E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Koch / Elstermann / Kessell Ein verflixtes Halloween
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-96000-294-9
Verlag: Elysion Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kurzgeschichten
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-96000-294-9
Verlag: Elysion Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
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1. Lady in Red
Svantje Koch Katja schrak von einem lauten Geräusch auf. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Hinter ihren Augen pochte es und das Gebrüll vor dem Fenster verschlimmerte den Schmerz. Stöhnend richtete sie sich auf und angelte nach dem Vorhang. Draußen schrie gerade ein Mann einen Parksheriff an und fuchtelte mit einem Zettel vor dessen Nase herum. Sie strubbelte sich durch die Haarstoppeln und wischte einen Mascarakrümel aus ihrem Augenwinkel. »Oh Gott! Nie wieder Tequila!« Von dem Nachttisch zog sie ein Päckchen Schmerztabletten hervor. Mit der Cola vom Vortag spülte sie zwei davon herunter. Einen Moment lang wartete sie ab, ob es unten blieb. Dann schlug sie die Decke weg und tapste ins Badezimmer. Als sie angezogen die Küche betrat, ging es ihrem Kater bereits so gut, dass ihr das Getöse der Kaffeemaschine nichts mehr ausmachte. Seufzend betrachtete sie den Zettel ihrer Mitbewohnerin neben den Espressotassen. Hab trotzdem ein schönes Halloween. Vielleicht ist das dein Neustart. Sieh es als Geschenk des Universums. Bussi Tini. »Na super.« Wie sollte man Halloween feiern, wenn der Freund einen am Vortag verlassen hatte? Wegen einer Blondine. Sie zerknüllte den Zettel und schmiss ihn in den Papierkorb. Katja warf einen Blick auf die Küchenuhr und fluchte. Wenn sie noch pünktlich zu ihrer Vorlesung kommen wollte, musste sie sich beeilen. In einem Zug stürzte sie den Kaffee hinunter, schnappte ihre Unterlagen und hetzte zur Tür. Um ein Haar wäre sie über den Strauß Rosen auf dem Treppenabsatz gestolpert. »Björn!« Jetzt brauchte er auch nicht mehr ankommen. Zuerst wollte sie die Blumen nach unten treten. Dann besann sie sich und nahm die Karte, die in den oberen Knospen steckte. »Meine Schöne, genieße den Tag, als wäre es dein letzter«, stand da in einer verschnörkelten Handschrift. »Nicht mal ne Entschuldigung?«, murmelte sie und schob den Strauß einfach beiseite. Die Karte steckte sie in ihre Gesäßtasche. Sie zog den Schal fester und rannte zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinab zu ihrem Fahrrad. Zwei Stunden später in der Uni hakte sich Laura von hinten bei ihr ein. »Gehen wir einen Kaffee trinken?« Gähnend nickte Katja und ließ sich zu den Fahrradständern ziehen. Während der Vorlesung über deutsche Literatur des späten Mittelalters wäre sie zweimal fast eingenickt. »Was hast du denn da?« Ihre Freundin zog eine Schachtel von Katjas Gepäckträger. »Boa, das ist ja wohl das Letzte. Gestern macht er Schluss und heute überhäuft er mich mit Geschenken.« Katja zog die Augenbrauen zusammen und widerstand dem Drang, das Konfekt durch die Gegend zu werfen. »Björn? Glaub ich nicht. Guck dir mal die Karte an.« Mit spitzen Fingern nahm Katja das Kärtchen entgegen. »Meine Schöne, versüße dir den Tag, als wäre es dein letzter.« »Das klingt so gar nicht nach Björn, finde ich«, sagte Laura. »Du hast recht.« Stirnrunzelnd drehte sie das Pappstück in den Händen, als ließe sich dadurch der Absender erkennen. Sie erzählte von den Rosen. »Eigentlich dachte ich, dass das ein Versuch von Björn ist, sich zu entschuldigen.« »Du hast einen heimlichen Verehrer.« Laura lachte. »Wie gruselig.« Katja fuhr durch ihre Haarstoppeln und blickte sich um. Auf dem Hof standen Studenten in Grüppchen herum. Die meisten kannte sie. Doch keiner sah aus, als würde er ihr besondere Beachtung schenken. »Lass uns los.« Sie schüttelte sich und schloss das Rad auf. Im Café duftete es nach frisch gebackenen Schokoladenmuffins. Mit beiden Händen umklammerte Katja ihren Cappuccino und sank tief in ihren Ohrensessel. Seit einer halben Stunde gingen die beiden alle möglichen Bekannten und Freunde durch, die infrage kommen konnten. Bislang ohne Ergebnis. Katja rümpfte die Nase. »Also mir fällt jetzt wirklich keiner mehr ein.« »Vielleicht ein Uni-Professor?« »Ach quatsch. Die sind alle steinalt.« Sie schlürfte den letzten Schluck aus und schob die Tasse beiseite. Martin, der Cafébesitzer, balancierte ein Tablett zu ihnen herüber und stellte zwei dampfende Keramikbecher vor ihnen ab. »Was ist das?«, fragte Laura und reckte den Kopf nach vorne. »Grog.« Martin zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Die sind von ...« Er drehte sich um und zog die Augenbrauen zusammen. »Nanu? Eben war er noch da.« »Wer?« Katja richtete sich auf. »Na, der Typ, der euch die Grogs spendiert hat.