Jäger / Zimmermann | Lexikon Kritische Diskursanalyse | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 26, 145 Seiten

Reihe: Edition DISS

Jäger / Zimmermann Lexikon Kritische Diskursanalyse

Eine Werkzeugkiste
entspricht der 2. Auflage der Printversion
ISBN: 978-3-95405-050-5
Verlag: Unrast Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Eine Werkzeugkiste

E-Book, Deutsch, Band 26, 145 Seiten

Reihe: Edition DISS

ISBN: 978-3-95405-050-5
Verlag: Unrast Verlag
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Die Diskurswerkstatt im DISS (Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung) hat ein Begriffslexikon zur »Kritischen Diskursanalyse« erarbeitet. Dieses Lexikon enthält über 200 Definitionen zentraler Begriffe, die sich letzen Endes auf die Arbeiten von Michel Foucault beziehen. In einer Einleitung wird das zentrale Netz von Diskurstheorie und Diskursanalyse entfaltet, in dem sich diese Begriffe verorten lassen. An der Erarbeitung beteiligt waren ca. 18 Mitarbeiter*innen der Diskurswerkstatt. Die Redaktion erfolgt durch Siegfried Jäger und Jens Zimmermann.

Diskursanalyse (-theorie) im Allgemeinen und die »Kritische Diskursanalyse« im Besonderen gehören mittlerweile zum theoretischen und methodischen Kanon der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung. Das Begriffslexikon will den aktuellen Stand der »Kritischen Diskursanalyse« (KDA) theoretisch, methodisch und begrifflich erfassen. Es präzisiert Begrifflichkeiten und bietet darüber hinaus als Nachschlagewerk Hilfestellungen für konkrete empirische Arbeiten sowie Anregungen für die weitere theoretische Diskussion.

Neben einer solchen anwendungsspezifischen wissenschaftlichen Ausrichtung ist das Lexikon auch dazu geeignet, Studierenden den Zugang zu dem Standardwerk »Kritische Diskursanalyse (KDA). Eine Einführung« (7. Aufl. 2015) zu erleichtern. Es kann komplementär zu dieser Einführung gelesen werden und so ein tieferes Verständnis der Theoriearchitektur und des methodischen Vorgehens ermöglichen.

Das Lexikon richtet sich aber auch an »politisch Praktizierende« und versucht für diskursanalytische Perspektiven auf Politik zu sensibilisieren. Die KDA stellt dabei das Rüstzeug zur Analyse gesellschaftlicher Konstruktionen wie z.B. ›Gender‹ oder ›Ethnie‹ sowie hegemonialer Identitäten und Politikformen zur Verfügung. Durch das auf diese Weise gewonnene Verständnis diskursiver Prozesse können politische Aktions- und Kommunikationsformen offengelegt und – wo es Not tut – kritisiert werden. Als angewandte Diskurstheorie kann Diskursanalyse sich interdisziplinär kritisch mit gesellschaftlichen Deutungs- und Wirklichkeitsproduktionen auseinandersetzen und es ermöglichen, Gegenstrategien zu hegemonialer Politik zu formulieren.

