E-Book, Deutsch, 176 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
Landmesser / Hiller Wahrheit – Glaube – Geltung
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-374-05995-9
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Theologische und philosophische Konkretionen
E-Book, Deutsch, 176 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm
ISBN: 978-3-374-05995-9
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In einer Zeit, in der sich unterschiedliche und zuweilen widersprechende Wahrheiten nahezu täglich neu Geltung verschaffen, müssen die Wahrheits- und Geltungsansprüche des christlichen Glaubens überprüft und in einer steten Interpretation der biblischen Texte vergegenwärtigt werden. Sich in den vielfältigen Deutungen der Großbegriffe zu orientieren und theologische und philosophische Konkretionen zu formulieren, hat sich die 20. Jahrestagung der Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie zur Aufgabe gemacht. Der Sammelband dokumentiert deren Erträge.
20 Jahre waren auch Anlass für eine Rückschau. Neben zwei Beiträgen der beiden Vorsitzenden findet sich deshalb auch eine Übersicht zu den Vorstandsmitgliedern sowie zu den Themen und Vorträgen der Jahrestagungen.
Mit Beiträgen von Volker Gerhardt, Corinna Körting, Michael Labahn, Malte Dominik Krüger, Isolde Karle, Ulrich H. J. Körtner und Christof Landmesser.
[Truth – Faith – Validity. Theological and Philosophical Concretions]
In a time where different and sometimes contradicting truths assert themselves almost on a daily basis the claim of truth and validity of the Christian faith must be reappraised and envisioned through a constant exegesis of biblical texts. The focus of the 20th Annual Meeting of the Rudolf Bultmann Society for Hermeneutical Theology was on finding an orientation in the various interpretations of main concepts and on formulating theological and philosophical concretions. This volume documents the outcome.
The 20th anniversary has also been a reason for retrospect. Therefore, overviews of board members as well as topics and lectures from the Annual Meetings are accompanying two articles by the presidents of the board.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Systematische Theologie Christliche Philosophie
- Geisteswissenschaften Philosophie Religionsphilosophie, Philosophische Theologie
- Geisteswissenschaften Religionswissenschaft Religionswissenschaft Allgemein Religionsphilosophie, Philosophische Theologie
Weitere Infos & Material
GEFÄLLIGE WORTE – WAHRE WORTE
Das alttestamentliche Plädoyer für die Wahrheit Corinna Körting 1. EINSTIEGE IN DAS THEMA
Die Überschrift des Beitrags ist angelehnt an Koh 12,10. Ein Bewunderer Kohelets schreibt eine Art Resümee über dessen Worte. Dieses Resümee ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es ist die einzige Passage, an der im Buch Kohelet überhaupt von Wahrheit () gesprochen wird. Kohelet selbst argumentiert, sicherlich bedacht, nicht mit . Nun lautet der gesamte Vers: Koh 12,10 »Kohelet suchte gefällige Worte zu finden
und schrieb1 richtig nieder wahre Worte.« Die Überschrift dieses Beitrags lässt noch offen, was in einer Übersetzung entschieden werden muss. Was lässt sich über das Verhältnis von gefälligen Worten und wahren Worten aussagen? Stellen sie einen Gegensatz dar? Können wahre Worte überhaupt gefällige Worte sein? Worin genau besteht die Qualität der Worte Kohelets, dass sein Bewunderer sie als »wahr« bezeichnen kann? Nun ist aber nicht nur v10, sondern der Abschnitt Koh 12,9-11 insgesamt in den Blick zu nehmen. Koh 12,9 »Und außerdem war Kohelet ein Weiser ()
mehr noch lehrte er das Volk Erkenntnis ();
er hörte und erforschte und berichtigte viele Sprichwörter ().
V10 Kohelet suchte gefällige Worte zu finden
und schrieb richtig nieder wahre Worte.
