Huxley | Moksha | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 308 Seiten

Huxley Moksha

Auf der Suche nach der Wunderdroge
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-492-97662-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Auf der Suche nach der Wunderdroge

E-Book, Deutsch, 308 Seiten

ISBN: 978-3-492-97662-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Huxleys Beschäftigung mit Bewußtseinserweiterung durch Drogen begann bereits in den 1930er Jahren. Moksha, ein Wort aus dem Sanskrit, bedeutet »Befreiung«. Die hier versammelten Reden, Essays, Interviews und Briefe widmen sich dem Bereich der visionären Erfahrungen und der Befreiung des Geistes. Im Mai 1953 experimentierte Aldous Huxley erstmalig mit Mescaline, bis zu seinem Tod sollten ihn Erfahrungen mit bewusstseinserweiternden Drogen begleiten. Dabei werden Bereiche der Psychologie, der Medizin, der Ökologie, der Literatur und der Politik gestreift. Was Huxley letztlich vorschwebt ist »eine Technik, die dem Menschen dazu verhilft, sein transzendentales Erlebnis in der Sphäre der ›anderen Welt dieser Welt‹ nutzbringend anzuwenden«.
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KAPITEL 2
1931
Auf der Suche nach einem neuen Lustgefühl Aldous Huxley Huxley lebt an der französischen Riviera und beobachtet die Sitten und Gewohnheiten einer genusssüchtigen Gesellschaft, für die Alkohol und Kokain die bevorzugten Drogen sind, als er in diesem kurzen Essay – einem Nebenprodukt der Arbeit an Schöne neue Welt – im Ton spielerischer Ironie eine »himmlische, weltverändernde Droge« beschreibt, die Wissenschaftler der Zukunft entdecken könnten. Die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts entdeckte die Methode des Entdeckens, und unser Zeitalter ist folgerichtig das Zeitalter der Erfindungen. Ja, das Zeitalter der Erfindungen; wir werden nicht müde, diese Tatsache zu verkünden – und dennoch ist es noch keinem gelungen, ein neues Lustgefühl zu erfinden. Kürzlich, während eines Aufenthalts an der französischen Riviera, einer Gegend, die in den Reiseprospekten als die eigentliche Heimat des Vergnügens angepriesen wird, ging mir diese merkwürdige und ziemlich bedrückende Tatsache zum ersten Mal auf. Rund fünfundsechzig Kilometer entlang der Mittelmeerküste – von der italienischen Grenze bis zu den Bergen von Esterel – haben sich in ein ungeheures Vergnügungsgebiet verwandelt. Oder, um genauer zu sein: man hat daraus einen ungeheuren, weit auseinandergezogenen Vorort gemacht – den Vorort von ganz Europa und den beiden Amerikas –, der sich hier und da zu städtischen Kernen wie Menton, Nizza, Antibes, Cannes konzentriert. Die Franzosen haben eine hohe Begabung für Eleganz, aber auch für Hässlichkeit. Es gibt keine scheußlicheren Vororte auf der ganzen Welt als die rund um die französischen Städte. Die ausgedehnte banlieue der Riviera macht keine Ausnahme von der Regel. Die chaotische Verkommenheit dieser sich lang hinziehenden bürgerlichen Slums ist glücklicherweise einzigartig. Die Städte sind natürlich sehr viel gelungener als die mit ihnen verbundenen Vororte. Eine gewisse, auf gefällige und absurde Weise altmodisch-kitschige Großartigkeit ziert Monte Carlo; Nizza ist weiträumig, hell und lebendig; Cannes feierlich-pompös, so als sei es sich seiner teuren Eleganz bewusst. Und alle sind sie mit den ausgefeiltesten und teuersten Möglichkeiten ausgestattet, um ihren Gästen Vergnügungen zu