Kersting | Thomas Hobbes zur Einführung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 243 Seiten

Reihe: zur Einführung

Kersting Thomas Hobbes zur Einführung


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-96060-031-2
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

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Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-031-2
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
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Die politische Philosophie der Neuzeit hat sich nicht allmählich aus dem Hintergrund der politischen Philosophie des Altertums und des Mittelalters herausgelöst. Vielmehr ist sie das Werk des englischen Philosophen Thomas Hobbes (1588–1679), dessen individualistische vertragstheoretische Staatsrechtfertigung eine grundstürzende Revolution des Denkens auslöste und bis heute das vorherrschende legitimationstheoretische Modell in der Philosophie ist. In diesem Band skizziert Wolfgang Kersting zunächst die traditionelle politische Philosophie, um dann kontrastierend Hobbes' Theorie zu erläutern. Dabei stützt er sich insbesondere auf das politische Hauptwerk, den Leviathan. Für die vorliegende fünfte Auflage wurde das Buch um ein Kapitel zur Hobbes-Rezeption bei Carl Schmitt ergänzt.

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Vorwort
Die politische Philosophie der Neuzeit hat sich nicht allmählich aus dem Hintergrund der politischen Philosophie des Altertums und des Mittelalters herausgelöst. Die politische Philosophie der Neuzeit ist das Ergebnis einer Denkrevolution, die mit einem Schlag die Grundlagen und den Denkstil der traditionellen politischen Philosophie zerstört, die politische Reflexion auf ein völlig neues philosophisches Fundament stellt und die Wahrnehmung der politischen Dinge in gänzlich veränderte Begriffsformen gießt. Die politische Philosophie der Neuzeit entwickelt neue Fragestellungen und neue Argumentationsstrategien, der Gang ihrer Gedanken, die Ausprägung ihrer Leitkonzepte und Orientierungsbegriffe wird durch neuartige Problemsichten bestimmt. Die revolutionäre Neubegründung der politischen Philosophie in der Neuzeit ist das Werk des englischen Philosophen Thomas Hobbes. Die von seinem wissenschaftlich-philosophischen System herbeigeführten Umwälzungen der traditionellen philosophischen Grundlagen des politischen Denkens, die gewandelten Problemstellungen und neuartigen Argumentationsformen, die seine Werke, vor allem den ingeniösen Leviathan von 1651, prägen, bezeugen eine außergewöhnliche konstruktive Begabung, die eine stupende intellektuelle Phantasie mit einer wirklichkeitsaufmerksamen und veränderungssensiblen politischen Wahrnehmung verknüpft. Paradigmenwechsel in der politischen Philosophie sind keine absoluten geistesgeschichtlichen Ereignisse; sie finden nicht abgeschnitten von den Veränderungen in anderen ideengeschichtlichen Bereichen und losgelöst von allen realgeschichtlichen Entwicklungsprozessen statt. Zumal die politische Philosophie steht in einem engen Zusammenhang mit der komplexen politischen Realität, den Methoden und Fragestellungen der Nachbarwissenschaften und der grundsätzlichen systematischen Selbstverständigung der Philosophie als solcher. Und aufgrund dieser methodischen und sachlichen Interdependenzen haben signifikante realgeschichtliche Veränderungen und methodische Neuorientierungen in Philosophie und Wissenschaft immer auch Auswirkungen auf die Problemstellungen und Lösungsstrategien der politischen Philosophie. Hobbes’ revolutionäre Neubegründung der politischen Philosophie steht daher sowohl mit den Veränderungen der zeitgenössischen Metaphysik und Wissenschaft als auch mit der für den Beginn der Neuzeit charakteristischen tiefgreifenden Umgestaltung der Sozialwelt und des politischen Raums in enger Verbindung. Seine politische Philosophie ist durch den neuen szientistischen Denkstil geprägt; ihre erkenntnistheoretischen und methodologischen Grundlagen sind durchgehend von den methodischen Vorstellungen und den Genauigkeitsidealen der modernen mathematischen Naturwissenschaften bestimmt. In ihren Begriffsformen, Problemstellungen und Lehrstücken spiegeln sich deutlich die Veränderungen einer zunehmend verbürgerlichenden Sozialwelt, drücken sich bereits machtvoll die expandierenden ökonomischen, sozialen und politischen Modernisierungsprozesse aus. Ihr Beweisprogramm steht im Schatten des konfessionellen Bürgerkriegs, reflektiert die Erfahrungen des Zerfalls der einen kohärenzstiftenden absoluten praktischen Wahrheit in eine mörderische Konkurrenz vieler wahrheitsbeanspruchender Ideologien. Aufgrund dieser Orientierung am naturwissenschaftlichen Vorbild ist Hobbes auch der Philosoph, der zum ersten Mal und wiederum gleich mit unüberbietbarer Radikalität das für die Neuzeit charakteristische Programm des Reduktionismus im Theoretischen wie im Praktischen in seine Theoriekonzeption aufgenommen hat. Sowohl der Physikalismus, der jede Eigenständigkeit geistiger Wirklichkeit leugnet, als auch der Ökonomismus, der Moralphilosophie in eine Theorie kluger Vorteilsmaximierung auflöst, müssen ihre Geschichte mit Hobbes beginnen. Thomas Hobbes ist der Begründer der politischen Philosophie der Neuzeit. Er hat die philosophische Reflexionsform der politischen Moderne geprägt. Die von ihm ausgearbeitete individualistische