Buch, Deutsch, Band 15, 279 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 213 mm, Gewicht: 354 g
Universitäten, Krankenkassen und andere öffentliche Körperschaften
Buch, Deutsch, Band 15, 279 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 213 mm, Gewicht: 354 g
Reihe: Schriften des Zentrums für Sozialpolitik Bremen
ISBN: 978-3-593-38596-9
Verlag: Campus
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Regierungspolitik Sozialpolitik
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Systeme Verwaltungswissenschaft, Öffentliche Verwaltung
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Systeme Kommunal-, Regional-, und Landespolitik
- Rechtswissenschaften Öffentliches Recht Verwaltungsrecht Verwaltungsorganisation und -politik, Verwaltungslehre
- Rechtswissenschaften Öffentliches Recht Verwaltungsrecht Verwaltungspraxis Public Management
- Rechtswissenschaften Öffentliches Recht Verwaltungsrecht Verwaltungspraxis Kommunal- und Regionalverwaltung
Weitere Infos & Material
1 Zur Einführung
1.1 Neue Leitungsmodelle in der funktionalen Selbstverwaltung
1.2 Leitungsreform - (k)ein Handlungsfeld der Staats- und Verwaltungsmodernisierung?
1.3 Leitungsreformen bei Selbstverwaltungsträgern - Forschungsfragen und Forschungsziele
1.4 Funktional verselbstständigte Verwaltungseinheiten als Untersuchungsfeld
1.5 Methodische Vorgehensweise
1.6 Gliederung der Arbeit und Verlauf der Argumentation
2 Funktionale Selbstverwaltung - Charakteristika eines Verwaltungstypus aus verwaltungsrechtlicher und organisationssoziologischer Perspektive
2.1 Zum Begriff der funktionalen Selbstverwaltung
2.1 Selbstverwaltungsträger als hybride Organisationen
3 Leitungsstrukturen von Selbstverwaltungsträgern
3.1 Aspekte der äußeren Leitungsverfassung
3.1.1 Rechtsformen funktional verselbstständigter Verwaltungsträger
3.1.2 Verhältnis zum Staat im engeren Sinne
3.1.3 Verhältnis zu den Mitgliedern
3.1.4 Verhältnis zur Zivilgesellschaft und zur Wirtschaft
3.2 Aspekte der inneren Leitungsverfassung
3.2.1 Formen der Aufgabenteilung
3.2.2 Akteurskonstellationen im Leitungsorgan
3.2.3 Regeln der Entscheidungsfindung und Verteilung
der Entscheidungsrechte
4 Zur Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung
4.1 Legitimationsmuster der funktionalen Selbstverwaltung
4.2 Funktions- und Legitimationsdefizite des Selbstverwaltungsmodells
4.2.1 Hohe Entscheidungskosten
4.2.2 Fehlende Verantwortlichkeit und schwach ausgeprägte Kontrollmechanismen
4.2.3 Mangelnde Professionalität aufgrund von Ehrenamtlichkeit
4.2.4 Selbstverwaltung im Spannungsfeld von individueller und korporativer Partizipation
4.2.5 Wahlen ohne Alternativen
4.2.6 Oligarchische Tendenzen in formal demokratischen Organisationen
4.2.7 Selbstverwaltungsträger - Vertreter von Partikular- oder Allgemeininteressen?
4.2.8. Eingeschränkte korporative Autonomie
4.3 Zwischenfazit: Funktions- und Legitimationsdefizite der funktionalen Selbstverwaltung
5 Entwicklungsszenarien der funktionalen Selbstverwaltung
6 Leitungsstrukturen und Leitungsreformen an Hochschulen
6.1 Entwicklung der äußeren Universitätsverfassung
6.1.1 Die deutsche Universität - zwischen Autonomie und staatlicher Heteronomie
6.1.2 Entstaatlichung durch Rechtsformwandel
6.1.3 Hochschulräte - gesellschaftliche Öffnung der Hochschulsteuerung
6.2 Die Entwicklung der Binnenverfassung der Universität
6.2.1 Von der Genossenschaft zur Ordinarienuniversität
6.2.2 Leitungsreformen in den 1970er Jahren: von der hierarchischen zur partizipativen Steuerung
6.2.3 Leitungsreformen ab 1998: effizienzorientierte Modernisierung
7 Neue Leitungsmodelle in Universitätskliniken
7.1 Universitätskliniken - Organisationen im Spannungsfeld von Forschung, Lehre und Krankenversorgung
7.2 Zur historischen Entwicklung von Universitätskliniken
7.3 Willensbildung und Entscheidungsfindung an Universitätskliniken - zwischen dem Gebot der Wissenschaftsfreiheit und dem Gebot der effizieten Krankenversorgung
7.4 Organisationsreformdiskussionen in der Hochschulmedizin
7.5 Neue Organisationsmodelle für Universitätskliniken
7.5.1 Mehr Autonomie durch Rechtsformwandel
7.5.2 Trennung zwischen Führungs-, Aufsichts- und Kontrolltätigkeiten
7.5.3 Kooperation Klinikum - Fakultät
7.5.4 Gestaltung der Finanzströme zwischen Klinikum und Fachbereich
7.6 Der Reorganisationsprozess aus Sicht der betroffenen und beteiligten Akteure
7.7 Das Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH: privatisierte Klinik mit korporativen und anstaltlichen Elementen
