Klinger / Schreiber / Rupnik | Transit 33. Europäische Revue | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 191 Seiten

Klinger / Schreiber / Rupnik Transit 33. Europäische Revue

Tod in der modernen Gesellschaft
1. Auflage 2007
ISBN: 978-3-8015-0629-2
Verlag: Verlag Neue Kritik
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Tod in der modernen Gesellschaft

E-Book, Deutsch, 191 Seiten

ISBN: 978-3-8015-0629-2
Verlag: Verlag Neue Kritik
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Unter den Bedingungen des Planeten Erde wird zu allen Zeiten und an allen Orten gestorben. Dennoch hängt die Frage, was es heißt zu sterben, in hohem Maße davon ab, an welchem Ort und zu welcher Zeit dies geschieht. Das invariante physiologische Faktum ist offen für fast unendlich viele Varianten von Deutungen, Verhaltens- und Handlungsweisen. Die Frage nach dem Tod ist eine Grundfrage, insofern als sie zugleich die Frage nach dem Leben enthält. In den Antworten spiegelt sich jeweils ein Konzept, ein Begriff, eine Vision der conditio humana wider. Die Artikel zum Schwerpunkt 'Tod' im vorliegenden Heft sollen zu einer Theorie des Todesverständnisses und seiner gesellschaftlichen Auswirkungen beitragen. Der tschechische Philosoph Jan Patocka gilt heute als einer der interessantesten Vertreter der zweiten Generation von Phänomenologen nach Husserl und Heidegger, bei denen er in den 30er Jahren in Freiburg studierte. Er verband sein phänomenologisches Denken in innovativer Weise mit Fragen von Politik und Geschichte, Kunst und Literatur. Patocka war Mitbegründer und erster Sprecher der Bürgerrechtsbewegung Charta 77 . Am 13. März 1977 starb er nach einer Reihe von Polizeiverhören. Die Bedeutung seines Werks für das politisch-historische Selbstverständnis Europas wird erst heute sichtbar. Im Jahre 2007 feiern wir nicht nur Patockas hundertsten Geburtstag, auch sein Todestag und die Veröffentlichung der Charta 77 jähren sich zum dreißigsten Mal. Anlässlich dessen präsentiert das Heft eine Hommage an den tschechischen Denker und Bürgerrechtler. Der dritte Schwerpunkt des Heftes ist dem Phänomen des Populismus gewidmet, der heute ein gesamteuropäisches Phänomen darstellt, sich jedoch, anders als in den dreißiger Jahren, nicht als Alternative zur Demokratie sieht und im Rahmen der Europäischen Union agiert. Der Aufstieg des illiberalen Populismus ist der eigentliche Test für die vieldiskutierte 'Aufnahmekapazität' der EU.
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Hans-Ludwig Schreiber TOD UND RECHT Hirntod und Verfügungsrecht über das Leben     I Was kann das Recht zum Tod sagen? Was der Tod eigentlich ist, was etwa nach ihm kommt, das kann es nicht wissen. Niemand von uns Menschen ist aus der als Tod bezeichneten Zone in das Leben zurückgekehrt. Das Recht weiß vom Tod und seinem Sinn so wenig wie die Philosophie, die Strategien zu seiner Bewältigung anbietet. Wenn man in die Geschichte blickt, so findet man die unterschiedlichsten Auffassungen vom Tod. Philippe Ariès hat in seiner Geschichte des Todes die Ansatzpunkte dafür gezeigt: Vom Ende der Existenz über einen materialistischen Begriff des Todes bis hin zu differenzierten Vorstellungen über den Tod als Übergang in eine andere Seinsweise, als Erwachen zum wahren Leben, als die Erhebung in eine höhere Potenz. Das Recht als das vorläufig wirklich Maßgebliche – wie es Hans Ryffel gesagt hat – kann aber nicht wie die Philosophie nur über den Tod reden. Es muss in vielfältiger Hinsicht an den Tod anknüpfen, vor ihm schützen, ihn verbieten und ihn zulassen. Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit enden mit dem Tod, Dienstverhältnisse und Ehen enden mit ihm. Vor allem endet mit dem Tod der Schutz des Lebens durch das Recht. Das Recht muss die Grenzen des Lebensschutzes mit dem Tod festlegen. Es verbietet grundsätzlich die Tötung, nicht nur die vorsätzliche, auch die fahrlässige, die durch Sorgfaltsverletzung verursachte Tötung eines anderen Menschen. Die eigene Tötung ist nicht verboten, allerdings ist die Mitwirkung anderer daran, wenn sie zur Täterschaft wird, unerlaubt. Recht legitimiert die Tötung anderer Menschen, etwa in Notwehr, Recht gestattet die Tötung im Krieg, es erlaubt den finalen Rettungsschuss, ferner die Tötung durch Unterlassen weiterer medizinischer Behandlung bei Todesnähe und Aussichtslosigkeit (die bisher so genannte »passive Sterbehilfe«). II Wann aber ist der Mensch tot? Der Tod bezeichnet das Ende menschlichen Lebens. Was der Tod ist, muss also vom Leben her beschrieben werden. Das Recht auf Leben, das jedem nach Art. 2 II Satz 1 des Deutschen Grundgesetzes garantiert ist, meint die biologisch-physische Existenz des Menschen als Lebewesen in seiner körperlich-geistigen Einheit. Das Ende dieser Existenz als Lebewesen nennen wir Tod. Nun wird unter Tod Verschiedenes verstanden. Für das Recht schien der Tod lange unproblematisch. So heißt es in der klassischen Definition Friedrich Carl von Savignys: »Der Tod als die Grenze der natürlichen Rechtsfähigkeit ist ein so einfaches Naturereignis, das derselbe nicht wie die Geburt eine genauere Feststellung seiner Elemente nötig macht.« Lange ging man vom Stillstand des Kreislaufs und der Atmung aus und bezeichnete diesen Zeitpunkt als Tod. Gemeint war damit der Moment, bis zu dem menschliches Leben aufrechterhalten oder verlängert werden konnte. Dabei wusste man, dass der Tod nicht einen Moment, sondern einen Prozess darstellt, dass Zellen und Gewebe über einen Zeitraum hinweg allmählich absterben. Der Herz- und Kreislauftod markierte den Punkt, an dem der Arzt seine Tätigkeit aufgeben musste, das Ende menschlicher Möglichkeiten zur Intervention, um das Leben zu erhalten. Denkbar wäre es, auch auf das Auftreten von Leichenstarre und Totenflecken oder das Absterben sämtlicher einzelner Organe oder Zellen abzuheben. Ebenso wäre es vorstellbar, das Ende aller oder der wesentlichen Stoffwechselprozesse oder die Totalnekrose und Autolyse der Körperzellen als Tod zu bezeichnen. Damit käme man auf Tage und Wochen nach dem Ende von Kreislauf und Atmung hinaus. Dass z.B. Fingernägel und Haare noch bis 48 Stunden nach Stillstand von Herz und Kreislauf weiter wachsen, ist bekannt. Kaum bestreitbar wird sein, dass der Tod nicht ein biologisch-objektiv vorgegebener Zeitpunkt ist, sondern eine Zäsur in einem zeitlich ausgedehnten Prozess eines gesamtkörperlichen Sterbens. Die Festlegung eines solchen Zeitpunkts verlangt Entscheidungen. Der so genannte »klassische« Todesbegriff, der Herz- und Kreislauftod, wurde mit der Entwicklung in der Medizin fragwürdig. Herz- und Kreislaufstillstand wurden hintergehbar bzw. überwindbar. Durch Wiederbelebung konnte der Tod überwunden und der Kreislauf wieder in Gang gesetzt werden. Als ein neues Abgrenzungskriterium schlug das Komitee der Harvard Medical School im Jahr 1968 das Hirntodkonzept vor. Hier stellte man auf die Irreversibilität des Versagens von Kreislauf und Atmung ab. Der Herzstillstand ist erst dann irreversibel, wenn das Gehirn als zentrales Steuerungsorgan des Menschen vollständig abgestorben ist. Dann ist eine Wiederbelebung nicht mehr möglich. Auch wenn unbestreitbar ist, dass der Hirntod, also der Ausfall des gesamten Gehirns als Steuerungsorgan menschlichen Lebens, nicht das Ende allen Lebens im menschlichen Körper bedeutet, so fällt mit dem Gehirn nicht nur ein spezielles Organ des Menschen aus, sondern der Organismus als Einheit und als Grundlage des Vorhandenseins eines menschlichen Individuums. Der Hirntod ist mithin weit definitiver als der Herz- und Kreislauftod. Kreislauf und Atmung können auch nach dem Hirntod weiter künstlich mit Hilfe von Geräten aufrechterhalten werden. Der Hirntod kann zeitlich vor oder nach dem Herztod liegen. Bei Atmungs- und Kreislaufstillstand stirbt das Gehirn wegen der Unterbrechung der Sauerstoffversorgung in kurzer Zeit ab, wenn nicht eine künstliche Beatmung erfolgt. Auf der anderen Seite