E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Koch Die Spinner und ich
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7693-8546-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Entlarvendes über Menschen und Autos
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-7693-8546-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Spinner lauern überall. Das hat der junge Mann frühzeitig in der Familie, der Schule und im Konfirmandenunterricht erfahren. Wenn ein Lehrer einen Schüler ins Messer laufen lässt, ein Pastor die Bibel verfälscht oder ein Offizier die Rekruten veralbert - dann steckt häufig ein Spinner dahinter. Auch Zeitungsredakteure und Professoren entpuppen sich als Spinner der politischen oder unpolitischen Art. Wie man hier den Überblick behält, erzählt der Betroffene selbst: als Schüler, Student, Soldat und Journalist - und als Autofahrer. Dabei bereiten ihm zwei Fahrzeuge besondere Probleme - und Momente großer Freude: der 2 CV und der Ro 80. Die Geschichte entstand Ende der 1980er Jahre und ist in der damaligen Rechtschreibung abgedruckt.
Klaus Koch schreibt über Dinge, von denen er etwas versteht. Er verfolgte seit den 1970er Jahren als Journalist in Zeitungs- und Agenturredaktionen das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen. Drei Jahrzehnte lang war er Redakteur der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Die Spinner und ich" schrieb er Ende der 1980er Jahre, ließ die Geschichte aber mehr als 30 Jahre lang in einer digitalen Schublade schlummern und holte sie jetzt für die Erstveröffentlichung hervor - in der Rechtschreibung von damals. Er lebt im Ruhestand mit seiner Frau in Hamburg. Und er hat früher mal einen 2 CV und einen Ro 80 gefahren.
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4. Militärische Spinner
Alles in allem übten die Spinner keine große Anziehungskraft auf mich aus. Ich fand sie nicht attraktiv und verspürte sogar den Wunsch, ihnen aus dem Weg zu gehen. Die Frage, wie ich dies wohl bewerkstelligen könnte, spielte durchaus eine Rolle bei meinen Zukunftsüberlegungen, als ich mir in der zweiten Hälfte des letzten Schuljahres über meinen weiteren Lebens-und Ausbildungsweg klarzuwerden versuchte. Daß ich mich ausgerechnet für das Militär entschied, hielten einige Leute schon damals für eine Schnapsidee, und ich muß zugeben, daß ihre Skepsis einiges für sich hatte. Das Renommee der Soldaten war eher bescheiden, und zwar hauptsächlich aus zwei Gründen. Da war erstens der - nach zwei verlorenen Kriegen naheliegende - Zweifel an ihrer Effizienz. Auf gut Deutsch: Man glaubte nicht, daß sie ihr Handwerk verstanden - mit all den Folgen, die so etwas für das Ansehen eines Berufsstandes mit sich bringt. Wenn einer schon seinen eigenen Job nicht beherrscht, wird er wohl auch woanders nicht viel zuwege bringen, war die allgemeine Meinung. Der zweite Grund, warum man vom Soldatentum nicht besonders viel hielt, war die Wehrpflicht, also die mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeit, daß es einen selbst auch treffen konnte. Was keiner, der seine Sinne beieinander hat, freiwillig tut, dazu muß man ihn eben zwingen: Nach diesem Motto hatten die zweifachen Kriegsverlierer wieder eine Wehrpflichtigenarmee aufgestellt. Es muß das Spinat-Syndrom gewesen sein, das viele Eltern, die als Kinder dieses Gemüse verabscheut haben, dennoch veranlaßt, es ihren eigenen Kindern mit dem Argument aufzuzwingen, es sei besonders gesund. Dafür spricht auch die Beschränkung der Wehrpflicht auf