Klingovsky / Schmid | Validieren und anerkennen (E-Book) | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

Klingovsky / Schmid Validieren und anerkennen (E-Book)

Informell erworbene Kompetenzen sichtbar machen - eine Auslegeordnung für die Schweiz
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-0355-1240-3
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Informell erworbene Kompetenzen sichtbar machen - eine Auslegeordnung für die Schweiz

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

ISBN: 978-3-0355-1240-3
Verlag: hep verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Angesichts der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes verlaufen Berufslaufbahnen nur noch selten gradlinig. Das einmal in der Ausbildung erworbene Wissen garantiert nicht mehr unbedingt, dass jemand über Jahrzehnte beschäftigungsfähig und vermittelbar bleibt. Die derzeit prominenteste Reaktion darauf ist die Validierung und Anerkennung ausserschulisch erworbener Kompetenzen und Bildungsleistungen. In vielen Berufsfeldern haben sich entsprechende Verfahren etabliert, neue werden laufend entwickelt.

Mit diesem Buch liegt erstmals eine Analyse der aktuellen Situation in der Schweiz vor. Es werden Anwendungsbereiche, Ausgestaltung, theoretische Hintergründe sowie die Einbettung solcher Verfahren in die Bildungslandschaft erläutert. Dabei zeigt sich, inwiefern die Validierungs- und Anerkennungsverfahren der Arbeitsintegration tatsächlich zuträglich sind und ob sie den Paradigmenwechsel von der Input- zur Outcome-Orientierung im Bildungssystem begünstigen können.