8 Studentenwerke
8.1 Aufgaben und Strukturen von Studentenwerken
8.2 Von Selbsthilfeeinrichtungen zu modernen Dienstleistungsunternehmen
8.3 Neue Leitungsmodelle für Studentenwerke - das Beispiel Hamburg
8.3.1 Studentenwerke - staatliche oder universitäre Trägerschaft?
8.3.2 Sicherstellung und Verbesserung der wirtschaftlichen Orientierung des Studierendenwerks
8.3.3 Rolle der Studierenden: stimmberechtigte Mitglieder oder Kunden?
8.4 Fazit: Studentenwerke als selbstverwaltete Non-Profit-Unternehmen
9 Selbstverwaltung im Gesundheitswesen: Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen und die gemeinsame Selbstverwaltung
9.1 Selbstverwaltung in den gesetzlichen Krankenkassen
9.1.1 Historische Entwicklung des Krankenversicherungssystems
9.1.2 Das Leitungsmodell der gesetzlichen Krankenkassen bis 1996
9.1.3 Die Organisationsverfassung der gesetzlichen Krankenkassen ab 1996
9.1.4 Von der bürokratischen Selbstverwaltungsorganisation zum kompetitiven Versicherungsunternehmen - Konsequenzen der Leitungsreform
9.2 Die ärztliche Selbstverwaltung
9.2.1 Kassenärztliche Vereinigungen
9.2.2 Kritik an der ärztlichen Selbstverwaltung
9.2.3 Innere und äußere Strukturreformen
9.2.4 Reform der Leitungsstrukturen der Kassenärztlichen Vereinigungen - das Beispiel Schleswig-Holstein
9.2.5 Fazit: inkrementelle Weiterentwicklung zur professionalisierten Selbstverwaltungsorganisation
9.3 Gemeinsame Selbstverwaltung
10 Die Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung
10.1 Die institutionellen Charakteristika der GRV vor der Organisationsreform
10.2 Hintergründe und Ursachen der Organisationsreform
10.2.1 Wirtschaftlicher Strukturwandel und seine Auswirkungen auf die Organisationsstruktur der GRV
10.2.2 Föderale versus zentrale Organisation des Sozialstaats
10.2.3 Die neue Organisationsstruktur der gesetzlichen Rentenversicherung
10.2.4 Konfliktfelder im Organisationsreformprozess
10.2.5 Das RVOrgG: zwischen organisatorischem Aufbruch und inkrementeller Weiterentwicklung
11 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
11.1 Leitungsreformen im Vergleich - sektorübergreifende Trends der Modernisierung von Leitungsstrukturen
11.1.1 Hierarchisierung und Dezentralisierung - Reformtrends im Verhältnis zum Staat
11.1.2 Das Mitglied als Kunde
11.1.3 Reformtrends im Verhältnis zur Zivilgesellschaft und zur Wirtschaft
11.1.4 Dominante Entwicklungen bei der Reorganisation der Binnenstruktur
11.2 Reichweite und Veränderungswirkung der Selbstverwaltungsreformen
11.2.1 Effizienzorientierte Erneuerung der Entscheidungsstrukturen
11.2.2 Begrenzte Problemlösung
11.2.3 Ausblendung der Funktionsprobleme der ehrenamtlichen Selbstverwaltung
11.2.4 Entpolitisierung der funktionalen Selbstverwaltung
11.3 Von den Erfahrungen anderer lernen - Leitungsreformen im kommunalen und privaten Sektor
11.3.1 Von der Dienstleistungs- zur Bürgerkommune: Reformkorrekturen in der kommunalen Verwaltungsmodernisierung
11.3.2 Mit dem Vorstand-Aufsichtsratsmodell zu mehr Leitungseffizienz? Oder: Was die Verwaltungsmodernisierung von der Corporate Governance-Diskussion lernen könnte
11.4 Funktionale Selbstverwaltung gestern, heute - und morgen? Überlegungen zur Zukunft der funktionalen Selbstverwaltung
Literatur
Verwaltung ist, wie Max Weber es formuliert, Herrschaft im Alltag (Weber 1972: 126). Sie gehört zum exekutiven Teil der politischen Ordnung und bedarf in einer demokratischen Gesellschaftsordnung ebenso wie die ande-ren Teilelemente des politischen Systems, in denen öffentliche Gewalt ausgeübt und kollektiv bindende Entscheidungen getroffen werden, der Legitimation. Die Anerkennung einer politisch-administrativen Ordnung kann auf unterschiedlichen Geltungsgründen basieren: auf Zwang, Traditi-on, pragmatischem oder strategischem Sich-Fügen oder aber auf (demo-kratischer) Legitimation.