die männliche Hälfte der Bevölkerung: Den Mädchen war diese Art von Spinat eben auch früher nicht aufgetischt worden. Bei dieser Sachlage stellt sich natürlich die Frage, wieso ich von einer „Entscheidung“ für das Militär rede, wenn ich doch sowieso hin mußte. Die Erklärung ist ganz einfach: Da es keine Regel ohne Ausnahme gibt, mußte nur der wirklich einrücken, der keinen Weg fand, sich dieser Pflicht zu entziehen - sei es, daß er sich von seinem Arzt einen Bandscheibenschaden, einen Hörfehler oder Klaustrophobie attestieren ließ. Vielen Leistungssportlern wurden derartige Schäden von ihren Sportärzten bescheinigt, und auch mancher Akademikersohn litt nach medizinischer Feststellung unter einem der ausgewählten Defekte, die für den Wehrdienst disqualifizierten. Für diejenigen, deren Eltern nicht über eine passende Arzt-Adresse verfügten, blieb immer noch die Möglichkeit, dem Militär durch karitativen Dienst bei Feuerwehr, Rotem Kreuz oder Technischem Hilfswerk zu entgehen. Und daneben hatten Pazifisten das Verfassungsrecht der Kriegsdienstverweigerung. Wer also Soldat wurde, tat dies entweder freiwillig oder aus Resignation oder aus Gesetzestreue, wobei die Grenzen fließend sind. Bei mir war es Neugier. Ich wollte eine Probe aufs Exempel machen. Anderthalb Jahre praktisch nur unter Männern: Wenn ich da keinem einzigen Spinner begegnete, hätte das interessante Rückschlüsse über die Frauen nahegelegt. Da hätte es dann schon einer überzeugenden Gegenprobe bedurft, etwa in einem Nonnenkloster. Die andere Möglichkeit, daß es nämlich in der Armee von Spinnern nur so wimmelte, daß diese Institution womöglich sogar irgendwann als Spinner-Bewahranstalt konzipiert worden war, hielt ich für unwahrscheinlich. Ich hatte mich nämlich schon seit längerem gefragt, wieso ich eigentlich an „Spinner“ dachte, wenn es um Menschen mit getrübtem Urteilsvermögen ging. Warum nicht „Schlosser“ oder „Klempner“? Und da war mir dann die Grimmsche Märchenwelt eingefallen. Da gab es doch ein Paradebeispiel für das Spinnen: bei Dornröschen. Und es war nicht etwa ein Mann, sondern eine Frau, die sich als Spinnerin allererster Güte betätigte. Man erinnert sich: Die Dame hatte eine ausgebliebene Einladung zu einer wahrscheinlich total langweiligen Familienfeier so wichtig genommen, daß sie alle Maßstäbe verlor. Selbst wenn man Zugeständnisse an das möglicherweise empfindliche Gemüt dieser Frau macht, die es offenbar als Affront empfunden hatte, daß sie bei den Einladungen zum Festschmaus übergangen worden war - drängt man sich da auf, wo man nicht erwünscht ist? Stößt man wüste Beschimpfungen und Verwünschungen aus, dazu noch in aller Öffentlichkeit? Und wenn einem so etwas nun einmal unterlaufen ist - fängt man dann Jahre später auch noch wortwörtlich zu spinnen an und setzt die Nadel mit der Schlafdroge kaltblütig ein? Die Antwort lautet: So etwas tut man nicht. Und wer es doch tut, hat sich als Spinner weit über das unerläßliche Maß hinaus qualifiziert. Die Zuversicht, mit der ich den bewaffneten Streitkräften beitrat, erwies sich als teilweise berechtigt. Zwar begegnete ich während der folgenden achtzehn Monate auch dem einen oder anderen Zeitgenossen, in dem ich mühelos den Spinner erkannte, aber die meisten Soldaten hatten für das, was sie taten, einen plausiblen Grund. Warf sich einer unvermittelt in eine Pfütze, dann war die einfache Erklärung, daß es ihm jemand befohlen hatte, etwa durch das Kommando: „Stellung!