James | Washington Square | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

James Washington Square

Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-641-12432-8
Verlag: Manesse
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-641-12432-8
Verlag: Manesse
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Er liebt sie, er liebt sie nicht, er liebt sie, er liebt sie nicht ... Selten waren Herzensangelegenheiten undurchsichtiger als in diesem Roman. «Washington Square», eines von James' bekanntesten und beliebtesten Werken, offenbart dessen Meisterschaft in der Analyse menschlicher Abgründe. Die vorliegende Neuübersetzung erschließt die komplexe, anspielungsreiche Sprachwelt des Autors und ermöglicht endlich auch im Deutschen höchsten Lesegenuss.Catherine Sloper ist ein schüchternes, in jeder Hinsicht blasses Mädchen - und eine der besten Partien New Yorks. Als ihr der attraktive Abenteurer Morris Townsend den Hof macht, geht sie bereitwillig auf sein Werben ein. Doch Catherines Vater, zugleich der Verwalter ihres Vermögens, vermutet in Townsend einen Mitgiftjäger und will eine Heirat um jeden Preis verhindern. Hin- und hergerissen zwischen kindlichem Pflichtgefühl und dem Wunsch nach Selbstbehauptung, ringt Catherine um eine Entscheidung. Hin- und hergerissen ist auch der Leser, denn über die wahren Motive aller Beteiligten - des verarmten Bräutigams in spe, der ebenso naiven wie geschmeichelten Braut, des in seiner Autorität verletzten Brautvaters, der sein Vermögen einst selbst durch Heirat erworben hatte - lässt uns Henry James bewusst im Unklaren.

Henry James (1843-1916), in New York City geborener Sohn aus wohlhabender Familie, genoss eine kosmopolitische Erziehung. Er studierte Jura in Harvard und ging 1875 als Korrespondent nach Paris, wo er Bekanntschaft mit Flaubert und Turgenev schloss. Später zog er nach England und wurde 1915 unter dem Eindruck des Weltkrieges britischer Staatsbürger. Er schrieb zwanzig Romane, Theaterstücke, Reiseberichte, Essays und über hundert Erzählungen, die ihm zu Lebzeiten Ruhm und Anerkennung eintrugen. Die Begegnung von Amerikanern mit Europa war Henry James' Lebensthema. Mit seiner scharfen Beobachtungsgabe und seinen kunstvollen Bewusstseinsschilderungen gilt er als Meister des psychologischen Romans.

