E-Book, Deutsch, 80 Seiten
Kast Love in the Moshpit
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7579-0319-0
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
a headbanging queer shortstory
E-Book, Deutsch, 80 Seiten
ISBN: 978-3-7579-0319-0
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Als eingefleischter Metalhead glaubt Birdo eigentlich nicht an die Liebe auf den ersten Blick. Doch mitten im Moshpit entdeckt er das wunderschöne Gesicht von Lukas und Amors Pfeil trifft ihn mitten ins Herz - oder ist es ein Ellenbogen aus der tobenden Menge? In jedem Fall findet sich Birdo in der Notaufnahme wieder und Lukas fordert ihn heraus, alte Glaubenssätze über Bord zu werfen und seine Welt neu zu überdenken. »Love in the Moshpit« ist eine lustige Kurzgeschichte über einen Metalfan, der sehr lange überzeugt ist, der einzige schwule Metaller in seiner Szene zu sein.
Mo Kast, geb. 1987 in Ulm Mo mag es unkonventionell. Sie denkt in Bildern, zeichnet sie und verdient damit ihren Lebensunterhalt. Menschen mit Ecken und Kanten sind die, die sie interessieren. Keine großen Gesten, sondern die Besonderheiten des Alltags geben ihren Geschichten Kraft. Und letztendlich schreibt sie darüber, dass Liebe für jeden ist, egal wie verschroben oder ungewöhnlich sie sich zeigen kann.
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Sequenz #2
»Ich … uhm … trinke nicht«, erklärte ich schließlich. Lukas hatte mich gleich am nächsten Morgen nach dem Konzert gefragt, ob wir uns abends im ›Subculture‹ treffen wollten. Ohne darüber nachzudenken, hatte ich ihm zugesagt. Und jetzt saßen wir hier: in einer verrauchten Bar an einem kleinen, runden Tisch in die hinterste Ecke gedrängt. Der Laden war brechend voll und die Gäste machten dem Namen alle Ehre. Hier gab es gefühlt alles an Leuten: Punks, Rocker, Hipster, mich … Ich war mir immer noch nicht sicher, wo ich Lukas einordnen sollte. »Straight Edge?«, fragte Lukas nun, musterte mich dabei von oben bis unten, als würde er etwas suchen. Ich wusste allerdings nicht, was, und auch nicht, was er von einer ehrlichen Antwort hielt. Meistens machten sich die Leute darüber lustig, dass ich nicht trank. Deshalb wackelte ich nur etwas vage mit dem Kopf. »Sozusagen.« »Sehr cool, ich auch.« Er hielt mir seinen Handrücken entgegen. Ein schwarzes X war darauf zu sehen. Neben seinen ganzen anderen Tattoos war es mir tatsächlich nicht aufgefallen. Ob die anderen Tätowierungen auch ›versteckte‹ Hinweise waren? Ich erwischte mich dabei, wie ich seine Arme absuchte. Leider waren sie die einzigen Stellen, die nicht mit Stoff bedeckt waren. Wer allerdings dermaßen tätowierte Arme hatte, hatte sicher noch mehr unter seinen Klamotten. Ich konnte ihn nur schlecht danach fragen, ob er sich für mich auszog, damit ich seinen Körper nach schwulen Symbolen absuchen konnte. Das wäre … Nein, das ging einfach nicht. Die Arme mussten reichen. Auf dem linken Oberarm war eine Krake zu sehen, die ihre Tentakel um seinen Arm schlang. Es erinnerte an die japanischen Yakuza-Tätowierungen und sah ziemlich edel aus. Die anderen Tattoos waren alle abstrakter. Irgendwelche Noten und musikalischen Symbole. Vielleicht spielte er ein Instrument? Es gab auch Kreise und Linien, die sich zu geometrischen Formen verbanden und zum Teil mit einem Aquarelleffekt unterlegt waren. Sie könnten so etwas wie Sternzeichen sein, damit kannte ich mich aber nicht aus. Eine Verbindung bildete auf jeden Fall ein Dreieck. Als er sich die längeren Haare des Sidecuts nach hinten strich, entdeckte ich ein Lambda am Handgelenk. Wie seltsam. Warum ließ sich jemand ein griechisches L tätowieren? Ich kannte das Symbol nur aus meinen Mathevorlesungen. Was es allerdings nicht gab, waren irgendwelche Worte oder Zahlen. Wirklich nur Symbole. Was hatte ich mir auch erhofft? Einen ›I am gay as fuck‹-Schriftzug? »Gefallen dir die Tattoos?