“. Knickte ein anderer den Arm ein und berührte mit starr ausgestreckten Fingern die Mütze, dann lag das daran, daß er einem Vorgesetzten bedeuten wollte, er habe ihn gesehen. Gleichwohl fühlte ich mich schon nach kurzer Zeit fehl am Platze beim Militär. Das lag weniger an den kleinen Unannehmlichkeiten, die das Leben in umzäunten Arealen mit sich bringt. Ich fand einfach immer weniger Gefallen daran, auf Befehl Dinge zu tun, deren Verrichtung aus freien Stücken mir nicht im Traum eingefallen wäre. Das Exerzieren zum Beispiel: Stundenlanges Herumstehen auf großen, asphaltierten Plätzen vermittelte mir in keiner Weise den Eindruck, ich diente damit der Bundesrepublik Deutschland oder verteidigte Recht und Freiheit. Auch wenn ein Offizier mit eichenlaubbekränzten Sternen auf der Schulter an uns vorbeiging und wir ihm mit den Augen zu folgen hatten (das hieß: „die Front abschreiten“), war mir das nationale Interesse an diesem Vorgang alles andere als klar. Mehr Spaß machten mir einige andere Übungen an frischer Luft. Da waren zum einen die Sportstunden und zum anderen die Ausflüge in nahegelegene Wälder. In grünlicher Kleidung und mit allerlei Gepäck auf dem Rücken zogen wir - nicht selten zu nächtlicher Stunde – ins Grüne und übten Pfadfinderfertigkeiten. Ich hatte als Junge nie gelernt, wie man Gräben aushebt, eine Feuerstelle anlegt oder ein Zelt aufbaut, und bekam nun Gelegenheit, es nachzuholen. Meiner eher pragmatischen Haltung setzte Oberfeldwebel Schimmelpfeng seinen Appell an Patriotismus und Phantasie entgegen. Waren die „Stellungen“ erst einmal gegraben und bezogen, dann mußten sie gegen den „Feind“ verteidigt werden. Schimmelpfengs Darstellung zufolge waren Angreifer jenseits der Waldgrenze oder der Eisenbahnschienen darauf versessen, ausgerechnet jene Gräben, Zelte und Feuerstellen zu erobern, die wir gerade angelegt und aufgebaut hatten. Glücklicherweise verfügte der Feind laut Schimmelpfeng nie über stärkere Waffen als Sturmgewehr und MG, und die hatten wir schließlich auch. Außerdem war der Aggressor immer schon verschwunden, wenn wir einen Ausfall wagten. Waren es in den ersten Monaten der militärischen Ausbildung überwiegend die körperlichen Trainingsdefizite der Rekruten, denen die Unteroffiziere zuleibe rückten, so widmeten sich die Vorgesetzten später auch verstärkt dem geistigen Nachholbedarf der jungen Soldaten. In Unterrichtsfächern wie „Innere Führung“, „Landkriegslehre“ oder „Waffenkunde“ wurde uns manches vermittelt, was die Schule nicht geleistet hatte. So erfuhren wir etwa, daß es bei der „ABC-Abwehr“ nicht um eine Kampagne für das Analphabetentum ging, sondern um den Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Waffen. Aber auch später gab es noch Mißverständnisse. Über einer Prüfungsarbeit an der Offizierschule, an die es mich aus Gründen, die hier nichts zur Sache tun, vorübergehend verschlagen hatte, brütete ich so lange, daß das Ergebnis höchst unerfreulich ausfiel. Gegenstand der schriftlichen Prüfung im Fach „Landkriegslehre“ war die Verteidigung eines Wäldchens gegen eine gut ausgerüstete Truppe, die aus der Gegend des Sonnenaufgangs anrückte. Wir hatten uns vorzustellen, wir seien ein Leutnant mit 30 Mann, und sollten aufschreiben, wie wir den Eindringlingen aus dem Osten den Wunsch vermitteln könnten, sie wären zuhause geblieben. Statt mich nun sofort mit aller mir zu Gebote stehenden Sachkunde dieser Frage anzunehmen, konzentrierte ich mich zunächst auf die Vorbemerkung. Der Oberstleutnant, der die Aufgabe entworfen hatte, gab in dieser Einleitung zur „politischen Lage“ quasi die...