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1 In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, genauer gesagt, gegen Ende dieser Zeitspanne, praktizierte in der Stadt New York höchst erfolgreich ein Arzt, der sich wohl in besonderem Maße jener Anerkennung erfreute, die in den Vereinigten Staaten schon immer herausragenden Mitgliedern der medizinischen Zunft entgegengebracht wurde. Dieser Berufsstand war in Amerika stets in Ehren gehalten worden und hatte sich erfolgreicher als anderswo den Anspruch auf die Bezeichnung «liberal» erworben. In einem Land, in dem man entweder seinen Lebensunterhalt verdienen muss, um eine Rolle in der Gesellschaft zu spielen, oder zumindest glauben machen sollte, dass man ihn verdiene, erwies sich die Heilkunst offenbar als besonders geeignet, zwei bewährte Quellen zum Erwerb von Ansehen in sich zu vereinigen. Zum einen gehört sie dem Bereich des Praktischen an, was in den Vereinigten Staaten eine wichtige Empfehlung darstellt, zum anderen wird sie vom Licht der Wissenschaft erleuchtet, ein Vorzug, den man in einer Gesellschaft zu schätzen weiß, in der die Umstände zur Befriedigung der Wissbegierde nicht immer günstig waren und es an der notwendigen Muße fehlte. Zu Dr. Slopers gutem Ruf trug wesentlich bei, dass sein Fachwissen und seine Kunstfertigkeit sich sehr genau die Waage hielten. Zu Recht könnte man ihn einen gelehrten Arzt nennen, doch bestanden seine Verordnungen keineswegs aus abstrakten Begriffen – vielmehr verschrieb er immer irgendein Mittel zum Einnehmen. Obwohl man ihn als äußerst gewissenhaft empfand, waren seine Diagnosen nicht auf befremdliche Weise theoretisch, und wenn er auch manchmal Zusammenhänge ausführlicher darlegte, als es für den Patienten hilfreich schien, ging er doch nie so weit (wie man es von manchen praktischen Ärzten schon gehört hat), sich auf die Erklärung allein zu verlassen, sondern stellte immer eine wenn auch schwer zu ergründende Verschreibung aus. Es gab etliche Ärzte, die das Rezept ohne jegliche Erklärung ausfertigten; aber auch zu dieser Kategorie, die letztlich die meistverbreitete war, gehörte er nicht. Man wird sehen, dass ich einen klugen Mann beschreibe; und darin liegt der eigentliche Grund, warum Dr. Sloper eine stadtbekannte Persönlichkeit wurde. Zu der Zeit, da wir uns hauptsächlich mit ihm befassen, war er etwa fünfzig Jahre alt, und seine Popularität hatte ihren Höhepunkt erreicht. Er war sehr geistreich und galt in der besten Gesellschaft New Yorks als ein Mann von Welt – was er unbestreitbar in hinreichendem Maße war. Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, beeile ich mich hinzuzufügen, dass er nichts von einem Scharlatan an sich hatte. Er war ein zutiefst ehrenhafter Mann – in einem Grade ehrenhaft, dass ihm vielleicht nur die Gelegenheit gefehlt hat, dies in seinem ganzen Ausmaß zeigen zu können. Sieht man einmal ab von dem großen Wohlwollen seines Patientenkreises, der sich allzu gern damit brüstete, über den «brillantesten» Arzt des Landes zu verfügen, rechtfertigte er täglich seinen Anspruch auf jene Fähigkeiten, die ihm von Volkes Stimme zuerkannt wurden. Er war ein genauer Beobachter, ja ein Philosoph, und zu brillieren entsprach so sehr seiner Natur und fiel ihm (wie Volkes Stimme sagte) so leicht, dass er nie auf den bloßen Effekt aus war und keine jener kleinen Tricks und Überheblichkeiten von Leuten mit zweitklassigem Ruf nötig hatte. Zugegebenermaßen hatte das Schicksal ihn begünstigt, der Weg zum Wohlstand hatte sich für ihn als leicht gangbar erwiesen. Im Alter von siebenundzwanzig Jahren hatte er geheiratet, eine Liebesheirat mit einem bezaubernden jungen Mädchen, Miss Catherine Harrington aus New York, die ihm zusätzlich zu ihren Reizen auch noch eine beachtliche Mitgift eingebracht hatte. Mrs. Sloper war liebenswürdig, charmant, kultiviert, elegant, und im Jahr 1820 war sie eines der hübschen jungen Mädchen der kleinen, aber aufstrebenden Landeshauptstadt, deren Häuser sich um den Battery Park1 drängten und die Bay überblickten und deren oberste Grenze von den grasbewachsenen Rändern der Canal Street gebildet wurde. Bereits im Alter von siebenundzwanzig Jahren hatte sich Austin Sloper einen so guten Ruf erworben, dass es nicht als gesellschaftlich unpassend angesehen wurde, als er von einer vornehmen jungen Dame, die über ein Einkommen von zehntausend Dollar und die bezauberndsten Augen von ganz Manhattan verfügte, unter einem Dutzend Bewerbern ausgewählt wurde. Diese Augen und weiteres schmückendes Beiwerk bildeten für den jungen Arzt, der ein hingebungsvoller und sehr glücklicher Ehemann war, etwa fünf Jahre lang eine Quelle höchster Zufriedenheit. Die Tatsache, dass er eine reiche Frau geheiratet hatte, beeinflusste den Lebensweg, den er für sich vorgezeichnet hatte, in keiner Weise, und er übte seinen Beruf mit derselben Zielstrebigkeit aus, als verfügte er auch weiterhin über keine anderen Geldmittel als die aus seinem Anteil an dem bescheidenen Erbe, das ihm mit seinen Brüdern und Schwestern bei seines Vaters Tod zugekommen war. Es war nicht sein vorrangiges Ziel gewesen, Geld zu verdienen, sondern vielmehr, etwas zu lernen und etwas zu leisten. Etwas Interessantes zu lernen und etwas Nützliches zu tun – das war, grob gesagt, der Plan, den er für sich entworfen