E-Book, Deutsch, 272 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 210 mm
Käßmann / Rösel Die Bibel Martin Luthers
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-374-04630-0
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Buch und seine Geschichte
E-Book, Deutsch, 272 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 210 mm
ISBN: 978-3-374-04630-0
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Bibelübersetzung Martin Luthers war ein Meilenstein in der Geschichte der Reformation. Zugleich hatte Luthers Sprachgewalt einen großen Einfluss auf die hochdeutsche Sprache, die sich damals erst entwickelte. Seine Wortschöpfungen wie „Feuereifer“ oder „Lästermaul“ sind bis heute in Gebrauch, die Weihnachtsgeschichte ist im Klang der Übersetzung Luthers zum allgemeinen Kulturgut geworden.
Doch wie entstand diese Übersetzung? Gab es Vorläufer? Was sind ihre Besonderheiten? Warum muss die Lutherbibel immer wieder überarbeitet („revidiert“) werden? Diesen Fragen geht der Sammelband zu Luthers Bibel und ihrer Geschichte nach. Margot Käßmann und Martin Rösel haben namhafte Theologinnen und Theologen versammelt, die auf verständliche Weise mit reich bebilderten Texten das wichtigste Buch der deutschen Theologie- und Sprachgeschichte beleuchten.
Mit Beiträgen von Albrecht Beutel, Corinna Dahlgrün, Franz Josef Holznagel, Christoph Kähler, Margot Käßmann, Ernst Lippold, Ute Mennecke, Stefan Michel, Martin Rösel, Gabriele Schmidt-Lauber, Volker Leppin und Christopher Spehr.
[The Bible of Martin Luther. A Book and Its History]
Martin Luther’s Bible translation was a milestone in the history of the Reformation. At the same time Luther’s powerful language had a lasting impact on the New High German which was beginning to develop at that time. His neologisms are still in use today and the Christmas Story in the sound of his translation has become a common cultural heritage.
But how exactly his translation came into existence? Have there been any predecessors? What are the special features of this translation? Why is it necessary to revise it from time to time? These questions are treated in this anthology on Luther’s Bible and its history, edited by Margot Käßmann and Martin Rösel. With richly illustrated texts and in a comprehensible manner renowned theologians shed a light on the most important book of the history of German theology and language.
Zielgruppe
Besonders geeignet für
- Leserinnen und Leser der Lutherbibel
- Theologinnen und Theologen
- An Sprach- und Kirchengeschichte Interessierte
- An der aktuellen Revision der Lutherbibel Interessierte
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Kirchengeschichte
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christliche Kirchen, Konfessionen, Denominationen Protestantismus, evangelische und protestantische Kirchen
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Bibelwissenschaften Bibelübersetzungen & Sonderausgaben
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Systematische Theologie Geschichte der Theologie, Einzelne Theologen
Weitere Infos & Material
Luthers Bibel
Margot Käßmann
Entdeckungen, Erfindungen, Umbrüche. Am Vorabend der Reformation
Gabriele Schmidt-Lauber
„Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ Zur Entwicklung der Reformation in Deutschland
Volker Leppin
Thesen und Testament. Beginn der Reformation, ältere Bibelübersetzungen und Septembertestament
Albrecht Beutel
„Dem Volk aufs Maul schauen“: Luther als Dolmetscher
Christopher Spehr
„Eine kleine Biblia“: Besonderheiten der Luther-Bibel
Ute Mennecke
„Nützlich und gut zu lesen“: Die Apokryphen der Luther-Bibel
Martin Rösel
„Ein feste Burg“. Luther als Sprachkünstler – Psalmen und Lieder
Corinna Dahlgrün
„Luthers Sanhedrin“. Helfer und Mitarbeiter an der Lutherbibel
Stefan Michel
Luther und die deutsche Sprache
Franz Josef Holznagel
Luthergetreu oder zeitgemäß?. Die Revisionen der Lutherbibel
Ernst Lippold
Luther war doch genauer! Erfahrungen bei der Revision der Lutherbibel
Christoph Kähler
DEUTSCHLAND AM VORABEND
DER REFORMATION
