Klein / Kannicht | Einführung in die Praxis der systemischen Therapie und Beratung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 116 Seiten

Reihe: Carl-Auer Compact

Klein / Kannicht Einführung in die Praxis der systemischen Therapie und Beratung


4. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8497-8229-0
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 116 Seiten

Reihe: Carl-Auer Compact

ISBN: 978-3-8497-8229-0
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was ist aus systemischer Sicht ein Problem? Wie stößt man Veränderungen an und was ist dabei zu bedenken? Und: Wie arbeiten Therapeuten und Berater?

Diese Einführung gibt eine verständliche Übersicht über bekannte Aspekte, aber auch neue Konzepte für die Praxis systemischer Therapie und Beratung. Die Autoren stellen zentrale Ideen der systemischen Arbeit vor und demonstrieren ihre Umsetzung von der Auftragskonstruktion bis zur Intervention.

Anhand von exemplarischen Interviews werden spezielle systemische Methoden wie lösungsorientiertes Arbeiten, zirkuläres Fragen und Externalisierung erläutert. Der Leser erhält so einen schnellen und kompakten Überblick über die Grundzüge der Praxis der systemischen Therapie und Beratung. Das Buch bildet damit eine hervorragende Ergänzung zu Kurt Ludewigs "Einführung in die theoretischen Grundlagen der systemischen Therapie".

