E-Book, Deutsch, 334 Seiten
Klewer / Grom / Ludwig Knochenzart
Erstauflage 2019
ISBN: 978-3-96724-448-9
Verlag: Karina Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 334 Seiten
ISBN: 978-3-96724-448-9
Verlag: Karina Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hexen, Bankräuber, Kannibalen, Punks?Die außergewöhnliche Themenmischung erdacht von achtzehn Autorinnen und Autoren aus Österreich, Deutschland und der Schweiz überrascht sowohl mit Fantastik, als auch Grusel, Spannung und Humor. Da befinden sich der Earl von Gaudibert und seine Gemahlin Gann in der Gesellschaft Reisender, die sich die Wartezeit mit der Erzählung skurriler Gruselgeschichten vertreiben aber handelt es sich wirklich um Gruselgeschichten?An anderem Ort wird ein Hardboiled-Detective auf die mysteriöse Spur der Fische angesetzt Einen hartgesottenen Veteranen ereilt auf einem verdammten Planeten sein klimatogrünes Wunder Und was treibt derweil eigentlich Dreadface, der Mann mit der Mistgabel?Lassen Sie sich verführen zu einem Leseerlebnis der besonderen Art
Detlef Klewer: Zahlreiche Artikel in Kino-Magazinen wie Vampir, Film-Illustrierte und Moviestar, sowie fünf Sachbücher zum Thema 'Horrorfilm'. Das letzte Werk 'Die Kinder der Nacht - Vampire in Film und Literatur' erhielt als bestes Fachbuch des Jahres den Virus-Award 2007. Seit 2011 verfasst er Fantasy-, Mystery- Horror-, Steam-punk- und Science Fiction-Geschichten, die in diversen Anthologien verschiedener Verlage erscheinen. Seit 2015 ist er auch als Herausgeber im Horror- und SF-Genre tätig. Erste Veröffentlichungen seiner Comics und Illustrationen erfolgten bereits in den 70er Jahren in Alternativzeitschriften. Geadelt durch den Abdruck eines mehrseitigen Comics im Kultmagazin 'Schwermetall' liegt der Schwerpunkt seiner Arbeit als selbstständiger Coverdesigner, Illustrator und preisgekrönter Comiczeichner heute in der Gestaltung von Buch-, CD-und DVD-Covern, sowie der Anfertigung von Buchillustrationen und Comics.
Autoren/Hrsg.
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Der Frühling des Jahres 1896 verdiente diese Bezeichnung nicht. Bis weit in den März verbarg sich die Sonne hinter dichten grauen Wolken, aus denen es sich wahlweise fest oder flüssig ergoss. Nun, am 30. April, schien es, als habe sich die Natur endgültig entschieden, das von vielen Weltuntergangspropheten zum bevorstehenden 20. Jahrhundert vorhergesagte Inferno um vier Jahre vorzuverlegen. An diesem Nachmittag startete eine kleine Fähre von der Kanalinsel Alderney in Richtung englische Küste. Heftiger Seegang sorgte jedoch dafür, dass der Kapitän bereits nach wenigen Seemeilen befahl, an einer der kleineren vorgelagerten Inseln vor Anker zu gehen, um ruhigere See abzuwarten. An eine Weiterreise war in dieser Nacht beim besten Willen nicht zu denken. So gingen die Gestrandeten dankbar auf das Angebot des Gastwirtes der einzigen Schänke dieses Eilands ein, die Nacht in seinen Räumlichkeiten zu verbringen. Während er selbst das Feuer im Gastraum anheizte, hieß der Wirt das Hausmädchen Tiffany – eine hübsche junge Frau von kaum mehr als 16 Lenzen – die Zimmer zu richten und den Gästen heißen Grog zu servieren. Vor dem prasselnden Kaminfeuer fanden sich zwei Frauen – die eine jung, spindeldürr und recht nervös, die zweite wohl schon jenseits ihres 60. Lebensjahres, mit zu strengem Dutt gebundenem grauem Haar. Ihr Begleiter – augenscheinlich gehörten diese drei zusammen – war ein beleibter älterer Herr mit freundlichen grauen Augen unter buschigen Brauen. Das Revers seines Jacketts präsentierte einen großen roten Fleck, der wahrscheinlich auf seinen Lunch schließen ließ. Ihnen gegenüber nahmen eine Frau und ein Mann Platz. Während er das Musterbeispiel eines englischen Gentlemans abgab – ein wenig steif und in sich gekehrt wirkend – zog das exotische Äußere der jungen Frau durchaus neugierigere Blicke auf sich. Ihr Umgang des Paares miteinander wirkte so vertraut, dass es gar nicht entsprechender Ringe an beider linken Hand bedurft hätte, sie als Ehegatten zu erkennen. Jedoch ließ sein fürsorgliches Verhalten ihr gegenüber vorsichtig keinen Zweifel daran, dass dieser Ehestand beiden noch recht frisch und ungewohnt vorkommen mochte. Die ältere Dame beobachtete diese fremden Mitreisenden einige Zeit, beugte sich schließlich vor und richtete freundlich das Wort an sie. »Furchtbares Wetter, nicht wahr? Da hat man seine Abreise gründlich geplant und organisiert – und dann macht einem das Meer einen Strich durch die Rechnung.« »Immerhin sitzen wir hier warm und trocken. Ich denke, der Kapitän traf die richtige Entscheidung«, erwiderte der junge Mann freundlich, aber kurz angebunden. »Oh, gewiss, Sir. Ich hoffe aber, dass Sie auf dem Festland keine dringenden Termine erwarten. Und kein erzürnter Arbeitgeber, der bereits auf seine Taschenuhr schaut.« Seine Frau ergriff das Wort. »Mein Mann ist Schriftsteller.« Augenblicklich schien das Interesse der Grauhaarigen geweckt. »Ein Autor, da schau her! Haben Sie etwas Bekanntes verfasst? Ich lese für mein Leben gern, wissen Sie?« »Nun, vor ein paar Monaten erschien eine Reiselektüre von mir«, gab sich der Autor gespielt bescheiden. »Eine Reiselektüre, na so was! Zu welchem Ort ging es denn? Nein, lassen Sie mich raten! Italien vielleicht? Oder Griechenland? Besuch der alten Tempel? Wobei, mit Blick auf Ihre bezaubernde Gattin möchte man annehmen, Sie bereisten die Kolonien, richtig?« »Nicht ganz. Wir waren auf dem Mond.« Drei ungläubig starrende Augenpaare richteten sich auf den Schriftsteller. »Sie nehmen uns doch auf den Arm, nicht wahr?«, fragte die jüngere Frau, doch da beugte sich der ältere Herr vor und wies auf den Gentleman: »Einen Augenblick. Ich glaube, von Ihnen habe ich gehört, Sir. Sind Sie nicht dieser Teufelskerl, der einen Mondkrater sein Eigen nennt – und dies in einer spektakulären Wette bewies? Graham McPherson, wenn ich mich nicht irre?« »Den Krater Gaudibert, stimmt«, bestätigte McPherson und traf Anstalten, mehr darüber zu berichten, als ihn der erzürnt funkelnde Blick seiner Gattin innehalten ließ. Nun ja, insgeheim musste er ihr schuldbewusst recht geben: Sicherlich das Beste, diese Geschichte keiner weiteren kritischen Überprüfung zu unterziehen. Der Alte erhob sich, um seinem Gegenüber die Hand zu reichen. »Mr. McPherson, es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen. Mein Name ist Professor Edward Laeddis. Die Damen in meiner Begleitung sind Mrs. Tarr und Ms. Fether. Darf ich annehmen, dass Sie, Mylady, die Gattin diese glücklichen Gentleman sind?« »Dürfen Sie. Gann McPherson-Li-Pen«, antwortete die exotische Schönheit mit offenem Lächeln. Laeddis deute eine höfliche Verbeugung an, nahm dann wieder Platz. »Schau an!«, fuhr die ältere Dame derweil fort. »Dann unternehmen Sie derzeit sicherlich erneut eine spannende Lesereise?« Der Frischvermählte schüttelte den Kopf. »Wir kommen vom Antrittsbesuch bei meiner Mutter. Drüben in Saint Anne.« Damit warf er rasch einen unsicheren Blick zu seiner Gattin. Laeddis kicherte, während sich Mrs. Tarr mit bedauerndem Blick Gann zuwandte. »Ach je, Sie Unglückliche, gestaltete es sich sehr … schlimm?« Gann lächelte gequält. »Nun, bis auf die Tatsache, dass meine Schwiegermutter es für angebracht hielt, eine ledige Jugendliebe meines Mannes zum Tee einzuladen …« »Bitte Gann, Sie wollte nur nett zu Edna sein«, wandte McPherson hastig ein. »Sicherlich. So nett, dass sie ihr doch tatsächlich meinen Mann zum Geschenk gemacht hätte.