ich gewesen war, als sie mich einmal - ich war schon über dreißig Jahre alt - ganz schüchtern fragte: "Sag mal, was ist das eigentlich, ein Orgasmus, von dem man heutzutage so viel redet?" Meine entzückende, schöne Mutter hatte in ihrem ganzen Leben keinen Orgasmus erlebt! Und darüber bin ich heute noch traurig.


Lotti Huber, am 16. Oktober 1912 als Tochter großbürgerlicher jüdischer Eltern in Kiel geboren, wollte immer zur Bühne, zum Theater. Aber die Nazis schickten sie ins KZ. Sie wurde freigekauft, ging nach Palästina und Ägypten, tanzte in Nachtklubs, heiratete einen englischen Offizier, ging dann nach Zypern, wo sie ein Restaurant eröffnete, nach 1945 mit ihrem zweiten Mann nach London und Anfang der sechziger Jahre nach Berlin. Sie gab Englischunterricht, übersetzte Trivialliteratur, eröffnete eine Tanzschule, arbeitete als Filmstatistin, lernte Rosa von Praunheim kennen und wurde mit 75 Jahren ein Star. Ihre Autobiografie "Diese Zitrone hat noch viel Saft!" brachte ihr große Popularität. 1994 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Lotti Huber starb am 31. Mai 1998.



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