Kister | Straße der Dankbarkeit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 417 Seiten

Kister Straße der Dankbarkeit

Die Geschichte der Mrs. Robert Louis Stevenson
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-942822-43-5
Verlag: HEY Publishing GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Die Geschichte der Mrs. Robert Louis Stevenson

E-Book, Deutsch, 417 Seiten

ISBN: 978-3-942822-43-5
Verlag: HEY Publishing GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



»Die Luft, die ich atme, verdanke ich dir!« – was Robert Louis Stevenson in einem Brief an seine Frau Fanny so poetisch formuliert, ist weit mehr als eine Liebeserklärung. Die Geschichte ihrer ungewöhnlichen Verbindung erzählt davon.

Künstlerin, geschieden, Mutter von drei Kindern und zehn Jahre älter als ihr zweiter Mann – Fanny Vandegrift Osbourne Stevenson wäre an heutigen Standards gemessen wohl eine emanzipierte Frau, jedoch keine Ausnahmeerscheinung; Ende des 19. Jahrhunderts aber bricht die Amerikanerin mit ihrem eigenwilligen Lebensstil sämtliche gesellschaftlichen Konventionen. So auch, als sie 1880 den noch unbekannten schottischen Autor Robert Louis Stevenson heiratet.

Für Louis ist Fanny mehr als nur Ehefrau und Geliebte, sie ist seine engste Vertraute, seine schärfste Kritikerin und seine wichtigste Beraterin in allen Belangen, vor allem im Hinblick auf sein schriftstellerisches Werk. »Die Schatzinsel« oder »Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde« wären ohne Fannys Wirken und Fürsorge nicht denkbar – mehr als einmal rettet sie ihrem todkranken Mann das Leben.

Louis leidet an Tuberkulose, einer heimtückischen Krankheit, die die Familie um die halbe Welt treibt. Die unermüdliche Suche nach den idealen Lebensbedingungen und Louis’ Rastlosigkeit führen den Stevenson-Clan schließlich ins Südsee-Exil, wo das beschwerliche Vagabundendasein ein lang ersehntes Ende findet. Doch dann erkrankt auch Fanny schwer, und ein Krieg unter verfeindeten Inselstämmen droht die Existenz der Stevensons zu vernichten …

Der biografische Roman »Straße der Dankbarkeit« erzählt die Geschichte einer außergewöhnlichen Liebe – und eines Lebens, das ereignisreicher nicht sein könnte, abenteuerlicher als so manche Erzählung aus der Feder eines Schriftstellers.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Titel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Widmung
Vorwort

Teil I: Aufbruch nach Europa
Flitterwochen in Silverado, 1880
Abschied in Oakland, 1880
An Bord der City of Chester, 1880
Ankunft in Edinburgh, 1880
Alltag in der Hariot Row, 1880
Unter Freunden in London, 1880

Teil II: Nomaden werden sesshaft
Aufenthalt im Hotel Belvedere, 1881
Zaubergarten des Campagne Delfi, 1882
Einsam in La Solitude, 1883
Noahs Taube in Bournemouth, 1884
Ein Zuhause – Skerryvore, 1886

Teil III: Kreuzfahrten in der Südsee
Frost in Hunter’s Home, 1887
Eine Luxusyacht – die Casco, 1888
Mitglieder des Hofstaats in Honolulu, 1889
Müßiggang in Waikiki Beach, 1889
An Bord des Liniendampfers Lübeck, 1889
Rückfall in Sydney, 1890

Teil IV: Im Südsee-Exil
Eine Hütte im Dschungel, 1890
Endlich zu Hause – Vailima, 1891
Erholung auf Fidschi, 1891
Am Abgrund, 1892
Fannys Dämonen, 1892
Zwischen den Fronten, 1893
Abschied am Mount Vaea, 1894
Unter sternklarem Himmel, 1894