Gabriele Schmidt-Lauber Unser Bedürfnis, die Vergangenheit in klare und übersichtliche Epochen einzuteilen, in allen Ehren – aber die Reformation in Deutschland begann gar nicht mit einem großen Knall. Einen solchen sieht man gerne in jenem 31. Oktober 1517, an dem Luther gut fundierte Thesen zur Theologie seiner Zeit verfasste und damit zu einem öffentlichen Diskurs in der Fachwelt einlud. Aber in Deutschland gab es schon länger an der einen oder anderen Stelle des gemeinschaftlichen Lebens Krisenherde, wenngleich sie im 15. Jahrhundert nicht unbedingt brisanter waren als in den Jahrhunderten zuvor. In der deutschen Reformation des 16. Jahrhunderts konnten sich die verschiedenen Entwicklungen des Lebens dann allerdings bis hin zur Explosion bündeln. »Deutschland« – um 1500 noch ohne Nationalgefühl Die Ständegesellschaft Wer also war damals »Deutschland«, wie lebten die Leute hier, und was prägte sie? Wir können zwar bis 1450 eine Zunahme an Städtegründungen verzeichnen, doch die meisten Menschen lebten auf dem Land. Das Deutschland des 15. Jahrhunderts ist immer noch vorwiegend ein Agrarland. Die Menschen lebten als Bauern, nicht selten als Leibeigene oder Tagelöhner. Fast die Hälfte allen Grundbesitzes lag im ausgehenden Mittelalter in der Hand des Adels. Für den einzelnen Bauern bedeutete dies je nach den persönlichen Umständen zumeist Dienste und Abgaben in großer Höhe. Diese persönlichen Belastungen wurden durch immer neue Steuern für Reich und Land noch verstärkt. Hinzu kamen Beschränkungen altgewohnter Rechte, die die dörflichen Gemeinschaften kollektiv betrafen – Weiderechte, Jagd- und Fischereirechte, gemeinschaftlicher Holzbesitz. Die Bauern waren in mehrfacher Hinsicht abhängig, ihre Lebensverhältnisse beschwerlich, oft bedrückend. Eine Ständegesellschaft ohne soziale Mobilität Ständebaum des Petrarca-Meisters Das Elend der Bauern – fruchtlose Beschwerden und am Ende ein Krieg Neben der schlichten Darstellung der mittelalterlichen Ständeordnung wird an diesem Bild die Kritik an sozialer Ungerechtigkeit genauso deutlich wie die Gefahr, die mit ihr einhergeht: Alle anderen Stände profitieren von der Abhängigkeit und Arbeit der Bauern. Und die beginnen im 15. Jahrhundert zunehmend, sich gegen Einschränkungen von althergebrachten Rechten wie dem Fischereirecht oder dem Waldrecht zu wehren. Immer wieder brachten sie auch in der politischen Öffentlichkeit Beschwerden vor, in einer besonders langen Liste noch auf dem Reichstag zu Worms 1521 – dem ersten und deshalb allseits mit Spannung erwarteten Reichstag des neuen Kaisers Karl V. Jetzt war das seit einem halben Jahrhundert zunehmende regionale Aufbegehren der Bauern endlich ganz deutlich spürbar, auch wenn es kaum Beachtung fand in all der Fülle spannender Themenpunkte. Im Bauernkrieg der Reformationszeit kam dieses Aufbegehren zur Explosion. Bildungsnot und Buchdruck Bildungsmisere bei Bauern und Adel Zum anderen machte das Problem des Bildungsstandes die Bauern nahezu handlungsunfähig. Das Fehlen ausreichender Bildung auf dem Lande blieb ein wesentlicher Faktor für die Abhängigkeit des Bauernstandes und das Verharren darin. Kaum jemand konnte lesen oder schreiben. Es gab kaum Schulen auf dem Land. Und das, was auch heute noch als Grundfertigkeit für Aufstieg und Chancen gilt, war auf diese Weise dem weitaus größten Teil der Bevölkerung versagt: Lesen, Schreiben, Rechnen und damit die Sprachfähigkeit. In allen möglichen Belangen waren die Bauern daher auf die Hilfe anderer angewiesen, auch in der Artikulation ihrer eigenen Rechte und Bedürfnisse. Dieser Umstand war einer der Gründe, weshalb erst ein Jahrhundert später in den Bauernkriegen ein gebündelter Aufstand gegen die Benachteiligungen möglich wurde – dies noch dazu unter der Führung Gebildeter. Der Adel hingegen, der durchaus Zugang zur Bildung haben konnte, schätzte sie schon aus Tradition gering und pflegte ebenso selten das Schriftvermögen. Druck mit beweglichen Lettern: die Gutenbergpresse Auch die vielleicht tiefgreifendste Neuerung, die das 15. Jahrhundert mit sich brachte, der Buchdruck, konnte bei diesen Voraussetzungen das Leben der Landbevölkerung nicht verändern. In den 50er Jahren des Jahrhunderts erfand in Mainz Johannes Gutenberg eine Maschine, die es erlaubte, größere Mengen von Literatur zu drucken. Zuvor waren mühsam Abschriften von