Klages | Wirtschaftliche Interessen und juristische Ideen | Buch | 978-3-593-39292-9 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 71, 216 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 215 mm, Gewicht: 304 g

Reihe: Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln

Klages

Wirtschaftliche Interessen und juristische Ideen

Die Entwicklung des Aktienrechts in Deutschland und den USA
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-593-39292-9
Verlag: Campus

Die Entwicklung des Aktienrechts in Deutschland und den USA

Buch, Deutsch, Band 71, 216 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 215 mm, Gewicht: 304 g

Reihe: Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln

ISBN: 978-3-593-39292-9
Verlag: Campus


Großunternehmen sind zentrale Akteure westlicher Gesellschaften. Sie üben massiven Einfluss auf das wirtschaftliche und politische Geschehen aus. Die Machtverteilung innerhalb von Großunternehmen ist daher eine Frage von gesellschaftlicher und politischer Tragweite. Am Beispiel des Aktienrechts in Deutschland und den USA beschreibt Philipp Klages, wie sich neue Machtverhältnisse und Interessen in Großunternehmen auf die Rechtsentwicklung niederschlagen können. So wurden zum Beispiel in beiden Ländern die Rechte von Minderheitenaktionären ausgeweitet, nachdem sich die Vorstände einiger großer Unternehmen deren Interessen plötzlich zu Eigen gemacht hatten.

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Inhalt

Danksagung. 7
Einleitung. 9

Kapitel 1
Juristisches Handeln zwischen juristischen Ideen und wirtschaftlichen Interessen. 15
1.1 Formale und materiale Rationalität in der Rechtssoziologie Max Webers. 18
1.2 Zur Logik juristischen Handelns in der Rechtssoziologie Pierre Bourdieus. 32
1.3 Untersuchungsdesign, Methode, Daten. 48

Kapitel 2
Der amerikanische Aktienrechtsdiskurs im Kontext der Unternehmensentwicklung. 53
2.1 Die Managerherrschaft im aktienrechtlichen Diskurs. 54
2.2 Das Vordringen der Märkte und die Etablierung der Finanzökonomik. 65
2.3 Die soziale Gegenbewegung und die Reetablierung des Institutionalismus. 83
2.4 Der Aufstieg der institutionellen Investoren und die Etablierung des Shareholder-Value im aktienrechtlichen Diskurs. 98
2.5 Fazit. 106

Kapitel 3
Der deutsche Aktienrechtsdiskurs im Kontext von Entstehung und Transformation des deutschen
Corporate-Governance-Systems. 109
3.1 Das deutsche Corporate-Governance-System im aktienrechtlichen Diskurs. 110
3.2 Die Auflösung der Deutschland AG im aktienrechtlichen Diskurs. 129
3.3 Fazit. 168

Kapitel 4
Aktienrechtlicher Diskurs, manageriale Präferenzen und unternehmensinterne Machtkonstellationen. 171
4.1 Die Koevolution von aktienrechtlichem Diskurs und unternehmensinternen Machtverhältnissen. 172
4.2 Die Rolle managerialer Präferenzen. 182
4.3 Zur internen Logik der Entwicklung juristischer Ideen. 191

