Law | Der Schimmer des Ledger Kale | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Law Der Schimmer des Ledger Kale


1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-646-92086-4
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-646-92086-4
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Stell dir vor, deine Schwester wagt sich nur noch mit Sturzhelm in deine Nähe. Die Harley Davidson des Sheriffs zerfällt in ein Chaos aus Chrom und Stahl, nur weil du zufällig daran vorbeiläufst. Und eine neugierige Möchtegern-Journalistin wittert die Story ihres Lebens und heftet sich an deine Fersen.

All das ist mir passiert, seit mich an meinem dreizehnten Geburtstag mein Schimmer erwischt hat. Ich bin Ledger Kale, der Junge, der alles zerstört, was aus Metall ist. Und ich habe keine Ahnung, wie ich diesen Schimmer in den Griff bekommen soll.

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1 Mom und Dad hatten bereits vor Monaten von der Hochzeit auf Onkel Autrys Ranch erfahren. Aber da sie nur zehn Tage nach meinem dreizehnten Geburtstag gefeiert werden sollte, zögerten meine Eltern die Zu- oder Absage so lange wie möglich hinaus. Wir mussten abwarten, bis mein Geburtstag vorbei war. Wir mussten erst sehen, ob irgendetwas explodierte, in Flammen aufging oder überschwemmt wurde, bevor wir in unserem Minivan die lange Reise durch vier Bundesstaaten antraten. In meiner Familie waren dreizehnte Geburtstage wie Zeitbomben, nur ohne brennende Zündschnur oder piependen Countdown, der einem verriet, wann man besser Ohrstöpsel einsetzen, in Deckung gehen und sich auf etwas gefasst machen oder schleunigst Reißaus nehmen sollte. Ich wusste schon seit Jahren, dass ich etwas in mir hatte, in Herz und Hirn und Ohren und Poren, das nur darauf wartete, mich irgendwann sonderbar hoch zehn zu machen. An meinem dreizehnten Geburtstag würde eine geheimnisvolle, von meinen Vorfahren ererbte Macht wie der Blitz in mich hineinfahren und mir mein ganz spezielles verrücktes Talent verleihen. Meinen ganz speziellen Schimmer. Und mich in einen ebenso großen Sonderling verwandeln, wie es alle in meiner Familie waren. Die Familie meiner Mutter war schon immer mehr als ein bisschen anders gewesen. Ich bezweifle, dass es viele Jungs gibt, die eine zeitreisende Großtante haben, einen Opa, der aus flunderflachem Land Berge und Täler formt, und Cousins, die elektrisch geladen sind, Gedanken lesen oder sich – Simsalabim! – in Luft auflösen können. Ich hatte sogar einen Großonkel, der Hagelkörner spuckte wie Melonenkerne und Wasser in Dampf vergurgeln und zu seinen Ohren wieder herausblasen konnte. Großonkel Ferris wiederum hatte der Schimmer an seinem dreizehnten Geburtstag im Klohäuschen überrascht – mit einem plötzlich einsetzenden, sonnenhellen Schneesturm, der das kleine Häuschen wie eine überladene Kühlbox umkippte und mit Ferris darin den Hügel hinunterrollen ließ. Was mich betraf, so war ich mir sicher gewesen, dass mein Geburtstag es besser mit mir meinen würde – dass ich den perfekten Genmix besaß, um schneller zu werden als der Schall. Im Unterschied zu Mom war Dad ganz normal, aber selbst ohne Schimmer gehörte er zu den besten Läufern von Vanderburgh County. Also war es doch praktisch unausweichlich, dass ich der schnellste Junge im Leichtathletik-Team meiner Schule werden würde. Ja, der schnellste Junge der Welt. Aber nichts lief, wie ich erhofft hatte. Zum dreizehnten Geburtstag bekam ich keine größeren, leistungsfähigeren, stärkeren Muskeln, mit denen ich plötzlich Lichtgeschwindigkeit erreichte. Auch die Fähigkeit, in der Gluthitze des Sommers Schneestürme