zieht der Hirntod in kürzester Zeit den Kreislaufstillstand nach sich, falls der Kreislauf nicht künstlich durch Beatmung in Gang gehalten wird. Nicht, als hätte das Harvard-Komitee den Hirntod zur Erleichterung der Transplantationsmedizin erfunden. Dem Komitee ging es damals in erster Linie um die Begrenzung notwendiger medizinischer Behandlung. Heute geht es auch um die Nutzung klinisch toter Patienten für Studien über Wiederbelebung, die den Lebenden helfen sollen. III Die Definition des Todes hängt unmittelbar davon ab, wie man sein Subjekt bestimmt. Wer oder was stirbt und wer oder was ist wann tot? Die Gegner des Hirntodes sprechen von einer cartesianischen Halbierung des Menschen, wenn man das Gesamtgehirn als zentrales Organ des Menschen ansehe und den Menschen damit auf seinen Verstand reduziere. Auf den Grad der Lebensfähigkeit komme es ebenso wenig an wie auf ein bestimmtes Potential an Kognitivität. Das Leben als körperliches Dasein sei maßgeblich, so Wolfram Höfling, einer der engagiertesten Kämpfer gegen das Hirntod-Kriterium, der jetzt auch mit seinen Mitautoren in dem von ihm herausgegebenen Kommentar zum Transplantationsgesetz diesen Streit fortsetzt. Irrelevant sei, ob jemand noch als Person gelten könne. Person sei, so Höfling, der Mensch selbst, nicht ein bestimmter Zustand des Menschen. Mit Recht wird die so genannte Geistigkeitstheorie abgelehnt, die die Beendigung aller geistigen Funktionen zum Kriterium macht. Andererseits wird Leben, wie es der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer schon 1993 formuliert hat, gedeutet als biologisch-körperliches Dasein, als Existenz eines integrationsfähigen Gesamtorganismus. Dieser Gesamtorganismus wird mit dem Ausfall des gesamten Gehirns zerstört, damit ist die Fähigkeit zur Steuerung und Integration des menschlichen Organismus verloren. Es ist nicht richtig, wenn eingewandt wird, außer dem Gehirn erbrächten alle übrigen Organsysteme eines so genannten Hirntoten weiter wichtige Integrationsleistungen für den Gesamtorganismus. Einen solchen Gesamtorganismus gibt es nach Ausfall des integrierenden Gehirns nicht mehr. In einzelnen Organen und Zellen ablaufende Prozesse, insbesondere Stoffwechselprozesse, machen nicht das Leben des Menschen aus. Der Mensch als Organismus ist wie jedes höher entwickelte Lebewesen tot, wenn die Funktionen seiner Organe und Systeme sowie ihre Wechselwirkungen unwiderruflich nicht mehr zur übergeordneten Einheit des Lebewesens zusammengefasst und nicht von ihr gesteuert werden. Maschinell betriebenes organisches Leben, ein aus sich selbst nicht mehr zu einem systemischen Organismus integrierbarer Körper stellt kein Leben dar. Zum Menschen gehört als Merkmal auch seine Erlebensfähigkeit, eine Möglichkeit zu wenigstens minimaler Selbstwahrnehmung, zu irgendwelchen Aktivitäten geistiger und körperlicher Art. Es genügt danach nicht der Ausfall derjenigen Teile des Gehirns, in dem die Impulse der Sinnesorgane rezipiert und zu Wahrnehmungen synthetisiert werden. Ein Ausfall der so genannten zerebralen Hemisphären, der neocortikalen Zentren der Großhirnrinde, begründet noch nicht einen Hirntod. Der Cortex-Tod ist in Europa bisher nur von wenigen als Tod anerkannt worden. Der bloße Ausfall des Bewusstseins ist ebenso wenig Tod, wie der Ausfall des somatischen Elementes. Der Hirntod knüpft an naturwissenschaftlich exakt messbare Tatsachen an, bedeutet jedoch eine qualitative Differenz, nicht nur eine quantitative. Mit dem Hirntod endet die gesteuerte Einheit des menschlichen Organismus. Dem Menschen fehlt dann die Basis für das biologische und geistige Leben. Kardinal Meißner hat geltend gemacht, die Anerkennung des Hirntodes zerstöre das christliche Menschenbild. Es ist unerfindlich, wie man das behaupten kann. Mit der Feststellung, dass menschliches Leben mit dem Verlust der zentralen körperlichen Basis aufhört, ist nichts gegen ein christliches...



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