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E-Book, Deutsch, 230 Seiten
Johne / Rollinger / Steinacher Die Markomannen und ihre Nachbarn
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-17-037719-6
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Germanen an der Peripherie des Römischen Reiches
E-Book, Deutsch, 230 Seiten
ISBN: 978-3-17-037719-6
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Markomannen nehmen unter den germanischen Stämmen, die an der Grenze des Römischen Reiches siedelten, eine besondere Stellung ein. Ihre Existenz am nordöstlichen Rand des Imperiums wurde durch antike Schriftsteller genau beobachtet und dokumentiert. Daher sind die Markomannen als eigenständiges Ethnos vom 1. Jh. v. Chr. bis in das 5. Jh. n. Chr. kontinuierlich belegt. Ihr wechselhaftes Verhältnis zum Römischen Reich lässt sich gut nachvollziehen: von Feinden, über Verbündete und Abhängige bis hin zu Handelspartnern Roms. Auch ihr Verhältnis zu ihren wichtigsten Nachbarn, den Quaden, Hermunduren und Semnonen, lässt sich punktuell nachzeichnen.
Klaus-Peter Johne stellt erstmals die Markomannen selbst in den Mittelpunkt einer einführenden Betrachtung und behandelt sie nicht nur als einen Aspekt römischer Außenpolitik.
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2 Die literarischen Quellen
In diesem Kapitel sollen fünf Autoren vorgestellt werden, die für die Markomannen und ihre Nachbarn von größerer Bedeutung sind als alle übrigen aus dem Altertum. Zwei von ihnen sind persönlich in Germanien gewesen und haben auch darüber berichtet, Velleius Paterculus und der ältere Plinius, und zwei zeigen ein Interesse an den Germanen, das sich bei anderen Schriftstellern in dieser Weise nicht wiederfindet, wiederum Plinius und Tacitus. Strabon schließlich hat als zeitgenössischer Geograph über Marbod und sein Reich berichtet. Sie alle schrieben im 1. oder zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. Aus späterer Zeit gehört noch Cassius Dio in diese Reihe. Er behandelt die römisch-germanischen Auseinandersetzungen im Rahmen einer Gesamtgeschichte des römischen Weltreiches und ist die Hauptquelle für unser Wissen über die Markomannenkriege. Strabon
Der älteste dieser Autoren ist Strabon von Amaseia, geboren um 64 v. Chr. in Kleinasien und gestorben nach 23 n. Chr. Er hinterließ mit seiner 17 Bücher umfassenden »Geographika« die umfassendste Darstellung der Erdkunde, die aus der Antike erhalten geblieben ist. Das erste Buch ist nach dem Jahre 9 n. Chr. und das siebente, das Germanien behandelt, nach dem Jahre 17 redigiert oder überarbeitet worden, also nach den Jahren der Varusschlacht bzw. des Triumphes des Germanicus. Strabon war somit ein Zeitgenosse der römischen Feldzüge in das Innere Germaniens. Er betont die Bedeutung dieser militärischen Operationen für das geographische Weltbild, wenn er gleich zu Beginn seines Werkes meint, die Machtausweitung der Römer und Parther habe seiner Generation einen so großen Zuwachs an Kenntnissen gebracht, wie es ähnlich die Generation nach dem Zug Alexanders des Großen erlebte. Dieser habe einen großen Teil Asiens und den Norden Europas bis zur Donau erschlossen, die Römer den Westen Europas bis zur Elbe.24 Strabon setzt also die Feldzüge des Makedonenkönigs im 4. Jahrhundert v. Chr. bis nach Zentralasien und Indien sowie an die untere Donau mit den Expeditionen der augusteischen Zeit bis an Nordsee und Elbe in Parallele. Dabei betrachtet er die Grenzen von seiner Heimat Kleinasien aus, denn nur aus diesem Blickwinkel kann die Donau im Norden Europas und die Elbe im Westen lokalisiert werden. Aus eigener Anschauung kannte er zwar den östlichen Mittelmeerraum, im Westen ist er jedoch niemals über Italien hinausgekommen. Lange lebte er in Rom und im ägyptischen Alexandria. Die große Bedeutung der Feldzüge seiner eigenen Zeit betont der griechische Geograph im siebenten Buch seines Werkes. Nach einer Durchmusterung der zwischen Rhein und Elbe siedelnden Germanenstämme meint er, dass diese erst bekannt geworden sind, als sie mit den Römern Krieg führten, sich dann ergaben und wieder mit ihnen brachen oder auch ihre Siedlungsgebiete verließen. Es wären wohl noch mehr dieser Stämme bekannt geworden, wenn Augustus seinen Feldherren erlaubt hätte, die Elbe zu überschreiten, um die dorthin abgezogenen zu verfolgen.25 Das Interesse des Schriftstellers an den Germanen resultiert also eindeutig aus den militärischen Erfolgen der römischen Heerführer. Durch diese Feldzüge hat er genauere Vorstellungen über das Gebirgssystem des Herkynischen Waldes, der zwar schon von Caesar erwähnt worden ist, bei ihm aber noch eine Bezeichnung für alle Gebirge nördlich der oberen Donau war. Bei Strabon umschließt der Herkynische Wald kreisförmig ein großes Gebiet, in dessen Mitte ein zur Besiedlung geeignetes Land liegt. Damit sind die Randgebirge des Böhmischen Beckens gemeint, Erzgebirge, Riesengebirge, Böhmisch-Mährische Höhen, Böhmerwald und Oberpfälzer Wald. Diese Konkretisierung des Herkynischen Waldes stellt im Vergleich mit den Angaben Caesars einen Erkenntnisfortschritt dar. In dem von diesen Gebirgen umgebenen Böhmen wohnen die Markomannen. Strabon ist der erste Schriftsteller, der ausführlicher über sie und ihren König Marbod schreibt.26 Sein Werk gehört, trotz mancher Fehler und Irrtümer, zu den Kostbarkeiten der antiken Fachliteratur. Ohne ihn wäre das Bild, das sich Griechen und Römer von Mitteleuropa gemacht haben, noch lückenhafter als es dies ohnehin ist. Velleius Paterculus