Abkürzungen. 194
Literatur. 195


Einleitung

Spätestens seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird das wirtschaftliche
Geschehen in den entwickelten kapitalistischen Ländern von Großunternehmen
dominiert. Als Arbeitgeber bestimmen sie über das Schicksal von Millionen von
Beschäftigen. Als Großkunden entscheiden sie über das Schicksal mittelständischer
Unternehmen. Besonders in den USA sind darüber hinaus weite Teile
von Forschung und Bildung sowie Kultur auf das Engagement von Großunternehmen
angewiesen. Schließlich üben sie massiven Einfluss auf das Handeln
politischer Entscheidungsträger aus. Das Verhalten von Großunternehmen ist
daher nicht nur relevant für die wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch für
die von Gesellschaft und Politik. Tendenziell nimmt die wirtschaftliche und politische
Bedeutung von Großunternehmen sogar zu (für die USA siehe zuletzt
Pryor 2002: 238–260).
Aufgrund der vielfältigen Abhängigkeitsbeziehungen und Auswirkungen
des Verhaltens von Großunternehmen gibt es zahlreiche Akteurgruppen, die
sich darum bemühen, Einfluss auf das Verhalten ihres Führungspersonals auszuüben.
Die Corporate-Governance-Forschung untersucht vor allem, inwieweit
es den Minderheitsaktionären gelingt, die Vorstände von Aktiengesellschaften zur
Maximierung der Aktionärsrenditen zu bewegen. Bei den Minderheitsaktionären
handelt es sich heutzutage vor allem um die Betreiber von Pensions-, Investment-
und Hedgefonds. In etwas zugespitzter Form formuliert verkörpern die
Minderheitsaktionäre eine ausschließlich auf die Gewinnmaximierung ausgerichtete Wirtschaftspraxis.
Insoweit sie das Prinzip der Gewinnmaximierung repräsentieren,
stehen die Minderheitsaktionäre in Konflikt mit all jenen Akteuren, welche die
durch eine reine Gewinnorientierung zu befürchtenden Schäden zu verhindern
versuchen oder andere, mit einer reinen Gewinnorientierung schwer zu vereinbarenden
Interessen verfolgen. Ob es sich hierbei um Unternehmen handelt,
die sich zu strategischen Zwecken zusammengeschlossen haben und deshalb
eine unternehmensübergreifende Perspektive einnehmen, oder um öffentliche
Körperschaften, Gründerfamilien, Beschäftigte, Kunden, Gläubiger, Zulieferer,
Umweltschützer oder um ein kollektives Interesse an sozialem Frieden und gesellschaftlicher
Stabilität, ist hierbei zweitrangig. Entscheidend ist an dieser Stelle
zunächst nur die Tatsache, dass an der Machtstellung der Minderheitsaktionäre
abgelesen werden kann, wie groß das Gewicht einer an reinem Gewinnstreben
orientierten Wirtschaftspraxis gegenüber den gesellschaftlichen Kräften ist, die
an dessen Begrenzung interessiert sind.
Seit etwa Mitte der 1990er-Jahre gibt es in den entwickelten kapitalistischen
Ländern einen generellen Trend zur Ausweitung der Rechte von Minderheitsaktionären
(Lele/Siems 2007; Siems 2005). Neben dem Auf- beziehungsweise Ausbau eines
Kapitalmarktrechts, der Schaffung eines Übernahmerechts und der Verbesserung
von Klagemöglichkeiten vor allem für kleinere Aktionäre ist es zur Ausweitung
der Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung und der Stimmrechte
der Minderheitsaktionäre gekommen. In ihrer Gesamtheit haben diese
Maßnahmen die Stellung der Minderheitsaktionäre in den Aktiengesellschaften
gestärkt und dazu geführt, dass diese ihre Renditeinteressen in den Unternehmen
besser zur Geltung bringen können.
Bezogen auf die Makroebene lässt das relative Gewicht einer ausschließlich
an der Gewinnmaximierung orientierten Wirtschaftspraxis Rückschlüsse auf
das Verhältnis des wirtschaftlichen Systems zu den anderen Lebensbereichen
zu. Betrachtet man das Gewinnstreben als Leitprinzip moderner Wirtschaftssysteme,
gibt die relative Macht der Minderheitsaktionäre einen Hinweis auf
den Grad der Autonomie des wirtschaftlichen Systems. Max Weber bezeichnet
eine rein am Gewinnstreben orientierte und gegenüber sämtlichen anderen Einflüssen
indifferente Wirtschaftspraxis als ein formal rationales Wirtschaften (Weber
[1922]1972: 44–45). Ethische, politische sowie alle sonstigen das Gewinnstreben
potenziell beschränkenden 'wertenden Postulate' fasst Weber hingegen unter
den Begriff der materialen Rationalität. In Webers Terminologie kann das Ausmaß
der Rechte der Minderheitsaktionäre somit als Hinweis auf den Grad der formalen
Rationalität des Wirtschaftslebens betrachtet werden.
Unterstellt man, dass die Minderheitsaktionäre die Ausdehnung ihres rechtlichen
Einflussbereichs dazu nutzen, die von ihnen verfolgten Renditeinteressen
innerhalb der Unternehmen durchzusetzen, lässt sich der Trend zur Ausweitung
der Rechte von Minderheitsaktionären im Sinne einer Umkehrung des Verhältnisses
von Wirtschaft und Gesellschaft interpretieren. Dies ist insofern der Fall, als
die Ausweitung des rechtlichen Einflussbereiches der Minderheitsaktionäre auf
eine Erosion der gesellschaftlichen Vorkehrungen hinwirkt, die eine ungehinderte
Durchsetzung des Profitstrebens bislang in Grenzen gehalten haben. In
der Zuspitzung Karl Polanyis (1978: 108f.) bedeutet diese Entwicklung, dass die
