Kreiser | Istanbul | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 6085, 336 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Kreiser Istanbul

Ein historischer Stadtführer
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-406-64519-8
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein historischer Stadtführer

E-Book, Deutsch, Band 6085, 336 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-64519-8
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Istanbul blickt auf eine fast 2700-jährige Geschichte zurück. Griechen, Römer, Osmanen und Türken, Christen und Muslime haben in der Stadt am Bosporus ihre Spuren hinterlassen. Die Altstadt mit ihren Moscheen, Kirchen und Synagogen gehört heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Klaus Kreiser führt den Leser anhand von Texten aus der osmanischen Literatur durch das historische Istanbul und lässt an markanten Orten die Geschichte der Metropole lebendig werden. Berühmte Bauwerke wie die Hagia Sophia, größere und kleinere Moscheen oder das Topkapi-Serail werden dabei ebenso erläutert wie Orte, die für das tägliche Leben der Bewohner eine Rolle spielten: Bäder, Küchen, Derwisch-Konvente, Mausoleen und Friedhöfe. Dabei gilt es auch, versteckte Plätze zu entdecken, die bei den Einheimischen selbst fast in Vergessenheit geraten sind, für die Geschichte aber besonders aufschlussreich sind. Zahlreiche Quellen wurden für diesen Band erstmals aus dem Türkischen übersetzt. Ein ebenso informativer wie kurzweiliger Führer durch eine der ältesten und bedeutendsten Städte Europas.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