«, fragte er plötzlich. Ich schreckte zusammen, fühlte mich ertappt. »Äh ja, sehen gut aus.« Jetzt wäre eine klasse Gelegenheit, nach möglichen Bedeutungen zu fragen. Allein bei dem Gedanken bekam ich allerdings Herzrasen und schweißnasse Hände. »Hast du auch welche?« Sein Blick ging wieder über mich, suchte meine Haut ab. Ich schüttelte jedoch nur den Kopf. »Nee, keine Tattoos, keine Piercings. Ich bin ein weißes Blatt Papier.« So langweilig wie eben nur möglich. Das Spannendste an mir war vermutlich mein Musikgeschmack, der … na ja, viel mit meinen Freunden zu tun hatte. »Oder du trägst deine Geheimnisse lieber nicht offen zur Schau.« Bei dem Satz sah er mich direkt an. Wusste er es? Kannte er mein Geheimnis? Aber woher? Ich gab mir große Mühe, dass man mir nicht meine … Präferenzen ansah. Ich wollte mich nicht erklären müssen, oder dass meine Freunde mich anders behandelten oder nichts mehr mit mir zu tun haben wollten. Ein Geheimnis zu haben, fühlte sich eben leichter an, als alles auf links zu drehen. Vor allem, wenn man nichts hatte, wofür es sich lohnen würde. Schließlich brach ich den Blickkontakt mit Lukas ab, räusperte mich. »Vielleicht.« Ich rieb mir kurz die Schulter in der Hoffnung, dass sich die Spannung damit etwas löste, die ich schon spürte, seit ich mit Lukas hier in der Bar saß. Er lachte leise, schüttelte kurz den Kopf. Amüsierte er sich über mich? Es wirkte eigentlich nicht so. Seine Augen strahlten nach wie vor Freundlichkeit aus und nur ein bisschen Belustigung. »Welche Geheimnisse … uhm …« Ich unterbrach mich wieder. Was zur Hölle hatte ich hier gerade vorgehabt? Ich konnte ihn doch nicht so offensiv danach fragen. Etwas frustriert von mir selbst schloss ich die Augen. Eigentlich hatte ich bei unserem Treffen cool und souverän wirken wollen. Wie jemand, mit dem man eine gute Zeit haben konnte, so platonisch gesehen. Ich dachte immer, ich könnte das gut. Meine Kumpels verbrachten immerhin gern Zeit mit mir. Wir kannten uns allerdings schon aus der Schulzeit. Eventuell hatten sie sich auch einfach nur an mich gewöhnt … »Das hier zum Beispiel.« Lukas deutete wieder auf das X auf seinem Handrücken. »Es erinnert mich daran, nie wieder Alkohol oder so was anzurühren. Ich hätte mich im Suff, und vielleicht etwas bekifft, beinahe mal umgebracht.« »Okay?« Das warf viel mehr Fragen auf, als es beantwortete. War er suizidgefährdet? Hatte er betrunken einen krassen Unfall gehabt? Ich mochte, ehrlich gesagt, keine Leute, die sich unter Alkoholeinfluss hinters Steuer setzen. Egal, wie viel man gesoffen hatte, das sollte man immer richtig einschätzen können. Ich sah, wie er sein Gesicht verzog, als hätte er etwas Dummes gesagt. »Okay, das kam komisch rüber. Es ist weniger dramatisch, als du denkst. Aber ich dachte als Teenager mal, es wäre voll die geile Idee, im Februar betrunken in einen kalten See zu springen, um dort eine Runde zu schwimmen. Zum Glück hat mich ein Kumpel rauszogen und gleich nach Hause gebracht. Ich weiß gar nicht … Es war einfach nur bescheuert. Mir – und auch meinem Kumpel – hätte sonst was passieren können und … Ich will das nie wieder.« Er rieb sich über das Tattoo. »Und bei dir?« »Was?«, fragte ich etwas tonlos. Ich war noch dabei, das Gesagte zu verarbeiten. »Warum bist du Straight Edge?