Lahusen | Rechtspositivismus und juristische Methode | Buch | 978-3-942393-20-1 | sack.de

Buch, Deutsch, 238 Seiten, GB, Format (B × H): 140 mm x 220 mm, Gewicht: 451 g

Lahusen

Rechtspositivismus und juristische Methode

Betrachtungen aus dem Alltag einer Vernunftehe
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-942393-20-1
Verlag: Velbrück

Betrachtungen aus dem Alltag einer Vernunftehe

Buch, Deutsch, 238 Seiten, GB, Format (B × H): 140 mm x 220 mm, Gewicht: 451 g

ISBN: 978-3-942393-20-1
Verlag: Velbrück


Der Inhalt des positiven Rechts ist sein Gebrauch vor Gericht – eine Gebrauchstheorie des Rechts, die alle Strukturen, Linien, Verbindungen der Gerichtstätigkeit hinter den Paravant der Praxis zieht und dem vorausschauenden Blick der Rechtssuchenden nur noch die zeitlose Rechtsproduktion offenbart, in der Fall auf Fall entschieden, Urteil für Urteil erlassen, Recht für Recht gesprochen wird, Monaden, Fragmente, Partikel, Splitter, die keine Geltung entfalten, weder in der Vergangenheit noch für die Zukunft. Alles Recht ist Richter-Recht.

Die geläufige Unterstellung, das Wesen des Rechtspositivismus liege im realitätsvergessenen Nachvollzug legislativer Vorgaben, ist längst als Legende entlarvt. Von diesem historischen Befund ausgehend, versucht die Studie, das Zeitalter der Vollpositivierung allen Rechts theoretisch zu rekonstruieren: das Netz von juristischen Kommunikationen nachzuzeichnen, das sich seit dem 18. Jahrhundert über die Rechtswelt legte – hunderte Zeitschriften, tausende Monographien, zehntausende Aufsätze und unzählige Urteile, die einander widersprachen, ergänzten und korrigierten. Daraus entwickelte sich ein Rechtsdiskurs, der sich in seiner Komplexität bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts jeder Steuerung von außen entzog. Recht-Sprechung wurde zum Selbst-Gespräch. Die Realität des Richterstaats ist demnach keine Überwindung des Positivismus; sie ist vielmehr dessen volle Entfaltung.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einführung

I. Theorie

Recht gilt. Positives Recht ist geltendes Recht. Rechtswissenschaft.
Gustav Hugo: Dogmatischer Alltag und theoretische Beobachtung. Historismus. Organismus. Zeitlosigkeit. Hans Kelsen: Grundnorm. Blut und Boden. Naturrechts-Renaissance. Rechtstheorie-Renaissance.
Niklas Luhmann: Paradoxie. Recht gilt, weil es gilt.

II. Recht

1. Recht
2. Rechtsformen
3. Rechtsverwaltung

III. Verfahren

1. Methode
2. Öffentlichkeit
3. Begründung

IV. Praxis

Rein ist nur die Theorie.
Praktiker I: Rudolf von Jhering.
Praktiker II: Gustav Radbruch. Praxis geht vor Theorie. Menschen machen Recht. Juristische Begründungslehre ist allen Anforderungen gewachsen. Gewölk, Gewebe, Gespinst. Rechtspragmatismus. Möglichkeitssinn. Wirklichkeitssinn. Notwendigkeitssinn. Recht gilt.


