Knabe | Rond | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 424 Seiten

Reihe: Die Flüchtlings-Chroniken

Knabe Rond

Die Flüchtlings-Chroniken III
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-96741-201-7
Verlag: Hybrid Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Die Flüchtlings-Chroniken III

E-Book, Deutsch, Band 3, 424 Seiten

Reihe: Die Flüchtlings-Chroniken

ISBN: 978-3-96741-201-7
Verlag: Hybrid Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



In blinder Wut warf Rond sich herum. »Lass meine Schwester aus dem Spiel, du dreckiger Hurensohn!« Ein geheimnisvoller Besucher macht dem verurteilten Mörder Rond ein Angebot: Wenn er auf der Insel Falun gefangene Frauen und Kinder befreit, erlangt nicht nur er, sondern auch seine ebenfalls für schuldig erklärte Schwester die Freiheit. Rond geht darauf ein. Bald muss er erkennen, dass hinter der Befreiungsaktion ein größerer Plan steckt - und er selbst auf dem Spielbrett der Macht nur als Bauernopfer dient.

Michael Knabe, 1971 in Lübeck geboren. 1991 war er Sprecher der Schülerjury, die den Weilheimer Literaturpreis an Wolfgang Hildesheimer verlieh. Seit dem dreizehnten Lebensjahr treibt er sich in seinen phantastischen Welten herum und hat mehr als einmal überlegt, einen Reiseführer für das Inselrund zu verfassen. Seit 2001 lebt, arbeitet und schreibt Michael Knabe in und um Freiburg. Er ist Mitglied des Schriftstellerforums dsfo.de, wo er im Kollegenkreis an seinen Manuskripten feilt.