Ein jüngerer Zeitgenosse Strabons war Velleius Paterculus. Nach Caesar war er der zweite Römer, der persönlich in Germanien gewesen ist und darüber berichtet hat. Velleius Paterculus wurde 20 oder 19 v. Chr. in Capua geboren und entstammte väterlicherseits dem Ritterstand und von der Mutter her der kampanischen Munizipalaristokratie. Wie viele Angehörige des Ritterstandes schlug er eine militärische Laufbahn ein und gelangte über diese in den Senat. Als Militärtribun diente er in Thrakien und Makedonien und kam im Gefolge des Prinzen Caius Caesar im Jahre 2 n. Chr. auch in den Orient. Ab dem Jahre 4 n. Chr. gehörte er neun Jahre lang zu den Truppenführern des späteren Kaisers Tiberius, 4–6 als Reiterpräfekt in Germanien, 6–9 nach der Bekleidung der Quästur, womit die Aufnahme in den Senat verbunden war, als Legat in Pannonien und anschließend 10–12 noch einmal in Germanien. Am 23. Oktober 12 nahm er in Rom an dem großen Triumph des Tiberius teil. Von Augustus wurde Velleius für das Amt des Prätors nominiert. Mit dieser Prätur endet 15 n. Chr. die überlieferte Laufbahn. Anderthalb Jahrzehnte später verfasste er in den Jahren 29 und 30 den erhaltenen Geschichtsabriss Historia Romana, den er M. Vinicius, dem Sohn seines ehemaligen Kommandeurs, anlässlich von dessen Konsulat gewidmet hat.27 Das Zeugnis eines Römers, der sich im rechtsrheinischen Germanien aufgehalten hat, ist zweifellos beachtenswert. Anders als Caesar war Velleius nicht nur in der Nähe des Rheins geblieben, sondern in das Innere des Landes gelangt. Leider kann sich der Offizier auch durch Autopsie nicht von der in Rom üblichen klischeehaften Darstellung der Germanen lösen. Er neigt außerdem zu einer Verherrlichung seines Kriegsherrn Tiberius in zuweilen panegyrischen Tönen und ordnet dieser Tendenz seine ganze Darstellung unter. Obwohl Velleius eine Geschichte Roms von Anfang an geschrieben hat, sind von dem knappen Abriss nur die zeitgeschichtlichen Partien und die eingestreuten Exkurse wirklich von Interesse. Das Werk hat im Altertum kaum Beachtung gefunden und wird von keinem anderen Literaten benutzt oder zitiert. Nur eine einzige Handschrift des Textes hat sich über das Mittelalter gerettet und ist 1515 im Kloster Murbach im Elsass aufgefunden worden. In unserem Zusammenhang sind die Nachrichten über die Feldzüge des Tiberius in den Jahren 4–6 und 10–12 in Germanien von Interesse, da Velleius über sie als Augenzeuge berichten konnte. Ihm verdanken wir die »zweifellos berühmteste Episode, die sich im Altertum an der Elbe ereignet hat«,28 als sich Tiberius mit seinen Legionen mit einer vom Rhein über die Nordsee gekommenen Versorgungsflotte am Unterlauf der Elbe traf und dort in Kontakt mit den Semnonen getreten ist.29 Die »Römische Geschichte« ist neben Strabons Werk die wichtigste Quelle für Marbod und sein Reich und daher für das Thema »Markomannen« von Bedeutung. Auch für die berühmte Schlacht im Teutoburger Wald ist diese Schrift ein wesentliches Zeugnis, nämlich der älteste ausführliche Bericht. In diesem verspricht Velleius, eine eigene Darstellung zur Varusschlacht schreiben zu wollen.30 Ob er das Vorhaben verwirklicht hat, wissen wir nicht. Erhalten hat sich davon keine Spur. Das kann jedoch kein Argument gegen die Existenz sein, da auch seine vorhandene Historia Romana von keinem der erhaltenen Autoren zur Kenntnis genommen worden ist. Etwa in den Jahren 23 oder 24, in denen Strabon gestorben ist, wurde der dritte der hier zu berücksichtigenden Schriftsteller geboren, der ältere Plinius. Er gehört im Unterschied zu Velleius Paterculus zu den bekannten Autoren der frühen Kaiserzeit. Plinius der Ältere
Geboren am Comer See im Alpenvorland Italiens, entstammte C. Plinius Secundus, auch Plinius der Ältere genannt zur Unterscheidung von seinem ebenfalls literarisch tätigen gleichnamigen Neffen, einer wohlhabenden Familie des Ritterstandes, erhielt seine Ausbildung in Rom und begann eine Offizierslaufbahn. Er diente zwischen 47 und 50 in der Niederrhein- wie in der Oberrheinarmee. In diesen Jahren lernte er auf einem Feldzug die Nordseeküste und ihr Hinterland kennen, besuchte die Donauquellen im Schwarzwald und beteiligte sich an einer Expedition gegen die...