zu entfesseln, wurde mir nicht zuteil. Aber es war keineswegs so, dass ich leer ausgegangen wäre. Ihr Uhren und Scheibenwischer überall, nehmt euch in Acht! Ich konnte Sachen zerstören, ohne sie auch nur zu berühren, und zerlegte kleine Gegenstände im Handumdrehen in ihre Bestandteile: einen Lichtschalter hier, einen Türknauf da, die Fernbedienung fürs Garagentor, Dosenöffner, Dads Stoppuhr und den elektrischen Nasenhaartrimmer noch dazu. Nach den ersten Vorfällen schob ich alles, was ich nicht selbst wieder hinbekam, unter mein Bett. Mom und Dad sollten nicht erfahren, wie viel ich demolierte. Ich sah meine Zukunft schon genau vor mir: kein Training mehr mit Dad für den gemeinsamen Halbmarathon im Herbst, kein Leichtathletik-Team mehr, keine Schule, keine Freunde. Anstatt die Jungs in der Cafeteria mit geriffelten Gurkenscheiben zu bewerfen, würde ich zu Hause sitzen und in Gurkengläsern Moos züchten wie meine Beaumont-Cousins. Wenn ich nämlich Josh und Ryan und Brody Sandoval mit Deckenpaneelen oder Tischbeschlägen traf statt mit einer Ladung Baby-Essiggurken, dann würden Josh und Ryan das vielleicht noch mit einem Lachen abtun; aber Brody, das Großmaul, erzählte es garantiert überall herum – und das würde zu Hause gar nicht gut ankommen. Denn unsere Familienregel lautete: Mund halten. Niemand ging das Risiko ein, das Familiengeheimnis zu verraten, es sei denn, er hatte keine andere Wahl. Wir konnten ja unmöglich abschätzen, was passieren würde, wenn die Leute herausfanden, dass wir nicht normal waren. Die Netteren würden uns vielleicht wegen unserer Fähigkeiten anheuern wollen. Die weniger Netten würden uns womöglich in eine Freakshow stecken oder einsperren, um uns zu untersuchen und unser Genom zu entschlüsseln. Mir war diese Verschwiegenheit ganz recht. Die Begabung, einen Toaster zu zerlegen, war nichts, womit ich prahlen wollte. Es half auch, dass Dad die Realität verleugnete, während Mom alles unter Kontrolle zu haben glaubte. In den Augen meiner Eltern war ich einfach Ledger Kale, ein ganz normaler Teenie-Tölpel, der dauernd Dinge demolierte. Und ich ließ sie gerne in dem Glauben. Also sagten Mom und Dad für die Hochzeit zu, und wir packten unsere Sachen und machten uns auf den Weg nach Westen, nach Wyoming. Es dauerte nicht lange, bis alle diese Entscheidung bereuten. Dad holte zwar das Letzte aus dem Minivan raus, um rechtzeitig da zu sein, aber eine endlose Pannenserie zwang uns immer wieder zum Anhalten. In Missouri verlegte ich den Auspuff an die falsche Stelle, in Nebraska sprengte ich den Tachometer und in South Dakota sorgte ich dafür, dass wir auf drei Reifen ins Schleudern kamen. Während ich Dad half, das Rad wieder einzufangen, das sich selbstständig gemacht hatte, beschlich mich die Angst, dass es beim nächsten Mal das gesamte Getriebe treffen könnte. Mit jedem neuen Missgeschick versank ich tiefer in meinem Sitz. Ich wünschte mir verzweifelt, mein Schimmer würde weggehen, und versuchte meine Schwester zu ignorieren. Die trug seit meinem Geburtstag pausenlos einen viel zu großen Footballhelm und schüttelte darin den Kopf über mich. »Ledger!« Mom drehte sich zu mir um. »Wenn du für diesen Ärger verantwortlich bist, dann hör damit auf.« »Allerdings, Ledge«, meldete Fedora sich zu Wort. »Sicherheit sei stets dein Ziel, bei Schule, Sport und Spiel!« Fe hatte in der zweiten Klasse eine Lehrerin mit einem Sicherheitsfimmel gehabt; deren denkwürdigste Sprüche trug sie seither mit sich herum, um sie bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit an den Mann zu bringen. »Ich meine es ernst«, fuhr Mom fort. »Bleib ganz ruhig – und vor allem, lass die Sachen in Ruhe –, bis wir in Wyoming sind.