Hutter / Antes / Rüpke | Religionen im Kaukasus | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 301 Seiten

Hutter / Antes / Rüpke Religionen im Kaukasus


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-042498-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 301 Seiten

ISBN: 978-3-17-042498-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
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Die Kaukasus-Region zeichnet sich durch eine hohe Vielfalt sprachlicher, ethnischer, kultureller und religiöser Traditionen aus - abhängig von der Geographie und den soziohistorischen Kontexten. Der Sammelband erschließt diese Vielfalt in ihren historisch pluralen Religionsformen sowie lokalspezifischen Transformationsprozessen über die Jahrhunderte hinweg: Lokale Religionspraktiken wurden bereits im Altertum durch Einflüsse aus dem Alten Orient, dem Iran und aus Griechenland geprägt; auch die christianisierten bzw. islamisierten Regionen des Kaukasus sowie jüdische Gruppen zeigen ihre eigenständige Entwicklung. Dieser Pluralismus von religiösen Traditionen charakterisiert auch die Religionspolitiken der post-sowjetischen Staaten Armenien, Aserbeidschan und Georgien.
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Der Kaukasus – Berg der Sprachen, der Völker sowie der Religionen
Manfred Hutter 1  Der Kaukasus als geographischer Raum
Die Benennung der Gebirgszüge als »Kaukasus« hängt wahrscheinlich etymologisch mit der indogermanischen Wurzel *kówko- »hoch« (vgl. gotisch hauhs, englisch high) zusammen.1 Für die griechische Antike galt die Kaukasus-Region dabei lange Zeit als höchstes Gebirge der Welt und griechische Autoren sahen das Gebirge als Grenze zwischen Europa und Asien. Für Hekataios von Milet (6. Jahrhundert v. Chr.) war der Fluss Phasis (heute Rioni), der von den Südwestabhängen des Großen Kaukasus in der heutigen Republik Georgien über eine Länge von 330 Kilometern zum Schwarzen Meer fließt, eine Grenzmarkierung zwischen den beiden Kontinenten, und er meinte auch, dass der Fluss eine Verbindung zwischen dem Kaspischen Meer und dem Schwarzen Meer darstelle. Die Grenzziehung, die man in der Antike mit den Bergen des Kaukasus verband, drückte dabei auch eine Abgrenzung zwischen der »kultivierten« Welt mit der sesshaften Bevölkerung südlich des Kaukasus und dem Lebensraum der Nomaden in den Steppen nördlich des Gebirges aus. Die antike »Randstellung« des Kaukasus setzte sich über die Spätantike und das Mittelalter dadurch fort, dass die Kaukasus-Region aus der Perspektive der politischen Mächte – Rom und Byzanz, Parther und Sasaniden, Omajjaden und Abbasiden – häufig lediglich in der Peripherie der eigenen Interessen wahrgenommen wurde, unabhängig von der Existenz eigenständiger Staaten wie Armenien, Georgien und dem kaukasischen Albanien. Diese Staatsgebilde und deren wechselnde Bevölkerung in den eigenen Machtbereich einzubeziehen, prägte seit dem 19. Jahrhundert auch die Terminologie, als das zaristische Russland ein Interesse an den kaukasischen Gebieten entwickelte und dabei den Bereich im Süden Russlands als Ciskaukasien bezeichnete; die Regionen südlich des Großen Kaukasus, wo die Expansionsbestrebungen des Zarenreiches mit den politischen Ansprüchen des Osmanischen Reiches und des Perserreiches der Qadscharen-Dynastie in Berührung kamen, wurden als Transkaukasien bezeichnet.2 Während der Sowjetunion wurde diese Terminologie auch international weiter beibehalten, mit der Entstehung der heutigen unabhängigen Staaten Armenien, Aserbaidschan und Georgien bezeichnet man deren geographischen Raum nun meist als Südkaukasus, das