I.
Konstantiniye:
Legenden um die Gründung und
Eroberung der Stadt
Die Sieben Hügel
Für die Osmanen war das von Land- und Seemauern eingeschlossene Dreieck selbstverständlich die wichtigste unter den «Vier Städten», nämlich den Kadiamtsbezirken von Istanbul, Eyüp, Galata und Üsküdar. Das etwa 17 km2 große Gebiet des vereinfachend «Altstadt» genannten Zentrums erstreckt sich zwischen Goldenem Horn, Bosporus, Marmarameer und thrakischem Vorland. Die «Sieben Hügel» der Reiseführerliteratur sind im Stadtbild nicht sehr auffällig. Der erste Hügel vor der Hagia Sophia (Aya Sofya) erhebt sich nur 44 m über dem Meer. Der höchste Punkt der Altstadt liegt beim Edirne Kapi (77 m) und gilt als sechster Hügel. Zum Vergleich: Der Valens-Aquädukt (Bozdogan Kemeri) erreicht eine Höhe von ca. 61 m. Istanbul verdankt seine einmalige Silhouette den großen Hauptmoscheen. Das gilt insbesondere für die an Stelle der Apostelkirche errichtete Fatih-Moschee auf dem vierten Hügel. Die im 16. Jahrhundert entstandenen Moscheen der Sultane Bâyezîd II., Selîm I. und Süleymân I. und des Prinzen Mehmed (Sehzâde) befinden sich eher an den Hängen des dritten bzw. fünften (Selîmîye) Hügels und nicht auf ihrem höchsten Punkt. Der zweite Hügel (Nuruosmaniye) wurde erst im 18. bzw. 19. Jahrhundert mit einer Moschee gekrönt. In der Nähe der siebten Erhebung befindet sich die Moschee des Koca Mustafa Pascha (ehemaliges Andreas-Kloster). Vor der Einrichtung einer modernen Kommunalverwaltung war die Altstadt in dreizehn Unterbezirke (nâhiyes) gegliedert, die mit Ausnahme des zwölften (Topkapi = Kanonentor innerhalb der Landmauern) nach Hauptmoscheen benannt wurden. Die Nâhiye der Aya Sofya wurde in den Unterlagen der Verwaltung immer an erster Stelle genannt. Die Nâhiyes waren im Bewusstsein der Einwohner viel weniger wichtig als ihre Untergliederung in Mahalles genannte Quartiere. Die Altstadt zählte im Jahr 1546, auf dem Höhepunkt von Süleymâns I. Herrschaft, 219 überwiegend muslimische Mahalle, zu denen man einige Dutzend nichtmuslimische rechnen muss. Eine muslimische Mahalle bestand in der Regel aus einer Mescid und einigen Dutzend Wohnhäusern. Die Wohnhäuser und damit die Familien bildeten die kleinste fiskalische Einheit. Nâhiyes und Mahalles entsprachen übrigens in ihrer Größenordnung den 14 byzantinischen Regionen bzw. 322 Nachbarschaften. Unter den Mahalles gab es Sonderfälle, so das zentrale Basarviertel, in dem fast keine Familien lebten. Ende des 19. Jahrhunderts zählte zum Beispiel die Mahalle von Mahmûd Pasa 3812 männliche, aber nur 28 weibliche Bewohner. Die Erklärung liegt in der Konzentration zahlreicher Junggesellenunterkünfte. In den eigentlichen Wohnquartieren wurden unverheiratete Männer (von Frauen ganz zu schweigen) ungern geduldet. Die Gründung der Stadt in osmanischer Überlieferung
Der unbekannte Verfasser einer Chronik des späten 15. Jahrhunderts hat sich ausführlich mit der Vorgeschichte des osmanischen Istanbul befasst. Er beginnt seine Erzählung mit dem auch sonst gut verbürgten Interesse Mehmeds II. an der Antike: Nachdem er Konstantinopel erobert hatte, betrachtete Sultan Mehmed so viele prachtvolle Gebäude, daß er in Staunen verfiel und zu dem Schluß kam, daß sie nicht von Menschenhand errichtet sein konnten. Er ließ christliche Geistliche zusammenrufen, Patriarchen, Kenner der Geschichte der Römer und des Frankenlandes und wollte herausfinden, wer diese Bauten in Istanbul errichtet hatte. Er wollte wissen, wer hier gelebt hatte, wer sich hier zum König hatte ausrufen lassen und wer hier die Herrschaft in Händen hatte. Die Kenner der Geschichte unter den Patriarchen, den Geistlichen und den Mönchen Roms versammelten sich, und er befragte sie nach denen, die diese Bauwerke hinterlassen hatten, und nach denen, die in dieser Stadt geherrscht hatten. Sie unterrichteten Sultan Mehmed entsprechend ihren Kenntnissen und aufgrund ihrer Bücher. Jede Gruppe der Anwesenden erzählte gemäß den Worten ihrer Meister und den Traditionen ihrer Chronisten. Die große Erzählung beginnt beim Propheten Salomon, der einen hochmütigen fränkischen Herrscher namens Ankur, der ihm nicht huldigen wollte, überwältigte und dem er den Kopf abschlagen ließ, nachdem er ihm das Angebot gemacht hatte, zum wahren Glauben überzutreten. Ankur hatte eine Tochter namens Semsîye, «voller Anmut und von unvergleichlicher Schönheit». Salomon verliebte sich in sie und machte sie zu seiner Frau. Weil er diese junge Frau über die Maßen liebte, gestattete