V11 Worte von Weisen sind wie Ochsenstacheln,
und wie eingeschlagene Nägel sind gesammelte Sprüche,
sie wurden von einem Hirten gegeben.« Wahre Worte sind, so Koh 12,9-10, das Resultat eines Auswahlprozesses.2 Hören, prüfen und berichtigen sind unabdingbare Arbeitsschritte auf dem Weg zu wahren Worten. Der Auswahlprozess ist durch ein einziges Ziel gesteuert, nämlich der Lehre von Erkenntnis. Doch nicht nur wahre, sondern auch »gefällige Worte« sind Resultat des Prozesses. Sie stehen nicht im Gegensatz zu den »wahren Worten« oder bilden nur den Pool, aus dem die wahren Worte gewählt werden. »Gefällig« wird in der Regel mit »formschön, eingängig, ansprechend« als typisches Merkmal weisheitlicher Sprüche gedeutet.3 Kohelets Sprüche tragen diesmal folglich ebenso wie das Siegel »wahr«.4 Dem stellt v11 die Worte der Weisen gegenüber. Diese werden, anders als die Worte Kohelets, mit Ochsenstachel und Nagel verglichen. Ein Ochsenstachel treibt an, ein Nagel festigt. Das vermögen sie, mehr aber auch nicht. Sie sind eben »nur« Worte eines Hirten, Resultat harter, grober Arbeit.5 Sie sind nicht falsch, jedoch auch nicht wahre Worte.6 Wahre Worte hingegen sind schön, gut klingend. Auch wenn die ersten Fragen damit beantwortet zu sein scheinen, d.h. der aufgemachte Gegensatz ist gar keiner. Auch wenn »wahre Worte« sich dadurch auszeichnen, dass sie zur Erkenntnis führen, ist noch nicht viel gewonnen, um sich dem Wahrheitsbegriff des Alten Testaments zu nähern. Machen wir uns also auf die Suche nach Wahrheit. ) und »Wahrheit« () zusammen gebraucht werden. Was mit »Suche« umschrieben wird, bezeichnet eher einen Auswahlprozess als die Suche nach der Wahrheit, die verborgen sein könnte. gehört auch in das hier zu verhandelnde semantische Feld, häufiger übersetzt mit »Wahrhaftigkeit«.7 Unter diesen Prämissen kommt immerhin eine einzige weitere Passage in den Blick. In Jer 5,1 heißt es: »Zieht durch die Gassen Jerusalems
und seht doch nach und erkennt und sucht auf ihren Plätzen,
ob ihr nicht einen Mann findet,
der Recht tut () und Wahrhaftigkeit () sucht ()
und ich will ihr vergeben« (Jer 5,1). Es handelt sich hier um eine Rede Jhwhs, die darauf abzielt zu erklären, weshalb Jhwh das Gericht vollziehen musste. Man kann sich wieder und wieder auf die Suche machen, doch es wird niemand zu finden sein, der Recht tut () und Wahrhaftigkeit sucht (). Selbst wenn man mit einem Eid die Wahrheit beschwor, so war die Möglichkeit einer Lüge damit nicht ausgeschlossen. Suche nach Wahrhaftigkeit ist nach Jer 5,1 das Streben nach, das Bemühen um Wahrhaftigkeit als gerechtes Handeln, d.h. als dem Willen Gottes gemäßes Handeln.8 Die Suche nach Wahrheit als die Suche nach einem Ideal oder einer Norm, unverrückbar und unverstellt, ist hier nicht gemeint. Das macht auch Dtn 13 deutlich. Mit der Wortwahl »suchen« () und »Wahrheit« () in v15 wird dazu aufgefordert zu prüfen, ob ein Verstoß gegen das Fremdgötterverbot vorliegt. Die Suche nach Wahrheit dient der Feststellung der Richtigkeit der Vorwürfe (s.a. Dtn 17,4).9 ) und der Erkenntnis () als die nach der Wahrheit ist, die die alttestamentlichen Schriften bewegt. Das Ergebnis sieht etwas erfreulicher aus.10 Nach Prov 14,6 findet der suchende Spötter keine Weisheit, dem Kundigen ist das Finden jedoch möglich. Besonders optimistisch zeigt sich in dieser Hinsicht auch der noch spätere Sirach (51,26): »Nahe ist sie (die Weisheit) denen, die sie suchen, und wer sich hingibt, wird sie finden.«11 Skeptisch hingegen ist Kohelet selbst. »Ich nahm mir vor, zu erkennen ()
und zu erkunden () und zu suchen ()