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2 Grundlagen und Begründungsstrukturen
Validierungs- und Anerkennungsverfahren entstehen vor einem spezifischen bildungspolitischen und historischen Hintergrund, verfolgen voneinander abweichende Ziele und sind dementsprechend konzeptionell unterschiedlich ausgestaltet. Dies gilt sowohl für nationale Bildungssysteme und deren systemimmanente oder kompetenzorientierte Verfahren als auch für sehr viel kleinere Verfahren, die eine Anerkennung eines eingegrenzten Kompetenzausschnitts vorsehen und keine nationale Entsprechung haben. Jedes einzelne Verfahren, das bislang entwickelt wurde, hat seine eigene Geschichte, seinen eigenen Charakter und seine eigene Berechtigung und kann nur verstanden werden, wenn sämtliche Kontextbedingungen, die eine solche Konzeption nahelegt haben, mit einbezogen werden. Gleiches gilt auch für die Zukunft: Erfolg versprechend und gemeinhin akzeptiert können Verfahren nur dann sein, wenn die Rahmenbedingungen vor Ort berücksichtigt und alle relevanten Akteure eingebunden werden, sodass den jeweiligen Verfahren ein breiter Konsens in Bezug auf die Ausrichtung, Ziele, Methodik, Bewertungsmassstäbe usw. zugrunde liegt. Trotz dieser individuellen Färbungen der einzelnen Verfahren haben die meisten Validierungen und Anerkennungen gemeinsame Bezugspunkte, die den Ursprung all dieser Verfahren bilden und die Legitimierung und zuweilen auch eine Folie für die mancherorts kritisch geführte Diskussion liefern. Im folgenden Kapitel sollen deshalb diese gemeinsamen Bezugspunkte aufgegriffen werden. Dabei wird der Blick über die Schweiz hinaus ausgeweitet werden müssen, und zwar insbesondere nach Deutschland, da dort der theoretische Diskurs in Bezug auf Validierungs- und Ankerkennungsverfahren sehr viel ausgeprägter und intensiver geführt wird als in der Schweiz (Schmid/Brantschen 2016; Hoffmeier 2016). Dies dürfte damit zusammenhängen, dass sich in Deutschland seit einigen Jahrzehnten die Erwachsenenbildung als akademische Disziplin etabliert und sich den verschiedenen Bezügen von Validierungs- und Anerkennungsverfahren insbesondere aus theoretischer Perspektive angenähert hat. Diese akademische Ausrichtung hat wertvolle Grundlagen für die Ausgestaltung von verschiedenen Verfahren bereitgestellt, die in der Praxis aber vor allem in der Schweiz und nur zu einem geringen Teil in Deutschland umgesetzt wurden.[1] Zugespitzt formuliert, können zwei unterschiedliche Aspekte von Validierungs- und Ankerkennungsverfahren ausgemacht werden: Auf der einen Seite ist aus bildungs-, sozialpolitischer und ökonomischer Perspektive eine starke Notwendigkeit für die Etablierung solcher Verfahren festzustellen, die in der Möglichkeit der globalen Wettbewerbsfähigkeit der Einzelnen sowie des Standortes Schweiz und im Auffangen oder Verhindern sozialer Notlagen begründet liegt. Auf der anderen Seite konzentrieren sich pädagogische Ansätze von Validierungs- und Anerkennungsverfahren auf die Konzeption von Lernanlässen, die von einzelnen Personen durchlaufen werden können, und von Messverfahren, die es dann erlauben, ihre non-formal oder informell erworbenen Kompetenzen nachzuweisen. Diese Verfahren orientieren sich nicht selten an Bildungsstandards und Qualifikationsrahmen sowie am Gedanken des informellen und lebenslangen Lernens. Ein wesentlicher Aspekt dabei sind auch der gegenwärtig geführte Kompetenzdiskurs sowie Konzeptionen zur Sichtbarmachung bzw. Bilanzierung von Kompetenzen. Diese Blickwinkel sollen in den folgenden Kapiteln aufgegriffen werden. Es handelt sich dabei einerseits um theoretische Perspektiven und andererseits um Erfordernisse aus der Praxis. Beide stellen die Grundlagen sowie die Begründungsstrukturen von Validierungs- und Anerkennungsverfahren dar. Ebenfalls in diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, ob und wie die Qualifikationsrahmen des Berufsbildungssystems und des Hochschulbereichs für Validierungs- und Anerkennungsverfahren in der Schweiz genutzt werden können. 2.1 Informelles und non-formales Lernen
«Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.» – Sprichwörter zeichnen sich im Allgemeinen dadurch aus, dass sie in wenigen Worten Ratschläge für die Lebensführung geben. Wir haben viele solche Zitate verinnerlicht, ohne sie zu hinterfragen, und können sie zu gegebener Zeit abrufen und uns daran orientieren. So auch beim Hänschen-Zitat: Es verweist auf zwei Zustände, nämlich auf den Lern- und auf den Verwertungszustand. Im Lernzustand steckt gleichzeitig ein pädagogischer Appell: Hänschen muss in der Schule alles lernen, was er fürs spätere Leben braucht, muss sich also entsprechend anstrengen und die Zeit nutzen, denn danach ist es zu spät, das Lernen wird nach dem Ende der Schulzeit nicht mehr möglich sein. Nach der Schulzeit wird das während der Kindheit und Jugend Erlernte produktiv im Arbeitsprozess umgesetzt bzw. verwertet (Gonon 2017). Das Hänschen-Zitat hatte bis in die Industriegesellschaft vor dem Hintergrund der Gestaltung von Lebensläufen durchaus seine Berechtigung, und zwar insbesondere dann, wenn man den Lebenslauf als eine Abfolge von strukturierten Ordnungsmechanismen versteht. Gesellschaften unterscheiden sich demnach dadurch, wie sie den Lebenslauf gliedern, welche Rahmenbedingungen sie dabei setzen und welche Lebensführungen sie als erstrebenswert festlegen (Kohli 2006: 159). Innerhalb dieser Rahmenbedingungen entfalten die einzelnen Individuen ihre Lebensführung, wobei gerade in der vorindustriellen Gesellschaft dieses Korsett eng geschnürt war und für mehr oder weniger alle Gesellschaftsmitglieder in gleicher Art und Weise Geltung hatte. Im Wesentlichen war das Leben unterteilt in die Phasen Kindheit und Jugend, Erwachsenenalter und Ruhestand. In der Kindheits- und Jugendphase beziehnungsweisw in der «Hänschen-Phase» bestand die Aufgabe darin, sich zu bilden bzw. eine Ausbildung zu absolvieren, während im Erwachsenenalter beziehnungsweise im «Hans-Alter» die Erwerbsarbeit und die Familie im Zentrum standen. Das Lernen hatte in dieser Phase keine Bedeutung mehr oder spielte zumindest nur noch eine untergeordnete Rolle. Dasselbe gilt auch für den Ruhestand. Der Übergang von der einen in die nächste Lebensphase war klar gekennzeichnet, beispielsweise durch den Beschäftigungsbeginn oder den Ausstieg aus dem Erwerbsleben. Abbildung 1: Lernen im Drei-Phasen-Modell der Industriegesellschaft Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kraus 2008: 20 Mit dem technischen und sozialen Wandel hin zur postindustriellen Gesellschaft der vergangenen Jahrzehnte vollzog sich allerdings ein Prozess, der tief greifende Veränderungen des Lernverständnisses mit sich brachte und dem Hänschen-Zitat die Grundlage entzog. So haben gesellschaftliche, politische und ökonomische Entwicklungen in den vergangenen Jahren zu sozialen Erodierungsprozessen geführt, welche die traditionellen, vorstrukturierten Lebensläufe aufgeweicht und zu individualisierten Biografien (Beck 2016; Beck/Giddens/Lash 1996) und zu entstandardisierten Lebensläufen geführt haben. Die rund um die Erwerbsarbeit entfalteten Normalbiografien befinden sich nunmehr in einem Auflösungsprozess, da die Abfolge von Lern- und Vorbereitungsphase, Aktivitätsphase und Ruhephase nur noch auf eine geringe Zahl von vorwiegend männlichen Lebensläufen zutrifft. Beschäftigungsbeginn und Beschäftigungsende sind nicht mehr eindeutig definiert, sondern treten in der Regel im Laufe einer Beschäftigungsbiografie mehrmals auf. Dies führt zu immer neuen Statuspassagen, die zu sozialen Risikolagen und kritischen Lebensereignissen werden können (Kraus 2008: 22). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Austritt aus der Erwerbstätigkeit unfreiwillig erfolgt und der oder die Betroffene keine Qualifikationen vorlegen kann, die ihn oder sie für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit legitimieren würde. Dem Lernen kommt deshalb eine entscheidende Rolle zu, wird es doch zum ständigen Begleiter jedes Einzelnen, indem es die Beschäftigungsfähigkeit erhöhen, ein gewisses Mass an Schutz vor Arbeitslosigkeit in Aussicht stellen und einen reibungslosen Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit ermöglichen kann. Voraussetzung dafür ist allerdings eine permanente Lernbereitschaft. Abbildung 2: Entstandardisierung des Lebenslaufs in der postindustriellen Gesellschaft Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kraus 2008: 22 Grundsätzlich bildet der berufsqualifizierende Abschluss, der im Jugend- oder Erwachsenenalter erworben wird, die Grundlage für das daran anschliessende Lernen. Bis zu diesem Zeitpunkt findet das Lernen in formalisierten Arrangements statt, also in einem «Lernprozess, der in einem organisierten und strukturierten, speziell dem Lernen dienenden Kontext stattfindet, und typischerweise zum Erwerb einer Qualifikation, in der Regel in Form eines Zeugnisses oder eines Befähigungsnachweises, führt; hierzu gehören Systeme der allgemeinen Bildung, der beruflichen Erstausbildung und der Hochschulbildung» (Rat der Europäischen Union 2012: 5). Das Bundesgesetz über die Weiterbildung (WeBiG 2014) hat diese Definition weitgehend übernommen und auf die Schweiz übertragen:   «formale Bildung:...