« »Wie sah er aus?«, fragte Laura. Martin kratzte sich am Hinterkopf. »Puh. Gute Frage.« Genervt seufzte Katja. »Komm schon. An irgendwas musst du dich doch erinnern.« »Er war dunkelhaarig, glaube ich. Mittelgroß. Auf jeden Fall soll ich dir was ausrichten.« Mit dem Kinn ruckte er zu Katja. »Ach ja?« »Das war irgendein Schwachsinn.« Lachend räumte er die alten Tassen auf das Tablett. »Irgendwas von wegen, dass du das Elixier des Lebens genießen sollst, oder so.« Er schüttelte den Kopf. »Ein ziemlicher Spinner, wenn ihr mich fragt. Aber der Grog ist trotzdem gut. Happy Halloween übrigens.« Dann zwinkerte er ihnen zu und drehte sich um. »Hast du jemanden gesehen?«, fragte Katja und sah zur Tür hinüber. Da war niemand. Auch nicht vor den Schaufenstern. »Nicht, dass ich wüsste. Vielleicht ist es ja Martin?« »Meinst du?« Stirnrunzelnd betrachte sie den Mann hinter der Bar. Er winkte zu ihnen herüber und machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. »Gut sieht er jedenfalls aus.« »Aber was, wenn er es nicht ist? Vielleicht ist es ja auch ein Psychopath.« Laura schnüffelte an ihrer Tasse und nippte daran. »Du siehst zu viele Horrorfilme.« »Sei lieber vorsichtig. Hast du von diesem Kunstmörder gehört?« Katja schüttelte den Kopf und winkte ab. »Weißt du was? Wenn Björn jemanden Neuen haben kann, dann ich auch. So ein Verehrer ist eigentlich ganz schön. Außerdem: Es ist Halloween.« »Und was heißt das?« Laura sah sie über den Tassenrand hinweg an. »Das heißt, dass ich eine Verabredung nicht ausschlagen würde, wenn ich eine bekäme. Und wenn es Martin ist? Umso besser.« Katja griff nach der Tasse und prostete dem Cafébesitzer zu. Sie blieben noch eine Weile sitzen, dann verabschiedeten sie sich und Katja radelte heim. Als sie ankam, sah sie schon von Weitem die große Schachtel, die vor der Tür lag. Sie schloss das Rad an den Laternenpfahl und stieg die Treppe hinauf. Dabei ließ sie das Paket nicht aus den Augen. Oben drauf lag eine einzelne Rose. Eine rote. Mit dem Handrücken schob sie die Blume beiseite und las den beiliegenden Zettel. »Für meine schöne Katja, Rot wie Blut, steht dir gut. Sei um sieben fertig. Es erwartet dich der Abend deines Lebens.« Was war das denn für ein Blödsinn? Sie trug die Schachtel hinein und trat die Tür hinter sich zu. In ihrem Zimmer legte sie den Karton auf dem Bett ab. Jacke, Schal und Handschuhe landeten in der Ecke. Nachdenklich trat sie einen Schritt zurück. Ob es ein Kleid war? Was sonst konnte ihr gut stehen? Kopfschüttelnd ging sie in die Küche und holte sich einen Kaffee. Dann kehrte sie zurück und betrachtete das Geschenk noch einmal. Mit dem Zeigefinger hob sie eine Ecke an. Langsam schob sie die Ecke über den Rand, bis der Deckel herunterrutschte. Zum Vorschein kam weißes Seidenpapier, das raschelte, als sie es beiseiteschob. Darunter lag wie gegossen ein dunkelrotes Satinkleid. Katja hob es an den Trägern in die Höhe. »Wow.« Ein so edles Kleid hatte sie nicht einmal zu ihrem Abiball getragen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen dachte sie an Björn, der sie damals begleitete. Von dem hatte sie nie solche Geschenke bekommen. Sie stellte sich vor den Spiegel und hielt sich das Kleid an den Körper. Er hatte recht. Es stand ihr wirklich ausgezeichnet. Das Rot betonte ihre dunklen Augen. Um sieben würde er sie abholen. Ein Blick auf die Uhr beruhigte sie. Ihr blieben noch drei Stunden. Genügend Zeit, um ihre Beine zu rasieren und sich um den restlichen Körper zu kümmern. Auf dem Weg ins Badezimmer holte sie ein Glas Rotwein aus der Küche. Dann ließ sich Katja ein Schaumbad ein und glitt in das warme Wasser. Sie schloss die Augen und genoss das wohlige Gefühl. Als sie verschrumpelt, dafür komplett enthaart wieder herausstieg, war draußen die Sonne untergegangen. Sie schmiss sich mit einem neuen Glas Wein und ihrem Handy in den Ohrensessel. Fünf Nachrichten von Laura, die wissen wollte, ob es Neuigkeiten von ihrem Verehrer gab und eine von Tini, dass es heute spät werden würde. Nichts von Björn. Wütend kaute Katja an ihrer Unterlippe. Wahrscheinlich räkelte er sich gerade mit seiner Blondine im Bett. Ihr Blick glitt zum Kleid. Was er tat, konnte sie schon lange. Sie gab sich einen Ruck und zog es über. Es schmiegte sich an ihren Körper, als wäre es ihr auf den Leib geschneidert worden. Prüfend betrachtete sie sich im Spiegel. Wer auch immer ihr dieses Kleid geschickt hatte, er musste sie entweder sehr gut kennen oder intensiv beobachtet haben. Mit dem Handy schoss Katja ein Selfie, das sie Laura schickte. Keine drei Sekunden später läutete das Telefon. »Was bitte ist das?« Katja erzählte ihr von dem Karton. »Oh man, sein bloß vorsichtig. Du weißt doch gar nicht, wer dahintersteckt.« »Das ist ja das Aufregende. Im Übrigen bin ich mir ziemlich sicher,...