E-Book, Deutsch, 220 Seiten
Kuhn Wandler des Mondes
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7438-3020-2
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Geheimnis des Waldes
E-Book, Deutsch, 220 Seiten
ISBN: 978-3-7438-3020-2
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
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Eins - Ankunft
Heute ist morgen und morgen ist heute, so stand es jedenfalls in einem Buch. Aber, was machte ich heute in diesem verschlafenen Nest? Ein kleines, verschlafenes Dorf, irgendwo im nirgendwo. Wahrscheinlich würden sich, wenn man genau hinsah, Fuchs und Hase dort gute Nacht sagen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Okay, ich hatte eine schreckliche Zeit hinter mir. Einen Monat in der Klinik und weitere Wochen zu Hause, wo mir langsam aber sicher die Decke auf den Kopf fiel. Meine Arbeit hatte mir nahegelegt, meinen Urlaub vom vergangenen Jahr und von diesem Jahr zu nehmen, damit ich wieder völlig gesund zurückkäme. Gesund! Was für ein einfaches Wort und doch sagte dieses Wort alles über mich aus. In den Augen der Ärzte war ich gesund, körperlich. Doch, das sagte nicht annähernd etwas über meinen seelischen Zustand aus. Dabei war ich vor acht Monaten noch voller Leben und Zuversicht. Ich war stellvertretende Geschäftsführerin, bei einer noblen Textilfirma, die sich mitten in Deutschland befand. Hatte ein gutes Gehalt, eine hübsche Wohnung und ein nagelneues Auto. Kurz und gut ich war am Ziel meiner Träume. Doch es gab einen Haken, ich konnte das mit niemanden teilen. Mit meinen vierundzwanzig Jahren, hatte ich es allerdings weit gebracht. Ich hatte lange, rotbraune Haare, grüne Augen und helle, makellose Haut. Zugegeben ich ging nicht wie die meisten auf die Sonnenbank oder zum Frisör. Ich mochte es, wenn meine Haut durch die Sonne etwas gebräunt wurde. Zwei Mal in der Woche jogge ich, in einem kleinen Park, und sah hin und wieder den Enten auf dem Teich zu. Ich liebte die Natur, auch wenn ich nicht viel Zeit dafür hatte. Selten ging ich mit Freunden aus und schon gar nicht um Spaß zu haben. Ein echter Workaholic eben. So sah mich jedenfalls mein Freundeskreis und wahrscheinlich hatten sie damit auch recht. Ja, bis vor acht Monaten war das zumindest so und mir war überhaupt nicht bewusst, wie zufrieden ich damit war. Vor über acht Monaten, hatte ich mich von Jessica und Paul breitschlagen lassen, mit ihnen auf eine Vernissage von John zugehen. Nicht, dass es irgendwie seltsam war, dass sie mich einluden, nur dieses Mal ging ich tatsächlich mit. Es waren ungefähr vierzig geladene Gäste. Jeder hatte sich in Schale geworfen und zeigte seinen geheuchelten Kunstgeschmack. Okay, John hatte ein Händchen für Kunst. Ich kannte ihn schon bevor er diese Vernissage überhaupt in Erwägung gezogen hatte. Ständig musste ich seinen Annährungsversuchen ausweichen, bis heute. Allerdings heute, war er der Star und umringt von jungen, gutaussehenden Frauen. Als John mich sah, kam er wie immer auf mich zu und gab mir eine herzliche Umarmung. Seinem südländlichen Charme und Aussehen konnte man sich auch schlecht entziehen. John war ein Jahr älter als ich. Seine Eltern hatten eine Reihe von Restaurants und eine Villa außerhalb der Stadt. Aber er konnte mich damit nicht ködern. Wir beide waren nur gute Freunde. Sehr gute Freunde. Manchmal diente ich ihm als Alibi, wenn er irgendwo versackt war und sein Alkoholpensum über die Strenge schlug. Seine Eltern hatten in diesem Fall kein Verständnis und so half ich ihm oft aus der Patsche. An diesem besagten Abend lernte ich Tishon kennen. Er war anscheinend ein alter Freund von John. Sie hatten sich zwar jahrelang nicht mehr gesehen, aber er schien ganz nett zu sein. Nach ein paar Gläsern Champagner verabredeten wir uns beide. Zum Essen, für den kommenden Abend, in einem vornehmen Nobelrestaurant. Ich war ganz aufgeregt.Wann hatte ich mich schon Mal, mit einem Mann verabredet? Wahrscheinlich hatte Tishon keine Schwierigkeiten damit. Nicht nur, dass er hervorragend aussah mit seinem kurzen schwarzen Haaren und seinen dunklen Augen. Nein, er hatte auch einen sehr muskulösen Körper. Sicher ging er regelmäßig in ein Fitnessstudio oder war sonst irgendwie sportlich aktiv. Sein englischer Akzent ließ mich förmlich dahinschmelzen. Tishon wartete bereits an einem Tisch auf mich und hatte schon eine Flasche Champagner bestellt, die in einem Sektkübel bereitstand. Nach einem ausführlichen Essen machten wir einen Spaziergang, im naheliegenden Park. Dieser war jetzt im Sommer gut besucht. Er erzählte mir von seinen Auslandsreisen und seiner Arbeit, als Kunstsachverständiger, bei seinen ausländischen Auftraggebern. Dadurch kam Tishon weit in der Welt herum, was ich von mir nicht gerade behaupten konnte. Kein Wunder, das John ihn eingeladen hatte, mit seinem Fachwissen. Als wir durch den abendlichen Park gingen, legte Tishon wie selbstverständlich seinen Arm um mich und sprach einfach weiter. Ehrlich gesagt störte es mich nicht wirklich, ja, ich genoss es sogar. Ich fand es schön, dass ein Mann so sein Interesse an mir zeigte. Die meisten interessierten sich eher für mein Bankkonto, als für mich. Bei ihm schien es anders, dachte ich damals jedenfalls. Ich fand ihn sehr charmant und witzig. Allerdings glaube ich, dass ich mehr als nur berauscht von ihm und seinem männlichen Charme war. Dies war mir überhaupt nicht wirklich bewusst. Im Nachhinein wusste ich auch warum. Er hatte mir lösliche Psychopharmaka, also K.-o.-Tropfen verabreicht und dadurch wusste ich überhaupt nichts mehr.