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Lexikon Kritische Diskursanalyse (KDA):
Eine Werkzeugkiste[31]
Abbild, Abbildtheorie, s. Ideologie Äußerung, s. Aussage Akzeptabilität, akzeptabel, Akzeptanz Wie kommt es, dass Diskurse akzeptabel sind? Diskurse und ihre ?Aussagen können einer diskursiv erzeugten historisch jeweils gültigen ?Wahrheit entsprechen; sie sind dann als hegemonial aufzufassen. Sie werden i. R. abgelehnt, wenn sie nicht hegemonial sind, nicht mit dem übereinstimmen, was in einer Gesellschaft jeweils als sagbar gilt. Daher braucht eine Gesellschaft Wahrheitsmaschinen wie die ?Medien, die Wissenschaften, ?diskursmächtige Menschen etc., die solche Sagbarkeiten vorgeben und verfestigen. Kritische Diskursanalyse hat die Aufgabe, die jeweils gültigen Wahrheiten zu hinterfragen, zu problematisieren und mit jeweils möglichen Alternativen zu konfrontieren. S.J. Allgemeingültigkeit, s. Vollständigkeit Alltagsdiskurs Mit Alltag ist in der KDA der Ort gemeint, von dem aus gesprochen wird. A. bezeichnet demnach den Diskurs, auf den sich SprecherInnen im Alltag beziehen und ihn mündlich reproduzieren. Nicht gemeint ist damit alltägliches oder elementares Wissen. Der Alltagsdiskurs wird im Hinblick auf eine ?Diskursanalyse durch nicht-standardisierte Interviews im Sinne von ?Tiefeninterviews erfasst, die mit Zeilenzählung wortgetreu transkribiert und entsprechend dem ausgearbeiteten Leitfaden analysiert werden. Vgl. dazu Jäger, S. 1992, 22.f I.T. Alltagswissen, s. Elementardiskurs Analyseschritte für die Diskursanalyse Die grundsätzlichen A. für eine Diskursanalyse sind: 1. Wahl des ?Gegenstandes und seine Begründung, 2. (vorläufige) Festlegung des Untersuchungszeitraums, (der erweitert werden muss, wenn die Erfassung eines Diskursstrangs erweist, dass mit dem gewählten Zeitraum noch keine ?Vollständigkeit erreicht ist), 3. Ermittlung des ?Corpus, 4. ?Strukturanalyse, 5. Ermittlung ?typischer Texte nach Maßgabe der Strukturanalyse, 6. ?Feinanalyse eines oder mehrerer typischer Texte, 7. ?Interpretation und ?Kritik der Ergebnisse der Struktur- und Feinanalyse(n) im Zusammenhang. S.J. Anspielung(en) In der Sprachwissenschaft werden Anspielungen als rhetorische Figuren und Formen des nicht-wirklichen, indirekten Sprechens verstanden, mit denen ein Sachverhalt jedoch angedeutet wird. Es versteht sich, dass die Entschlüsselung von Anspielungen eine Nähe zwischen den Diskursbeteiligten aufbaut, indem sie sich auf ein gemeinsames ?Wissen stützen. Damit wirken Anspielungen gleichzeitig ein- und ausschließend. Nur wer eine Anspielung versteht, gehört zur Binnengruppe. Diejenigen, die sie nicht verstehen, gehören nicht dazu. Bei der Analyse von Diskursen, in denen es wesentlich um Ein- und Ausgrenzungen geht, können durch Anspielungen Ausgrenzungs- und Eingrenzungseffekte herausgearbeitet werden. Mit Anspielungen lassen sich auch gesellschaftliche Tabus in Frage stellen. Sie können dazu eingesetzt werden, das ?Sagbarkeitsfeld von Diskursen zu erweitern, ohne dass Tabus explizit durchbrochen werden. Für die KDA ist die systematische Betrachtung von Anspielungen aus verschiedenen Gründen von Bedeutung. Ihre Analyse kann den Zusammenhang von diskursiver (gesellschaftlicher) Bedeutung und subjektivem (persönlichem) Sinn von Äußerungen erfassen. Des Weiteren können Anspielungen auf andere ?Diskursstränge verweisen (?Diskursverschränkung). Insofern kann ihre Analyse dazu beitragen, die Effekte, die von Diskursverschränkungen ausgehen, zu erfassen. Schließlich lassen sich durch die Analyse von Anspielungen ?Diskurspositionen sichtbar machen. Siehe auch Jäger, M. 1996; Januschek 1986; Januschek 1993. M.J. Applikationsvorgabe, auch Applikationsvorlage Diskurse enthalten i. R. positive (oder negative) Vorbilder für die Subjektbildung, z.B. HeldInnen, Prominente, VerbrecherInnen, SchauspielerInnen etc., mit denen sich die Subjekte identifizieren (können). Identifikationen können in Gestalt von Aha-Erlebnissen, i. R. aber als Resultat längerfristiger Konfrontationen erfolgen. S.J. A priori Mit dem historischen a priori bezeichnet Foucault die Bedingungen der Möglichkeit des Auftauchens einer ?Aussage innerhalb eines gegebenen (positiven) diskursiven Feldes (vgl. AW, 184). Die Figur eines historischen a priori mutet zunächst paradox an, da es sich um einen »etwas sprachwidrigen Ausdruck…« (ebd.) handelt. Denn nicht die Möglichkeit des Denkens vor jeder Erfahrung ist damit bezeichnet, sondern »die Bedingungen des Auftauchens von Aussagen, das Gesetz ihrer Koexistenz mit anderen, die spezifische Form ihrer Seinsweise und die Prinzipien (…) nach denen sie fortbestehen, sich transformieren und verschwinden« (ebd.). Die positiven (materiellen, gegebenen, wirklichen) Diskurse sind historisches a priori des Auftauchens einer ?Aussage, das sich eben nicht zufällig oder willkürlich vollzieht und deshalb »nicht auf die Gesetze eines unbekannten Werdens« (AW, 185) zurückgeführt werden kann. Die Positivitäten stellen ebenso wenig externe Determinationen der Initiative des Individuums dar, sondern umschreiben »das Feld, in dem sie sich artikuliert« (AW, 297). Gemeint ist also »die Gesamtheit der Bedingungen nach denen sich eine Praxis vollzieht, nach denen diese Praxis teilweise oder völlig neuen Aussagen Raum gibt, nach denen sie schließlich modifiziert werden kann« (ebd.). T.S. Archäologie (des Wissens) Archäologie kann als eine Art der Beschreibung historisch kontingenter Regelsysteme aufgefasst werden, die das Feld des Sagbaren und des jeweils historisch gültigen ?Wissens strukturieren. Michael Ruoff beschreibt Archäologie als »eine Methode, die ihre Gegenstände ohne Rücksicht auf deren Wahrheitsgehalt untersucht, denn ausschlaggebend ist allein der Umstand, dass es sich um diskursives Wissen handelt.« (2007, 69) Die Archäologie ist Foucaults zentrales Instrument beim Versuch einer anderen Geschichtsschreibung: »Nun ist aber die archäologische Beschreibung gerade die Preisgabe der Ideengeschichte, die systematische Zurückweisung ihrer Postulate und Prozeduren, der Versuch, eine ganz andere Geschichte dessen zu schreiben, was die Menschen gesagt haben«. (AW, 197) Foucaults »Anti-Ideengeschichte« will den Bruch mit der traditionellen Geschichtsschreibung vollziehen, hin zu einer Form der Analyse, welche die Regeln, Strukturen und Prozesse erfasst, die das jeweils historische Wissen konturieren. Damit einher geht auch die theoretische Aufgabe des »sinnstiftenden Subjekts«. An diese Stelle setzt Foucault Regel und Struktur (Vgl. AW, 193-200). Ruoff fasst diesen Bruch mit der traditionellen Ideengeschichte zusammen: »Die Archäologie tritt mit dem Anspruch auf, die übliche Vorgehensweise der klassischen Geschichtsschreibung zu ersetzen. Ihr tieferer Sinn besteht in einem Ansatz, der unterhalb der Ideen das Auftauchen von Erkenntnisobjekten zu registrieren erlaubt. Keine Suche nach einem verborgenen Ursprung. Keine Wertung als Dokument. Keine Operation oder vorgefasste Einheit, die eine Kontinuität der Geschichte herbeizwingt. Insbesondere keine Verlängerung einer Tradition, die auf das Werk eines ?Autors, auf den Zusammenhang einer Epoche oder auf die Entwicklung einer Wissenschaft im Sinne einer Einheitsstiftung zurückgreift.« (2007, 69) Foucault geht es um eine anti-deterministische Beschreibung des Zusammenhangs von Ordnung, Korrelation und Ablauf (vgl. Ruoff 2007, 178) als stabilem Wissenssystem, unter Einbeziehung des Auftauchens neuer Zusammenhänge und Ereignisse. In der Interpretation des Gesamtwerk Foucaults wird immer wieder betont, dass die A. in die Frühphase seiner Arbeit gehört und in den machttheoretischen Arbeiten keine allzu große Rolle mehr spielt. Vgl. auch Foucault Handbuch, 219-221. J.Z. Archiv Foucault definiert A. als »das allgemeine System der Formation und der Transformation der Aussage« (AW, 188). Der Begriff des A. ermöglicht es, einen »virtuellen Modus« zu denken, der zu einer gegebenen, historischen Phase die Möglichkeiten und Bedingungen umfasst, dass etwas gesagt werden kann – nicht wer etwas sagt oder wo etwas gesagt wird. Epistemologisch bereitet der Begriff allerdings einige Schwierigkeiten. Foucault schränkt selbst ein: »Es liegt auf der Hand, dass man das Archiv einer Gesellschaft, einer Kultur oder einer Zivilisation nicht erschöpfend beschreiben kann (…). (Es) ist (…) uns nicht möglich, unser eigenes Archiv zu beschreiben, da wir innerhalb seiner Regeln sprechen, da es dem, was wir sagen können (…) seine Erscheinungsweise, seine Existenz- und Koexistenzformen, sein System der Anhäufungen, der Historizität und des Verschwindens gibt« (AW, 188f.). In der KDA wird dieses Verständnis von A. mit »?gesamtgesellschaftlicher Diskurs« umschrieben; für ein bestimmtes Projekt wird unter Archiv die Gesamtmenge der Diskursfragmente des untersuchten Diskursstrangs verstanden. Gleichbedeutend wird auch ?Corpus verwendet. Davon unterschieden wird das ?Dossier. Vgl. auch Foucault Handbuch, 221-222. J.Z. ...


