E-Book, Deutsch, 333 Seiten
Ibsen Henrik Ibsen: Nationalromantische Dramen
1. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-5031-1
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Frau Inger auf Östrot + Das Fest auf Solhaug (Mit Biografie des Autors)
E-Book, Deutsch, 333 Seiten
ISBN: 978-80-268-5031-1
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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Zweiter Akt
Inhaltsverzeichnis Stube auf Oestrot, wie im ersten Akt. Inger sitzt am Tisch rechts vor dem Fenster. Olaf Skaktavl steht ein wenig von ihr entfernt. Beider Mienen verraten, daß ein sehr aufgeregtes Gespräch vorangegangen ist. Olaf. Zum letzten Mal, Inger Gyldenlöve, – Ihr seid also unbeugsam in Euerm Entschluß? Inger. Ich kann nicht anders. Und mein Rat ist: geht auch Ihr meinen Weg. Ist es des Himmels Wille, daß Norwegen untergehen soll, so geht es unter, ob wir es nun stützen oder nicht. Olaf. Und mit diesem Glauben, meint Ihr, soll ich mich in Geduld fassen? Ich sollte ruhig dasitzen und zuschauen, nun die Zeit gekommen ist? Habt Ihr vergessen, was ich zu rächen habe? Mein liegendes Gut haben sie geraubt und unter sich geteilt. Meinen Sohn, mein einziges Kind, den letzten Sproß unseres Geschlechtes, erschlugen sie vor meinen Augen wie einen Hund, und mich selbst haben sie zwanzig Jahre lang friedlos durch Wald und Gebirge gehetzt. Das Gerücht hat mich mehr als ein liebes Mal tot gesagt; aber nun hab' ich die Zuversicht, daß man mich nicht in die Erde legen wird, eh' ich Rache genommen habe. Inger. Dann habt Ihr auf ein langes Leben zu hoffen. Und jetzt – was wollt Ihr tun? Olaf. Tun? Was weiß ich, was ich tun werde? Ich habe mich niemals darauf verstanden, Pläne zu schmieden. Das ist etwas, wozu ich Eurer Hilfe bedarf. Ihr seid gar klug dazu; ich habe nur meine zwei Arme und meine Wehr. Inger. Eure Wehr ist verrostet, Olaf Skaktavl! Jede Wehr in Norwegen ist verrostet. Olaf. Also deshalb streiten gewisse Leute nur mit der Zunge? – Inger Gyldenlöve, Ihr habt Euch sehr verändert. Es war eine Zeit, da schlug ein Mannesherz in Eurer Brust. Inger. Mahnt mich nicht an das, was war. Olaf. Und doch bin ich darum zu Euch gekommen. Ihr sollt mich hören, wenn auch – Inger. Nun wohl! Aber macht es kurz; denn – ich muß es Euch wohl sagen – Ihr seid hier auf dem Schlosse nicht sicher. Olaf. Auf Schloß Oestrot ist nicht Sicherheit für den Friedlosen? Das wußt' ich längst. Aber Ihr vergeßt, daß ein Friedloser nirgends sicher ist, wo er auch weile. Inger. So sprecht. Ich kann es Euch nicht verwehren. Olaf. Es ist nun bald dreißig Jahre her, daß ich Euch zum ersten Male sah. Es war zu Akershus bei Knut Alfsön und seinem Weibe. Ihr wart damals fast noch ein Kind, und gleichwohl wart Ihr kühn wie ein Falke auf der Jagd und dabei zuweilen wild und unzähmbar. Viele warben um Euch. Auch mir wart Ihr teuer – teuer wie kein Weib mir früher oder später gewesen ist. Aber Ihr hattet nur ein Ziel und einen Gedanken. Das war der Gedanke an das Unglück und die große Not des Reiches. Inger. Ich war fünfzehn Sommer alt – vergeßt das nicht! Und war es nicht, als hätt' in