« Sie lächelte mich breit und bedrohlich an, und diesem Lächeln konnte kaum jemand auf der Welt widerstehen. Moms Schimmer funktionierte als eine Worte-plus-Lächeln-Kombi, gegen die sich niemand wehren konnte. Auf diese Weise hatte sie meine Schwester und mich dazu gekriegt, unseren Brokkoli aufzuessen und allzeit unsere Zimmer in Ordnung zu halten, und Dad vergaß nie, den Müll rauszubringen, auch wenn er manchmal die Augen verdrehte, bevor er aus der Tür ging. Dinah Kales Schimmer verlieh ihr die Kontrolle. Einmal hatte sie sogar einen Bankräuber aufgehalten, nur indem sie ihm befahl, sich hinzusetzen und still zu sein. Mit diesen wenigen Worten und ihrem Lächeln hielt sie ihn fest, bis die Polizei kam. Mom dämmerte es wohl allmählich: Je länger ich in diesem Minivan gefangen saß, desto größer wurde die Gefahr, dass ich ihn in ein Einrad verwandelte. Mein Schimmer kribbelte und juckte mich schon unter der Haut. Noch so eine Nummer wie die mit dem Reifen, und meinen Eltern würde wohl nichts anderes übrig bleiben, als mich in die Antarktis zu schicken, wo mir nur Robben und Pinguine dabei zusehen konnten, wie ich den örtlichen Halbmarathon lief. Normale menschliche Bedürfnisse konnte Mom mit ihrem Schimmer allerdings auch nicht unterdrücken. Also fing ich an, Gatorade in mich hineinzukippen wie Onkel Ferris, wenn er sich darauf vorbereitet, einen Schneesturm anzuzetteln. Als ich das Ortsschild von Sundance, Wyoming, sah, der Stadt direkt vor Onkel Autrys Ranch, lagen vier leere Flaschen zu meinen Füßen und ich musste mehr als dringend die Kakteen wässern. »Wir müssen anhalten! Sofort!«, verkündete ich. »Ja, ich sterbe hier drin«, stimmte Fedora mit ein und zerrte an ihrem Sicherheitsgurt. »Mir fällt gleich der Hintern ab und ich hab Durst. Ledge hat alles ausgetrunken, was wir mithaben.« »Wollen wir einen kurzen Boxenstopp einlegen?«, schlug Mom mit einem Blick auf die leeren Flaschen seufzend vor. Dad nickte schicksalsergeben. Ich stieß ebenfalls einen Seufzer aus, vor Erleichterung darüber, dass mein Plan aufging. Die Deckenleuchte über mir rappelte schon gefährlich in ihrer Fassung. Die Stadt lag so still und ruhig da, als wäre der Geist von Sundance Kid, dem Wildwest-Ganoven, zurückgekehrt und würde dort spuken. Meine Fantasie quoll über von Kindergeschichten über tapfere Sheriffs mit klirrenden Sporen und maskierte Banditen, die Postkutschen ausraubten, aber die Straßen waren wie ausgestorben. Nicht einmal Steppenläufer wurden vom Wind über den Bürgersteig getrieben. Dad hielt vor einem zugenagelten T-Shirt-Laden mit einem großen roten Schild im Fenster. Auf dem Schild stand: ZWANGSVOLLSTRECKUNG. Ich wusste, was das Wort bedeutete: Der T-Shirt-Laden war Geschichte. Eine Vielzahl ähnlicher Schilder sprenkelte hier Vorgärten und Gebäude wie ein Giftefeu-Ausschlag. Ich kannte solche Hinweistafeln schon aus Indiana. Letztes Jahr hatte die Bank eine im Vorgarten von Großmaul Brody aufgestellt und damit gedroht, ihm sein Zuhause wegzunehmen; so still wie in dieser Zeit hatte ich meinen vorlauten Freund noch nie erlebt. »Macht aber flott, ihr zwei!« Mom lächelte resolut, während sie Fedora Kleingeld für etwas zu trinken in die Hand...


Law, Ingrid
Ingrid Law war lange auf der Suche nach ihrem Schimmer. Sie hat Schuhe verkauft, im Buchhandel gearbeitet und anderen Menschen geholfen, einen Job zu finden. Heute lebt sie mit ihrer Tochter in Colorado.Ihr erstes Buch, "Schimmer", wurde aus dem Stand heraus ein großer Erfolg.



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