industrialisierten kapitalistischen Länder in den letzten zehn bis zwanzig Jahren
der 'Teufelsmühle' eines selbst regulierenden Marktsystems ein Stück näher gekommen
sind. Insoweit die einmal aus ihren gesellschaftlichen Fesseln befreite
Profitlogik in andere gesellschaftliche Handlungsbereiche eindringt und sie öko-
nomischen Imperativen unterwirft, wäre eine Umkehrung des Verhältnisses von
Wirtschaft und Gesellschaft zu erwarten. Käme ein solcher Prozess zu seinem
Abschluss, wäre die vollständige 'Zerstörung der Gesellschaft' die unvermeidliche
Konsequenz (Polanyi 1978: 108).
Was die Frage nach den Ursachen für die Ausweitung des rechtlichen Einflussbereichs
der Minderheitsaktionäre anbetrifft, wurden bislang vor allem die
im politischen System agierenden Akteure in ihrer Beziehung zu den wirtschaftlichen
Akteuren untersucht. Dabei wurde unter anderem auf die Bedeutung von
Mitte-Links-Parteien (Cioffi/Höpner 2006a; Höpner 2007b), die Rolle politischer
Institutionen (Gourevitch/Shinn 2005; Tiberghien 2007) sowie auf den
Einfluss von Eigentümerstrukturen (Callaghan 2009) hingewiesen. Während
sich die genannten Ansätze mit dem Verhalten von Regierungen auseinandersetzen,
geht es im vorliegenden Buch um die Frage, welche Rolle die juristische Profession
bei den Reformen im Aktienrecht gespielt hat. Mit diesem Fokus soll nicht behauptet
werden, dass die Regierungstätigkeit lediglich ein Anhängsel juristischer Prozesse
ist oder dass die zitierten Studien unwichtig sind. Zweifelsohne stellen die
Untersuchungen zur Regierungstätigkeit einen wichtigen Beitrag zum näheren
Verständnis der Entwicklung der Rechte von Minderheitsaktionären dar. Die
hier vorgelegte Studie tritt somit nicht in Konkurrenz zu diesen, sondern versteht
sich vielmehr als deren Ergänzung.
Notwendig erscheint diese vor allem deshalb, weil die legislativen Prozesse
Teil eines Komplexes von Interaktionsbeziehungen sind, an denen neben einer
Reihe weiterer Akteure auch Gerichte, rechtswissenschaftliche Fakultäten,
Anwaltskanzleien sowie Einrichtungen zur Beratung der Regierungen beteiligt
sind. So entwickeln die Rechtsanwälte im Auftrag ihrer Klienten innovative
Rechtskonstrukte, über deren Legalität vor Gericht entschieden werden muss.
Die Rechtswissenschaftler bemühen sich darum, die von den Gerichten getroffenen
Entscheidungen zu systematisieren und speisen die Dogmatiken wieder
in die Rechtsprechung ein. Gleichzeitig artikulieren sie – zum Beispiel über den
Deutschen Juristentag oder über Kommissionen – den von ihnen festgestellten
Reformbedarf gegenüber dem Bundesjustizministerium oder anderen Teilen
der Exekutive. Ein umfassenderes Verständnis rechtlicher Reformprozesse ist
demnach dadurch zu erreichen, dass die Regierungstätigkeit, die zur Ausweitung
der Rechte von Minderheitsaktionären beigetragen hat, im Kontext eines juristischen
Diskurses betrachtet wird, an dem neben Regierung und Parlament auch die
juristische Profession maßgeblich beteiligt ist.
Aus soziologischer Sicht verlangt die Analyse des juristischen Diskurses eine
nähere Bestimmung der dem Handeln der Juristen zugrunde liegenden Orientierungen.
Zu diesem Zwecke wird in diesem Buch ein handlungstheoretisches
Fundament geschaffen, das die interpretativen Praktiken juristischer Akteure
der soziologischen Deutung zugängig macht. Als theoretischer Rahmen dient
hierbei eine Kombination der rechtssoziologischen Arbeiten von Max Weber
und Pierre Bourdieu (siehe Kapitel 1). Diese beiden Ansätze erscheinen vor
allem deshalb fruchtbar für die Analyse des juristischen Diskurses, weil sie die
juristische Tätigkeit weder rechtspositivistisch auf einen autoreferenziellen, allein
auf die interne Logik des Rechts reduzierten Prozess verkürzen, noch von
einer stromlinienförmigen Determination des juristischen Geschehens durch
ökonomische Interessen ausgehen. Anstatt den jeweiligen Engführungen von
Positivismus und ökonomistischem Reduktionismus zu verfallen, situieren sowohl
Max Weber als auch Pierre Bourdieu die juristische Praxis in einem aus
juristischen Ideen und wirtschaftlichen Interessen bestehenden Spannungsfeld. In welche
Richtung Juristen das Recht fortbilden, geht demnach weder eindeutig aus
rein rechtsimmanenten Faktoren hervor, noch wird sie durch rechtsexterne
Kräfte determiniert. In der Terminologie Max Webers sind die interpretativen
Praktiken juristischer Akteure in einem 'unüberbrückbaren Gegensatz zwischen
formaler und materialer Rationalität' zu betrachten. Zwar hat der Prozess der
formalen Rationalisierung des Rechts die rechtsinternen Anforderungen an das
juristische Handeln innerhalb der modernen kontinentaleuropäischen Gesellschaften
gestärkt. Gleichwohl weist Weber darauf hin, dass sich die von außen
an die juristischen Akteure herangetragenen materiellen Anforderungen nicht
gänzlich ausschalten lassen.


Philipp Klages ist Post-Doktorand am Graduiertenkolleg "Märkte und Sozialräume in Europa" an der Universität Bamberg.



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