jenen Tagen uns insgesamt ein wilder Trotz erfaßt? Olaf. Nennt es, wie Ihr mögt. Aber das weiß ich: die Alten und Erfahrenen unter uns meinten, es stünde dort oben in den Sternen geschrieben, daß Ihr es wärt, die das Sklavenjoch brechen und uns alle unsre Rechte zurückgeben sollte; und ich weiß auch, Ihr dachtet damals ebenso. Inger. Das war ein sündiger Gedanke, Olaf Skaktavl! Hochmut war es und nicht der Ruf des Herrn, was aus mir sprach. Olaf. Ihr konntet die Auserkorene sein, wenn Ihr gewollt hättet. Ihr stammtet aus Norwegens edelsten Geschlechtern; Ihr hattet Macht und Reichtum zu erwarten und Ihr hattet ein Ohr für den Klageruf – damals. – – Denkt Ihr jenes Nachmittags noch, da Hendrik Krummedike mit der dänischen Flotte vor Akershus erschien? Die Schiffsherren boten gütlichen Vergleich; und in Vertrauen auf den Geleitbrief ließ Knut Alfsön sich vom Lande rudern. Drei Stunden später trugen wir ihn wieder durchs Schloßtor – Inger. Als Leiche, als Leiche! Olaf. Als Krummedikes Spießgesellen ihn erschlugen, da brach Norwegens bestes Herz. Noch mein' ich den langen Zug zu sehen, der kummerschwer und Paar für Paar in den Rittersaal wallte. Da lag Knut Alfsön auf der Bahre, mit dem Axthieb über der Stirn, weiß wie eine Frühlingswolke. Ich darf wohl sagen, daß Norwegens beste Männer in jener Nacht versammelt waren, Frau Margrete stand zu Häupten ihres toten Mannes, und alle, alle schwuren wir, Gut und Blut daran zu setzen, um diese letzte Greueltat und all das Übrige zu rächen. – Inger Gyldenlöve, wer war es, der sich da Bahn brach durch den Kreis der Männer? Eine Jungfrau, – fast noch ein Kind, – mit Feuer im Auge und mit tränenerstickter Stimme. – Was schwur sie? Soll ich Eure Worte wiederholen? Inger. Ich schwur, was Ihr alle schwurt, – nicht mehr, nicht weniger. Olaf. Ihr entsinnt Euch Eures Eides – und habt ihn doch vergessen. Inger. Und wie hielten die andern, was sie gelobt? Ich spreche nicht von Euch, Olaf Skaktavl, aber von Euren Freunden, vom ganzen norwegischen Adel. Nicht ein einziger ist darunter, der in all dieser Zeit den Mut gehabt hätte, ein Mann zu sein; und doch legen sie mir zur Last, daß ich ein Weib bin. Olaf. Ich weiß, was Ihr sagen wollt. Warum haben sie sich unterworfen, statt der Gewalt Trotz zu bieten bis aufs Äußerste? Wohl wahr; es ist ein erbärmlich Mark heutzutage in unsern Geschlechtern. Aber hätten sie zusammengehalten – wer weiß, was geschehen wäre! Und Ihr konntet sie zusammenhalten, denn vor Euch hätten sie sich alle gebeugt. Inger. Ich könnte leicht Euch darauf antworten, aber Ihr würdet die Antwort kaum gelten lassen. Sprechen wir deshalb nicht weiter von Dingen, die nicht zu ändern sind. Sagt mir lieber, was Euch eigentlich nach Oestrot führt. Bedürft Ihr des Schutzes? Wohlan! Ich will Euch zu verbergen suchen. Habt Ihr noch andere Wünsche – sagt es frei! Ihr sollt mich bereit finden – Olaf. Zwanzig Jahre bin ich heimatlos gewesen. Zwischen den Felswänden von Jämteland ist mein Haar ergraut. Ich habe mit Wölfen und Bären gehaust. Ihr seht, Frau Inger, – ich bedarf Eurer nicht; wohl aber der Adel und das gemeine Volk. Inger. Das