E-Book, Deutsch, 192 Seiten
König / Drescher / Hemel Digitale Kompetenz im Beruf
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-17-041124-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-17-041124-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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1 Digitale Transformation
1.1 Was heißt Transformation?
Im Jahr 1690 präsentierte der Ingenieur und Erfinder Denis Papin einen Apparat, bei dem er einen Zylinder mit etwas Wasser füllte und dann einen beweglichen Kolben einführte. Erhitzte er den Zylinder, dehnte sich das Wasser als Wasserdampf aus und bewegte den Kolben im Zylinder, so dass eine mechanische Bewegung entstand. Diese Konstruktion erscheint uns heute recht primitiv und doch gehört sie zu den Anfängen einer Epoche rasanter technologischer Entwicklungen, die in der Erfindung der Dampfmaschine und schließlich in der Industriellen Revolution mündete. Denis Papin konnte damals nicht ahnen, dass sein Apparat Teil einer Zeitenwende war, die nicht nur technologische Transformationen mit sich brachte, sondern eine radikale Veränderung der Arbeitswelt und der Gesellschaft nach sich zog. Heute gehen wir davon aus, dass sich wieder eine Epochenwende vollzieht, eine erneute technologische Transformation, die wir die digitale Transformation nennen. Wir meinen damit den Prozess der digitalen Veränderung von Unternehmen, aber auch des politischen und gesellschaftlichen Lebens bis hinein in das Privatleben. Wie bei der Erfindung Papins ist auch uns nicht immer bewusst, welchen Beitrag eine einzelne Technologie, eine technische Anwendung, eine neue Software oder ein innovatives Geschäftsmodell zur digitalen Transformation leistet. Als unmittelbar Beteiligten fehlt uns die historische Distanz, um sagen zu können, in welchem Stadium sich die digitale Transformation genau befindet. Stehen wir erst am Anfang der neuen, digitalisierten Arbeitswelt und erleben bisher nur die Vorboten der radikalen Transformation, so wie Papins Apparat auch nur der Vorbote noch einflussreicherer Erfindungen war? Wir kennen zwar nicht die Antwort auf die Frage, aber wissen trotzdem, dass wir bereits Teil der digitalen Transformation sind und täglich mit ihren Folgen konfrontiert werden. Wer sagt, dass sich etwas transformiert, meint nicht nur die Veränderung einzelner Merkmale an einer Sache. Transformation bedeutet, dass sich die Sache selbst verändert. Der Begriff Transformation beschreibt also nicht nur Veränderungen innerhalb eines Systems, sondern die Veränderung des Systems an sich.1 Die digitale Transformation wird als die vierte, grundlegende Veränderung der Arbeitswelt im Zeitalter der Industrialisierung gesehen: Erst erfolgte die Industrielle Revolution mit der Dampfmaschine, dann die Massenproduktion durch Elektrifizierung und Fließband sowie schließlich die Automatisierung durch den Computer. Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt nahezu vollständig erfasst und wird Unternehmen weitreichend verändern. Umso wichtiger ist es, zu verstehen, was genau sich durch die digitale Transformation verändert und welchen Einfluss wir auf die Digitalisierung eines Unternehmens nehmen können. Wenn wir uns inmitten der Transformation unserer Arbeitswelt befinden, sollten wir erkennen, welcher Instrumente wir uns bedienen können, um den Wandel aktiv zu gestalten. Dabei können wir nicht auf alle Bereiche der digitalen Transformation einwirken. Viele entziehen sich entweder unserer Kenntnis oder unserer Reichweite. Aber wir können an den Punkten ansetzen, wo die Digitalisierung unser tägliches Handeln im Unternehmen betrifft. In diesem Buch wird es um diese täglichen Entwicklungsfelder gehen, um die digitale Zusammenarbeit von Menschen in Betrieben und die Frage, wie sie ihre tägliche Arbeit in der Führung über die Distanz, in virtuellen Meetings, in digitalem Onboarding und anderen Interaktionen weiterentwickeln können. Ziel dieses Buches ist es, zu beschreiben, wie Manager: innen in ihren Betrieben die digitale Transformation selbst gestalten können. Obwohl wir hier den Begriff der digitalen Transformation verwenden, werden wir im Folgenden nicht über Technik oder Informatik schreiben. Wie passt das zusammen? Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns zunächst an, welche Dimensionen die digitale Transformation hat und welche davon sich auch jenseits der Technik auf uns auswirken. 1.2 Von der technologischen zur sozialen Transformation