Nachwort
Zeittafel
Hilfreiche Literatur
Über die Autorin
Lesetipp


Teil I: Aufbruch nach Europa
Flitterwochen in Silverado, 1880
Fanny fuhr erschrocken hoch. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn und ihr Atem ging stoßweise. Trotzdem rührte sie sich nicht und versuchte stattdessen, die Schreckensbilder abzuschütteln, um sich ganz auf das Geräusch – vertraut und dennoch beunruhigend – zu konzentrieren, das sich in ihren alptraumhaften Nachmittagsschlummer gedrängt hatte. Mit der rechten Hand tastete sie an ihrem Rock entlang bis zum Saum, schob langsam den leise raschelnden Stoff hoch, bis sie das kühle Metall in Höhe ihres Strumpfbandes zu fassen bekam. Ihre Finger legten sich um den Knauf, bereit zur blitzschnellen Reaktion, doch das Geräusch war verstummt. Einzig das Zirpen der Grillen in der dörrendheißen Nachmittagssonne und ein entferntes Rauschen des Windes von der anderen Seite des Tals waren zu hören. Die Sonne stand schon tief, und ihr schräg einfallendes Licht wurde von den Ritzen in der Holzwand der Hütte zu Strahlen zerschnitten, in denen Staubpünktchen tanzten. Ehe sie sich aufrichtete, warf Fanny noch einen Blick auf den schlafenden Mann neben ihr. Sie konnte nicht verhindern, dass sie bei seinem Anblick erschrak, denn er rief das Gespenst ihres Alptraums zurück und mit ihm die verstörenden Bilder von Krankheit und Tod. Sie ärgerte sich darüber und streckte vorsichtig die Hand aus, um ihm zwei Haarsträhnen aus der schweißnassen Stirn zu streichen. Er schlief tief, nur die durchscheinende Haut der Augenlider zuckte unmerklich. Sein Gesicht war ihr zugewandt und sie betrachtete es aufmerksam. Der Schlaf hatte die Muskelspannung gelöst, sodass sein Unterkiefer schlaff herunterhing. Der bleiche Teint, die eingefallenen Wangen, der geöffnete Mund, das dünne Haar – all das ließ ihn so leblos erscheinen. Fanny konnte den Blick nicht von Louis abwenden, sondern wartete stattdessen ungeduldig auf ein sichtbares Zeichen von Leben im Körper ihres Mannes. Sein Atem ging so flach und leise, dass er den knochigen Brustkorb unter dem zu großen Hemd kaum anhob. Sie rückte ihr Gesicht dicht an seines heran und erst jetzt, aus nächster Nähe, sah sie, wie einzelne Härchen seines Schnurrbartes unter der ausgestoßenen Atemluft leicht erzitterten. Beruhigt wandte sie sich von ihm ab und richtete sich leise auf ihrem Lager auf, wobei sie sich innerlich wegen ihrer albernen Panik um Louis schalt. Fanny rückte den Rock zurecht und ging langsam auf die Öffnung zu, in der vor Jahren eine Tür gewesen sein mochte. Jetzt war sie nur notdürftig mit einem stoffbespannten Holzrahmen verschlossen, den sie aus alten Latten zusammengenagelt hatte. An Holzresten, krummen Nägeln und rostigem Eisen war kein Mangel, überall lag das Zeug herum, man brauchte sich nur zu bücken. Stumme Zeugen einer vergangenen Betriebsamkeit. Noch bevor Fanny hinaus in die Hitze des Nachmittags trat, warf sie einen Blick in die Spiegelscherbe, die zwischen zwei Nägeln an einem Holzbalken klemmte. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um sich zu sehen. Ihr Teint war in den wenigen Tagen hier oben noch dunkler geworden, als er von Natur aus schon war. Wie eine Mexikanerin!, dachte sie und betrachtete sich ernst im Spiegel. Sie fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Lippen. Die Mundwinkel hingen leicht herunter, das war nicht immer so gewesen. Fanny strich sich eine schwarze Locke aus der Stirn und nestelte sie unter das dichte Haar, das sich bereits wieder zu einem Knoten bündeln ließ. In einem Anfall von Wut und Verzweiflung hatte sie den dicken, geflochtenen Zopf abgeschnitten. Auf dem Kopf hatte sich daraufhin eine Vielzahl skandalös kurzer Locken gekringelt. Fanny löste die Haarnadeln und schüttelte den Kopf. Einzelne Silberfäden durchzogen die halblangen Lockensträhnen, noch weitere zehn Jahre, dann würde sie fünfzig sein und restlos ergraut. Sie seufzte leise und schritt zum Türverschlag. Die Lederriemen, mit denen er am Pfosten befestigt war, quietschten, als sie den Holzrahmen nach innen öffnete. Sie kniff die Augen zusammen, das gleißende Sonnenlicht blendete sie. Ein Hauch von Nelkenduft lag in der Luft, der echte Gewürzstrauch, Calycanthus, sie hatte ihn auch in ihrem Garten in Oakland gepflanzt, der kleinen Stadt am östlichen Ufer der Bucht von San Francisco. Ungezählte Stunden hatte sie in ihm verbracht, um Strauchrosen zu züchten, Nutzpflanzen zu ziehen und Tigerlilien, immer wieder Tigerlilien – ihre Lieblingsblumen. Was nun aus ihm werden würde? Ein Garten durfte nicht sich selbst überlassen werden. Eine kundige Hand musste ausdünnen und zurechtschneiden, um den Wildwuchs ungebetener Pflanzen in Schach zu halten, die sich binnen eines Jahres über das liebevoll arrangierte Blumenbeet hermachten. Andere Gerüche von Kräutern, die ebenfalls in ihrem Garten wuchsen, wehten aus dem Tal herauf, manche verhalten, andere aufdringlich, von der Sonne aufgeheizt und freigesetzt. Sie roch den Lorbeer, die Muskatnuss, aber auch das würzige Harz der kalifornischen Kiefer. Fanny trat hinaus auf die wackelige Holzbohle, die wie eine Brücke die Türöffnung mit der gegenüberliegenden Felswand verband. Eine Treppe innerhalb der dreistöckigen Hütte gab es nicht. Wer von der Plattform aus in den ersten Stock zu ihrer Schlafstätte gelangen wollte, musste den Weg über das Holzbrett nehmen. An dem Felsvorsprung angekommen, schürzte Fanny den bodenlangen Rock, um mit wenigen Schritten zur Plattform hinunterzusteigen. Dabei war sie stets versucht, an den züngelnden Trieben der Gifteiche Halt zu suchen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Louis hatte bereits mehrere Sträucher dieses efeuartigen Gewächses mit der Hand ausgerissen und sich dabei juckende Hautekzeme zugezogen. Sie wucherte überall, nicht nur draußen. Sie begnügte sich sogar mit dem dürftigen Nährboden zwischen den Holzritzen innerhalb der Hütte, als wollte sie das Gebäude so nach und nach unter sich begraben. Unten angekommen, kramte Fanny in ihrem kleinen Lederbeutel nach Tabak, Zigarettenpapier und Zündhölzern. Mit geübtem Augenmaß löste sie eine exakt bemessene Menge Tabak aus der Verpackung, breitete sie auf dem Papier aus, drehte beides mit flinken Fingern zu einer dünnen Rolle und steckte sich die fertige Zigarette zwischen die Lippen. Die wenigen heraushängenden Tabakfäden glommen als erstes auf, als sie das flammende Zündholz daran hielt, bis Fanny einen tiefen Zug nahm, und die Glut sich rasch durchs Papier fraß. Genussvoll blies sie die Rauchschwaden aus und ließ den Blick über die Landschaft schweifen, die sich vor ihren Augen ausbreitete. Die Aussicht von der hölzernen Plattform – ihrem »Felsenhorst«, wie Louis sagte – war atemberaubend. Sie blickte hinab auf dunkle Baumkronen und schwarzgrüne Hügelkuppen, die in der Ferne zu sanften Wellen ausliefen. Hinter ihr türmte sich eine zerklüftete Felswand auf, deren rötliches Gestein