Weisheit () und die Summe der Dinge ()« (Koh 7,25).12 Und doch muss Kohelet festhalten: »Ich sprach, ich will Weisheit erlangen, aber sie blieb mir fern« (Koh 7,23b).13 ) und Einsicht (): Sie alle dürfen nicht verkauft werden. Nach Ps 51,8 wünscht sich der Beter Weisheit (), damit Wahrheit () in seinem Innersten sei.14 Und schließlich werden ja wahre Worte ausgewählt, um Erkenntnis zu lehren. Kohelet muss sich in all seinem Zweifel und seiner Skepsis zumindest mit der traditionellen Überzeugung auseinandersetzten, dass Weisheit gesucht und aufgedeckt werden kann, dort, wo sie im Verborgenen schlummert. Für die Wahrheit jedoch stellt sich diese Herausforderung nicht. Ich will an dieser Stelle die These wagen, dass Wahrheit und das wahre Wort gerade nicht aufgedeckt werden müssen.15 Wahrheit ist vielmehr offenbar. 1.1 Kleine Einblicke in die Forschungsgeschichte
Die Ansätze, die ich bisher gezeigt habe, will ich in ihrem Ertrag noch nicht bewerten. Soviel ist jedoch an dieser Stelle schon festzuhalten: Weder mit Klischees, dass Wahrheit bitter sein müsse wie wirksame Medizin, noch mit einer reinen Begriffssuche wird man dem nahekommen, was sich über Wahrheit im Alten Testament oder auch nur in einzelnen seiner Bücher sagen lässt. Bevor ich jedoch weitere Ansätze wage, will ich kurz auf zentrale Aspekte der alttestamentlichen Forschung zum Wahrheitsbegriff eingehen. zu fragen, ist durchaus unterschiedlich. Während u.a. Wolfram von Soden die Identifikation von Wahrheitsanspruch der biblischen Schriften und historischem Wahrheitsgehalt voneinander trennt,16 ist Bultmann um die Allgemeingültigkeit der Wahrheit des Glaubens bemüht.17 und ????e?? grundsätzlich voneinander zu unterscheiden seien, wobei ????e?? ihrer Ansicht nach auf ein ontologisches Bedeutungsspektrum zurückgreift, welches die Wirklichkeit eines Tatbestandes und die Wahrheit eines Sachverhaltes voraussetzt und auch der scholastischen Definition eines »veritas est adaequatio rei et intellectus« gerecht wird.18 Wolfram von Soden versucht anhand einer Begriffsanalyse deutlich zu machen, dass ein unkritisch aus der griechischen Philosophie übernommener Wahrheitsbegriff, der sich an der Übereinstimmung von Aussage und Wirklichkeit orientiere, dem Alten Testament nicht angemessen sei.19 Es geht ihm um eine grundlegende Unterscheidung von Altem Orient und Altem Testament einerseits und den griechisch-philosophischen Traditionen andererseits. Für von Soden gilt: Wie das akk. kittum seien auch und auf Kontinuität ausgerichtet, und zwar auf die Kontinuität eines zwischenmenschlichen Verhältnisses sowie des Verhältnisses zwischen Mensch und Göttern.21 und ????e??.22 Er erreicht über die Abgrenzung jedoch eine Tiefenschärfe gerade hinsichtlich der ????e??. Während sich seiner Ansicht nach in erster Linie über das konkrete Miteinander von Gott und Mensch mit einem Anspruch an den einzelnen erschließt und damit ein eminent geschichtlicher Anspruch ist, ist ????e?? das Zeitlose, Unwandelbare und Ungeschichtliche. Mittels göttlicher Offenbarung kundgetan bleibt diese Wahrheit dem Dasein jedoch immer äußerlich.23 und ????e?? müssen daran scheitern, dass sie Maßstäbe an den hebräischen Begriff anlegen, die nicht die seinen sind: Zeitlich und überzeitlich ist kein Maßstab, ebenso wenig wie »Satzwahrheit versus existentieller bzw. performativer Wahrheit«.24 Das Spannungsfeld, in dem sich von Soden und Bultmann bewegen, ist neben theologischen Prämissen durch die Herausforderungen einer Begriffsanalyse gekennzeichnet,25 die sich nicht allein aufgrund etymologischer Herleitungen, sondern in der jeweiligen Anwendung, d.h. im Kontext bewähren muss.26 Intensive Auseinandersetzungen mit sind schließlich vor allem mit dem Namen Diethelm Michel verbunden. Bereits 1964 in der den Begriffen und gewidmeten unveröffentlichten Habilitationsschrift27 und 1968 in einer allein der Untersuchung von gewidmeten Studie kommt Michel zu Ergebnissen, die die in der Forschung zwischen Altem Orient und Altem Testament einerseits und griechischem Sprachraum aufgemachte Distanz von zu ????e?? nicht einfach so gelten lassen. Vor allem...