Wir haben die digitale Transformation gerade in eine Reihe mit anderen epochalen Entwicklungen unserer Arbeitswelt gestellt. Transformationen dieser Art vollziehen sich in kleinen Schritten, selbst, wenn es bisweilen herausragende Ereignisse geben mag, die eine beschleunigende oder radikalisierende Wirkung auf den Prozess haben. Transformationen beschreiben keinen plötzlich neuen Zustand, sondern eine kontinuierliche Veränderung. Deshalb liegt die Betonung des Begriffs Transformation vor allem auf dem Prozess, weniger auf dem Ergebnis des Wandels.2 Wie die Erfindung Denis Papins entfalten die meisten Ereignisse einer Transformationsgeschichte für sich genommen noch keine disruptive Wirkung auf ihre Umwelt. Papins Apparat war aus heutiger Sicht nicht mehr als ein mechanischer Versuchsaufbau an der Schwelle zum Zeitalter der Industrialisierung. Dennoch tragen die einzelnen Entwicklungen in ihrer Gesamtheit dazu bei, dass sich eine Technologie herausbildet, die irgendwann von einem bloßen Experiment zu einer konkreten technischen Anwendung wird. Diese Statusveränderung, vom Experiment im Labor zur Anwendung in der Praxis, markiert einen wichtigen Schritt für Transformationsprozesse: Von diesem Moment an können neue Technologien als ökonomisches Potenzial in der Arbeitswelt genutzt werden und verdrängen unterlegene vom Markt. Damit verändern sie zugleich die Unternehmen, in denen sie zum Einsatz kommen und den Alltag der Menschen, die mit ihnen arbeiten. Allen oben genannten Transformationen, von der Industrialisierung über die Massenfertigung bis zur kommerziellen Nutzung des Computers, ist diese Entwicklung gemein. Sie waren in ihren Anfängen ausschließlich eine Frage der Technik, ein exklusives Handlungsfeld von Ingenieursleistungen und Entwicklungen, die den Raum des technisch Möglichen neu vermaß. Sobald sich die neuen Ideen aber als Produkte oder Produktionsmethoden kapitalisieren ließen und sich am Markt aufgrund des durch sie entstehenden Wettbewerbsvorteils durchsetzen konnten, waren sie nicht mehr nur Gegenstand der Technik, sondern wurden zu einer ökonomischen Marktmacht. Und wiederum erst mit den durch sie entstehenden Veränderungen für die Menschen, bekamen sie eine soziale Dimension. Daraus ergibt sich ein Prozess von einer technologischen Grundlagenentwicklung zur ökonomischen Marktmacht, die zur Veränderung des sozialen Raumes führt: Dar. 1: Der Prozess der technischen Transformation Hat diese Entwicklung einmal stattgefunden, verläuft der weitere Transformationsprozess natürlich nicht mehr linear in eine Richtung. Die Transformation besteht dann in einem Verhältnis wechselseitiger Beeinflussung und Weiterentwicklung, bei der sich die Technologie ebenso den sich verändernden ökonomischen, wie auch sozialen Bedingungen anpassen muss, wie diese von der technischen Dimension beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund besteht die digitale Transformation, obwohl der Begriff primär auf die technologische Dimension verweist, auch aus einer sozialen Transformation. Mit sozialer Transformation meinen wir die Veränderung des Zusammenlebens und der täglichen Interaktion zwischen Menschen durch die Instrumente und Folgen der Digitalisierung. Ein Beispiel für diese Transformation ist die Entwicklung der Zusammenarbeit eines Teams von der physischen Anwesenheit in einem Büro hin zur Arbeit im Homeoffice. Durch die technische Veränderung der Kommunikationswege und Kollaborationsmöglichkeiten verändert sich das Sozialleben der Teammitglieder. Sie sehen einander weniger, sprechen vermehrt über Videokonferenzen miteinander und entwickeln neue Kommunikations- und Interaktionsroutinen. Wenn sich der physikalische Raum für das Team verändert, etwa durch die Verlagerung des Arbeitsortes vom Büro nach Hause, verändert sich damit auch der Raum der sozialen Interaktion. Vor allem aber verändert sich die Interaktion selbst. Alles das hat Auswirkungen auf die Zusammenarbeit sowie auf das Selbstbild und die Wahrnehmung von Arbeit bei jedem Einzelnen. Der hier beschriebene soziale Raum schließt die Gesamtheit dieser Phänomene mit ein, er besteht aus allen Aspekten der Interaktion zwischen Menschen in Unternehmen aber auch der Selbstwahrnehmung von Menschen in ihrem Beruf. Der Weg von einer technologischen hin zu einer sozialen Transformation birgt auch einige begriffliche Herausforderungen, denen wir uns in gebotener Kürze stellen wollen. Insbesondere die Begriffe digital, virtuell und online werden häufig nicht klar definiert und auch nicht trennscharf verwendet. Wir können an dieser Stelle die heterogene und inkonsistente Verwendungsweise, die in unterschiedlichen Diskursen entstanden ist, nicht auflösen, doch möchten wir unser Begriffsverständnis zum Ausdruck bringen. Terminologisch bezeichnen wir mit ›digital‹ die...