in der Sonne leuchtete. Für Fanny war es ein denkwürdiger, ja nachgerade vertrauter Ort – eine verlassene Silbermine: Silverado Square. Obwohl hier seit Jahren kein Erz mehr aus dem Fels gehauen wurde, schien es, als hätten die Minenarbeiter ihr Werkzeug einfach nur fallen gelassen, um eine kurze Pause einzulegen. Es war noch alles da: Die Schienenstränge und die Karren, die darauf warteten, die Gesteinsladung abzutransportieren; eine eiserne Rinne auf Holzstelzen, die wie ein monströser Wasserspeier aussah. Auf ihr hatten sie vormals das edelmetallhaltige Gestein nach unten zu den Karren rutschen lassen. Eine triangelförmige Plattform, die sich an die Felswand klammerte und die ganze Weite des ausgehöhlten Canyon einnahm. Auf ihr befanden sich die Holzbaracke und ein Schmiedeofen, halb verrostetes Werkzeug, schmutzige Kleider, zerrissene Zeitungen und ein Tümpel aus Bauschutt, durch den man waten musste, wenn man über die Plattform lief. Nicht gerade ein romantischer oder komfortabler Ort für eine Hochzeitsreise. Aber Fanny fühlte sich bereits jetzt erfrischt und wie erlöst nach all den Strapazen des vergangenen Winters, obwohl sie erst vor wenigen Tagen hier oben, auf halber Höhe von Mount Saint Helena, dem höchsten Berg des Napa Valleys, angekommen waren. Die Luft hier oben war klar und trocken wie Glas, kein Nebel wie in San Francisco, der als giftiger Dampf in Louis’ Lungen drang. Sie mussten sich keinerlei Gedanken über das Wetter machen. Eher noch als mit Regen wäre mit einem Erdbeben zu rechnen. Solange sie in dieser gottverlassenen Mine residierten wie Adler in ihrem Horst würde die Sonne ungetrübt am Himmel stehen. Lediglich um die Mittagszeit türmten sich auf dem Gipfel von Mount Saint Helena regelmäßig schneeweiße Wolken, als wäre der Berg ein Vulkan, aus dem unaufhörlich Dämpfe quollen. Fanny ließ den Zigarettenstummel zu Boden fallen und trat ihn mit dem Absatz sorgfältig aus. In dieser knochentrockenen Gegend musste man aufpassen, dass nicht der kleinste Funke eine Feuersbrunst entfachte. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, mochte es auf fünf Uhr zugehen, und eigentlich war es höchste Zeit, dass sie sich um ihren Sohn kümmerte. Seit dem späten Vormittag trieb Lloyd sich irgendwo in der Mine herum, mit Chuchu, der verzogenen Promenadenmischung aus einem Setter und einem Spaniel. Normalerweise blieb dieses Schoßhündchen treu ergeben an Louis’ Seite, besonders wenn dieser im Halbschatten des Schmiedeofens unter der knorrigen Madrona döste und die Stille genoss, oder wenn er in der mit Heu ausstaffierten Schlafkoje halb aufrecht saß und über Stunden hinweg schrieb. Dann streckte sich Chuchu auf Louis’ Beinen aus und verharrte reglos, bis das ermüdende Bleistiftkratzen verstummte. Ob Lloyd wieder in einem der düsteren Schächte steckte? Einer befand sich oben auf der Plattform und führte tief ins Innere des...


Kister, Cornelie
Cornelie Kister ist Jahrgang 1965 und lebt mit ihrem Mann und den gemeinsamen Kindern in Wiesbaden. Als freiberufliche Autorin und Koautorin hat sie mehr als ein Dutzend Sachbücher und Ratgeber geschrieben und als Herausgeberin mehrere Anthologien zu unterschiedlichen Themen zusammengestellt. 2010 erschienen zwei Kinder- und Jugendromane sowie ein Frauenroman. Über ihre schriftstellerische Tätigkeit hinaus führt sie die Agentur für Text und Konzeption »satzbau«.

Foto: © foto-kathrein, Wiesbaden



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