er ihr jede Laune. Was immer sie wollte, ließ er ihr durchgehen. Eines Tages sagte die Frau Semsiye zum Propheten Salomon: «Bau mir einen großen Palast, ein Gebäude, das so groß ist wie es im ganzen Universum nicht existiert, und das von niemandem besser ausgeführt werden kann.» Darauf erteilte Salomon den Riesen und Feen, den Menschen und Geistern seine Befehle: «Findet mir einen Ort mit mildem Klima, das dem Paradies ähnelt. Und errichtet mir dort einen großen Palast!» Nachdem die Riesen die Welt durchstreift hatten, berichteten sie Salomon, dass nur ein Ort mit mildem Klima namens Aydincik in der Provinz Rûm am Rande des Mittelmeers in Frage käme. Der Chronist fügt hinzu, dass man diese Stelle heute Temasalik nenne. Die Riesen, Feen, Geister und Menschen machten sich an den Bau des Palastes, so dass Salomon und seine anspruchsvolle Gattin einziehen konnten. Lange danach tritt ein gewisser Yanko, der Sohn des Madyan, als römischer Kaiser auf und richtet sich in dem Palast ein. Dieser Yanko soll 2228 Jahre vor der Einnahme Istanbuls durch die Türken gelebt haben und war der Gründer der Stadt Istanbul, deren Bauplatz ihm durch ein Traumgesicht mitgeteilt wurde. Yanko ließ sieben Jahre lang die Baumaterialien zusammentragen, im achten Jahr standen vierzigtausend Soldaten, vierzigtausend Maurer und zweihunderttausend andere Arbeiter bereit, um die Mauern der Stadt zu errichten. Und weil es nach den Worten der Wahrsager eine bestimmte Glückstunde gab, die nur alle dreißig Jahre eintrat, achteten sie auf diese Stunde. An der Innenseite der Mauer ließ er (Yanko) Säulen errichten so hoch wie Minarette. Sie ließen an jeder Säule Glocken befestigen, die beim Eintreten der (Glücks)Stunde läuten sollten, worauf die Maurer und Soldaten auf einen Schlag mit der Arbeit beginnen sollten. Und von da ab spähten die Wahrsager mit ihren Astrolabien nach der günstigen Stunde. Die Stunde war nicht eingetreten, als an einem Samstag, zur Stunde des Mars, durch die Fügung des Himmels und den Willen Gottes … ein Storch, der eine Schlange trug, durch die Luft flog. Die Schlange rettete sich in Todesangst aus seinem Schnabel und fiel auf eine der Glocken. Die Glocke läutete, und auf der Stelle begannen sie sämtliche (anderen) Glocken zu läuten, weil sie den Ton dieser Glocke vernommen hatten und glaubten, daß die Stunde gekommen war. Die Maurer und Soldaten glaubten ebenfalls, daß die Stunde gekommen war, und machten sich an die Arbeit. Die Wahrsager stießen angesichts der Lage laute Schreie aus. Was aber sollte der Herrscher tun, nachdem er einmal so entschieden hatte. Sie konnten sich nicht entschließen, das bereits Gebaute wieder abzureißen und alles zu verschieben. So machten sie weiter. Der Herrscher war sehr betrübt, ihm wurde deutlich, daß das Schicksal der Stadt der Untergang und nicht der Wohlstand sein würde. Ungeachtet dieser Vorzeichen bauen die Männer in vierzig Tagen 360 Türme, 60 Tore, 100 Kirchen, 60.000 Wohnhäuser, 100 Bäder und 5000 Karawanserails. Dabei wurden ganze Familien gewaltsam aus sämtlichen Provinzen deportiert, wodurch viel Leid entstand. Und die Leute in dieser Epoche verfluchten die Stadt, jeder in seiner Sprache und in den Fluchformeln seiner Religion, weil sie mit Gewalt weggeschleppt worden waren. Sie verströmten Tränen und verursachten den Untergang dieser Stadt, weil sie von diesen Wehklagen erschüttert wurde. Aus diesem Grund war die Stadt zum Untergang verurteilt. Sie beteten, daß sie untergehe, und die Tränen ihrer Klagen trockneten nicht auf dem Boden, auf den sie fielen. Yanko gibt der Stadt seinen Namen und lässt auf einer Säule sein Reiterstandbild errichten. Gegenüber ließ er eine riesige Kirche mit 1000 Wohnzellen bauen. Nachdem er mit seinen Soldaten und Mönchen 300 Jahre ein sorgloses heidnisches Dasein verbracht hatte, bestieg er die Säule, um von dort die Sonne anzubeten. Jetzt greift Gott mit Naturgewalten ein. Er sandte einen wütenden Sturm, der Wind blies, Regen fiel nieder, Hagel stürzte herab, und ein Erdbeben trat auf, so stark, daß man seinesgleichen seit den Zeiten Noahs des Propheten und der Propheten Hud, Salih und Loth – die Gnade Gottes sei über ihnen – nicht gekannt hatte. Der Zorn Gottes, des Allmächtigen, ging derart hernieder, daß durch das Erdbeben die Kuppel jener Kirche einstürzte und in tausend Stücke...


Klaus Kreiser, geb. 1945, ist Professor em. für Turkologie an der Universität Bamberg.



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