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Mauerdienst   Vendan da Gandre, Befehlshaber der Königsgarde Faluns, blickte durch einen Mauerriss ins Tal hinab, wo schwer beladene Karren über die Straße in Richtung des Dolnan rumpelten. Auf der gegenüberliegenden Seite verschwand der Bergwald in tief hängenden Regenwolken. Das ferne Rauschen des Wildbachs brach sich hinter Vendan an der Mauer des Bergfrieds. Das Ganze glich einem Kunstwerk, einem Fresko, wie es die besten Maler nicht an die Wände des neuen Palastgebäudes zaubern konnten. Der Rahmen? Ein Loch in der Wehrmauer. Zu Hause in Marny saßen seine Frau und die Kinder vermutlich vor dem Kamin in der großen Halle, spannen Wolle und erzählten sich die alten Geschichten über Uyara, die Erlöserin. Nur er hielt hier die ehrenvolle Familientradition hoch und bewachte eine Ruine. Stetig fiel der Regen. Eine Verwünschung murmelnd richtete Vendan sich auf. Der Gardist, der ihn auf seinem Rundgang begleitete, winkte vom Eingang eines Halbturms herüber und deutete auf einen Spalt zwischen seinen Stiefeln. »Hauptmann? Hier ist noch einer.« Sein schwarzer Mantel hing an ihm herunter wie ein Lumpen aus dem Putzeimer. Der königliche Drache, in Silber auf den Wappenrock gestickt, zog das Gesicht in griesgrämige Falten. Auf dem Wehrgang trockneten die Kleider niemals, nicht einmal dort, wo das Dach noch existierte. Vendan lachte bitter. Warum sollte König Toran auch die Ringmauer erneuern lassen, wenn er das Geld für ein neues Wohngebäude im modernen levanischen Villenstil brauchte? Hässlich und nutzlos thronte es seither mitten in der Burg und würde künftig jeden Versuch einer Verteidigung behindern. Toran hatte nie die wahre Last der Krone tragen müssen. Er war ein unreifer Junge geblieben, eitel und weichlich. Die Burg diente längst den Besatzern als Kommandantur und Vendans Männer bildeten lediglich die Ehrengarde eines Vasallenkönigs. Vielleicht standen hier auf dem alten Königssitz bald nur noch fremdländische Villen. Nein, korrigierte Vendan sich stumm. Die Besatzer sahen ja selbst, was Shorons göttlicher Zorn mit Gebäuden der Levanyi anstellte. Von der Mauer aus ließ sich gut beobachten, wie das Becken im neuen Atrium vom Dauerregen überlief, und der königliche Brennholzvorrat ging schon zu Beginn der Regenzeit zur Neige, weil sich die offenen Räume kaum heizen ließen. Derweil wärmte sich der neue Statthalter drüben im Bergfried an einem der Kachelöfen, die man hier seit Generationen perfektioniert hatte, und falunische Knechte trugen ihm das Holz hinauf. Regentropfen prallten von Vendans Lederhelm ab. Er würde ihn wieder fetten müssen, wenn er trocken war — was in der Regenzeit endlos dauerte. Vendan rümpfte die Nase. Seine Garde roch vermutlich als einzige im Inselrund nach ranzigem Fett. Aber was sollte er tun? Eisen kostete ein Vermögen, genau wie Bauleute, um endlich die Schäden an der Königsburg zu reparieren. Das Geld dafür lagerte in den Truhen des Statthalters oder ging als Steuer an den levanischen Kaiser. Die Besatzer ließen Falun ausbluten wie ein Schwein beim Schlachten. »Hier, Hauptmann. Unter mir laufen die Hühner, die der Koch des Statthalters hält.« Der Gardist stampfte kräftig auf. Seine Tritte lösten mehrere Steine, die in den Hof hinabfielen. Aufgeregt gackernd flohen die Hühner in ihren Stall. »Lass das!« Gegen seinen Willen musste Vendan lachen. »Wenn du ein Huhn erschlägst, wem setzt es der Statthalter wohl auf die Rechnung, hm?« Der Mann sah betreten drein und schien erleichtert, als der Anführer der Ersten Wache auftauchte und er salutieren musste. »Wachführer!« Carath da Malet schien den Regen nicht zu bemerken, der ihm vom Nasenschutz tropfte. »Wie viele Spalten habt ihr gefunden?« Mit einem Blick auf Vendan deutete er einen Salut an. »Hauptmann.« Der Gardist stand stramm. »Vier, Wachführer. Alle breiter als eine Handspanne.« Vendan runzelte die Stirn. Nicht einmal ein Viertel des Wehrgangs lag hinter ihnen. Das Holz der Stützen faulte, das kannte er. Aber generationenalte Mauern, die an der Basis mehr als zwei Klafter maßen? Die Königsburg, die seit Menschengedenken das Tal bewachte, schien in sich zusammenzusacken, als ob sich der Berg, der sie trug, plötzlich auflöste. Wenn König Toran nicht endlich Geld für die Reparaturen freigab, fand er sich irgendwann mitsamt den Trümmern seiner Burg im Tal wieder. Den Levanyi war angeblich genau das mit ihrer Hauptstadt widerfahren, doch sie verstärkten ihren Würgegriff um Falun nur noch weiter. Schritt für Schritt umrundeten die drei Männer die Ringmauer. Sie passierten zackig salutierende Soldaten aus Caraths Wache und stiegen über Haufen herabgefallener Schindeln. Vendan rutschte auf einer Stufe aus und hielt sich