E-Book, Deutsch, 232 Seiten, E-Book
Reihe: Systemisches Management
Königswieser / Sonuç / Gebhardt Komplementärberatung
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-7910-6112-2
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Zusammenspiel von Fach- und Prozess-Know-how
E-Book, Deutsch, 232 Seiten, E-Book
Reihe: Systemisches Management
ISBN: 978-3-7910-6112-2
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im Zentrum der Komplementärberatung steht der Nutzen für die Unternehmen: Das Nacheinander oder Nebeneinander von Beratungsansätzen ist aus Kundensicht nicht mehr zielführend. Die Autoren dieses Bandes kommen sowohl von der Systemischen Prozessberatung als auch aus dem Fachberatungsfeld, der Wissenschaft und dem Management. Sie zeigen, wie eine Vorgehensweise aussehen kann, die die Zusammenarbeit der oft im Widerspruch stehenden Fach- und Prozessberater charakterisiert.
Es wird deutlich: Der Schlüssel einer gelungenen Umsetzung der Komplementärberatung liegt sowohl in der Haltung der Berater als auch der Kunden. Die Herausgeber sind dafür bekannt, dass sie die Brücke zwischen Beratung, Management und Wissenschaft spannen und Tools für die Werkzeugkiste von Praktikern zur Verfügung stellen.
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2. Zur Entwicklung der Komplementärberatung
In diesem Kapitel geht es um die Entwicklung des komplementären Ansatzes. Welche Grenzerfahrungen – sei es in der systemischen Prozeßberatung oder in der klassischen Fachberatung – führten zu einer konzeptionellen und praktischen Weiterentwicklung unserer Arbeit? Zu welchen impulsgebenden Erkenntnissen kam unsere Begleitforschung, und auf welche historischen Wurzeln führt ein Sozialphilosoph und Erkenntnistheoretiker den Widerstreit zwischen Fach- und Prozeßberatung zurück? Anschließend werfen wir einen Blick auf einen ganz anderen Bereich, nämlich die Psychiatrie. Wir gehen der Frage nach, inwiefern es auch hier vergleichbare Strömungen gibt, und wollen damit ausdrücken, daß das Anliegen nach Integration dieser Gegensätze »in der Luft liegt«. Zum besseren Verständnis der Argumentationen dieses Kapitels sei an dieser Stelle unsere pointierte Kurzdefinition von Fach- und Prozeßberatung erläutert. Unter Fachberatung verstehen wir jenen Dienstleistungssektor, in welchem speziell ausgebildete Fachleute mit ihrem Fachwissen in den Bereichen Betriebswirtschaft, Technik usw. Unternehmen bei der Lösung von fachlichen Problemen zur Seite stehen. Fachberater stützen sich in ihrer Beratungstätigkeit in erster Linie auf standardisiertes Wissen und auf ihre Interpretationskompetenz von Daten. Die Lösung des Problems liegt in der sachgerechten, genauen Auswahl, Vernetzung und Interpretation der Daten als Indikatoren und Wirkungsfaktoren. Die Logik der Interpretation und der abgeleiteten Handlungsoptionen und Konzepte entspricht einem mehr oder weniger komplizierten, vielschichtigen, aber »rationalen« Ursache-Wirkungsschema, dem sich soziale Prozesse anzupassen und unterzuordnen haben. Es ist die Sachlogik, die im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Sie orientiert sich an den ökonomischen Geschäftszwekken – sie dient diesen Zwecken: Schaffung von Mehrwert und Verbesserung der Ertragslage, Steigerung der Produktivität und Effizienz, Sicherstellung der Effektivität und Behebung von Defiziten. Die Fachberater denken und handeln analog der Denk- und Handlungslogik des Kunden-Systems. Sie halten sich vor Ort in den Räumen ihrer Kunden auf, sind also verfügbar, erarbeiten Konzepte, geben explizite Ratschläge, beteiligen sich inhaltlich an den Entscheidungsprozessen. Die Umsetzung der Maßnahmen bleibt den Kunden selbst überlassen. In der systemischen Prozeßberatung steht die Verbesserung der Kommunikationsprozesse innerhalb von Organisationen und zwischen einer Organisation und deren Umwelten im Vordergrund. Das Transparentmachen der Denk- und Handlungsmuster dient letztendlich der autonomen, organisationsinternen Zielbestimmung, der Entwicklung gemeinsamer Vorstellungen, der Klärung von Erwartungen und der Einigung auf Vorgehensweisen bei der Umsetzung von Vorhaben. Die systemische Organisationsberatung sieht und behandelt Organisationen als lebende Organismen, die in sich selbst die Fähigkeit und Kraft besitzen, Lösungen für schwierige Situationen und Probleme zu entwickeln. In diesem Beratungsansatz dienen Interventionen (z. B. das Zur-Verfügung-Stellen der Außenperspektive) letztlich der Freisetzung blockierter Energien, der respektvollen Einigung auf gemeinsame Entscheidungen, Zielvorstellungen und deren konsequenter Umsetzung. Ziel ist es, zu erweiterten Handlungsoptionen beizutragen. Die systemische Prozeßberatung ist kontextorientiert, offen in den Ergebnissen und Prozeßschritten, bindet Betroffene ein, mobilisiert Energien, fordert Reflexion und Feedback-Prozesse. Sie produziert daher vorerst keine Sicherheit, sondern Unsicherheit. Durch ein Erkennen der eigenen Denk- und Handlungsmuster, durch Verstehen, wie Probleme entstehen, und durch Verbesserung der Kommunikations- und Problemlösungsfähigkeit erzeugen sich nachhaltige Lösungen im Unternehmen quasi von selbst. Beiden Ansätzen, der Fachberatung wie der systemischen Prozeßberatung geht es darum, das Unternehmen so zu beraten, daß es erfolgreicher wird. Dabei werden allerdings unterschiedliche Vorgehensweisen als zielführend angesehen. 2.1 Grenzen der systemischen Prozeßberatung