"Die juristische Methodologie ist eine der letzten Zufluchtsstätten für naturrechtliches Denken. Der Glaube an vorgegebene Werte, Normen, Regeln, die sich verlustfrei erkennen und auf einen konkreten Einzelfall anwenden ließen, hat sich nur bei denen halten können, die eine positivistische Grundlegung des Rechts bis heute entschieden ablehnen. Allerdings trägt diese Methode in ihrer deduktiven Ausrichtung an Vorgegebenheiten und Vorfindlichkeiten deutlich Züge eben jener positivistischen Vorgehensweise, von der sich die Wertjuristen der Gegenwart gerade absetzen möchten; eine 'positivistische' Rechtsanwendungslehre können sich nur Naturrechtler leisten.
Rechtspositivisten dagegen müssen ohne 'positivistische' Methodologie auskommen. Die geläufige Unterstellung, das Wesen des Rechtspositivismus liege im realitätsvergessenen Nachvollzug legislativer Vorgaben, ist längst als Legende entlarvt. Von diesem historischen Befund ausgehend, versucht die Studie, das Zeitalter der Vollpositivierung allen Rechts theoretisch zu rekonstruieren und zu resümieren.
Der Beginn dieses Zeitalters liegt in einem rein tatsächlichen Vorgang: der Entstehung eines juristischen Diskurses über Fragen des Rechts im Verlaufe des 18. Jahrhunderts. Dabei haben die Rechtsarbeiter in unermüdlichem Fleiß ein Netz von juristischen Kommunikationen gewirkt, das bald die gesamte Rechtswelt überspannte und sich in seiner Komplexität jeder Steuerung von außen unwiderruflich entzog. Auf einer theoretischen Ebene hatte dies die Trennung von dogmatischem Akteur und wissenschaftlichem Beobachter zur Folge. Mit der Rechtstheorie wurde eine neue Disziplin geschaffen, in der die Beobachter ihren eigenen Platz erhielten, um die Besonderheiten des rechtswissenschaftlichen Tagesgeschäfts aus sicherer Distanz zu reflektieren. Dies war vor allem deshalb möglich, weil seit Ausgang des 18. Jahrhunderts Entscheidungszwang und Rechtsquellenlehre sicherstellten, dass die praktische Rechtsarbeit niemals aufhören würde: Von Rechts wegen waren Richter verpflichtet, alle Rechtsfragen nach rechtlichen Maßstäben zu beantworten. Signalisiert wird dieser neue Globalanspruch durch das Aufkommen eines neuen Wortes: Rechtssicherheit.
Freilich war diese Sicherheit ihrerseits abhängig von gewissen medialen Anpassungen. Sollte das Rechtsgespräch wirklich nie abreißen, bedurfte es eines juristischen Dokumentationsdienstes, der für jede Lage ein passendes Argument bereithielt. Die traditionellen Monographien und Handbücher erwiesen sich im Strom der Rechtskommunikation als zu schwerfällig und mussten durch beweglichere Formen, Zeitschriften, en, Anmerkungen ergänzt werden. Diese Flexibilität erhöhte auch die Anforderungen an das juristische Personal. Die juristischen Berufe wurden professionalisiert und zugleich der Oberaufsicht des Staates entzogen, dessen Stelle Kammern und andere Vereinigungen einnahmen. Bis spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich auf diese Weise ein Rechtsbetrieb, dessen Erzeugnisse in jeder Hinsicht selbstbestimmt produziert wurden. Recht-Sprechung wurde zum Selbst-Gespräch...."


Lahusen, Benjamin
Benjamin Lahusen ist seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Er hat in Tübingen, Lausanne, Berlin (HU) und New York (Columbia) Rechtswissenschaft studiert, war nach dem ersten Staatsexamen drei Jahre Doktorand am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main, wurde am Berliner Kammergericht zum Volljuristen ausgebildet und hat danach fünf Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Rostock gearbeitet.

Benjamin Lahusen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Privatrecht, Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie der Universität Rostock. Veröffentlichungen u.a.: Portraits zu Carl Schmitt (Lettre 85, 2009), zu Gustav Radburch (Die Zeit 46/2009) und Hugo Preuß (Die Zeit 43/2010). Mitherausgeber der Zeitschrift Myops. Berichte aus der Welt des Rechts (München: C. H. Beck). (Herausgeber mit Dieter Simon): Zufall, Abfall, Ausfall. Rezensionen und Beobachtungen zur rechtstheoretischen Gegenwartsliteratur (Klostermann: 2008).



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