Konicz | Kapitalkollaps | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 68, 315 Seiten

Reihe: Konkret Texte

Konicz Kapitalkollaps

Die finale Krise der Weltwirtschaft
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-930786-95-4
Verlag: KVV "konkret"
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Die finale Krise der Weltwirtschaft

E-Book, Deutsch, Band 68, 315 Seiten

Reihe: Konkret Texte

ISBN: 978-3-930786-95-4
Verlag: KVV "konkret"
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Tomasz Konicz fragt unter dem Titel "Kapitalkollaps. Die finale Krise der Weltwirtschaft" nach dem Charakter und den Verlaufsformen der gegenwärtigen Krise des Kapitalismus.

Kein Wunder, dass der Kapitalismus in letzter Zeit arg ins Gerede gekommen ist. Menschen, denen das Denken noch nicht gänzlich ausgetrieben wurde, wissen oder ahnen, dass es so nicht weitergehen kann. Hierfür wäre keine Expertise der US-Weltraumbehörde nötig, die nur bestätigt, was die Mehrheit längst ahnt. Und doch weiß zugleich niemand, wie es jenseits des galoppierenden Chaos weitergehen könnte. All die punktuelle Empörung über die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, über die Exzesse der Finanzmärkte, den rasant voranschreitenden Demokratieabbau, den drohenden Klimakollaps oder die Militarisierung der Innen- wie Außenpolitik – sie verpufft ohne nennenswerte gesellschaftliche Wirkung. Und die lautstark beklagten Krisentendenzen entfalten weiter ihre verhängnisvolle Dynamik.