alte Lied! Olaf. Ja, ich weiß wohl, es klingt häßlich Euren Ohren, aber Ihr sollt es dennoch hören. Kurz und gut: ich komme von Schweden. Da gärt es. In Dalekarlien soll es losgehen. Inger. Ich weiß es. Olaf. Der Kanzler Peter ist im Bunde, doch – Ihr versteht – nur heimlich. Inger stutzt. Wie? Olaf. Er war's, der mich nach Oestrot gesandt hat. Inger steht auf. Der Kanzler Peter, sagt Ihr? Olaf. Er selbst; – oder kennt Ihr ihn vielleicht nicht mehr? Inger halb für sich. Nur allzugut. – – Doch sagt mir, ich bitte Euch, – welche Botschaft bringt Ihr? Olaf. Als das Gerücht vom Unfrieden bis ins Grenzgebirge drang, wo ich mich verborgen hielt, brach ich unverweilt nach Schweden auf. Ich konnte mir denken, daß der Kanzler seine Hand im Spiele hat. Ich suchte ihn auf und bot ihm meinen Beistand an, – er hat mich in frühern Zeiten gekannt, wie Ihr wißt. Er wußte, daß man auf mich bauen kann – und so sandte er mich hierher. Inger ungeduldig. Gewiß, gewiß – er sandte Euch her, um –? Olaf geheimnisvoll. Frau Inger, – ein Fremder kommt diese Nacht nach Oestrot. Inger überrascht. Wie? Ihr wißt, daß – Olaf. Und warum nicht? Ich weiß alles. Ich wurde ja vom Kanzler hergesandt; um ihm zu begegnen. Inger. Ihm? Unmöglich, Olaf Skaktavl, – unmöglich! Olaf. Wie ich Euch sage. Wenn er nicht schon da ist, so wird es doch nicht mehr lange währen – Inger. Allerdings. Doch – Olaf. Ihr wart also auf seine Ankunft vorbereitet? Inger. Ja, gewiß. Er hat mir Kunde gesandt. Deshalb auch wurde Euch auf Euer Pochen sogleich aufgetan. Olaf lauschend. Horch! Es reitet einer den Weg daher. Er geht zum Fenster. Die Pforte wird aufgetan. Inger zum Fenster hinausblickend. Ein Ritter und sein Knappe. Sie steigen im Hof ab. Olaf. Das also ist er. Sein Name? Inger. Ihr wißt seinen Namen nicht? Olaf. Der Kanzler weigerte sich, ihn zu nennen. Er sagte nur, daß ich den Abgesandten am dritten Abend nach Martini auf Oestrot treffen werde – Inger. Richtig – also just heut Abend. Olaf. Er brächte Briefschaften mit. Aus ihnen und aus seinem eigenen Munde würde ich erfahren, wer er sei. Inger. So laßt mich Euch nach Eurer Kammer geleiten. Ihr bedürft der Labung und Pflege. Bald sollt Ihr den Fremden sprechen. Olaf. Nun, wie Ihr wünscht. Sie gehen links ab. Nach einer kleinen Weile kommt der Schloßdiener Finn vorsichtig durch die Tür rechts, sieht sich im Zimmer um, guckt in den Rittersaal und geht dann wieder nach der Tür zurück, indem er jemand draußen ein Zeichen gibt. Darauf treten Nils Lykke und Jens Bjelke von rechts ein. Nils Lykke mit gedämpfter Stimme. Niemand? Finn ebenso. Nein, Herr! Nils Lykke. Und wir können uns fest auf Dich verlassen in allem und jedem? Finn. Der Statthalter von Drontheim hat mir stets das Zeugnis gegeben, daß ich zuverlässig bin. Nils Lykke. Gut, gut; auch mir hat er das gesagt. Nun denn, vor allen Dingen, – ist ein Fremder heut abend nach Oestrot gekommen? Finn. Ja, vor einer Stunde ist ein Fremder hier angekommen. Nils Lykke leise zu Jens Bjelke. Er ist hier. Er wendet sich wieder zu Finn. Würdest Du ihn wiedererkennen? Hast Du ihn gesehen? Finn. Nein. Niemand außer dem...