***
Ein lautes Hupen brachte mich in die Gegenwart wieder zurück. „Bist du blöd da vorne?! Es ist grün! Fahr endlich, dumme Nuss!“ Verdammt, ich sollte nicht nachdenken und dabei Auto fahren. Wahrscheinlich würde ich gleich in den nächsten Graben landen. Ich beschloss erst einmal irgendwo anzuhalten und in einem Café etwas zu trinken. Mit wackligen Beinen betrat ich eine kleine Gaststätte und setzte mich an einen Ecktisch. Nachdem ich einen Kaffee bestellt hatte, vertiefte ich mich in die Straßenkarte, die ich mir extra besorgt hatte. Zugegeben das kleine Dorf mitten auf einem Berg, umgeben von extrem viel Wald, sollte mir meine innere Ruhe wiedergeben. Aber ob ich das auch wirklich durchziehen würde, war eine andere Sache. Judith, meine langjährige Freundin, hatte ein hübsches Ferienhaus in einem kleinen Dorf. Anscheinend lag dieser Ort im nordwestlichen Teil des Rheinischen Schiefergebirges. Ich hatte schon erhebliche Mühe, das Dorf überhaupt auf einer Straßenkarte zu finden. Okay, nach meiner Karte konnte es nicht mehr weit sein. Vielleicht wusste die Kellnerin, wie weit ich noch fahren musste? Ich winkte sie zu mir und sprach sie an: „Entschuldigen Sie bitte. Könnten Sie mir vielleicht sagen, wie weit ich noch zu diesem Ort fahren muss? Nach meiner Karte zu urteilen, kann es nicht mehr weit sein.“ Erstaunt schaute die junge Frau auf die Karte und musterte mich eingehend. „Das ist hier ganz in der Nähe. Wollen Sie dort jemanden besuchen?“ Ich schluckte. War das so offensichtlich oder passte ich generell nicht hierher? Zugegeben ich hatte meine Nobelsachen, gegen etwas legere Kleidung eingetauscht. Aber scheinbar sah man mir dennoch an, wo ich sonst zu Hause war. Die Bedienung, so Mitte Zwanzig, sah mich abwartend an und ich wusste nicht so recht, was ich darauf antworten sollte. „Ich besuche meine Freundin, Judith Shoranth. Kennen Sie sie vielleicht?“ Die junge Frau schüttelte den Kopf und reichte mir wieder die Karte. „Tut mir leid, ich kenne nur die Einheimischen aus dem Dorf. Ansonsten habe ich keinen Kontakt. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei Ihrer Freundin.“ „Tina! Du wirst nicht fürs schwätzen bezahlt, also mach dich in die Küche!“ „Ich muss gehen. Möchten Sie noch einen Kaffee oder etwas anderes?“ Ihre ruhige Art machte mir ein wenig Mut, bei der ganzen Sache hier. In diesem seltsamen nirgendwo. „Bringen Sie mir bitte noch einen Kaffee und die Rechnung.“ Gesagt getan. Tina brachte mir meinen Kaffee und ich bezahlte die Rechnung, mit einem guten Trinkgeld. „Vielen Dank, für Ihre Hilfe Tina.“ Sie nickte wortlos und verschwand hinter dem Tresen. Nach einer Weile saß ich wieder im Auto und fuhr eine Straße, eher gesagt einen befestigten Feldweg entlang. Wenn das die normalen Straßen waren, wie sahen dann erst die Feldwege aus? Irritiert hielt ich an und sah wiederum auf meine Straßenkarte, anscheinend gab es nur diese Straße, also weiter. Nach etwa einer Stunde kam ich endlich an dem besagten Haus an und sah mich verwundert um. Zugegeben das Haus wirkte von außen, wie ein älterer Bungalow aus den Siebzigern. Es war umgeben von hohen Tannen. Der Bungalow hatte einen gepflegten Vorgarten, eine Doppelgarage und eine Satellitenanlage. Na ja, wenigstens hatten sie Fernsehen, das machte die Sache schon etwas erträglicher. Meinen Wagen stellte ich vor der Garage ab und machte den Motor aus. Erst einmal sehen, ob der Schlüssel überhaupt passt. Judith hatte mir einfach den Schlüssel und eine Wegbeschreibung vorbeigebracht. Sie sagte mir, dass sie das Ferienhaus nur selten nutzten, weil es viel zu ländlich war. Allerdings hatte sie aber anscheinend jemanden, der sich um das Haus und den Garten kümmerte. Ich fragte mich, wie lange Judith schon nicht mehr hier gewesen war. Nach ihrer Aussage, hatte sie das Haus von ihrer Oma geerbt und...