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Einleitung
Im Frühjahr 2014 hat die Nasa der menschlichen Zivilisation prophylaktisch den Totenschein ausgestellt. Eine vom Goddard Space Flight Center der US-Raumfahrtbehörde mitfinanzierte und im März 2014 publizierte Studie kam zu dem Schluss, dass die »industrielle Zivilisation« auf einen »irreversiblen Kollaps« zusteuere, der in den kommenden Dekaden unausweichlich eintreten werde, sollten der Raubbau an den natürlichen Ressourcen und die zunehmend ungleiche Vermögensverteilung nicht überwunden werden. Wenn die gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen fortbestehen, sei ein »Kollaps schwer zu vermeiden«, erklärte einer der Autoren der Studie gegenüber dem britischen »Guardian«.1 Wer wollte dieser Erkenntnis widersprechen? Vielleicht waren die Autoren der Studie sogar noch etwas zu optimistisch. Denn der Kapitalismus scheint alles daranzusetzen, die genannten düsteren Prognosen bereits in den kommenden Jahren – oder gar Monaten – zu erfüllen. Die kapitalistische One World muss ja nicht unbedingt mit einem durch fortschreitende Ressourcenerschöpfung ausgelösten Wimmern untergehen, das könnte auch im Knall eines Atomkriegs geschehen, auf den die krisengeschüttelten Großmächte zusteuern. Es scheint kaum möglich zu sein, den Überblick über alle Momente der gegenwärtigen Krise, über all die brennenden Lunten am morschen Fundament des spätkapitalistischen Weltsystems zu behalten. Ohne die Krisenphänomene auf ihren gemeinsamen kapitalistischen Nenner zu bringen, jagen die Medien allwöchentlich eine neue Sau durchs Dorf: Klimakollaps, Ressourcenerschöpfung, Wirtschaftskrise, zu hohe Ölpreise, zu niedrige Ölpreise, Überbevölkerung, Bevölkerungsmangel, Finanzkrise, »Flüchtlingskrise«, Kriegsgefahr, Euro-Krise, China-Krise, Staatsversagen, Staatszerfall, Polizeistaatstendenzen etc. Kein Wunder, dass der Kapitalismus in letzter Zeit arg ins Gerede gekommen ist. Menschen, denen das Denken noch nicht gänzlich ausgetrieben wurde, wissen oder ahnen, dass es so nicht weitergehen kann. Hierfür wäre keine Expertise der US-Weltraumbehörde nötig, die nur bestätigt, was die Mehrheit längst ahnt. Und doch weiß zugleich niemand, wie es jenseits des galoppierenden Chaos weitergehen könnte. All die punktuelle Empörung über die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, über die Exzesse der Finanzmärkte, den rasant voranschreitenden Demokratieabbau, den drohenden Klimakollaps oder die Militarisierung der Innen- wie Außenpolitik – sie verpufft ohne nennenswerte gesellschaftliche Wirkung. Und die lautstark beklagten Krisentendenzen entfalten weiter ihre verhängnisvolle Dynamik. Es scheint, als säße die Menschheit in einem sich stetig beschleunigenden Zug, der auf einen Abgrund zurast und in dem niemand in der Lage ist, die berühmte Notbremse zu ziehen, die Walter Benjamin als Mittel des eigentlichen revolutionären Akts identifiziert hat, der die selbstzerstörerischen Tendenzen der Amok laufenden globalen Verwertungsmaschinerie des Kapitals noch stoppen könnte. In seiner Agonie scheint das Kapital ideologisch vollständig zu siegen. Ein schlagendes Beispiel dafür ist die erwähnte Nasa-Studie, die zwischen Kapitalismus und Menschheit nicht mehr zu unterscheiden weiß. Dabei läuft die Zeit unerbittlich ab. Die Effekte der Krise sind längst auch in den Zentren spürbar; ein Großteil der Peripherie ist von ihr bereits voll erfasst. Die Möglichkeiten, angesichts der rasanten Verwerfungen den Krisencharakter überhaupt noch adäquat zu reflektieren, öffentlich angemessene Gegenstrategien zu diskutieren und zumindest ansatzweise zu realisieren, scheinen bereits sehr begrenzt. Ab einer gewissen Krisenintensität ist ein breiter, öffentlicher Verständigungsprozess nicht mehr möglich. Im Irak, in Libyen, in Somalia, ja selbst in der Ukraine scheint er kaum noch herstellbar. Das vorliegende Buch ist daher vor allem ein Versuch, im Wettlauf mit der fortschreitenden Krisendynamik doch noch zu einem Verständnis der fundamentalen Krise beizutragen, in der das spätkapitalistische System verfangen ist. Vielleicht ist ja bereits einiges gewonnen, wenn zumindest einer substantiellen Minderheit klar ist, was vor sich geht. Ein solches Wissen könnte selbst nach dem nächsten Krisenschub ausstrahlen und der reaktionär-ideologischen Krisenverarbeitung entgegenwirken. Aufbauend auf den theoretischen Erkenntnissen der Wertkritik, wie sie von den Gruppen Krisis und Exit erschlossen worden sind, wird hier der Versuch unternommen, der Leserin, dem Leser möglichst allgemeinverständlich die Ursachen der gegenwärtigen Krise und ihres Verlaufs zu erläutern. Die zentrale These des Buches ist, dass der Kapitalismus an seinen Widersprüchen zugrunde gehen wird und dabei die menschliche Zivilisation mit in den Abgrund zu reißen droht. Angetrieben wird der Krisenprozess vom konkurrenzvermittelten Drang des Kapitals, sich seiner eigenen Substanz, der wertbildenden Arbeit in der Warenproduktion, zu entledigen, was letztlich zur Produktion einer »ökonomisch überflüssigen« Menschheit führt. Das Kapital könne sich an alles anpassen, nur