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1. Probleme: Ihre Bedeutung in der systemischen Therapie und Beratung
Der Ausgangs- und zugleich Dreh- und Angelpunkt für systemtherapeutische Bemühungen ist ein „Problem“ oder eine „Störung“. Ohne Probleme würde man weder über Lösungen noch über Therapien nachdenken, geschweige denn darüber sprechen. Bevor eine Annäherung an die Frage erfolgen kann, was in der systemischen Therapie unter einem Problem verstanden wird, müssen einige systemtheoretische Überlegungen vorgeschaltet werden. 1.1Systemtheoretische Überlegungen
In der modernen Systemtheorie geht man bei der Betrachtung lebender Systeme von einer auf den ersten Blick merkwürdig erscheinenden Position aus: der Unterscheidung von biologischen, psychischen und sozialen Systemen (Luhmann 1991). Damit ist gemeint, dass Menschen drei Systemebenen repräsentieren und jedes dieser Systeme eine eigene Arbeits- oder Operationsweise hat. Die Operationen der drei Systeme können folgendermaßen unterschieden werden: Das biologische System verwirklicht sich durch chemisch-physikalische Prozesse. Diese führen zum Aufbau biologischer Strukturen, die dazu dienen, das biologische Leben und Überleben zu sichern. Das psychische System verwirklicht sich durch kognitiv-emotionale Prozesse und entwickelt kognitiv-emotionale Erlebens- und Sinnstrukturen, die Orientierung geben und dadurch auch die eigenen Möglichkeiten begrenzen können. Das soziale System verwirklicht sich durch kommunikative Prozesse, die bestimmte Kommunikationsabläufe wahrscheinlicher machen als andere und so den Aufbau kommunikativer Muster ermöglichen.1 Jedes dieser drei Systeme vollzieht seine Operationen der jeweiligen inneren Struktur entsprechend, also strukturdeterminiert (Maturana 1985; Maturana u. Varela 1987) und autonom. Dennoch kann kein System ohne die jeweils anderen existieren. Psychische Prozesse ohne biologische Grundlagen und kommunikative Abläufe sind genauso wenig denkbar wie kommunikative Prozesse ohne psychische Abläufe und biologische Grundlagen. Daher entfällt in dieser Konzeption die Idee einer biologischen, psychischen oder sozialen Dominanz. Die Systeme stellen vielmehr – und das ist die zweite ungewöhnliche Sichtweise – Umwelten füreinander dar. Dieses System-Umwelt-Verhältnis wird mit dem Begriff der strukturellen Koppelung (Maturana u. Varela 1987) bezeichnet. D. h., die parallel in den jeweiligen Systemen ablaufenden autonomen Operationen führen zwar über eine Koppelung der jeweiligen Strukturen zu wechselseitigen Beeinflussungen bzw. Irritationen. Allerdings kann kein System die Auswirkungen in den jeweils anderen Systemen einseitig festlegen: Das psychische System kann die chemisch-physikalischen Abläufe im biologischen System nicht steuern. Das kommunikative System kann nicht bestimmen, was das psychische System denkt oder fühlt, und das biologische System kann die kommunikativen Muster nicht festlegen. Es sind die vorhandenen internen Systemstrukturen, die bestimmen, welche Auswirkungen Irritationen haben und welche nicht. Diese theoretische Grundkonstruktion, von Maturana und Varela (ebd.) die Theorie der Autopoiese genannt, hat weitreichende Konsequenzen: •Lebende Systeme sind strukturdeterminierte Systeme. •Das biologische, das psychische und das soziale System stehen durch strukturelle Koppelungsprozesse in einem System-Umwelt-Verhältnis zueinander. •Die jeweilige Umwelt kann ausschließlich auf der Grundlage der eigenen inneren Struktur verarbeitet werden. •Die Wirkungen zwischen den Systemen sind nicht einseitig und gezielt steuerbar. •Lebende Systeme haben keinen direkten Zugang zu ihrer Umwelt und können daher keine „objektiv richtigen“ Schlüsse bezüglich ihrer Umwelt ziehen. Nach dieser kurzen2, aber unerlässlichen Darstellung systemtheoretischer Grundlagen soll nun untersucht werden, welche Konsequenzen diese für die Frage haben, was unter einem „Problem“ verstanden werden kann. 1.2Beobachter und Beobachtungen
Der Gebrauch der Bezeichnung „Problem“ ist systemtheoretisch ein sehr komplexer Vorgang. Von einem Problem sprechen zu können setzt nämlich verschiedene Operationen voraus: Zunächst muss eine Unterscheidung getroffen werden. Diese Unterscheidung wird von Beobachtern vorgenommen. Dazu konzentrieren sich Beobachter auf ein bestimmtes Beobachtungsziel, das im Zuge des Unterscheidens benannt wird. So können Beobachter ihre eigenen Zustände und Handlungen beobachten und benennen. Sie können aber auch Ereignisse unterscheiden und benennen, die in der Umwelt der Beobachter liegen. Beobachter können sich z. B. auf das eigene oder fremde Körpergewicht, auf die eigenen Denk- und Fühlweisen oder auf spezifische Handlungsabfolgen wie z. B. das eigene Erziehungsverhalten oder das der Partner beziehen. Und sie können darauf achten, ob diese fremden oder eigenen Zustände und Ereignisse einmalig, mehrmalig, oft oder immer auftreten. Ob sie an