am Pfosten des Geländers fest. Seine Finger drangen tief ins Holz, in dem der Schwamm saß. Mit der bloßen Hand riss er einen daumendicken Splitter aus dem Pfosten und hob das Holzstück anklagend empor. Carath zuckte nur gleichmütig mit den Schultern, so wie immer bei Vendans Klagen über den Zustand der Burg. Er würde wohl auch dann noch lächeln, wenn die Mauer unter ihm in Stücke zerfiel. Sie näherten sich dem Ausgangspunkt des Kontrollgangs. Prompt tauchten die Risse wieder auf. Vendan schickte den Soldaten mit einem Wink zu den Mannschaftsbaracken und lehnte sich in einer Zinnenscharte weit über die Mauer hinaus. Unter ihm ragten die Felsen des Burgbergs aus dem Torfmoos hervor wie Knochen aus einer verrottenden Leiche. An seinem Fuß zogen sich Geröllfelder bis zum Bach und der Reichsstraße hinüber. Direkt unter Vendan wiesen sie einen helleren Farbton auf als am Rest des Hangs. Erst kürzlich musste hier ein Teil des Felsens abgerutscht sein. Vendan nahm sich vor, nicht nur die Mauer zu untersuchen, sondern auch das Gestein, das sie trug. Er richtete sich auf. »Die Regenzeit ist bald vorüber. Wir müssen die Leute heimschicken.« Vielleicht durfte er dann seiner Familie selbst einen Besuch abstatten. Die Kleine lief sicher längst allein. »Zu früh. Die Hälfte weiß noch nicht einmal, wie man einen Bogen richtig hält.« Carath streckte sich. Der Regen, der ihm in die Ärmel rann, schien ihm nichts auszumachen. Sein sonniges Gemüt hielt ihn keineswegs davon ab, die Kampfkraft der falunischen Schattenarmee korrekt einzuschätzen. Regelmäßig brachten seine Kommentare Vendan an den Rand des Wahnsinns — und auf den Boden der Tatsachen zurück. Genau dafür brauchte man gute Freunde. »Jeder von ihnen weiß, wie man eine Sense hält«, erwiderte Vendan. »Auf den Feldern brauchen wir jeden Mann.« Leiser fügte er hinzu: »Wer den Umgang mit der Waffe jetzt nicht begriffen hat, lernt ihn auch nicht mehr. Drück ihnen eine Keule in die Hand und zeig ihnen, wo der Feind steht.« Seine Bemerkung schien selbst Carath die gute Laune zu rauben. »Habe ich richtig gehört? Du willst sie ohne Ausbildung gegen eine levanische Legion schicken? Dann kannst du ihnen auch gleich befehlen, von der Mauer zu springen. Hast du die Levanyi exerzieren gesehen?« »Bauern bleiben eben Bauern«, beharrte Vendan und versuchte das Bild dieser Masse aus Spangenpanzern wegzuschieben, die sich bewegte, als würde sie von einem einzigen Gehirn gesteuert. Nie zuvor hatte er Soldaten mit so tödlicher Präzision marschieren gesehen. Carath hieb in die gleiche Kerbe. »Sie wirken, als ob sie keine Menschen mehr wären. Genauso kämpfen sie auch: unmenschlich.« Er ließ sich mit dem Rücken gegen die Brüstung fallen und Vendan unterdrückte den Impuls, ihn am Ärmel festzuhalten. Wer wusste schon, wann die nächste Zinne ins Tal stürzen würde? »Auch die Levanyi haben Kriege verloren, sogar vor Kurzem.« Immer wenn Vendan an die Nachrichten aus Sabinon dachte, erfasste ihn eine Mischung aus Wut und Begeisterung. Nicht nur ihre Hauptstadt lag in Trümmern. Nein, die levanische Flotte war von Sabinons Wurfmaschinen auf den Meeresgrund geschickt und eine komplette Legion aufgerieben worden. »Wie viele solche Verluste können sie sich wohl leisten?« »Genügend, um uns endgültig auszulöschen. Wir sind nicht Sabinon.« Dass Carath wieder einmal recht behielt, machte es nicht angenehmer. Aus einer größeren Perspektive betrachtet war Falun nichts weiter als ein verregneter Flecken Land am Rand der Welt. Gäbe es die verdammten Silberminen nicht, die Levanyi hätten sich niemals hier blicken lassen. Nun saßen sie in den besten Mannschaftsbaracken der Königsburg wie ein Holzwurm im Dachgebälk. Trotzdem konnte er Caraths Argument nicht einfach stehen lassen. »Die Niederlage hat sie geschwächt. Wenn wir zu lange warten, verschleppen sie unsere eigenen Leute in ihre Legionen.« »Dann bekommen sie endlich eine anständige Ausbildung.« Carath lachte, doch dieses Mal klang es hohl. »Und anschließend schicken wir sie gegen ihre eigenen Lehrmeister. Ich muss zugeben, der Plan hat etwas.« »Dazu müsstest du sie erst einmal aus dem Winkel der Welt zurückschaffen, in den man sie bis dahin transportiert hat.« Der Gedanke schmerzte wie eine Dolchwunde. Jedes Jahr schleiften die Besatzer mehr falunische Bauernsöhne auf ihre Galeeren, damit sie irgendwo im Inselrund ihr Blut für Levanon vergossen. Schaffte es doch einmal jemand zurück nach Hause, dann sprach er besser levanisch als die Zunge seiner Vorfahren, faselte von Villen und Ländern voller Sonne und sah verächtlich auf seine Heimat herab, die dem Regen gehörte. Derweil verhungerte das Volk, weil niemand die Ernte einfuhr. Das...



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