nicht an sich selbst, bemerkte der Krisentheoretiker Robert Kurz hierzu treffend. Da der Kapitalismus für die Wertkritik kein ahistorischer »Naturzustand« ist, sondern eine konkrete historische Gesellschaftsformation, die eine Durchsetzungsphase hatte und folglich ein Ende haben wird, widmen sich die ersten beiden Kapitel dieses Buches der Geschichte der gegenwärtigen Systemkrise – sowohl in den Zentren als auch in der Peripherie. Die Krise wird als langfristiger, mit dem Auslaufen des fordistischen Nachkriegsbooms in den Siebzigern einsetzender Prozess beschrieben, der sich innerhalb von Dekaden in Schüben von der Peripherie in die Zentren des kapitalistischen Weltsystems frisst und dabei immer größere Spekulationsblasen auf den wuchernden Weltfinanzmärkten ausbildet. Im Anschluss (Kapitel 3) folgt eine Darstellung der gegenwärtigen Liquiditätsblase, in der das spätkapitalistische Weltsystem steckt. Kapitel 4 und 5 beleuchten die innere, autodestruktive Mechanik des global stotternden Motors der Kapitalverwertung, indem die Grundzüge der sogenannten inneren wie äußeren Schranke des Kapitals möglichst allgemeinverständlich erläutert werden. Dabei werden auch die ökologischen Folgen des Krisenprozesses diskutiert. Es wird sich zeigen, dass auch die ökologische Schranke des Kapitals das Kapital selber ist. Kapitel 6 und 7 behandeln die ideologische wie politische Verarbeitung des Krisenprozesses in den spätkapitalistischen Gesellschaften. In ihnen wird zum einen gezeigt, wie die eskalierende Krise einen »Extremismus der Mitte« befördert, der durch Personifizierung der Krisenursachen der Barbarisierung in den Zentren wie in der Peripherie Vorschub leistet. Zum anderen muss die Krise auch als eine Krise der nationalen Politik begriffen werden, die angesichts der eskalierenden globalen Verwerfungen keine Gestaltungsspielräume mehr hat und die in Wechselwirkung mit der um sich greifenden neonationalistischen Krisenideologie in einem Nationalismus Zuflucht sucht, dem die ökonomische Basis längst abhanden gekommen ist. Im 8. Kapitel wird dieser besonders in Europa virulente Neonationalismus als ein Moment des um sich greifenden Krisenimperialismus beschrieben. Dabei soll vor allem gezeigt werden, wie die objektive, sich »hinter dem Rükken« der Subjekte entfaltende Krisendynamik dazu führt, die »subjektiven« Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten zuzuspitzen und die Gefahr eines verheerenden Krieges wachsen zu lassen. Der Krisenimperialismus wird dabei als Ausgrenzungs- und Sicherheitsimperialismus begriffen, der sich gegen die verzweifelten Massen in den Zusammenbruchsregionen der Peripherie wendet, um deren Störpotential gegenüber den erodierenden Zentren zu minimieren. Der Kollaps des Kapitals liegt nicht in weiter Ferne – er findet in der Peripherie des kapitalistischen Systems bereits statt. Wer in die Zukunft schauen will, muss den Blick nur gen Süden richten, wo sich Dystopien abzeichnen, die irgendwo zwischen »Mad Max« und »1984« angesiedelt sind. Das 9. Kapitel unternimmt daher den Versuch, den theoretischen Boden der Wertkritik verlassend, aus dem sich entfaltenden Chaos der Peripherie bereits die Umrisse eines Transformationskampfs um eine postkapitalistische Zukunft zu skizzieren. Entgegen dem grassierenden Kulturpessimismus soll dieser – vorerst unbewusst geführte – Transformationskampf als prinzipiell offener Prozess begriffen werden, der nicht nur die Barbarei, sondern auch die Emanzipation zur Folge haben könnte. Das abschließende Kapitel bemüht sich, einen Diskussionsbeitrag zur Ausformung einer emanzipatorischen Transformationspraxis zu formulieren. Es werden Überlegungen angestellt, wie die Linke auf den Krisenprozess reagieren und wie sie ihn gestalten könnte, ohne an der eigenen Ohnmacht oder an utopischen Illusionen irre zu werden. Dieses Buch wurde im Bemühen verfasst, einen radikalen Ansatz sowohl bei der Krisendiagnose als auch bei den praktischen Konsequenzen zu verfolgen. Radikal im besten Sinne des Wortes: als Versuch, eine Problemstellung an ihrer Wurzel zu packen. Das bedeutet in diesem Fall, die Ursachen der Krise ohne Rücksicht auf linke Befindlichkeiten und vorherrschende Ideologien zu benennen. Hier soll niemand abgeholt werden, da die Krise den Insassen der kapitalistischen Tretmühle schon Beine machen wird. Vielleicht ist es der letzte revolutionäre Akt, zu dem die radikale Linke in den Zentren angesichts der eigenen Ohnmacht noch fähig ist: zu sagen, was Sache ist. Und zu hoffen, dass das nicht gänzlich ohne Folgen bleibt.   Ich danke...


Tomasz Z. Konicz, Jahrgang 1973, studierte Geschichte, Soziologie und Philosophie in Hannover sowie Wirtschaftsgeschichte in Poznan. Seit rund zehn Jahren ist er als Publizist und freier Journalist mit dem Schwerpunktthema Krisenanalyse tätig - unter anderem für Telepolis, Konkret und Neues Deutschland. Den theoretischen Hintergrund der publizistischen Tätigkeit des Autores bildet die Wertkritik, wie sie maßgeblich von Robert Kurz ausgearbeitet wurden, sowie die Weltsystemtheorie Immanuel Wallersteins.



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