Legitimation bzw. Legitimität zählen zu den Schlüsselkategorien so-wohl der Rechts- als auch der Politikwissenschaft. In einem normativen Sinne bezeichnet der Begriff der Legitimität die Anerkennungswürdigkeit einer politisch-administrativen Ordnung vor dem Hintergrund bestimmter Prinzipien. Als empirische Kategorie beschreibt Legitimation dagegen die faktische Anerkennung eines Herrschaftssystems. Diese begriffliche Unter-scheidung wird in der Literatur aber nicht durchgehend eingehalten. Im empirischen Sinne basiert Legitimation auf den Legitimitätsüberzeugungen oder dem Legitimitätsglauben der betreffenden Akteure. Diese Legitimi-tätsüberzeugungen unterliegen dem historischen Wandel und können je nach politischem oder kulturellem Kontext variieren. Von faktischer Aner-kennung einer Ordnung als legitim kann man nur sprechen, wenn ein Min-destmaß an Freiwilligkeit, Bewusstheit und normativer Prägung der Ord-nungsanerkennung vorhanden ist. Wirkliche Akzeptanz kann weder durch Zwang oder Drohung hergestellt werden noch ausschließlich auf einer unreflektierten Befolgung von Traditionen und Gewohnheiten beruhen. Als legitim gilt eine politisch-administrative Ordnung dann, wenn sie sich auf eine in diesem Sinne begründete Akzeptanz der betroffenen und betei-ligten Akteure stützen kann (Wiesner et al. 2006).
Damit ein bestimmter Verwaltungstypus und die von seinen Organen getroffenen Entscheidungen als legitim anerkannt werden (können), ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive die Übereinstimmung dieser Institution und ihrer prozessualen Regeln mit der geltenden Herrschaftsordnung von Be-deutung. Im Grundgesetz kommt dabei dem in Art. 20 II 1 GG veranker-ten Demokratieprinzip eine zentrale Stellung zu (Emde 1991; Kluth 1997). Der dort zum Ausdruck kommende Gedanke der Volkssouveränität - alle Staatsgewalt geht vom Volke aus - verlangt, dass jede Ausübung von Staatsgewalt durch staatliche Organe vom Volke abgeleitet ist. Das Volk ist der substantielle Träger der Staatsgewalt, staatliche Organe und Amtswalter handeln nur treuhänderisch im Namen des Volkes. Jedes amtliche Handeln muss durch das Legitimationssubjekt - das Volk - legitimiert sein. Dabei lassen sich zwei Legitimationsformen unterscheiden. Das Prinzip der per-sonellen Legitimation sieht vor, dass staatliche Entscheidungsträger ihre Stellung direkt auf das Volk zurückführen können. Amtsträger, die staatli-che Aufgaben wahrnehmen, müssen vom Volk bzw. vom Parlament gewählt oder aber von einem gewählten Amtsträger bestellt sein. Die per-sonelle Legitimation ist dann gegeben, wenn sich eine ununterbrochene "Legitimationskette" zum Volk rekonstruieren lässt. Die materielle Legiti-mation der Entscheidungen ist hingegen gegeben, wenn der Inhalt der Staatstätigkeit auf den Willen des Volkes rückführbar ist. Das Grundgesetz sieht unterschiedliche Mechanismen vor, um die materielle Legitimation sicherzustellen. Zum einen sind alle staatlichen Organe und Amtswalter an die beschlossenen Gesetze gebunden. Sie sind zum anderen weisungsab-hängig und ihr Handeln untersteht der Kontrolle der staatlichen Aufsichts-organe (Emde 1991: 34f.). Die beiden Legitimationsformen stehen in ei-nem engen Verhältnis: Sie können sich wechselseitig bis zu einem gewissen Grad substituieren, allerdings nicht vollständig ersetzen (Wolff/Bachof/ Stober 2004: 136ff.).
