Klönne | Nichts als Erlösung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 352 Seiten

Reihe: Judith-Krieger-Krimis

Klönne Nichts als Erlösung

Kriminalroman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-492-97405-9
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 5, 352 Seiten

Reihe: Judith-Krieger-Krimis

ISBN: 978-3-492-97405-9
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Jagd nach dem Täter führt Hauptkommissarin Judith Krieger von Köln über Südhessen bis nach Griechenland. Und zu einem lange verschwiegenen Kapitel deutscher Geschichte: dem Schicksal der Heimkinder in der Nachkriegszeit. Doch der Mörder verfolgt seinen eigenen Plan. Einen Plan, in dem Judith die Hauptrolle spielt ...
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Sonntag, 2. August
Sehnsucht. Irgendwo in ihr wächst sie heran. Sehnsucht nach Stille, nach Nichtstun, einem Ort ganz weit weg. Trotz des Ermittlungsdrucks, trotz ihrer Unruhe, trotz dieses merkwürdigen Gefühls von Verbundenheit mit dem blonden Toten – oder vielleicht gerade deswegen. Der Tatort ist eine Provokation. Die Tat ist ein Schrei nach Aufmerksamkeit. Der Täter will Aufmerksamkeit – für sich, für den Toten, warum auch immer. Ist das die Wahrheit? Vielleicht, ja, die Wahrheit des Täters. Doch die seines Opfers ist eine andere, und vielleicht war sein Opfer ja wirklich nicht unschuldig, vielleicht haben sie es tatsächlich mit einem Racheakt zu tun. Der Täter war ein Mann, das glaubt sie zu wissen. In jedem Fall war der Täter etwa so groß wie sein Opfer,
das hat Ekaterina Petrowa anhand des Schusskanals rekonstruiert. Judith versucht, sich die beiden Männer vorzustellen. Die grausame Intimität des gemeinsamen Wartens, Körper an Körper, lebendig noch, warm. Und dann der Schuss, die immense Zerstörungskraft. Hat wirklich niemand in der Altstadt etwas gehört oder gesehen? Alle, die sie bislang befragt haben, behaupten das. Niemand hat den Toten bislang vermisst gemeldet, auch Anfragen in Athen und bei Interpol haben nichts ergeben. Fast ist
es so, als sei dieser Mord gar nicht geschehen, und doch ist er real. Die Tatwaffe war mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Pistole, steht im Gutachten der Ballistiker. Aber eine Patronenhülse haben sie am Tatort nicht gefunden, was die Schlussfolgerung nahelegt, dass der Täter sie an sich nahm und also nicht sofort nach dem Schuss geflohen ist. Und das heißt auch, dass er am Tatort gewartet haben kann, bis sein Opfer entdeckt wurde. Dass er die Amerikaner beobachtet hat, die Amerikaner und sie. Hunger, sie hat Hunger, Hunger und Durst, auf einmal fällt ihr das auf. Der Vormittag ist mit Besprechungen und Vernehmungen nur so dahingerast. Manni hat stundenlang die Aufnahmen der Überwachungskameras aus dem Hauptbahnhof überprüft, ohne den Toten irgendwo zu entdecken. Jetzt hat er sich verabschiedet, ist unterwegs zu einem privaten Termin, über den er nichts sagen will. Von wo ist das Opfer gekommen, wenn nicht vom Hauptbahnhof? Es ist völlig unmöglich, das ohne konkreten Hinweis zu erahnen, genauso unmöglich, wie alle Passagierlisten der Flüge zu überprüfen, die in den letzten Tagen aus Griechenland in Köln, Düsseldorf, Frankfurt oder wer weiß wo in Deutschland landeten. Judith steht auf, tritt ans Fenster des winzigen Eckzimmers, das sie im Winter als Einzelbüro bezog, um trotz
des Verbots im Präsidium noch unbehelligt zu rauchen. Ihr Mund ist staubtrocken. Jeans und T-Shirt kleben an
ihrer Haut, als wären sie niemals frisch gewesen. Die Klimaanlage kommt schon seit Tagen nicht mehr gegen den Sommer an, die Luft, die durchs offene Fenster dringt, riecht nach heißem Asphalt und nach Stadt. Judith trinkt einen Rest lauwarmes Wasser direkt aus der Flasche, wirft sie in den Abfalleimer und versucht, nicht ans Rauchen