Klingovsky, Ulla
Ulla Klingovsky, Prof. Dr., leitet die Professur Erwachsenenbildung und Weiterbildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Sie promovierte an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam zu Praxiskonzepten für die Erwachsenen- und Weiterbildung und forscht resp. lehrt an der Schnittstelle von Bildung, gesellschaftlichen Machtverhältnissen und didaktisch-methodischen Strukturierungsformen.

Schmid, Martin
Martin Schmid, Dr., promovierte an der Universität Basel im Fach Soziologie. Er doziert im Masterstudiengang Eductional Sciences der Pädagogischen Hochschule FHNW und Universität Basel. Er ist an der Professur Erwachsenenbildung und Weiterbildung der FHNW wissenschaftlich tätig.

Ulla Klingovsky, Prof. Dr., leitet die Professur Erwachsenenbildung und Weiterbildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Sie promovierte an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam zu Praxiskonzepten für die Erwachsenen- und Weiterbildung und forscht resp. lehrt an der Schnittstelle von Bildung, gesellschaftlichen Machtverhältnissen und didaktisch-methodischen Strukturierungsformen.Martin Schmid, Dr., promovierte an der Universität Basel im Fach Soziologie. Er doziert im Masterstudiengang Eductional Sciences der Pädagogischen Hochschule FHNW und Universität Basel. Er ist an der Professur Erwachsenenbildung und Weiterbildung der FHNW wissenschaftlich tätig.



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