vertragstheoretische Staatsrechtfertigung ist bis heute das vorherrschende legitimationstheoretische Modell in der politischen Philosophie; die in ihm logisch verknüpften Elemente des Naturzustandes und des Vertrags bestimmen nachhaltig die gegenwärtige rechtfertigungstheoretische Diskussion in der politischen Philosophie, in der Rechts- und der Moralphilosophie. Trotz der dreieinhalb Jahrhunderte, die uns von dem Erscheinungsjahr des Hobbesschen Meisterwerks, des Leviathans, trennen, ist seine politische Philosophie für unsere eigene politisch-philosophische Selbstverständigung immer noch fruchtbar. Weil Hobbes aufgrund seiner denkerischen Radikalität die soziale, ökonomische und politische Neuartigkeit der Moderne gleich zu Anfang klar erfaßt, die ordnungspolitischen und legitimationstheoretischen Implikationen der modernitätsspezifischen Desillusionierung nüchtern entfaltet, sind seine Problemstellungen noch die unsrigen; und weil seine Lösungskonzeptionen auf die neuartige gesellschaftliche und politische Lage kreativ reagieren, modernitätsadäquat sind und auf jeden Rückgriff auf traditionelle Ordnungs- und Legitimationsmodelle verzichten, können wir noch heute unsere Lösungsvorschläge mit Hilfe seines Alphabets der individualistischen und kontraktualistischen Vernunft buchstabieren. Im Rahmen neuzeitlicher politischer Philosophie ist politische Herrschaft prinzipiell legitimierungsbedürftig und nur insofern und insoweit legitimierbar, wie sie sich zurückführen läßt auf die vernünftige Zustimmung der Individuen, wie sich Staat und Verfassung kontraktualistisch, als Ergebnis eines vertraglichen Zusammenschlusses von Individuen begreifen lassen. Hobbes hat das radikale Programm der Herrschaftslegitimation in die politische Philosophie eingeführt; er ist der Erfinder des reinen Staatsbeweises und der Begründer der prozeduralistischen Rechtfertigung, die den Prinzipienobjektivismus des Naturrechts durch konstruktive Einigungsverfahren ersetzt. In seiner politischen Philosophie tritt zum ersten Mal der Protagonist der modernen praktischen Begründungstheorie auf: das ungebundene, rational seine Zwecke verfolgende Individuum, dessen souveräner rationaler und vernünftiger Wille alleinige Geltungsgrundlage staatlicher Herrschaft und politischer Ordnung ist. Mit strenger Konsequenz hat Hobbes den Politikbegriff entfaltet, der diesem Individualismus korrespondiert. Die Welt der gesellschaftlichen und politischen Institutionen erscheint als eine künstliche, der Natur entgegengesetzte Welt, als ein System rationaler Erfindungen und Artefakte, als kollektiv entwickeltes Instrument zur Sicherung und Koordination individueller Interessenverfolgung. Und auch die politische Herausforderung des moralischen, religiösen, kulturellen und ideologischen Pluralismus, die immer drückender wird, je moderner die Zeiten werden und je weiter die modernitätstypische Individualisierung und gesellschaftlichkulturelle Heterogenisierung fortschreiten, wird in der Hobbesschen politischen Philosophie bereits bedacht. Seine absolutistisch-etatistische Befriedung des Bürgerkriegs, seine Leviathan-Antwort auf das Behemoth-Problem, enthält bereits das Muster aller späteren Neutralisierungsstrategien des modernen politischen Pluralismusmanagements: Nur dann haben staatliche Friedensstiftung und politischer Einheitswille eine Chance, wenn sich der Staat gegenüber den konkurrierenden moralischen und religiösen Wahrheitsansprüchen neutral verhält und sich gegenüber allen Wahrheiten in eine Haltung der Äquidistanz begibt. Diese politische Entschärfung der moralischen und religiösen Wahrheit führt zu deren Privatisierung und schafft einen wahrheitsfreien öffentlichen Raum. Die hier anfallenden Begründungsforderungen müssen folglich auf einer neutralen Grundlage jenseits aller divergierenden Wahrheitsansprüche, gleichwohl aber auf allgemein zustimmungsfähige Weise erfüllt werden. Daher setzt die Strategie der politischen Neutralisierung in den Individuen die Bereitschaft voraus, den politischen Raum als den Geltungsbereich einer eigentümlichen, wahrheitsentlasteten Legitimation zu begreifen. Wenn Hobbes den Legitimationsgrund staatlicher Herrschaft und damit die Wurzel der politischen Obligation der Bürger in dem sich vertraglich verbindenden Selbsterhaltungsinteresse der Individuen erblickt, läßt er sich genau von dieser Einsicht in die Notwendigkeit wahrheitsentlasteter politischer Begründung leiten. Die politische Philosophie der Gegenwart teilt den Hobbesschen Szientismus nicht. Auch wird sich in unseren demokratischen Zeiten niemand für das Hobbessche Argument von der Notwendigkeit absoluter, uneingeschränkter und ungeteilter staatlicher Macht begeistern können. Es vermochte schon die Zeitgenossen nicht zu überzeugen. Die Geschichte des modernen Staates ist nicht die Geschichte seiner absolutistischen Selbstbehauptung, sondern die Geschichte der Einschränkung, Bindung und Teilung seiner Macht. Die Geschichte des modernen Staates ist die Geschichte der Zähmung des Leviathans – durch Menschenrechte und Vernunftrecht, durch Gesetzesstaatlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Verfassungsstaatlichkeit, durch Gewaltenteilung und...


Wolfgang Kersting ist emeritierter Professor für Philosophie am Philosophischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.



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