« Sein Blick war so offen, dass ich kurz mit dem Gedanken spielte, ihm die Wahrheit zu sagen. »Ich will lieber nicht darüber reden«, war trotzdem meine Antwort. Der Kuss mit Eugen war ein Geheimnis, das ich mit ins Grab nehmen würde. »Fair enough.« Er setzte gerade dazu an, noch etwas zu sagen, als plötzlich ein Mädel an unseren Tisch herantrat. Sie hatte pinke Haare, war riesig und ihr Outfit zeigte viel tätowierte Haut. »Skywalker, Gröninger hat Dünnpfiff. Kannst du für ihn einspringen?«, fragte sie mit einer überraschend dunklen Stimme. »Jetzt? Ich …« Er nickte in meine Richtung. Unter dem Blick des Mädchens wurde ich klein. Sie sah mich unendlich genervt an. »Bitte, ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll. Sonst kennt niemand das Set«, wandte sie sich wieder an Lukas, der die Lippen zusammenpresste. Er schien mit sich zu hadern. »Es ist schon okay, wenn es so dringend ist«, versuchte ich das einzig Richtige zu sagen. Ich hatte allerdings keine Ahnung, wofür Lukas einspringen sollte, und hätte eigentlich nichts dagegen gehabt, mich noch länger mit ihm zu unterhalten – mehr von seinen Geheimnissen zu erfahren. Ich würde heute Nacht sicher einige Zeit totschlagen, um nach den unterschiedlichen Bedeutungen von Tätowierungen zu googeln. Aber ich wollte nicht bedürftig und aufdringlich wirken. »Vielleicht gefällt es ihm ja«, sagte das Mädchen noch, wackelte dabei mit den Augenbrauen. »Ich komm nicht für das ganze Set und du schuldest mir was!« Er hob mahnend den Finger, aber das breite Grinsen der jungen Frau machte klar, dass sie nur das Ja hörte und ihr der Rest egal war. »Äh, es tut mir echt leid, aber vielleicht … Also, du magst ja Konzerte und wir machen nur eine Stunde, mehr kann Lea nicht von mir verlangen.« Lukas deutete in Richtung der kleinen Bühne, auf der bereits eine Gitarristin und ein Bassist standen und erwartungsvoll in unsere Richtung starrten. Er machte also wirklich Musik! Zumindest dieses Geheimnis hatte ich aus seinen Tätowierungen gelesen. Ich wusste nur nicht, welches Instrument. Dafür kannte ich mich mit Musik zu schlecht aus – ich hörte sie nämlich nur, war sonst aber so musikalisch wie ein Stein. Nicht mal tanzen konnte ich wirklich. Musste man bei Metal zum Glück auch nicht. Bevor ich noch etwas sagen konnte, wurde Lukas bereits von der jungen Frau am Arm gepackt und auf die Bühne geschleift. Er winkte noch kurz in meine Richtung. Gebannt beobachtete ich, wie er sich hinters Schlagzeug setzte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Er sah mit seiner schlanken Statur gar nicht nach Drummer aus. Ich hätte bei ihm auf Gitarre oder Keyboard getippt, vielleicht sogar Sänger – wobei seine Stimme wahrscheinlich nicht tief genug war. Aber Schlagzeug? Dafür wirkte er eigentlich viel zu … ruhig. Lukas schob und schraubte noch ein bisschen an dem Schlagzeug herum, nickte dann aber der Pinkhaarigen zu, die am Mikro stand. Ich hätte erwartet, dass sie jetzt noch so etwas wie einen Soundcheck machen würden, stattdessen grölte die junge Frau: »Wir sind P-R-G«. Lukas zählte an, indem er seine Sticks gegeneinander schlug, und dann … Ich hätte es gern beschrieben, aber ich konnte nicht. Mein Hirn wollte nicht so richtig verstehen, was es da hörte, und schon gar nicht, dass es von den Leuten auf der Bühne kam. Nichts passte zusammen. Lea klang wie ein bärtiger Typ in seinen Vierzigern, der zu viel geraucht hatte. Die Gitarristin mied jeden Blickkontakt mit der Menge. Der Bassist … war normal, vermutlich. Aber Lukas … Er war definitiv das Epizentrum der Musik. Sein Blick war jedoch konzentriert – ähnlich wie auf dem Konzert gestern. Keine rauen Emotionen, wie man es so häufig bei Schlagzeugern sah, die wie irre auf das...