Roswita Königswieser, Ebrû Sonuç, Jürgen Gebhardt, Martin Hillebrand Den Begriff »Grenze« beziehen wir auf drei unterschiedliche Aspekte: auf die Grenzen des systemischen Ansatzes im Rahmen unserer eigenen Projekte; auf die Grenzen, die dem Ansatz vom Kunden zugeschrieben werden; auf die eigenen mentalen Hürden, über die Sicherheit gebenden Identitätsgrenzen hinweg zu denken und zu handeln. Um über Grenzen zu gehen, muß man sie erst als solche wahrnehmen, sich die eigene Begrenzung eingestehen. Als wir uns bei der Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte des komplementären Ansatzes überlegten, wann diese Idee konkret das erste Mal auftauchte, wurde uns bewußt, daß wir implizit seit einigen Jahren auf vielfältige Weise mit den Grenzaspekten unseres Ansatzes konfrontiert gewesen waren. Grenzerfahrungen in eigenen Projekten
Da gab es z. B. das breit und tief angelegte Projekt »Kultureller Wandel«, bei dem die Fachberater, die die BSC (Balanced Score Card) eingeführt hatten, zwar offiziell als Subprojekt – unter uns als Generalunternehmen – positioniert gewesen waren, aber letztlich dennoch ein abgespaltenes, konkurrierendes Projekt abwickelten (vgl. Königswieser/Cichy/Jochum 2001). – Wir fragten uns: »Läßt unser Ansatz keine Positionskämpfe zu?« Da gab es einen Stop im OE-Prozeß eines Produktionsunternehmens, weil durch den Einbruch von Aufträgen eine Radikalredimensionierung mit der Unterstützung eines anderen Beratungsansatzes Priorität hatte, mit dem man sich noch dazu das Wissen eines global agierenden Beratungsunternehmens einkaufte. Diese Leistung konnten wir nicht anbieten. – Wir fragten uns: »Warum traut man uns die Begleitung einer Redimensionierung nicht zu?« Besonders beschämend, so erinnere ich (R. Königswieser) mich, war für uns ein weiter zurückliegendes Erlebnis, als wir während eines Workshops mit den Top-Führungskräften eines Handelsunternehmen vom neuen Eigentümer, der vormittags hineinplatzte, überraschend erfahren mußten, daß die Eigentümer gewechselt hatten, unser Auftraggeber heimlich das Unternehmen verkauft hatte, weil die Geschäftsentwicklung unerfreulich gewesen war. Wir hatten uns die Zahlen und Bilanzen nicht genauer angesehen. – Wir fragten uns: »Müßten wir nicht grundsätzlich bei allen Veränderungsprojekten den betriebswirtschaftlichen Teil mit berücksichtigen und abdecken?« Und dann gab es ein Ausgliederungsprojekt in einer Bank, bei dem wir mit Fachberatern zusammengespannt worden waren, was zwar inhaltlich Sinn machte, aber unendlich viel Zeit und Energien band, weil die Abstimmungsprozesse zwischen uns Beratern extrem mühsam waren. Die Fachberater entmündigten unserer Meinung nach die Klienten, machten alles bis zu den Präsentationsfolien selbst und warfen uns vor, davon nichts zu verstehen. Obwohl wir diese Unterstellung für nicht gerechtfertigt hielten, hinterließ sie bei uns Zweifel. Damals fehlte uns noch die für die Beurteilung nötige fachliche Expertise. – Wir mußten uns fragen: »Hätten die Leute das Ziel wirklich auch effizient ohne externe Fachunterstützung erreicht?« Diese Fragen wurde aber zumeist bei der Fülle der anderen Projekte von uns verdrängt – sie paßten damals einfach nicht zu unserer Identität. Dennoch kam uns schon in dieser Zeit immer öfter der Gedanke: Ein integriertes Konzept wäre ideal! Aber wir stießen nicht nur in den laufenden Projekten immer wieder auf Grenzen, es war uns auch bewußt, daß der Löwenanteil des Beratungsmarktes, auch der Veränderungsprozesse, von der Fachberatung besetzt ist. Die Kunden müssen, in ökonomischen Kennziffern darstellbar, erfolgreich sein, sie sind zu umfassenden Veränderungen gezwungen. Transformation geschieht aber nicht nur über Umweltimpulse, Strategien und mentale Prozesse, sondern auch über die Bildung neuer, sinnvoller Strukturen verschiedenster Art. Dafür holt man sich allerdings in erster Linie Fachberater. Bei diesen Entscheidungen spielt natürlich das Zutrauen in die unternehmenseigenen Fähigkeiten eine Schlüsselrolle, wichtig sind aber auch das schon angesprochene Motiv der Legitimation gegenüber Dritten, von denen man als Auftraggeber beurteilt wird, sowie das Motiv der Sicherheit und die Angst vor der Thematisierung von Beziehungsthemen. Grundsätzlich gilt, daß jeder Berater die Kunden hat, die zu ihm passen. Dadurch entsteht ein sich selbst verstärkender Zirkel der Bestätigung der eigenen Wirklichkeitskonstruktionen. Grenzen, die dem systemischen Ansatz vom Kunden zugeschrieben werden
Wir versuchten, diesen...