« »Immerhin hat sie sehr wohl registriert, wie glücklich wir miteinander sind.« »Sie nannte dein … nun … Gebrechen vor dem Pfarrer die thailändische Krankheit …« Die bis dato schweigende Ms. Fether wandte sich nun besorgt an den Frischvermählten. »Oh, Sie sind krank, Mr. McPherson? Wie bedauerlich!« McPherson schüttelte den Kopf und rückte unruhig auf seinem Sitz. »Es ist … nichts weiter.« Seit einigen Wochen quälte ihn ein unbestimmtes Leiden an einer recht diskreten Stelle. Aus diesem Grunde stand bereits sein Entschluss, nach Ankunft in London umgehend seinen Leibarzt aufzusuchen. Dr. Jeckyll half ihm schon zuvor mit manchem Arzneimittel, vielleicht gab es ja auch eine Tinktur gegen diese spezielle Unannehmlichkeit. Diese Hoffnung beruhigte ihn einigermaßen. Mrs. Tarr hüstelte und richtete sich lächelnd an die junge Ehefrau. »Da Sie diesen Besuch bei ihrer Schwiegermutter hinter sich haben, darf wohl angenommen werden, dass Ihnen die heute bevorstehende Walpurgisnacht nicht mehr viel ausmacht.« Gann konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. »Siehst du Graham? Diese Herrschaften verstehen mich.« Mrs. Tarr nickte lebhaft. »Nur zu gut, meine Liebe, nur zu gut! Mein Mann und ich waren 35 Jahre verheiratet. In den ersten zwanzig Jahren prallten meine Schwiegermutter und ich ständig aneinander.« »In den ersten zwanzig Jahren? Was geschah danach?«, tat Gann ihr den Gefallen nachzuhaken. »Sie starb. Als ich von ihrem Ableben erfuhr, hielt ich, es zunächst für einen Scherz, denn der Gehörnte würde es, meiner Einschätzung nach, sicherlich nicht lange mit ihr aushalten – aber anscheinend fügte selbst er sich zwischenzeitlich ihrem Willen. Nun, darauf lassen Sie uns anstoßen!« Die Erzählerin drehte sich zu Laeddis. »Herr Professor? Seien Sie doch so gut und bestellen bei dem freundlichen Hausmädchen eine Runde Grog! Das wird uns aufwärmen.« Erstaunlich flink erhob sich Laeddis, um ihrem Wunsch nachzukommen. McPherson bemühte sich Mrs. Tarr in eine andere Gesprächsrichtung zu dirigieren. »Und welchem Umstand verdanken Sie und Ihre Begleitung diese Reise?« »Geisteskrankheit.« Unsicher, ob dies ein Scherz sein sollte, hob Gann eine Augenbraue. »Sie nehmen an, dies sei zweifellos die Ursache um bei diesem Wetter unterwegs zu sein?« »Nein, nein. Ich meine es ganz wörtlich. Meine Kollegin Ms. Fether und ich arbeiten als Krankenschwestern unter Professor Laeddis im Briarcliff Asylum – drüben in Byberry auf der Insel. Man lud uns ein, während einer Fachtagung im Bethlem Hospital in London zu sprechen. Der Professor entwickelte nämlich eine völlig neue Methode, Verrückte von ihrem Leiden zu befreien.« Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung wie Bernstein. Voller Neugierde beugte sich Gann vor. »Sicherlich wissen Sie von Ihrer Arbeit so einiges zu berichten?« »Das kann man wohl mit Fug und Recht behaupten.« Mrs. Tarr warf einen vielsagenden Blick zu ihrer Kollegin, den diese lächelnd erwiderte und dann das Wort ergriff. »Da fällt mir etwas ein! Was halten Sie davon, die Wartezeit zu verkürzen, indem wir uns Geschichten erzählen? Was kann man in der Walpurgisnacht an einem knisternden Feuerchen Besseres unternehmen, als schaurigen Erzählungen zu lauschen? Sicherlich quellen Sie, Mr. McPherson als Schriftsteller vor Ideen nur so über!« Genant rutschte McPherson tiefer in seinen Sessel. »Nein, nein danke. Ich lasse Ihnen gern den Vortritt.« Entgegen der landläufigen Meinung über Schriftsteller, erwies er sich nach eigener Einschätzung im Ausdenken von Geschichten als nicht sonderlich begnadet. Zumindest, was Handlungen auf der Erdkugel anging. Wie auf ein Stichwort, kehrte Professor Laeddis in diesem Augenblick mit einem Tablett dampfender Becher zurück. »Bitte verzeihen Sie, dass es so lange dauerte. Unsere Gastleute...