zu denken, sondern sich auf die Fakten zu konzentrieren. Fakten, die Grundlage jeder Ermittlung, der Schlüssel zur Lösung, auch wenn die Summe aller Fakten niemals die ganze Wahrheit enthüllt. Der Tote war Nichtraucher, etwa 40 Jahre alt, 1,83 Meter groß, 78,2 Kilogramm schwer. Seine letzte Mahlzeit bestand aus Orangensaft und einer Pizza mit Thunfisch und Zwiebeln. Auf seiner Haut und Kleidung finden sich keine Abwehrverletzungen, keine Fremd-DNA, keine Fingerabdrücke. Die einzige Spur, die der Täter möglicherweise hinterließ, sind ein paar schwarze Baumwollfasern auf dem T-Shirt-Rücken seines Opfers, vielleicht stammen die aber auch woandersher. Sie denkt an den Sand in den Schuhen des Toten, ein Gemisch feinster Muschelpartikel, so viel steht nun fest. Sie denkt an das Meer. Wellen, die auf einen Strand schlagen, die Gischt auf dem Sand, die salzige Kühle. Sie hängt sich ihre Umhängetasche über die Schulter, geht ins WC und schöpft sich kaltes Wasser ins Gesicht. Sie sieht sich ein paar Sekunden lang in die Augen, nimmt dann den Aufzug ins Erdgeschoss. In der Eingangshalle des Polizeipräsidiums scheint die Klimaanlage noch zu funktionieren, die Kühle ist ein Schock auf ihrer Haut. Der junge Kollege am Empfang hat rosige Wangen und sehr hellblonde Haare. Er winkt Judith zu sich und gibt ihr einen Brief. »Den hat vorhin jemand abgegeben.« »Wer? Wann?« Sie sieht sich um. Die Halle ist leer. Der Polizeimeister zuckt die Schultern. »Tut mir leid, hab ich nicht gesehen, vorhin war hier ziemlicher Trubel.« Sie nimmt den Umschlag entgegen und mustert ihn. Kein Absender. Keine Briefmarke. Ihr Name mit einer altmodischen Schreibmaschine getippt. Innen drin steckt ein Foto, das eine ockerfarbene Fläche zeigt. Nur das, nichts weiter. Vor ein paar Tagen hat sie schon einmal so ein Foto bekommen, in einem ganz ähnlichen Kuvert, doch das war, soweit sie sich erinnern kann, regulär frankiert und lag in ihrer Tagespost. Ein Verrückter, hat sie gedacht und das Foto nicht weiter beachtet. Sie steckt den Brief in ihre Tasche und durchquert die Empfangshalle in Richtung Kantine. Jeder kann dort essen gehen, nicht nur Polizisten. Bürgernähe ist das Ziel. Transparenz. Vertrauensbildung, auch wenn sich die Beamten unter den wachsamen Blicken der Bürger beim Essen zuweilen wie Zootiere fühlen. Der Geruch von Frittierfett und Kaffee schlägt ihr entgegen, sobald sie die Glastür geöffnet hat. Der Hauptandrang ist schon vorbei, drei Rentner sitzen an einem Fenstertisch und löffeln Pudding, ein paar Kollegen von der Streife und von anderen Kripo-Dezernaten trinken Kaffee. Jemand beobachtet mich. Jemand kommt mir zu nah. Das Gefühl ist so intensiv, dass Judith herumschnellt. »Frau Krieger! Hallo!« Der Reporter Zobel läuft auf sie zu. Lächelnd, den KURIER AM SONNTAG in der Hand. Ganz offenbar hat er hier auf sie gewartet. Sie starrt ihn an, fühlt den Schweiß zwischen ihren Brüsten und auf der Stirn, sieht im selben Moment wieder die Gaffer im Park vor sich, die Blitzlichter der Kameras. Selbst mithilfe der Kollegen ist es ihr nicht gelungen, alle Personalien zu erfassen. Nicht einmal die Gesichter derjenigen, die ihr ganz nah kamen, könnte sie verlässlich beschreiben. War der Täter einer von ihnen? Der Reporter wird es ja wohl nicht gewesen sein. Trotzdem darf sie ihn nicht länger ignorieren. Als Zobel sie nach der Aufklärung des Priestermords für ein Kurzporträt interviewte, hat sie ihn unterschätzt. Ein Praktikant, hat sie damals gedacht. Harmlos, bedeutungslos und leicht zu lenken. Im Nachhinein hat sie dann erfahren müssen, wie viele Geschichten er schon geschrieben hat und wie hartnäckig er sein Ziel verfolgt, sie zu einem größeren Porträt zu überreden. »Frau Krieger?