Gebiet der südlichen Republiken der Russischen Föderation zusammenfassend als Nordkaukasus. Zwischen Süd- und Nordkaukasus markiert das Hochgebirge des »Großen Kaukasus« eine klare Trennung. Die bis zu 180 Kilometer breite Gebirgskette erstreckt sich über 1.100 Kilometer vom Schwarzen Meer im Nordwesten bis zum Kaspischen Meer im Südosten.3 In der Nähe der Halbinsel Taman am Kuban-Fluss im Westen beginnt der langsame Anstieg von Hügeln, die bis zum Elbrus (5.642 Meter) als höchster Erhebung ansteigen, dann an der Grenze zwischen Nordossetien (in Russland) und Südossetien (in Georgien) mit dem Kazbek (5.033 Meter) eine weitere markante Erhebung zeigen. Östlich des Kazbek setzt sich das Gebirge zum Kaspischen Meer fort, wobei auch dieser östliche Teil des Großen Kaukasus über 30 Gipfel mit einer Höhe von mehr als 4.000 Metern hat. Nördlich dieser Gebirgskette schließen sich die Kuban- und die Terek-Ebene an, die zu den Weiten Russlands führen. Politisch gehören heute sieben autonome Republiken der Russischen Föderation zum Nordkaukasus, wobei Teile von Kabardino-Balkarien, Tschetschenien und Dagestan außerhalb der Gebirgsregion liegen: Neben der Region Stavropol, deren Zuordnung zum Nordkaukasus umstritten ist, sind es von Westen nach Osten die Republiken Adygea, Karatschai-Tscherkessien, Kabardino-Balkarien, Nordossetien-Alanien, Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan. Rund 100 Kilometer südlich des Großen Kaukasus liegt der Kleine Kaukasus, den die Surami-Gebirgskette mit dem Großen Kaukasus verbindet. Die Flusstäler der Kura und eines Teils des Arax prägen die Landschaft zwischen dem Großen Kaukasus und dem Kleinen Kaukasus im Süden mit dem Ararat (5.137 Meter) und dem Aragaz (4.090 Meter). Diese Ebene erstreckt sich im Westen in der Kolchis-Niederung bis zum Schwarzen Meer und im Osten mit der Kura-Arax-Niederung zum Kaspischen Meer. Der Kleine Kaukasus findet geographisch seine Fortsetzung im armenischen Hochland bzw. im Zagros-Gebirge. Politisch liegen die heutigen Republiken Armenien, Aserbaidschan und Georgien im Gebiet des Südkaukasus, wobei Südossetien und Abchasien in Georgien geographisch eine »Übergangslage« zu den nordkaukasischen Nachbargebieten zeigen, was auch zu politischen Spannungen zwischen diesen beiden Landesteilen Georgiens und der benachbarten Russischen Föderation führt. Der Nordosten Aserbaidschans geht geographisch fließend in das Gebiet von Dagestan über und der Südosten Aserbaidschans setzt sich geographisch in Iranisch-Aserbaidschan fort. Diese naturräumliche Nähe führt dazu, dass manchmal – in einer weiten Interpretation von »Kaukasus« – sowohl Iranisch-Aserbaidschan im Osten als auch die Provinzen Ardagan, Artvin, Idgir und Kars im Nordosten der heutigen Türkei zum Kaukasus gerechnet werden.4 Eine solche Erweiterung wird dabei damit begründet, dass es seit der vorchristlichen Zeit immer wieder Epochen gegeben hat, in denen diese Gebiete mit dem Südkaukasus im engeren Sinn wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich zusammengehörten. Aufgrund dieser geographischen Lage kann der Kaukasus nicht nur als Region beschrieben werden, deren einzelne Teile zueinander in vielfältigen Kontakten standen, sondern dadurch weist der Kaukasus kulturelle Gemeinsamkeiten auf,5 die – trotz Bevölkerungsverschiebungen und -umsiedlungen im Laufe der Geschichte des zaristischen Russlands und der Sowjetunion – bis zur Gegenwart nicht vollkommen verschwunden sind. Zugleich ist aber auch zu berücksichtigen, dass bei einer »Erweiterung« der Kaukasus-Definition im Süden mit dem Einschluss von benachbarten Arealen im Nordosten der Türkei bzw. im Nordwesten Irans sowie des armenischen Plateaus, das sich geographisch vom heutigen armenischen Staatsgebiet bis in die Osttürkei erstreckt, Teile des »Südkaukasus« engere kulturelle Beziehungen zum Vorderen Orient zeigen als zur Nordseite des Großen Kaukasus. 2  Sprachen und Völker