hatte und dessen Gültigkeit in keiner Hinsicht modifiziert werden musste, nur weil seine Frau zufällig über ein Einkommen verfügte. Er hatte Freude an seiner Praxis und liebte es, ein fachliches Können unter Beweis zu stellen, dessen Besonderheit er sich sehr wohl bewusst war; es lag so offenkundig auf der Hand, dass es nichts anderes gab, wäre er nicht Arzt geworden, was er hätte werden können, dass er durch und durch Arzt blieb, und zwar unter den bestmöglichen Bedingungen. Natürlich ersparte ihm seine angenehme häusliche Situation eine Menge Plackerei, und die Verquickung seiner Frau mit der «besten Gesellschaft» führte ihm in reicher Zahl solche Patienten zu, deren Symptome zwar nicht zwangsläufig interessanter sind als die der unteren Schichten, doch zumindest regelmäßiger auftreten. Er wollte Erfahrungen sammeln, und im Laufe von zwanzig Jahren gelang ihm dies in großem Umfang. Es muss hinzugefügt werden, dass sie auch in solcher Gestalt auf ihn zukamen, die man, wie groß auch immer ihr Wert an sich gewesen sein mag, als das Gegenteil von willkommen bezeichnen darf. Sein erstes Kind, ein außerordentlich vielversprechender kleiner Junge, wie der Arzt fest glaubte, der sich nicht leicht zur Begeisterung hinreißen ließ, starb im Alter von drei Jahren, trotz aller Bemühungen, die die Mutter an Zärtlichkeit und der Vater an Fachwissen aufzubringen versuchten, um ihn zu retten. Zwei Jahre später brachte Mrs. Sloper ein zweites Kind zur Welt, einen Säugling, dessen Geschlecht das arme Kind, nach Ansicht von Dr. Sloper, zu einem ungeeigneten Ersatz für seinen beklagten Erstgeborenen machte, jenen Sohn, den er zu einem bewundernswerten Mann hatte heranziehen wollen. Das kleine Mädchen war eine Enttäuschung; aber das war nicht das Schlimmste. Eine Woche nach ihrer Geburt zeigten sich bei der jungen Mutter, die, wie man so sagt, auf einem guten Weg war, plötzlich beunruhigende Symptome, und noch vor Ablauf einer weiteren Woche war Austin Sloper Witwer. Für einen Mann, dessen Beruf es war, andere Menschen am Leben zu erhalten, hatte er sicherlich in seiner eigenen Familie nichts Großes geleistet; und ein brillanter Arzt, der innerhalb von drei Jahren seine Frau und seinen kleinen Sohn verliert, sollte vielleicht darauf gefasst sein, entweder seine Fähigkeiten oder seine Zuneigung in Frage gestellt zu sehen. Doch unser Freund entkam jeglicher Kritik: Das heißt, er entkam aller Kritik außer seiner eigenen, welche bei Weitem die sachkundigste, aber auch die schonungsloseste war. Bis ans Ende seiner Tage lastete das Gewicht dieses sehr privaten Urteils auf ihm, und er trug für immer die Narben einer Züchtigung, die ihm die stärkste ihm bekannte Hand in jener Nacht, die auf den Tod seiner Frau folgte, beigebracht hatte. Die Welt, die ihn, wie ich schon sagte, hochschätzte, bemitleidete ihn zu sehr, als dass sie hätte spotten mögen; sein Unglück machte ihn nur noch interessanter, verhalf ihm sogar dazu, zum Gesprächsthema zu werden. Es wurde bemerkt, dass selbst Arztfamilien den besonders heimtückischen Krankheiten nicht entrinnen können und dass Dr. Sloper schließlich auch noch andere Patienten außer den zwei von mir erwähnten verloren hatte; das stellte einen ehrenwerten Präzedenzfall dar. Seine kleine Tochter blieb ihm, und obwohl sie nicht das war, was er sich gewünscht hatte, nahm er sich vor, das Beste aus ihr zu machen. Er verfügte über einen Vorrat an unverbrauchter Autorität, von dem das Kind in seinen frühen Jahren reichlich mitbekam. Es war, das versteht sich von selbst, nach seiner armen Mutter benannt worden, und sogar in ihrem frühesten Säuglingsalter nannte der Arzt sie nie anders als Catherine. Sie wuchs zu einem sehr robusten und gesunden Kind heran, und wenn ihr Vater sie so ansah, sagte er sich oft, dass er bei ihrer Konstitution wenigstens nicht fürchten müsse, sie zu verlieren. Ich sage «bei ihrer Konstitution», weil, um bei der Wahrheit zu bleiben … doch das ist eine Wahrheit, auf die ich lieber später zurückkommen möchte. 2 Als das Kind etwa zehn Jahre alt war, lud er seine Schwester, Mrs. Penniman, zu sich ein, und bat sie, bei ihm zu wohnen. Es hatte nur zwei Miss Sloper gegeben, und beide hatten früh geheiratet. Die jüngere namens Mrs. Almond war die Frau eines wohlhabenden Kaufmanns und Mutter einer blühenden Kinderschar. Auch sie selbst sah blühend aus, und sie war eine anmutige, sorgenfreie, verständige Frau, die bei ihrem gescheiten Bruder in besonderer Gunst stand, denn dieser war in Bezug auf Frauen, selbst wenn...


James, Henry
Henry James (1843–1916), in New York City geborener Sohn aus wohlhabender Familie, genoss eine kosmopolitische Erziehung. Er studierte Jura in Harvard und ging 1875 als Korrespondent nach Paris, wo er Bekanntschaft mit Flaubert und Turgenev schloss. Später zog er nach England und wurde 1915 unter dem Eindruck des Weltkrieges britischer Staatsbürger. Er schrieb zwanzig Romane, Theaterstücke, Reiseberichte, Essays und über hundert Erzählungen, die ihm zu Lebzeiten Ruhm und Anerkennung eintrugen. Die Begegnung von Amerikanern mit Europa war Henry James' Lebensthema. Mit seiner scharfen Beobachtungsgabe und seinen kunstvollen Bewusstseinsschilderungen gilt er als Meister des psychologischen Romans.



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