bieten. Während ich mich amüsierte, oder vielmehr versuchte, mich inmitten dieses Vergnügungsbetriebs zu amüsieren, kam ich zu dem niederdrückenden Schluss, dass es keine neuen Vergnügungen gibt. Der Gedanke kam mir, wie ich mich erinnere, an einem düsteren Winterabend, als ich aus dem Restaurant des Ambassadeurs in Cannes heraustrat und in einen dieser heulenden halb alpinen, halb maritimen Winde geriet, die an bestimmten Tagen die Croisette und die Promenade des Anglais zu einer unangenehm genauen Nachahmung der Wuthering Heights machen. Ich stellte plötzlich fest, dass wir, soweit es Vergnügungen betrifft, nicht besser dran sind als die Römer oder die Ägypter. Galilei und Newton, Faraday und Clerk Maxwell haben, was das betrifft, umsonst gelebt. Die großen, die moderne Vergnügungsindustrie beherrschenden Aktiengesellschaften können uns nichts bieten, was sich wesentlich von den Zerstreuungen unterscheidet, die einst die Konsuln dem römischen Volk offerierten, oder von dem, was Trimalchios’ Kuppler für das Amüsement der gelangweilten und übersättigten Reichen zur Zeit Neros inszenieren konnten. Und das, obwohl es mittlerweile Kino, Grammofon, Radio und alle möglichen anderen Mittel zur Unterhaltung der Menschheit gibt. Die Apparate, die diese Unterhaltung vermitteln, sind zweifellos ganz modern; nichts Ähnliches hat es früher gegeben. Aber daraus folgt noch nicht, dass die Art der Unterhaltung, die sie reproduzieren und verbreiten, ebenfalls modern ist. Sie ist es keineswegs. Diese neuen Geräte machen einzig und allein Drama, Pantomime und Musik – womit sich die Menschheit seit undenklichen Zeiten unterhalten hat – einem breiteren Publikum zugänglich. Eine derartige mechanisch reproduzierte Unterhaltung ist billig und wird deshalb in solchen Vergnügungszentren wie der Riviera nicht gefördert. Deren einziger Zweck ist es, die Reisenden zu veranlassen, in einem Minimum an Zeit ein Maximum an Geld auszugeben. Deshalb werden an derlei Plätzen Drama, Pantomime und Musik in der ursprünglichen Form – wie einst unseren Vorfahren – dargeboten, ohne Zwischenschaltung mechanischer Wiedergabegeräte. Und auch die übrigen Vergnügungen dort sind nicht weniger traditionell. Es wird zu viel gegessen und getrunken; man starrt auf halb oder völlig nackte Tänzerinnen und Akrobaten in der Hoffnung, den abgestumpften sexuellen Appetit anzuregen; es wird getanzt; man veranstaltet Spiele oder sieht ihnen zu. Vorzugsweise sind es recht grausame und wilde Spiele; Tiere zu töten, war schon immer der Sport der Reichen und, wenn sie die Möglichkeit hatten, auch der Armen. Nicht weniger traditionell ist das andere seltsame, für die Riviera so charakteristische Amüsement – das Glücksspiel. Glücksspiele müssen mindestens so alt sein wie das Geld; ja, ich könnte mir vorstellen, noch viel älter – so alt wie die Menschheit selbst oder jedenfalls so alt wie die Langeweile, so alt wie das Verlangen nach künstlichen Erregungen und Gefühlen. Offiziell beschließt das die Liste der von der Unterhaltungsindustrie an der Riviera angebotenen Vergnügungen. Aber man darf nicht vergessen, dass all dieses für diejenigen, die dafür zahlen, sozusagen in einem ganz bestimmten Gefühlsbereich angesiedelt ist – im Lust-Schmerz-Komplex des Snobismus. Die Tatsache, dass man fähig ist, den Zutritt zu exklusiven (sprich teuren) Unterhaltungsetablissements zu bezahlen, verschafft den meisten Menschen eine beträchtliche Befriedigung. Sie finden