spezielle Orte und/oder an bestimmte Personen gebunden zu sein scheinen. Mit dem Beobachten ist ein wichtiger, oft übersehener Effekt untrennbar verbunden: Beobachter konzentrieren sich auf die von ihnen unterschiedenen Ereignisse oder Zustände. Gleichzeitig verblassen demgegenüber die nichtbeobachteten Zustände oder Ereignisse. Es entstehen sogenannte „markierte“ und „unmarkierte“ Beobachtungsbereiche (Simon 1988). Werden diese Beobachtungen wiederholt, entsteht ein Wiedererkennungseffekt, der spezifische Beobachtungsstrukturen einspurt und andere, potenziell ebenfalls mögliche Beobachtungsstrukturen ausschließt. Beobachter sind somit nicht etwa Zuständen und Ereignissen passiv ausgesetzt, sondern sie stellen sie aufgrund eigener Unterscheidungskriterien aktiv her. 1.3Bewertungen und Erklärungen von Lebensproblemen
Auf diese Art kreierte Zustands- oder Ereignisabfolgen können nun durch einen Vergleich von Ist- und Soll-Abweichungen bewertet werden. Selbstverständlich sind dabei auch historischkulturelle Wertmaßstäbe von Bedeutung, da die Fragen, ob jemand sich oder andere als „zu dick“, „faul“ oder irgendwie anders bewertet, ganz entscheidend von kulturellen Standards abhängen. Parallel werden Bewertungen immer und prinzipiell affektiv aufgeladen, da Bewerten ohne Fühlen nicht möglich ist. Dies betrifft sowohl nichtklinische3 als auch klinische Phänomene (Watzlawick 1992; Simon 1995; Klein 2002). Probleme existieren in dieser Betrachtungsweise also erst dann, wenn – auf der Grundlage historisch-kulturell geprägter Werte – Beobachter eine negativ bewertete Ist-Soll-Abweichung konstatieren. Allerdings ist damit noch unklar, ob und, falls ja, welche Maßnahmen zur Problemlösung ergriffen werden sollen. Hierbei können Erklärungen orientierunggebend fungieren. Allerdings können sehr unterschiedliche Erklärungen für Probleme herangezogen werden. Biologische und/oder psychische und/oder soziale Ansätze lassen sich in Betracht ziehen. Je nach Erklärungsansatz und subjektiver Theorie kommen entsprechend unterschiedliche Problemlösestrategien zum Einsatz. Ob die geoder erfundenen Erklärungen zu hilfreichen Problemlösestrategien führen, ist zu diesem Zeitpunkt nicht abschätzbar. Das auf diese Art beschreibbare Problemerleben hinterlässt neben den psychischen immer auch Spuren im biologischen System. Auf diese Besonderheit haben in den letzten Jahren v. a. hirnphysiologische Untersuchungen hingewiesen (Ciompi 1999; Hüther 2001; Damasio 1997). Das Zusammenspiel von Beobachtungs-, Bewertungs- und Handlungsmustern führt zu individuell unterschiedlichen neurologischen Einspurungen, die umgekehrt das Abrufen gleicher Denk-, Fühl- und Handlungschoreografien begünstigen. Ein stabiles, eng gekoppeltes, zirkulär organisiertes Problemmuster etabliert sich mit der Konsequenz, dass Beobachter nicht entscheiden können, wie das beobachtete Phänomen wirklich ist, sondern als was es ihnen erscheint: als Problem. Beobachter machen sich nicht etwa ein Bild von der Welt, sondern die eigenen Beschreibungs-, Bewertungs- und Erklärungsmuster schaffen „eine Welt von einem Bild“ (von Foerster u. Bröcker 2002, S. 115). Wichtig ist, dass sich die beschriebenen Abläufe der Problemerzeugung bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich im psychischen und biologischen System der Beobachter vollziehen. Sie existieren noch nicht im sozialen System, da sie noch nicht kommuniziert wurden – weder mit Angehörigen noch mit Therapeuten. Es handelt sich (noch) um sogenannte Lebensprobleme (Ludewig 2002, 2005). Diese können zwar systemtherapeutisch relevant werden, jedoch erst dann, wenn Klienten die Begegnung mit Therapeuten suchen und in dieser Begegnung Kommunikation...


Rudolf Klein Dr. phil., Studium der Sozialpädagogik; Tätigkeit als Gruppentherapeut in einer Klinik für Alkohol- und Medikamentenabhängige; Mitarbeiter einer ambulanten psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle mit dem Schwerpunkt Sucht; Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut; seit 2004 in freier Praxis tätig; Lehrtherapeut und Lehrender Supervisor der Saarländischen Gesellschaft für Systemische Therapie (SGST) und der Systemischen Gesellschaft (SG); Lehrtherapeut des Wieslocher Instituts für systemische Lösungen (wisl); Gastdozenturen in Luxemburg, Österreich, Polen, Russland, Schweiz, Ukraine.

Andreas Kannicht, Dr. phil., Dipl.-Päd., Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Systemischer Therapeut (IGST), Lehrtherapeut der Systemischen Gesellschaft (SG). Seit 2001 selbstständig als Berater, Coach, Therapeut, Supervisor und Ausbilder in verschiedenen Curricula im Bereich systemischer Beratung und Therapie.
1979–1987 Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Universität Würzburg, 1988–1994 Leiter des Zentrums für Frühförderung in Landstuhl, 1995–2001 Leiter der Reha-Westpfalz in Landstuhl.



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