« Sie sieht dem Reporter direkt in die Augen. Er ist nur wenig größer als sie. Zu klein, um als Täter infrage zu kommen. Zu jung vielleicht auch. Sie senkt den Blick auf die aufgeschlagene Zeitung. Im Zentrum prangt eine Großaufnahme von ihr vor dem Leichenwagen. Ihre Locken hängen ihr wirr ins Gesicht, ihr Mund steht halb offen, ihre nackten Beine und Arme wirken bleich und grotesk, die Brüste unter der Pistole zeichnen sich viel zu deutlich ab. Sie war nicht im Dienst. Sie hatte einfach irgendetwas angezogen. Sie hatte nicht mit einem Einsatz gerechnet. »Es gibt andere Fotos von Ihnen.« René Zobels Stimme wird ganz weich, wie schmelzendes Karamell. »Nicht so vorteilhafte wie dieses. Ich habe diese Fotos natürlich nicht veröffentlicht. In Ihrem Interesse, ich denke, dafür …« »Wollen Sie mich erpressen?« Ihre Stimme ist zu wütend, zu laut. Die Rentner schauen von ihrem Pudding auf, die Kollegen heben irritiert die Köpfe. »Erpressen, um Himmels willen!« Der Reporter hebt die Hände, als wolle er sich ergeben. »Ich möchte nur …« »Was?« »Ein kleines Entgegenkommen Ihrerseits. Kooperation. Informationen.« »Dann wenden Sie sich an die Pressestelle. Es sei denn, Sie haben mir etwas mitzuteilen, das für die Ermittlungen relevant ist.« »Nein, ich …« Er sieht sie an. Unverwandt. Ohne zu blinzeln. In Vernehmungen ist dies ein Indiz für eine Lüge. Meistens. Nicht immer. Weiß er etwas, oder blufft er nur, um sich die nächste Story zu sichern? Er weiß etwas, denkt sie, doch bevor sie entschieden hat, wie sie ihn zum Reden bringt, stehen die Streifenpolizisten von ihrem Tisch auf und kommen auf sie zu, und das löst den KURIER-Reporter aus seiner Erstarrung. Er verabschiedet sich hastig und verlässt die Kantine, dicht gefolgt von den Polizisten, und im nächsten Moment ist sie schon nicht mehr so überzeugt davon, dass er wirklich etwas von Bedeutung zu sagen hat. Sie holt sich einen Salat und ein Wasser und setzt sich in eine Nische. Auch die Kollegen vom Einbruch und die Rentner brechen nun auf, außer ihr und dem Kantinenpersonal ist niemand mehr hier. Doch ihr Unbehagen bleibt. Als ob der Täter ganz nah wäre. Als ob er sie sähe. *** »Nehmt doch noch … bitte … und Sahne … die ersten Pflaumen, so früh im Jahr … aber schon süß und ich dachte …« Mannis Mutter fegt einen nur in ihrer Einbildung vorhandenen Krümel von der Tischdecke und schiebt ihm das nächste Stück Kuchen auf den Teller, seinen Protest ignorierend. »Sein Lieblingskuchen«, sagt sie zu Sonja und sprudelt gleich weitere atemlose Halbsätze hervor: »… nichts gesagt … schweigt sich über Sie aus … und...


Klönne, Gisa
Gisa Klönne, geboren 1964, ist die Autorin von mittlerweile sechs erfolgreichen Kriminalromanen um die Kommissarin Judith Krieger. Daneben legte die unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnete Autorin mit »Das Lied der Stare nach dem Frost« und »Die Wahrscheinlichkeit des Glücks« aber auch zwei Familienromane vor. Gisa Klönnes Romane sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Köln.

Gisa Klönne, geboren 1964, ist die Autorin von mittlerweile sechs erfolgreichen Kriminalromanen um die Kommissarin Judith Krieger. Daneben legte die unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnete Autorin mit »Das Lied der Stare nach dem Frost« und »Die Wahscheinlichkeit des Glücks« aber auch zwei Familienromane vor. Gisa Klönnes Romane sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Köln.



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