es schön, an die arme und vulgäre Masse draußen zu denken, genauso, wie laut Tertullian und anderen Kirchenvätern die Seligen es genießen, von Himmelsbalkonen auf die Verrenkungen der Verdammten unten in der Hölle hinabzusehen. Stolzgebläht genießen sie es, unter den Erwählten zu sitzen oder selbst die Erwählten zu sein, deren Namen in den Gesellschaftsspalten der kontinentalen Ausgabe der Daily Mail oder der in Paris erscheinenden New York Herald Tribüne stehen. Snobismus ist zwar oft die Quelle qualvoller Schmerzen, aber er ist ebenso die Quelle eines erlesenen Vergnügens. Dieses spezielle Amüsement wird in solchen Gegenden großzügig angeboten und bildet eine Art Hintergrund für alle anderen Vergnügungen. Nun gibt es diese für solche Orte typischen Vergnügungen, einschließlich des Snobismus, seit undenklichen Zeiten – bestenfalls sind es Variationen althergebrachter Themen. Wir leben im Zeitalter der Erfindungen; aber die professionellen Entdecker waren nicht fähig, sich eine völlig neue Art auszudenken, unsere Sinne zu reizen oder in uns angenehme Gefühle hervorzurufen. Aber das ist schließlich nicht so erstaunlich, dachte ich weiter, als ich, gegen den Sturm ankämpfend, meinen Weg auf der Croisette fortsetzte. Unsere physische Ausstattung ist annähernd so geblieben, wie sie vor zehntausend Jahren war. Zwar hat sich unser Bewusstsein beträchtlich verändert; ganz offensichtlich werden niemals alle Möglichkeiten der menschlichen Psyche gleichzeitig verwirklicht. Geschichte ist, neben vielem anderen, die Aufzeichnung aufeinanderfolgender Verwirklichungen, Versäumnisse und neuer Verwirklichungen dieser nahezu unzähligen Möglichkeiten in jeweils anderem Zusammenhang und in verschiedenster Zusammensetzung. Aber trotz dieser Veränderungen (die üblicherweise, wenn auch zu Unrecht, psychische Evolution genannt werden) sind die einfachen, instinktiven Gefühle, ebenso wie die Sinne, an die sich die Veranstalter solcher Vergnügungen richten, bemerkenswert beständig geblieben. Es ist die Aufgabe der Veranstalter, eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner für die Unterhaltung zu finden, die eine möglichst große Zahl von Menschen, ungeachtet ihrer besonderen psychischen Zu- oder Abneigungen, befriedigen soll. Eine derartige Unterhaltung darf, so viel ist sicher, nicht differenziert sein. Sie muss auf die einfachsten der allen Menschen gemeinsamen Eigenschaften wirken, auf die körperlichen und seelischen Grundzüge einer Person, nicht auf die Persönlichkeit. Nun ist die Zahl der Wirkungen auf das, was ich das »große Unpersönliche« nennen möchte und was alle menschlichen Wesen gemein haben, eng begrenzt, so eng, dass, wie sich herausgestellt hat, unsere Erfinder bisher unfähig waren, irgend etwas Neues zu erfinden. Es gibt ein einziges – zweifelhaftes – Beispiel für ein neues Vergnügen; ich werde darauf noch zu sprechen kommen. Wir sind immer noch mit den Amüsements zufrieden, die unsere Vorfahren in der...


Huxley, Aldous
Aldous Leonard Huxley, geboren 1894 in Godalming/Surrey, in Eton erzogen, studierte nach einer schweren Augenkrankheit englische Literatur in Oxford und war ab 1919 zunächst als Journalist und Theaterkritiker tätig. 1921 begann er mit der Veröffentlichung seines ersten Romans »Die Gesellschaft auf dem Lande« seine literarische Laufbahn. Von 1938 an lebte er in Kalifornien. Huxley starb 1963 in Hollywood.



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