Kufsteiner / Seiler / Graf Küsse im Kerzenschein
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7325-2021-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 2, 256 Seiten
Reihe: Bastei Winterkollektion
ISBN: 978-3-7325-2021-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
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Auf den Bergen rings um das Tal lag noch Schnee, aber die Sonne strahlte vom zartblauen Frühlingshimmel und tauchte das idyllische Alpendorf Malterhof in helles Licht. Zartes Grün schimmerte an Bäumen und Büschen, und unzählige Obstbäume blühten weiß und rosa. „Ist das schön“, schwärmte Valerie begeistert. „He, du schaust gefälligst auf die Straße!“, befahl sie lachend ihrer Freundin, die den Wagen steuerte. „Ich will net kopfüber unten im Tal landen.“ Die Straße, die von der Autobahn her über einen niedrigen Pass geführt hatte, senkte sich in weiten Kurven zum Talboden. Sie war breit ausgebaut, verlangte jedoch die ganze Aufmerksamkeit der jungen Fahrerin. „Ich will auch was sehen“, erwiderte Isabel, blinkte und fuhr auf einen Parkplatz, der offenbar für Reisende angelegt worden war, die zum ersten Mal im Tal von Malterhof waren und die Aussicht genießen wollten. Die beiden Freundinnen stiegen aus und zogen die Jacken enger, um sich gegen den kühlen Wind, der von den schneebedeckten Bergen wehte, zu schützen. Dann setzten sie Sonnenbrillen auf, so hell war das Licht. „Das werden herrliche zwei Wochen“, stellte Valerie fest und genoss die Landschaft. „Schau dir nur an, wie alles im frischen Saft steht. Wir werden unseren Urlaub genießen.“ „Kommt darauf an, ob die Burschen von Malterhof auch im frischen Saft stehen oder unter Frühjahrsmüdigkeit leiden“, erwiderte Isabel lachend. „Hör bloß auf!“, mahnte Valerie, musste aber auch lachen. Valerie und Isabel stammten aus demselben winzigen Dorf und hatten sich vor zwei Jahren in einer Kleinstadt im Alpenvorland eine gemeinsame Wohnung genommen. Die beiden gleichaltrigen Freundinnen kannten einander von Kindesbeinen an und hatten nicht nur zusammen die Schule besucht, sondern waren auch gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Trotzdem verstand Valerie heute, mit zweiundzwanzig, die Haltung ihrer Freundin Männern gegenüber nicht und teilte sie auch nicht. Isabel zeigte sich von der Ermahnung nicht im Geringsten beeindruckt. „Du weißt, was ich unter einem schönen Urlaub verstehe“, meinte sie bloß. „Fahren wir? Je schneller ich mir den feschesten Burschen von Malterhof aussuchen kann, desto früher fängt der Spaß an.“ Valerie zuckte bloß mit den Schultern. Sie richtete sich nach dem Grundsatz, dass jeder Mensch auf seine Art glücklich werden sollte. Nur so hielt sie es überhaupt mit Isabel aus. Hätte sie versucht, ihre eigenen Ansichten und Einstellungen durchzusetzen, hätte es nichts als Streit gegeben. Dann hätten sie die gemeinsame Wohnung schon längst aufgegeben, beziehungsweise erst gar nicht genommen. Zehn Minuten später hielten sie vor der Fremdenpension, in der sie gebucht hatten, und bezogen ihre Zimmer. Bei der kurzen Fahrt durch den Ort hatten sie schon festgestellt, dass hier alles auf Tourismus eingestellt war. Es schien keinen einzigen Bauernhof mehr zu geben, sondern nur noch Hotels und Gaststätten, Sporteinrichtungen und Geschäfte. Das alles wirkte jedoch nicht störend, weil das ursprüngliche Aussehen des Alpendorfes kaum verändert worden war, auch wenn man überall Anzeichen der heutigen Zeit bemerkte. „Mir gefällt es hier“, stellte Valerie fest, nachdem sie das letzte Gepäckstück dem Hausburschen übergeben hatten. „Und mir gefällt der da drüben vor dem Sportgeschäft“, erwiderte Isabel und blickte zu zwei Männern, die höchstens zwei oder drei Jahre älter als sie waren. „Welcher?“, fragte Valerie, die keineswegs etwas gegen Männer hatte, aber nicht wie Isabel von einem zum anderen flatterte. „Der Dunkelhaarige?“ „Nein, der Rotschopf“, erwiderte Isabel und lächelte schräg über die Straße zu den beiden Burschen vor dem Sportgeschäft hinüber. Prompt lächelte der Mann mit den rotblonden Haaren zurück. Valerie war erleichtert, dass Isabel nicht den Dunkelhaarigen meinte, weil … Halt, Moment mal! Valerie wollte soeben die Pension betreten, stockte jedoch und blieb stehen. Wieso war sie erleichtert? Sie war nicht nach Malterhof gekommen, um eine Urlaubsaffäre anzufangen. Sie wollte auch nicht mit einem Mann zwei Wochen lang flirten und ausgehen, mochte er auch so gut aussehen wie der Dunkelhaarige. Wieso war sie dann erleichtert, dass ihre Freundin sich nicht für diesen Burschen interessierte? Kopfschüttelnd ging sie an das kleine Pult, an dem die Pensionsinhaberin stand, die sie begrüßte und sie bat, sich einzutragen. Valerie vertrieb alle Gedanken an den Dunkelhaarigen, weil aus ihnen beiden ohnehin nichts werden würde – nicht einmal ein Paar für kurze Zeit. *** „Frischfleisch“, sagte Josef und betrachtete die beiden jungen Frauen, die vor der Pension Grießbauer ausstiegen. Markus seufzte. Er und Josef waren in Malterhof aufgewachsen und hatten schon in der Grundschule jede Menge Streiche und Abenteuer ausgeheckt. Während der ganzen Schulzeit waren sie dicke Freunde geblieben und hatten stets dieselbe Klasse besucht, was nur möglich war, weil der zwei Jahre ältere Josef ein Jahr später in die Schule gekommen und einmal sitzen geblieben war. Sie teilten die Liebe zur Natur und die Leidenschaft für zahlreiche Sportarten. Trotz aller Gemeinsamkeiten würde Markus sich aber wahrscheinlich nie an Josefs Einstellung Frauen gegenüber gewöhnen. Er störte sich vor allem daran, dass Josef auch noch so deutlich zeigte, wie er dachte. „Kannst du net ein einziges Mal an was anderes denken?“, fragte Markus genervt und grüßte zwei ältere Frauen aus Malterhof, die am Sportgeschäft seiner Eltern vorbeigingen. „Nein, wieso sollt ich an was anderes denken?“ Josef zählte an den Fingern mit. „Schau, erstens bin ich der attraktivste Bursch vom ganzen Tal. Zweitens bin ich Sportlehrer und Bergführer geworden, um an ein jedes Madel ranzukommen, das es nach Malterhof verschlägt und das mir gefällt. Drittens bin ich ungebunden und will mein Leben genießen, solange ich noch kann. Und die da drüben ist genau meine Kragenweite.“ „Welche?“, fragte Markus und betrachtete die Blonde, die nur verstohlen zu ihnen herüberblickte. Die andere mit den schwarzblau getönten Haaren lächelte ihnen sehr aufreizend zu. „Die Blaubeere“, scherzte Josef. „Ich wette mit dir, dass die im Urlaub das Gleiche sucht wie ich das ganze Jahr über. Spaß, Spaß und noch einmal Spaß. Die krieg ich.“ „Meinetwegen“, sagte Markus und folgte einem Urlauberpaar mittleren Alters in den Laden, weil er wusste, dass seine Eltern mit den bereits anwesenden Kunden ausgelastet waren. Er half gern, wenn er nicht gerade selbst wie sein Freund Josef als Sportlehrer oder Bergführer arbeitete. Markus Kastner kümmerte sich um die Kunden, bediente sie so gut wie möglich und versuchte, ihre Wünsche zu erfüllen. Seine Eltern, mit denen er sich großartig verstand, hatten ihm beigebracht, dass gerade in der heutigen Zeit der Erfolg eines Ortes wie Malterhof von der Zufriedenheit der Urlaubsgäste abhing. Die Konkurrenz war groß, und das Geld saß nicht mehr so locker bei den Leuten. Erst nachdem er kassiert hatte, konnte er sich wieder um Josef Dallinger kümmern. Er schüttelte nur leicht den Kopf, als er seinen Freund draußen auf der Straße im Gespräch mit der Neuen mit den blauschwarzen Haaren entdeckte. Es sah Josef ähnlich, dass er keine Zeit verlor. Er zog aber auch immer die richtigen Mädchen an, die sich, wie er, für ein schnelles und unverbindliches Vergnügen interessierten. „Wen hat sich der Josef denn da schon wieder geangelt?“ Markus’ Mutter war neben ihn ans Schaufenster getreten und lachte leise. „Bei uns im Dorf hat sich noch keine die Haar blau oder feuerrot färben lassen. Das hab ich bisher nur im Fernsehen gesehen.“ „Ich find es net schlecht“, stellte Markus’ Vater fest. „Das ist mal was Neues.“ „Mir gefällt es net“, erwiderte Markus und dachte dabei an die blonde Lockenfrisur der anderen neuen Urlauberin. Dabei interessierte er sich gar nicht für Touristinnen, weil sie nur eine begrenzte Zeit hier waren und er keine flüchtigen Abenteuer suchte. „Ich werde mir die Haar gewiss net blau färben lassen, damit ich dir gefalle“, sagte seine Mutter zu seinem Vater. „Ich hab auch net verlangt, dass du so was machst“, erwiderte Markus’ Vater. „Du hast mir schon allweil gefallen, wie du bist.“ „Das möchte ich dir auch geraten haben!“ Markus lächelte über das Wortgeplänkel seiner Eltern. Vielleicht hatte er so wenig Interesse an flüchtigen Affären, weil ihm seine Eltern eine perfekte Ehe vorlebten. Die Silberhochzeit hatten sie knapp hinter sich und waren verliebt wie am ersten Tag. Man sah sie kaum jemals einzeln, weil sie fast alles gemeinsam erledigten. Sie gingen sogar zusammen in der Mittagspause einkaufen. Markus hatte seine Erfahrungen gesammelt, doch bei Weitem nicht so viele wie sein Freund Josef, und mittlerweile sehnte er sich nach einer Freundin, die möglichst für immer bei ihm blieb. Bei Josef sah das ganz anders aus. Seine Mutter hatte das, ihrer Meinung nach, erstickend enge Leben in Malterhof nicht ausgehalten und war schon vor zehn Jahren verschwunden. Josef war damals sechzehn gewesen. Seither redete er ständig davon, dass auch er seine Koffer packen und Malterhof verlassen würde, wenn er hier als Sportlehrer und Bergführer genug Mädchen vernascht hätte. „… alles zeigen, was du nur willst“, sagte Josef soeben, als Markus den Laden verließ. „Das ist mein Freund Markus, und das ist die Isabel...