Der römische Schriftsteller Plinius der Ältere (23 oder 24–79 n. Chr.) berichtet im 6. Buch seiner »Naturgeschichte«, dass zu seiner Zeit 130 Dolmetscher nötig waren, um in der Stadt Dioscurias am Schwarzen Meer (heute Sochumi in Abchasien, Georgien) mit den Einheimischen Handel zu treiben. Beinahe ein Jahrtausend später bezeichnet der arabische Geograph al-Mas?udi (855–956) den Kaukasus als »Berg der Sprachen«, auf dem 72 Völker wohnen.6 Letztere Zahl greift modifizierend eine islamische Überlieferung auf, dass von 73 islamischen Richtungen 72 wegen Irrglaubens beim Jüngsten Gericht verurteilt werden, und nur eine den Islam bewahrt hat; d. h. hier könnte al-Mas?udi indirekt eine Aussage über die in seiner Sicht vom Islam abweichenden religiösen Vorstellungen der Bergbewohner im Kaukasus tätigen, verbunden mit der Vielfalt der Sprachen. Die große Zahl der Sprachen im Kaukasus ist – auch in chronologischer Hinsicht – drei großen Sprachfamilien zuzuordnen, deren Sprecher zugleich entsprechend verwandte Volksgruppen7 bilden: die autochthonen kaukasischen Sprachen, Sprachen der indogermanischen Sprachfamilie, die bereits vor der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. im Kaukasus bezeugt sind, und Turksprachen, die etwa am Ende des 1. Jahrtausends n. Chr. im Kaukasus verbreitet wurden.8 Die schriftliche Bezeugung der Sprachen – abgesehen von urartäischen und griechischen Inschriften aus vorchristlicher Zeit – setzt erst mit dem Armenischen und dem Georgischen im 5. Jahrhundert n. Chr. ein, die anderen sprachlichen Zeugnisse aus dem Kaukasus sind jüngeren Datums. Die kaukasische Sprachfamilie ist in drei große Gruppen zu gliedern, wobei die heutigen Sprecher der kaukasischen Sprachen als autochthone Kaukasus-Völker bzw. als deren heutigen Nachfahren betrachtet werden können. Unter den nordwestkaukasischen Sprachen ist das Abchasische als wichtigste Einzelsprache zu erwähnen, ferner das Tscherkessische und das Adygeische. Von den südkaukasischen (oder kartvelischen) Sprachen ist das Georgische am weitesten verbreitet; genauso erwähnenswert sind das Swanische und das Mingrelische in Georgien, allerdings mit deutlich weniger Sprechern als die Staatssprache Georgisch. Dabei reduzieren offizielle georgische Quellen manchmal auch den Status von Swanisch und Mingrelisch zu bloßen »Dialekten« des Georgischen, um dadurch die Eigenständigkeit dieser Sprachen zugunsten einer einheitlichen georgischen nationalen und sprachlichen Identität zu negieren.9 Die nordostkaukasischen Sprachen sind linguistisch divergenter als die Sprachen innerhalb der nordwest- bzw. südkaukasischen Gruppe. Man kann im Nordosten zwischen der zentralen Gruppe der Nakh-Sprachen, zu denen unter anderem Inguschisch und Tschetschenisch gehören, und der nordöstlichen Gruppe der Dagestan-Sprachen unterscheiden, mit dem Awarischen als wichtigstem Vertreter. Auch das Udische, als heutiger Nachkomme der extinkten Sprache der Kaukasus-Albaner, gehört zu dieser Sprachgruppe. Von manchen Forschern wird auch die Sprache der Urartäer des 9. bis 7. Jahrhunderts v. Chr. zu den nordostkaukasischen Sprachen gezählt,...


Prof. i.R. Dr. phil. Dr. theol. Manfred Hutter lehrte Vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Bonn.



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