Siegfried Jäger, Prof. Dr., lehrt Sprachwissenschaft an der Universität Duisburg und ist Leiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Weitere Buchveröffentlichungen u.a.: (Hrsg. mit Christoph Butterwegge) Rassismus in Europa. 2. Aufl., Köln 1993; (Hrsg. mit Christoph Butterwegge) Europa gegen den Rest der Welt. Köln 1993; (Hrsg. mit Jürgen Link) Die vierte Gewalt. Rassismus und die Medien. Duisburg 1993; Der Großregulator. Analyse der Bildberichterstattung über den rassistisch motivierten Terror und die Fahndung nach der RAF im Sommer 1993. Duisburg 1993; (Hrsg. mit M. Jäger) Studien zu Rechtsextremismus und (Neo-)Konservatismus. Duisburg 1995; BrandSätze. Rassismus im Alltag. 4. Aufl., Duisburg 1996; Kritische Diskursanalyse. 4. erw. Aufl., Duisburg/Münster 2004; (gemeinsam mit M. Jäger) Gefährliche Erbschaften. Die schleichende Restauration rechten Denkens. Berlin 1999; (Hrsg. mit Alfred Schobert) Weiter auf unsicherem Grund. Faschismus, Rechtsextremismus, Rassismus. Kontinuitäten und Brüche, Duisburg 2000.

Jens Zimmermann studiert Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte an der Universität Duisburg-Essen und ist Projektmitarbeiter am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung.



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