Der Verwaltungstypus, der dem im Grundgesetz skizzierten Demokra-tiemodell am nächsten kommt, ist die hierarchisch gegliederte Ministerial-verwaltung. Sie gilt als Idealtypus der demokratischen Verwaltung. Funkti-onal verselbstständigte Verwaltungseinheiten, die aus der Hierarchie der Ministerialverwaltung ausgegliedert sind, in eigenem Namen handeln und an deren Entscheidungsprozessen in vielen Fällen private Akteure beteiligt sind, weichen vom Demokratiemodell des Grundgesetzes ab und nutzen andere Legitimationsmechanismen. Dies wird nicht nur daran deutlich, dass die Selbstverwaltungsakteure weisungsfrei handeln und in der Regel nur der Rechtsaufsicht unterstehen. Die Träger der funktionalen Selbst-verwaltung verfügen darüber hinaus über eigenständige "Parlamente", deren Repräsentanten entweder von den Organisationsmitgliedern gewählt oder von definierten gesellschaftlichen Gruppen entsandt werden. Die Entscheidungsträger in der funktionalen Selbstverwaltung erhalten ihre Legitimation also nicht durch das gesamte Volk, sondern lediglich durch ein "Teilvolk" - ein Verfahren, das, wie im folgenden Kapitel gezeigt wer-den wird, in den Rechtswissenschaften zum Teil sehr kritisch betrachtet wird.
Im Unterschied zur Rechtswissenschaft sind in der Politikwissenschaft normative und empirische Perspektiven auf Legitimität bzw. Legitimation präsent. In normativer Betrachtungsweise (Anerkennungswürdigkeit einer politischen Ordnung) spielen Rechtmäßigkeit und Legalität auch in der politikwissenschaftlichen Legitimationsdebatte eine Rolle. Jedoch reflektiert die Demokratietheorie auf die Gesamtheit der Bedingungen, unter denen eine politische Ordnung als demokratisch und damit als legitim anerkannt wer-den kann. Neuere politikwissenschaftliche Ansätze im Übergangsfeld von normativer und empirischer Legitimationsforschung unterscheiden zwi-schen einer input- und einer outputorientierten Dimension demokratischer Legitimation (Scharpf 1999, 1970). Die input-orientierte Perspektive be-schreibt bzw. bewertet die Legitimation eines politisch-administrativen Systems anhand der institutionellen Strukturen zur Willensbildung und Entscheidungsfindung. Demokratisch-legitim ist ein institutionelles Arran-gement dann, wenn es den Akteuren hinreichende Chancen zur Partizipa-tion bietet und sie die Möglichkeit haben, vorgeschlagenen Maßnahmen zuzustimmen, sie abzulehnen oder ihren Inhalt zu beeinflussen. Neben offenen Partizipationsprozessen sind auch die Transparenz des Entschei-dungsprozesses und die Möglichkeit, Entscheidungen einem Entschei-dungsträger zuzurechnen und von diesem Rechenschaft einzufordern, für die demokratische Legitimation von Relevanz. Bei der output-orientierten Dimension wird die Legitimation der Ordnung hingegen an den Ergebnis-sen des politisch-administrativen Handelns gemessen: Eine kollektiv ver-bindliche Entscheidung ist dann legitim, wenn sie zur Steigerung des Ge-meinwohls beiträgt. Die Bewertung der Output-Legitimation erfolgt im Wesentlichen über die Kriterien der Effizienz und Effektivität. Gemein-wohl fördernd und damit anerkennungswürdig ist ein institutionelles Ar-rangement aber auch, wenn es zur Stabilität der demokratischen Ordnung beiträgt, die Identifikation der Bürger mit der Ordnung unterstützt, die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers schützt und sie zu einer eigenver-antwortlichen Problemlösung befähigt. Input- und outputorientierte Legi-timation sind zwei unterschiedliche, aber gemäß rezipierter Demokratie-theorien komplementäre Dimensionen der demokratischen Legitimation (Scharpf 1999: 16). In empirischer Perspektive kann diese Einteilung ge-nutzt werden, um zu analysieren, auf welche Gründe und Muster Bürge-rInnen oder die Öffentlichkeit zurückgreifen, um eine politische Ordnung als legitim bzw. illegitim zu beurteilen (Wiesner et al. 2006).