wichtigen Werken gefertigt worden, vorwiegend in den Skriptorien der Klöster. Nun aber konnten mühelos mehrere Ausgaben eines Buches hergestellt werden, oder auch Drucke von Flugblättern oder Kurzschriften. Sehr schnell und umfassend wurden diese neuen Fertigkeiten genutzt. Mehr noch als die Entdeckung ferner Kontinente – 1492 erreichte Kolumbus Amerika – veränderte diese Errungenschaft Europa, und sie wurde zu einer wesentlichen Voraussetzung für die deutsche Reformation im 16. Jahrhundert. Nicht nur Kultur und Wissenschaft bekamen mit einem Mal ganz neue Möglichkeiten der Verbreitung und des Austauschs, auch die Medienlandschaft und damit die Politik veränderten sich – Gedanken konnten mit den gedruckten Informationen einfacher und schneller viel mehr Menschen erreichen. Das Leben in den Städten Handeln, Investieren, Mitregieren – der Einfluss der Fugger auf Kaiser und Reich In den Städten, unter den Bürgern also, sahen sowohl Bildung als auch Wirtschaft anders aus als auf dem Land. Langsam entwickelte sich eine neue Wirtschaftsform, der Frühkapitalismus. Das Handwerk blühte, und durch klugen Handel und die Gunst der Stunde konnten einzelne Betriebe erhebliche Gewinne erwirtschaften. In manchen Städten bündelte sich zum Beispiel der Textilhandel: Einzelne Häuser schafften es, große Mengen an Rohstoffen zu beschaffen und, teils verarbeitet, teils unverarbeitet, zu verkaufen. Jakob Fugger (1459 – 1525) Der Handel konnte nur funktionieren, wenn man die zivilisatorischen Grundfertigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens gut beherrschte. Darum pflegte man die Bildung in den Städten ganz anders und schätzte sie hoch, schickte zumindest Kinder aus bürgerlichen Kreisen zur Schule oder sorgte auf andere Weise für eine positive Einstellung zum Wissen. Das Lebensgefühl der Menschen Angst als Grundgefühl – vor dem Diesseits und dem Jenseits Die äußeren Lebensbedingungen der Menschen in Deutschland waren also am Vorabend der Reformation höchst unterschiedlich. Wie sieht es hinsichtlich der Mentalität aus, der Befindlichkeit und der inneren Werte? Betrachten wir das Lebensgefühl der Menschen, ob in der Stadt oder auf dem Land, so fällt vor allem die Angst auf. Handfeste Gründe für reale und die Grundfesten des Lebens betreffende Angst gab es mehr als genug: Überall konnte ein überraschender Tod lauern. Das ganze Mittelalter durchzieht die Gefahr von Pestepidemien und Hungersnöten, die tiefen Wälder bargen unerhörte Bedrohungen, und auf den Straßen waren Räuberbanden unterwegs. Geburten waren eine lebensbedrohliche Angelegenheit für Mutter und Kind, selbst Infektionskrankheiten konnte man kaum wirkungsvoll begegnen. Durch Krankheit oder Schicksalsschläge konnten zudem ganz leicht die soziale Anerkennung und der soziale Rückhalt wegbrechen. Das Leben war nicht gesichert, für niemanden. Fegefeuerdarstellung aus der elsässischen »Legenda Aurea« von 1419 Die Angst, in ewiger Seelenpein festgehalten zu werden oder für einen unvorstellbar langen Zeitraum im Fegefeuer der Läuterung ausgesetzt zu sein, quälte nicht nur die empfindsamsten Gemüter, sondern landauf, landab so gut wie jeden Menschen. Selbst das tägliche Leben war von solcher jenseitigen Sorge bestimmt, sogar um Angehörige, die bereits gestorben waren. Tiefe Heilsunsicherheit und ebenso tiefe Heilssehnsucht prägten im 15. Jahrhundert das Lebensgefühl der Menschen in Europa, mehr als alles andere – das Religiöse durchzog den ganzen Alltag. Die entscheidende Bedeutung der Kirche Wie konnten die Menschen solche große Angst bewältigen? Wie konnten sie ihr begegnen oder sie abwehren? Glücklicherweise gab es die Kirche, unter deren Fittiche man sich flüchten konnte. Denn eines blieb das ganze Jahrhundert klar: Für das Heil war ausschließlich die Kirche zuständig, sie war zuständig für die Vermittlung des Evangeliums und all des Guten, das es verspricht. Man war vollständig von ihr abhängig in allem, was das Seelenheil betrifft. Die gängige Lehre war, dass normale Menschen die Bibel gar nicht verstehen konnten ohne die Vermittlung durch die Geistlichen. Zwar gab es mittlerweile mehrere Übersetzungen biblischer Bücher in der Landessprache in unterschiedlichem Umfang und von...